Maggie

Henry Hobson, zu dessen bisherigen Beiträge zur Landschaft Hollywood man durchaus berechtigt schweigen kann, lieferte 2015 mit Maggie sein Spielfilmdebüt ab, dessen primärer Aufmerksamkeitsmagnet sein Hauptdarsteller ist: Arnold Schwarzenegger.
Wem das Konzept, dass Arnold Schwarzenegger in einem Zombiedrama mitspielt, bereits Sensation genug ist, bei dem kann der Film sowieso nur wenig falsch machen. Doch Arnie ist hier nicht nur werbewirksamer Schmuck, sondern eine echte Bereicherung für einen sehr guten Film, der die kleine Sparte des „intellektuellen Zombiefilms“ sinnvoll bereichert.

Dad, I’ve gone to the city. Please don’t come for me.

Story

Durch hartes Durchgreifen konnte die USA von der Zombie-Epidemie weitestgehend gesäubert werden. Hier und dort streifen noch ein paar Untote umher, doch die tatsächliche Gefahr scheint gebannt. Und langsam beginnt man mit der Wiederaufnahme des Alltags. Die infizierte Schülerin Maggie Vogel wird von ihrem Vater aus der Klinik abgeholt. Der weitere Verlauf ist klar: In den nächsten Wochen wird sich ihr Zustand verschlimmern. Dann muss sie zusammen mit den anderen Opfern in Quarantäne gebracht werden und Sterben. Die Zeit dazwischen darf sie noch im Kreis der Familie bleiben. Ihr Farmer-Dad Wade Vogel muss sich nicht nur mit Nachbarn rumschlagen, die der Gefahrenquelle in ihrer ländlichen Gemeinde wütende Blicke zuwerfen, sondern vor allem mit der Tatsache selbst, dass nun Abschied von seiner einzigen Tochter genommen werden muss.

Kritik

Das Setting selbst ist angenehm unaufgeregt, wenn auch die Ausgangsituation mehr als hanebüchen daherkommt – die große Plage scheint überstanden, Amerika schüttelt sich nur noch ein wenig unter ihren Nachwirkungen. Letztlich scheint es aber so, als wäre die Epidemie nur ein weiteres großes Übel gewesen, das es gemeinsam zu überwinden galt. So gibt sich die gezeigte Welt einigermaßen ruhig, zur Hälfte, weil sie hilflos und müde ist, zur Hälfte aber auch, weil sie unbeirrt weiterbesteht. Sie gewinnt vor allem durch die tristen Farben und die perfekte Ausleuchtung der Szenerien viel an Profil und Stimmung. Mürbe ist alles, grau, alt und durchzogen von Schatten verschiedener Stärke. Am Horizont rauchen Trümmer, die vorherige Grenzenlosigkeit der Highways wird nun strukturiert von Leuchtfeuern der ausklingenden Katastrophe – aber es gibt sie noch, die Highways, die Autos auf ihnen, die Supermärkte und das Geld. Es ist nur eben alles etwas leerer, grauer. Manchmal ist es sehr viel grauer, fast schon an der Grenze zum Schwarzweiß, so entsättigt ist die Welt. Und Entsättigung ist es wohl auch, was den Zustand des Landes am besten beschreibt. Das Haus der Familie Vogel aber ist getaucht in warme Farben, Familie ist der sichere Nukleus in dieser Zeit und wohl schon immer. Sie ist das Zentrum, das über allem steht. Ist sie sicher, gibt es auch Hoffnung.
Das selbstverliebte Klavier, das etwas zu oft etwas zu verträumte Melodien klimpert, ist das Element des Films, das am meisten stört. Ein weniger plattes, dafür aber durchdachteres musikalisches Konzept hätte dem Film ebenso wie totales Fehlen von Musik sehr viel besser zu Gesicht gestanden. Dafür aber stimmt der Rest. Die Geschichte wird mit Gemach erzählt, ohne eine Minute langweilig zu sein. Einige Aufnahmen sind vielleicht zu sehr auf kunstvollen Kleinfilm getrimmt, manche Montagen in all ihrer gekonnten Realisierung im Kern zu altbacken, doch was am Ende zählt ist die grundsätzliche Stimmung – und die stimmt. Maggie ist durchgehend düster, aber nie trist, nie ohne Hoffnung, nie hässlich. Angesichts der schweren Thematik ist das viel mehr als nur ein Achtungserfolg. Zu wissen, dass ein naher Mensch bald gehen wird, dass die Zeit mit ihm befristet ist, das ist die eigentliche Geschichte des Filmes. Und der zurückhaltende Schwarzenegger spielt seine Rolle des verzweifelten Vaters mit gebundenen Händen ebenso überzeugend wie gut. Schwarzeneggers Figur dient als perfekter Spiegel dieser Hoffnung und ihrer Qualität. Ein rüstiger, mürrischer Dickkopf von einem Farmer, Vater und Ehemann. Der Österreichische Dialekt passt zu der Figur vom Land, die eisernen Züge zu dem, was das Leben von ihm abverlangt. Aus seinem Gesicht lässt sich lesen. Die Augen werden feucht, ein kaum merkliches Zittern, Ohnmacht und Ausweglosigkeit in den Bewegungen. Nie war der gebürtige Österreicher mehr Schauspieler als in Maggie.
Auch die anderen zentralen Figuren des reduzierten Ensembles wissen zu überzeugen. Joely Richardson als seine Frau und Stiefmutter von Maggie bietet den logischen Gegenpart zum Farmer. Auch in ihr umspinnen sich Rauheit, sich beißende Gefühle, Schmerz und Beharrlichkeit. Das Ehepaar Vogel ist in seiner Darstellung intensiv und glaubhaft. Die Namensgebende Maggie wird gespielt von Abigail Breslin (Little Miss Sunshine, Zombieland, Signs), die eine überzeugende Darsellung eines pubertierenden Mädchens gibt, das verunsichert, vom eigenen Körper betrogen und irgendwie schon halb erwachsen ist. Wie jede in ihrem Alter und doch anders. Überhaupt lässt sich der gesamte Film auch hervorragend auf Parabel auf das Erwachsenwerden lesen.
Obschon Maggie hie und da besser sein könnte, heißt das mitnichten, dass der Film an irgendeiner Stelle schlecht sei. Im Gegenteil: Die kleinen Pannen spielen letztlich keine zu bedeutende Rolle, weil das Drama sowohl inhaltlich als auch ästhetisch mitnimmt und fesselt.

Fazit

Maggie ist eine tragische Indieperle, die ohne Schwarzenegger in der Hauptrolle viel weniger Aufmerksamkeit bekommen hätte – und mit ihm viel mehr als nur ein Aushängeschild bekam. Der rüstige Farmer ist das ernergetische Zentrum eines intensiven, hochatmosphärischen Zombie-Dramas mit Mut zur Andersheit.

Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel

Nach dem Überraschungs- und Achtungserfolg des ersten Mad Max folgte der bis heute in Sachen Endzeitszenario Maßstäbe setzende Mad Max II – Der Vollstrecker. Das Bindeglied zwischen diesem Kultfilm und dem gigantischen Mad Max: Fury Road ist Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel. Ein Film, der einerseits recht gut in die sich über die Filme entwickelnde Welt passt, andererseits ob seines überdrehten Gestus von vielen in die Zone des Vergessens verdrängt wurde.

But how the world turns. One day, cock of the walk. Next, a feather duster.

Story

Nach einer kurzen Auseinandersetzung mit Schergen der berühmt-berüchtigten Aunty Entity wird Max in die großgewachsene Wüstensiedlung Bartertown gebracht. Die angehende Matriarchin sieht in ihm schnell den richtigen Mann, um die Stadt endgültig unter ihre Kontrolle zu bringen. Denn sie braucht ein menschliches Werkzeug, das in einem Gladiatorenkampf gegen das lästige Duo Master und Blaster erfolgreich absolviert, damit ihrem Machtanspruch nichts mehr im Wege steht.
Die zu erzwingende Auseinandersetzung ist für Max Rockatansky aber erst der Anfang der Abenteuer in und um Bartertown.

Kritik

Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel hat verschiedenartige Stellenwerte inne, weil er so auffällig aus der Filmreihe herausfällt. Damit ist er natürlich nicht alleine, denn der erste Mad Max war natürlich mindestens ein ebensolcher „Ausreißer“, ist der Seriengrundstein doch mehr Drama bzw. tragischer Thriller denn tatsächlicher Endzeitfilm nach der Formel, die Mad Max eben zugeschrieben wird. Die große Auffälligkeit von Jenseits der Donnerkuppel ist aber nicht seine Ästhetik und auch nicht der Plot, sondern sein Tonfall. Bereits im zweiten Teil zeichnete sich eine neue, etwas grobschlächtig-komödiantische Ader ab, die sich primär aus dem Irrsinn einiger Figuren speiste. Die Geschichte um Tina Turners Donnerkuppel ist beileibe kein Schnellschuss, liegen doch immerhin 4 Jahre zwischen ihm und seinem Vorgänger – und somit doppelt so viele als zwischen Teil eins und Teil 2. Trotzdem wirkt alles an dem Film so, als sei es einer.

Erst einmal ist aber die erstaunlich gut gealterte, weil eben zeitlose Ästhetik zu loben. Bartertown ist, „klassisch Mad Max“. Der blanke Wahnsinn, der als Gerippe der Zivilisation übrig blieb, wird eindrucksvoll dargestellt. Die Stadt ist ein halbzivilisatorisches Provisorium, das tatsächlich so aussieht, als wäre diese Siedlung nach und nach durch immer neue Schrottanbauten zu dieser Wüstenmetropole erwachsen. Sie bietet viele architektonische Ideen und beachtenswerte Randdetails und verströmt generell eine wenig einladende, trotzdem aber faszinierende Atmosphäre – wie ein heruntergekommener, etwas unheimlicher Zirkus.
Zirkus ist in vielerlei Hinsicht auch das Stichwort, denn Figurentechnisch ist Mad Max III nun tatsächlich zur Freakshow verkommen. Schrille Körperbilder, aufgeblähte Bäuche, überproportionale Muskelgebilde bestimmen das  – im doppelten Sinne – Menschenbild des Films. Die comichafte Gestaltung macht nicht Halt bei der Architektur, sondern schwappt auch auf die Menschen über. Überzeichnung überall. Auch beim Titelhelden selbst.
Um glaubhaft zu machen, dass 15 Jahre seit den Ereignissen des zweiten Teiles vergangen sind, hat sich Mel Gibson eine wallende Mähne wachsen lassen, mit der er aussieht, als wäre er direkt aus einem Barbarenfilm gefallen. Tatsächlich scheint seine Figur eine passende Wandlung erlebt zu haben – vom Cowboy zum mythischen Barbaren mit clownesken Facetten, denn ein Teil der ursprünglichen Verbissenheit wurde gegen einen zappeligen Schalk im Nacken eingetauscht. Trotzdem scheint die Figur weiterhin Anspruch auf ihren Status als Antiheld zu erheben, bekommt zusätzlich zur neuen, weniger ernsten Seite aber spätestens durch die miterzählte Geschichte über traurige Endzeit-Waisen (später mehr dazu) ein übertrieben weiches Herz, sodass seine Figur gleich mehrfach zerrissen wirkt – und das ausnahmsweise im schlechten Sinne.
Tina Turner als machtversessene Despotin macht sich unterdessen ohne Rücksicht auf irgendwas zum Affen und es ist erstaunlich, dass sie in manchen Szenen tatsächlich so etwas wie Würde zum Ausdruck bringt.

Gerade das große Duell in der titelgebenden Donnerkuppel, bei dem die Kontrahenten  an schlabberigen Gummiseilen hängend durch die Arena springen, kann schwerlich ernstgenommen werden und stellt auch den Höhepunkt der Nähe zum Comic dar – auch wenn es zugleich natürlich eine ganz eigene Dramaturgie besitzt und so eindrucksvoll gefilmt ist, wie man so einen Kindergeburtstag eben filmen kann.
Der Film funktioniert wie eine Oper. Eine schlechte, aber opulente. Der Bombast, die Verschwendungssucht, die bizarren Comic-Reliefs, die durch den mageren Plot tanzen. Die Missgestalteten, Verkümmerten, Hässlichen und Aussätzigen sind Sensation. Fort ist die durch und durch ernste Welt des ersten Teiles und die sich mühsam an der Normalität festklammernde des zweiten Teils. Stattdessen hat man aufgegeben, erinnert sich aber noch an das, was man aufgab (zur Erinnerung: In Mad Max: Fury Road ist dann selbst das vergessen). Die Musik tölpelt vor sich hin, die Figuren quieken, Gesichter entgleisen in völligem Overacting, die Kamera hangelt sich von Actionstation zu Actionstation. Zusammen mit der bisweilen absolut grotesken Musikuntermalung ist es im Komplettpaket völlig überzogenes Theater.
Das große Spektakel  rechtfertigt aber eben nur so halb, dass Mad Max III oftmals ziemlich albern ist und sich in seiner Handlungslogik nicht selten auf das Niveau eines Kinderfilms begibt.

Immerhin: George Miller hat sich nie ausgeruht und das Mad Max-Universum stetig weiter ausgebaut, verändert, mit ihm gespielt und experimentiert. Das Ergebnis von Teil 3 ist dabei das Ergebnis das plumpste, bräsigste. Trotzdem ist dieser Teil rückblickend ein logischer Schritt zwischen zwei und vier.
Es gibt auch vereinzelte Szenen, die auf sehr positive Weise einprägsam sind. Zum Beispiel die Begegnung mit dem friedlichen Volk in der Mitte des Filmes, die auf markante Weise eine bestimmte Geschichte erzählt.
Leider stellt sich der sowieso schon sehr wackelige Film dadurch ein Bein, dass er sich selbst in zwei Teile schlägt, indem er ab der Hälfte vermeintlich endlich eine richtige Richtung einschlägt, damit aber eigentlich die bessere Richtung aufgibt. Und so wirkt der Film ähnlich zerrissen wie seine Hauptfigur.
Diese Zweiteilung ist rückblickend vielleicht das Schlimmste des Filmes, sie macht die gesamte Erzählung undynamisch und lässt sie fahriger wirken. Vielleicht ist sie integriert worden, damit der Film massentauglicher und nicht zu nihilistisch wirkt.

Unabhängig von einzelnen positiven Momenten und der unsterblichen Ästhetik: Man merkt Mad Max–  Jenseits der Donnerkuppel an, dass die Luft einfach raus war. Alles, was überdreht und irre sein mag und auch ist, ist eben auch schrecklich klamaukig und deswegen immer etwas störend. Vom Ernst vergangener Tage keine Spur mehr.
Auch die überlange Verfolgungsjagd des Finales bleibt ohne große Wirkung und  versucht einfach nur, den legendären Schluss des zweiten Teiles zu übertrumpfen, ohne aber je seine Dynamik und Intensität zu erreichen. Letztlich kann nur spekuliert werden, ob die vielen Unsauberkeiten des Filmes der Co-Regie von George Ogilviec geschuldet sind, welcher sich vornehmlich um die Storyszenen kümmerte, während Miller die Spektakelszenen zukamen. Definitiv trägt aber der Umstand Schuld, dass der dritte Mad Max niemals der dritte Mad Max werden sollte, sondern als unabhängige postapokalyptische Herr der Fliegen-Geschichte gedacht war. Mad Max als Protagonist wurde ungelenk hineingeschrieben.

Fazit

Man hat den dritten Teil der Mad MaxSaga in der Regel zwiespältig in Erinnerung. Eine erneute Sichtung bestätigt dies leider. Die Geschichte pendelt von einer spielshowartigen Situation zur nächsten und findet seine Mitte irgendwo zwischen Schlag den Raab, Takeshi’s Castle, Peter Pan, der Ewok-Serie und Herr der Fliegen. Das klingt abenteuerlich, ist in den meisten Momenten aber nur leidlich interessant, wirkt an vielen Stellen zu bemüht und bestätigt letztlich: Es war gut, dass so viele Jahre ins Land ginge, ehe George Miller zum Schlag ausholte, der Mad Max: Fury Road schließlich werden sollte.

M.A.R.K. 13 – Hardware

Richard Stanley war nicht mal 25 Jahre alt, als er 1990 M.A.R.K. 13 – Hardware und drei Jahre später das staubige Horror-Road-Movie Dust Devil drehte. Danach war es, abgesehen von ein paar exzentrischen Dokumentationen über Gralsodyssen der SS, fantastische Orte und Voodoo-Erbe, ruhig um den Britten. Warum das mehr als schade ist, darum geht es in den folgenden Zeilen.
Außerdem hat der kürzlich verstorbene Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister einen Auftritt. Und die Stimme Iggy Pops.

It’s horrible. I love it.

Story

Verstrahlt, giftig, ganz schön angedellt und viel zu heiß ist es nach der nuklearen Katastrophe. Das Leben konzentriert sich auf bescheidene Weise in gewaltigen urbanen Zentren und aufgrund der Nahrungsmittelknappheit ordnet die Regierung eine umfassende Sterilisatio der Bevölkerung an.
Der ehemalige Soldat Moses Baxter, kurz Mo, haut mit seinem Begleiter Shades an Heiligabend einen Sammler übers Ohr und kommt so in den Besitz zweier merkwürdiger Teile eines unbekannten Roboters. Da ihm sein Stammhändler keinen angemessenen Preis dafür zahlen will, nimmt er seine Errungenschaft kurzerhand mit und schenkt sie seiner Freundin Jill, die in ihrer Stadtwohnung Skulpturen aus Schrott bastelt und dem unzuverlässigen Mo einen kühlen Empfang bereitet.
Das Beziehungsproblem wird in den daran anschließenden Stunden aber schnell davon überschattet, dass das Roboterfragment sich selbst einen neuen Körper konstruiert und aggressiv gegen alles Lebendige vorzugehen beginnt.

Kritik

Der anfänglich durch die flirrende Wüstenluft streichende Sammler wirkt mit seiner Kombination aus Mantel und Maske inmitten des rotstichtigen Bildes wir direkt vom Wave-Gothik-Treffens kommend. Auch dort gibt es beeindruckende Lumpen – und beeindruckende Lumpen ist überhaupt eine erfreulich passende Bezeichnung für dieses Sci-Fi-Kleinod namens M.A.R.K. 13 – Hardware, und das durchaus im besten Sinne.
Der Anfang ist noch unverhohlen inspiriert vom Mad-Max-Rausch. Mühe gab man sich bei der Ausgestaltung des Szenarios. Nicht nur gibt es auf den Straßen, Basaren und Wüsten-Vorposten allerhand staubiges Endzeitvolk zu bewundern, die Figuren erzählen auch mit Freuden immer wieder detailliert, wie es an anderen Orten der Welt aussieht, wie die Lebensumstände sich entwickelten und was sonst Wichtiges vorgeht. Das sorgt für eine lebendige, außerordentlich interessante Welt, die nichtg einfach nur kaputt und dysfunktional ist, sondern auch lebendig und voller Überlebenswillen. Diese Ambivalenz aus Pessimismus und Hoffnung ist der Stoff, aus dem diese ganz bestimmte Sorte Märchen gestrickt ist, zu der auch Hardware gern gehören möchte.
Recht bald wird klar, dass Mad Max keinesfalls als einziger Film Pate stehen musste, sondern das Szenario ebenso von Terminator speist, während die Ästhetische Gestaltung mit ihrer Neo-Noir-Haften chiaroscuro-Ausleuchtung und der unheilvollen Stadtarchitektur deutlich an Blade Runner angelehnt ist und der Film inszenatorisch immer mal wieder Alien-Erinnerungen wachrüttelt.

Einzigartig an Hardware ist die Genre- und Stimmungsverwirbelung Abefuckt, verrückt, augenzwinkernd, lakonisch, manchmal trashig, manchmal mit Kunstfilm-Allüren und zugleich lustig ist der Mix aus Gefühlen, der evoziert und dann seiner ganz eigenen Dynamik überlassen wird. Untermalt wird das spleenige Krisengebiet-Abenteuer mal mit Western-Gitarren, mal mit leiser Keyboard-Nostalgie und genaugenommen auch mit Musik aus so ziemlich jedem anderen Genre. Während viel über die Welt erzählt wird und auch so manches gezeigt wird, spielt sich doch ein beträchtlicher Teil der Geschichte innerhalb eines einzigen, in seiner Größe gar nicht so leicht einschätzbaren Appartements ab, das sich auf bemerkenswerte Weise im Laufe des Filmes immer weiter verwandelt. Vom persönlichen Stock hin zu einem Festplatz des Märtyrertums der Figuren, in dem jeder Zentimeter fast schon infernalisch aufgeladen ist.

Richard Stanleys Hommage an so ziemlich alles, was 1990 in Sachen Science-Fiction beeindruckend war, will sehr viel auf einmal sein, Und schafft es. Zieht man in Betracht, dass sich der Film teilweise auf ziemlich exotische Ausflüge begibt, ist das eine definitiv achtbare Leistung.
Stop-Motion-Effekte werden verfolgt von einer fast schon surrealen Szenencollage, während sich die Kamera mütterlich ums immer wiederkehrende Zentrum dreht und dabei im Vorbeigehen ein kleines feministisches Manifest abliefert.
Hardware ist schon reichlich sonderbar und scheint vor allem keine große Rücksicht darauf zu nehmen, ob dadurch ein gewisses Publikum ausgeschlossen werden könnte. Das Finale ist an Seltsamkeit kaum zu toppen, die ganze Zeit vibriert der Fokus nervös durch das Narrativ. Es gibt sowohl sexuell äußerst explizite Sprache als auch ein paar Splattermomente, die für offene Münder sorgen, und immer wieder ein epilepsiefreundliches Flackern der Beleuchtung, die die Seherfahrung manchmal an die Grenzen des Psychedelischen treiben. Aber, noch einmal: All das funktioniert, so konfus die Auflistung auch klingen mag.
Die stimmungsvolle Ausleuchtung und unübliche, teils erfreulich experimentierfreudige Kamera bauen an dieser Welt und der eigenständigen Erfahrung von ihr ebenso mit wie das hakenschlagende Drehbuch, das voller Überraschungen steckt und nicht einmal die basale Sicherheit bietet, zu wissen, wer gerade die Hauptperson ist.
Die Summe aus den zahlreichen Bausteinen ergibt einen stark unterhaltsamen Film, der seine eigene, eigenständige Message hat, der stilistisch eigenständig ist, furchtbar mutig inszeniert wurde, nie anstrengend wirkt und zugleich keinen Hehl aus seinen Vorbildern macht.
Denn zum Schluss ist Hardware nicht einfach nur die Summe seiner Zitate und Inspirationen, sondern meistert elegant den notwendigen Schritt, daraus etwas zu kompilieren, das weitaus mehr und sehr anderes ist.

Fazit

M.A.R.K. 13 – Hardware ist ein schwer zu beschreibender Film, weil ihm das Kunststück gelingt, eine riesige Menge gewaltiger Einflüsse aufzugreifen, ungeschminkt weiterzuverwenden und doch etwas durch und durch Eigenständiges zu erschaffen. Effektvoll, inszenatorisch völlig ausgelassen und von einer großen Menge Mut beseelt, bündelt der Sci-Fi-Film eine gewaltige Ideenfülle zu einem vielfältig deutbarem Kuriosum, das immer wieder kontrolliert eskaliert, hochgradig seltsam ist, aber großen Spaß bereitet und keinen Tag gealtert zu sein scheint.

2007 wurde das 15 Jahre alte Drehbuch eines angedachten Teiles verworfen und durch ein neues ersetzt. Doch bis auf ein Poster gab es von dem Sequel Hardware II: Ground Zero nichts zu sehen.

Turbo Kid

Der so großartige wie großartig benannte Kurzfilm T for Turbo schlug verdient Wellen. Und so strickten die Macher prompt einen abendfüllenden Spielfilm aus dem Stoff.

For Christ’s sake! Will you just the fuck up and let’s fight!

Story

1997, Endzeit. Die Welt ist Wüste. Ein raffgieriger Baron tyrannisiert die wenigen Überlebenden, Wasser ist knapp. In dieser Zeit lebt ein Teenager, der davon träumt ein Superheld zu sein. Als eines Tages plötzlich das seltsam aufgedrehte Mädchen Apple in seinem Leben auftaucht, schließt er zum ersten Mal seit langem Freundschaft.
Als der Tyrann Zeus und seine Handlager Apple entführen, kann der junge Held sich nur behaupten, weil er einen Anzug mit mächtigen Kräften findet.

Fazit

Turbo Kid ist ein Film, der eine Verbeugung vor den 80er-Jahre-Science-Fiction-Filmen sein möchte, welche sich die 90er – also die Zeit zwischen damals und heute – als eine Zukunft gelöster Sozialstrukturen, entwurzelter Sicherheiten, jeder Menge pervertierten Anarchismus und von totaler Desertifikation verschlungener Architektur vorstellten. Diese Vorstellung wiederum adaptierten unzählige vornehmlich italienische Filmemacher im Anschluss an den Erfolg von Mad Max, um eben diesen Film mit Etwas vom immer noch zu wenig beachteten A Boy and his Dog zu mixen. Turbo Kid will all dem huldigen, zugleich Ehrerbietung und Persiflage sein, Liebevoll und spöttisch zurückschauend, ironisch distanziert und zugleich originell. Eine Mischung aus Scott Pilgrim vs. The World, Mad Max: Fury Road, Kung Fury und, seien wir ehrlich, mindestens 22 weiteren listbaren Namen.
Darüber hinaus spielt ein radelnder Teenager die Hauptrolle, was aber keineswegs ausschließen soll, dass Turbo Kid ein Splatterfilm ist. Weil das alles ganz schön viel ist, gibt es gleich 3 Regisseure – allesamt blutjung, allesamt unerfahren. Kann das gut gehen? Nein. Tut es aber. Jedenfalls so halb.
Zwar merkt man immer mal wieder, dass hier eben Amateure am Werk sind und die Inszenierung dann und wann ein bisschen ratlos wirkt und offensichtliche Schnittfehler sich die Klinke in die Hand geben, doch hält sich dies nicht nur in absolut vertretbaren Grenzen, sondern wird vor allem von einer immensen Liebe zum Detail wettgemacht. Dass die Macher ihre Endzeitfilme gesehen haben, merkt man ihrem Werk an seinen zahlreichen Reminiszenzen in jeder Szene an. Bei all dem darf auch nicht vergessen werden, dass hier eine kleine Gruppe von Leuten etwas für Fans gemacht hat. Gerade für solch ein semiprofessionelles Kleinstprojekt (als Vergleichsgröße könnte vielleicht Six-String Samurai fungieren) ist die Angelegenheit sehr rund geworden.
Die 80er werden mit all ihren poppig-obszönen Geschmacklosigkeiten portraitiert, ohne dass der Film zu überladen oder selbstzweckhaft wirkte. Er ist schelmisch-verspielt, während er vom Rubik’s Cube bis hin zum knöcheltiefen Disco-Soundtrack in den Relikten dieser Vergangenheit wühlt, dabei aber nie boshaft oder völlig selbstvergessen.
Der durch Knie- und Ellenbogenschützer wie einen Helm gegen die Umwelt gewappnete Held wird ebenfalls lächerlich dargestellt. Genau wie die vielen auf BMX-Rädern für Kinder stattfindenden Verfolgungsjagden schafft es Turbo Kid auch im Ganzen, das notwendige Verhältnis zwischen Ernst und Augenzwinkern zu wahren.

Das Drumherum stimmt also. Die Geschichte kommt zügig voran, die Figuren machen miteinander Sinn, die ganze Struktur macht Spaß. Im Detail hapert es dafür an gleich mehreren Punkten. Manchmal ist Turbo Kid bei seiner Gratwanderung zwischen spitzbübischem Humor und Albernheit wahnsinnig sympathisch, dann aber auch einfallslos, weil einer von vier Witzen dann doch zu unoriginell und vorhersehbar ist. Während Munro Chambers als Held wider Willen den nerdig-verträumten Heranwachsenden glaubwürdig und charmant verkörpert, neigt seine Partnerin Apple mit ihrer grenzdebilen, aufgesetzt wahnsinnigen Art schnell zum Nerven – auch wenn der Charakter dieses Verhalten in Maßen rechtfertigt. So liebeswürdig, wie sie trotzdem sein soll, ist sie nicht – was hauptsächlich die Schuld von Darstellerin Laurence Leboeuf ist, die deutlich mehr als nur eine Spur zu viel an Overacting in den Film bringt.
Punkten kann dafür der unverkennbar an Dennis Hopper angelegte Bösewicht, der der facettenreichen Stimme Michael Ironsides (Total Recall, Starship Troopers) und dem ausgewogenen Spiel aus Wahnsinn, Kalkül und Brutalität einen Ödlandherrscher zum Niederknien abgibt. Dass Er wie auch viele andere des Ensembles – und damit ganz im Gegensatz zu den Strippenziehern – kein unbeschriebenes Blatt ist, tut dem Film in Form von ein wenig Professionalität mehr als gut.
Doch leider erschöpft sich die Grundidee irgendwann. Der Plot ist in einem halben Satz gesagt, die Charakterentwicklung ist so knapp wie vorhersehbar und trotz erkennbarer Bemühungen ist auf Dauer leider nicht für große Abwechslung gesorgt. Langeweile macht sich keine breit, das Gefühl von Frische, das Turbo Kid in seinen ersten Zügen noch abgibt, ermattet nach der Hälfte aber zusehends.

Bezeichnenderweise hat Turbo Kid seine stärksten Augenblicke in den Szenen, wo sich der stets einfallsreiche Splatter auf dem Synthesizerteppich abspielt, Körper in rote Wolken zerplatzen, Kunstblutfontänen sprudeln und anorganische Dinge organische Dinge durchbohren. Etwas pointierter formuliert: Es ist immer dann am besten, wenn jemand stirbt. Ob das gegen den Film oder gegen den Geschmack des Rezensenten oder gegen alles andere oder gegen alles zusammen spricht, soll jeder für sich eruieren.

Fazit

Was in 5 Minuten begeistern kann, kann in 18-facher Länge schnell ermüden. So schlimm ist es nicht, doch wie zu erwarten, transportiert Turbo Kid nicht die Energie des zugrundeliegenden Kurzfilmes. Sehenswert ist diese Hommage an Kindheitsfantasien aber allemal, zumal die eigentümliche Mischung aus anachronistischem Schabernack, 80er-Soundtrack, Fun-Splatter und Comig-of-Age-Story alles andere als alltäglich ist.

Mad Max: Fury Road

Mad Max ist ein Film über einen Polizisten, der nicht nur angesichts des Kollapses der Gesellschaft, sondern auch seines persönlichen Lebens Ohnmacht empfindet. Mad Max – Der Vollstrecker erzählt die Geschichte eines Ritters, der in einer anarchisch geprägten Wüste die Vorstellung für immer etabliert, die wir heute vom Genre ‚Endzeitfilm‘ haben. Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel ist dann ein notwendiger Anhang aus Trash mit Tina Turner.
In Teil 1 war das „Mad“ Ausdruck der Verzweiflung. 36 Jahre später steht es nun endgültig für den in Film gegossenen vollkommenen Wahnsinn.

There’s no going back!

Story

Nach dem Verlust seiner Familie und dem anschließenden Verlust von Regeln und Welt ist aus dem ehemaligen Straßenpolizisten Max Rockatansky ein derangiertes Wrack geworden, das, gemartert von den Bildern der Vergangenheit, nur noch durch rohen Überlebenswillen mit seiner Umwelt interagiert.
Eines Tages entführen ihnen die Anhänger des Diktators Immortan Joe, der mit seinem Wasser-Monopol eine degenerierte Gesellschaft unterjocht und sich als Gottkaiser feiern lässt.
Max soll als mobiler Blutspender dafür sorgen, dass die kränklichen Krieger des Despoten fit bleiben, während sie mit ihren Buggys die Lande unsicher machen. Als Imperator Furiosa sich gegen Immortan Joe stellt und einen Tanklaster mit wichtiger Ladung samt Harem entführt, schließt sich der zerrüttete Straßenkrieger der kleinen unfreiwillig Gruppe an.

Kritik

Erst kam der Krieg dazwischen, dann stieg Mel Gibson aus. Als dann schließlich, nach ewigem Garen in der Hölle der Vorproduktion, die Dreharbeiten gestarteten werden sollten, verwandelten plötzliche Regenfälle Brocken Hill in einen zweiten Garten Eden. Erst 12 Jahre nach der Idee zu einem vierten Mad Max konnte diese 2011 in Namibia als Filmdreh verwirklicht werden. Und, Jesus, es ist ein Biest geworden.

Schon die vorfreudig brodelnde Entführungssequenz, bevor überhaupt die Titeleinblendung ihre Verheißung aussprechen kann, gibt eine Stoßrichtung vor, die so laut, durchchoreographiert, übertaktet und sich ständig aus sich selbst neu herausreißend ist, dass man nicht glauben möchte, dass der Film dies einlösen kann. Was folgt, ist in der Tat keine schlappe Einlösung, sondern ein gnadenloses Auftrumpfen von Mehr, Besser, Tiefer, Heißer.
Beschreiben lässt sich der Film in gewohntem Maße nur beschränkt. Man könnte sagen, er ist ein Tanz, eine Choreographie, bei der ein Höhepunkt den nächsten jagt, die keine Verschnaufpause lässt und mit immer Neuem das überbietet, was den Zuschauer zuvor noch mit offenem Mund und trockenen Augen staunen ließ. Man könnte aber auch sagen, Mad Max: Fury Road ist ein zweistündiges Finale Extravaganza, das unentwegt pulsiert und die Schleusen des Irrsinns weiter geöffnet hat, als es in dieser Form jemals jemand gewagt hat. Mad Max: Fury Road ist laufend am Explodieren und in seiner zelebrierten Verrücktheit grenzenlos kreativ; ein Film, der den Zeitraffer dort einsetzt, wo zur Zeitlupe griffen. Mad Max: Fury Road platzt 120 Minuten lang aus allen Nähten und ist dabei so besessen von Details, dass man beim Betrachten in diesem Sturm des Kinos jedes Gefühl für Zeit verliert. Mad Max: Fury Road ist ein artistisches Ungetüm, das in seinem Treiben völlig schamlos ist und jede gängige Erzählkonvention in seiner Rage ignoriert, ein Spiel mit Tabus, die dann gebrochen werden. Mad Max: Fury Road ist ein Walkürenritt und mit seinen glühenden Bildern und der hämmernden Symbolik das mit Abstand ästhetischste Erlebnis, das man im Kino für lange, lange Zeit haben können wird. Mad Max: Fury Road ist vor allem aber eine wortgetreue Umsetzung jedes einzelnen Wortes seines Titels.
Dass etwas so Unfassbares so unfassbar gut funktioniert, liegt zum einen natürlich an dem ineinandergreifenden Spiel zwischen seinen technischen Vermittlern. Der Film ist ein wahres Wunderwerk des Schnitts und hat ein atemberaubendes Gespür für Aufnahmen jeder Art – Nahaufnahmen wechseln sich mit Panorama Shots ab und münden dann in einer Totalen. Das ist auf der einen Seite eine perfekt getimte Bilddramaturgie, auf der anderen sind alle Einstellungen für sich aber bereits Gemälde, die vor präziser Wuchtigkeit nur so strotzen. Dann wäre da die Musik, die häufig nur kurz, aber absolut treffsicher angespielt wird, ehe sie wieder im Getöse des Hintergrunds verschwindet, sich über den Film hinweg aber immer weiter steigert, und zwischendurch auch nicht davor zurückscheut, in orchestraler Fiebrigkeit aus sämtlichen Boxen zu wummern. Vorhanden ist dieses Zusammenspiel in erster Linie, um das perfektionierte Endzeit-Design in Szene zu setzen, das seit Teil 2 und 3 seine absolute Mitte gefunden hat und selbstsicher das Kunststück meistert, kulturelles Flickwerk, abstoßende Krankhaftigkeit, Westernflair und planlose Improvisation auf einem Zentimeter zu vereinen, was in den wunderlichsten Selbstbauboliden und den abgedrehtesten Charakteren resultiert.
Die Action selbst ist in all ihrer verblüffenden Wahnhaftigkeit zugleich die ehrlichste, bodenständigste, die man in einem Spektakelfilm seit langem gesehen hat. Kaum CGI, so gut wie vollständig von Hand gestaltet. Ein gewaltiger Aufwand, der der Natur des Drehorts wohl auch einiges abverlangt hat, aber dafür auch ein Fest allererster Güte ist, das so ziemlich alles, was es tut, für den Rest der Welt neudefiniert.
Es gibt auch Augenblicke, in denen es der Koloss zu weit treibt. Nicht in der gnadenlosen Action, sondern wenn im letzten Drittel ein absehbarer Twist dazu führt, dass jemand in Platoon-Pose seiner Gram Ausdruck verleiht und ihn sämtliche filmischen Mittel dabei unterstützen. Von solchen Ausrutschern im Schlamm des Pathos gibt es nur sehr wenige und sie ändern nicht viel am Gesamtbild, erwähnt werden müssen sie aber.

Die wenigen Momente, in denen etwas Ruhe einkehrt, köcheln im Vergleich immer noch energischer, als die Finali vieler anderer Filme. Dennoch gelingt es, in ihnen viele Andeutungen über den Zustand der Welt, die Geschichte der Figuren und den Aufbau der Gesellschaft zu vermitteln. Dazu gehört auch das Wesen von Max, dessen Rolle fast überall als zu unterpräsent kritisiert wird. Doch ist gerade die Entscheidung, ihn als zurückhaltendes, innerlich zerfleischtes Tier zu zeigen, bei dem sich die Menschlichkeit verwundet soweit zurückgezogen hat, wie es nur möglich war, eine bemerkenswerte. Der Protagonist ist nicht mehr derselbe wie bei seinen ersten drei Auftritten, sondern deren Resultat. Ohne Glauben, ohne Hoffnung. Ein Sack aus Knochen, dem die Dämonen der Vergangenheit in jeder Zelle sitzen und von dort aus die versteckten Reste seines demontierten Wesens suchen. An einer so ikonischen Figur wie Mad Max die erschreckende Genese von Qual mit solcher Konsequenz aufzuzeigen und ihn damit folgerichtig zu einem Anderen werden zu lassen, ist ein Schritt, der großen Mut gekostet haben muss.
Aber auch sonst ist der Film unter der Oberfläche kein graues Gerippe, wie es den meisten Actionfilmen eigen ist.
Um nicht zu viel vorwegzunehmen, sei nur ein einziges Beispiel aus der oben schon kurz angerissenen Symbolik angerissen, mit der Mad Max: Fury Road unterschwellig spielt. Er hat die Filmreihe nun endgültig zu einer über Flüssigkeiten gemacht. Nach Wasser und Öl sind es nun Blut und Milch als liquide Träger von Hoffnung und Glauben, die als Symbol dafür sorgen, dass so etwas wie Zivilisation zumindest als Potenzial erhalten bleibt. Abhängig ist ihre Qualität nicht von ihrem Vorhandensein, denn das sind sie, sondern vom Umgang mit ihnen. Öl kann verbrennen, Wasser verdunsten, vereisen oder aber sinnlos in der Wüste versickern, Blut gerinnen und Milch, vielleicht die Königin der Flüssigkeiten, verderben – vor allem dann, wenn sie ohne Kühlung in einem Laster durch die Wüste kutschiert wird.

Fazit

Vor ein paar Tagen wurde George Miller 70 Jahre alt. Seinen Oscar erhielt er 2006 für den Animationsfilm Happy Feet. Nun hat er eine Formwerdung des Unfassbaren auf Leinwand gebannt. Mad Max: Fury Road ist eine einzige Choreographie, die in manchen Szenen sogar sehr offen an einen Tanz erinnert. Es ist ein Tanz, der Wahnsinn in bizarrer Formation zum Thema hat und mit seiner unglaublichen Energie, seiner Kreativität und Zügellosigkeit etwas geworden ist, an dem sich fortan alle Actionfilme messen lassen müssen.
Doch Mad Max: Fury Road ist vor allem auch eines: Ein Stück Filmgeschichte, das man sich auf gar keinen Fall im Kino entgehen lassen sollte. Denn dies ist sein angestammter Ort.

 

Parallels

Netflix schreibt sich offensiv auf die Fahne, die Potenziale unbekannter Leute zu fördern und ihnen eine Plattform zu geben. Für neue Ideen und außergewöhnliche Konzepte. Neben den üblichen Verdächtigen von House of Cards bis zum gerade durch die Decke gebrochenen Daredevil sind es immer mal wieder auch Filme, die das Glück haben, vom Streaming-Giganten unter die Fittiche genommen zu werden. Auch Christopher Leone, der bisher höchstens durch seine Regiearbeiten für die Serie Wolfpack of Reseda, bekannt sein dürfte, hat das Glück, seinen Film Parallels durch und über Netflix produzieren zu dürfen. Mitgeschrieben und produziert hat der Herr aus Los Angeles allerdings auch Das verschwundene Zimmer – und das gibt schon einen guten Hinweis auf Ton und Richtung seines ersten großen eigenen Werks.

I’m a little afraid of racoons.

Kritik

Vor Jahren kapselte sich Ronan von seiner Familie ab und kam mehr schlecht als recht bezahlten Jobs als Schaukämpfer über die Runden. Seine Schwester Beatrix hat unterdessen die Laufbahn einer aufstrebenden Akademikerin eingeschlagen. Als beide eine rätselhafte Nachricht von ihrem Vater erhalten, finden sie ungeplant im leerstehenden Elternhaus zusammen. Zusammen mit Harry, einer Klette aus Jugendtagen, der sich in der Nachbarschaft anschließt, um eine Atempause von seiner herrischen Mutter zu nehmen, folgen sie einem Hinweis aus dem zurückgelassenen Wagen des Familienvaters.
Dieser führt sie in ein leerstehendes Bürogebäude, welches sich bereits nach wenigen Minuten als selbstgesteuerte Transportmöglichkeit entpuppt, um – scheinbar zufällig – zwischen Parallelwelten umherzureisen, wo es für genau 36 Stunden am Standort bleibt, bis es sich in die nächste Dimension begibt. Bei ihrem ersten Aufenthalt im geheimnisvollen Komplex wächst die Gruppe nicht nur um die forsche Polly, die das Gebäude schon lange ihr Zuhause nennt.

Kritik

Die ersten Sekunden beginnen wie der Vorspann einer Serie – kurze Impressionen, die vermuten lassen, dass sie einem was sagen sollten. Die übliche Methode, mittels Zeitdokumentschnipseln, deren Verankerung im Kollektivbewusstsein unanfechtbar ist, eine Collage darzubieten, die dem Zuschauer bei der Verortung der Geschehnisse unterstützen soll, wird bei Parallels bereits ad absurdum geführt, wenn wir geflutete Großstädte und Feuerhagel auf selbige zu sehen bekommen. Nun kann man hoffen, dass dies ein Vorzeichen darauf ist, dass man mit Vorannahmen bei Parallels vielleicht lieber zurückhaltend sein sollte, weil hier einiges anders läuft. Alternativ denkt man sich, dass es sich bei diesem Film vielleicht tatsächlich um eine Serie handelt und geht vorsichtshalber schon einmal davon aus, dass die Geschichte nach den sportlichen 83 Minuten alles andere als zu Ende ist. Doch zurück zu dem Vorspann, der nach Minute 1 endet. Das hier vorgegebene Tempo hält Parallels nämlich ein, wenn der Sci-Fi-Film seine Geschichte straff und ohne überflüssiges Gepäck mit einer Dynamik erzählt, die den Zuschauer von der ersten Sekunde an mitnimmt. Und so finden drei rundum und mitsamt ihres alltagsproblematischen Hintergrundes etablierte Figuren, von denen jede glaubwürdig und kernig wirkt, bereits neun Minuten später nach einer flotten Odyssee und ein kleines schwarzes Ding, das wie ein Todesstern-Souvenir aussieht und die Geschichte in Gang setzt. Das Erzählen ist nicht gehetzt oder künstlich komprimiert, es wird einfach nur auf natürliche Weise Unnötiges weggelassen.
Diese Tugend wird – mit kleinen Abstrichen – beibehalten und mit Polly stößt recht früh ein Neuzugang dazu, der nicht nur gelungen kess ist, sondern mit Fresh Off the Boat-Star Constance Wu auch gelungen besetzt wurde.
Was dann aber folgt, bestätigt die erste Ahnung, dass Parallels im Herzen eigentlich eine Serie ist. Nachdem mit der Frage, warum es ein durch Dimensionen springendes Gebäude gibt und wer dahinter steckt, ein saftiger Köder ausgeworfen wurde, dreht sich der Plot erst einmal um und schwimmt in eine andere Richtung. Jede der zwei Dimensionen hat ihre eigene Geschichte, die die Protagonisten nebenbei durchleben müssen, wodurch rasch auch das Gefühl von Episodenhaftigkeit einstellt. Das ist nun erst einmal nicht weiter schlimm, denn die Erzählweise bleibt ökonomisch und das Kennenlernen der Figuren macht ebenso viel Spaß wie das Durchforschen der fremden Welten, im Hinterkopf bleibt aber das Wissen, dass der Film mit einem spielt und seine Antworten hinauszögert.
Tatsächlich besiegelt das Ende das, was man bereits ahnte: Statt richtiger Antworten gibt es viele neue Fragen und mit einem ganzen Bündel halbgarer Cliffhanger begrüßt einen der Abspann. Ob es weitergeht? Regisseur und Drehbuchautor Christopher Leone twittert, dass dem aller Voraussicht nach so sei – Parallels ist tatsächlich als Serie von Filmen angelegt. Doch wirklich Handfestes gibt es zu dem aktuellen Stand noch nicht zu erfahren.
Die Serie, die der Film ist, ist folgerichtig auch gar keine so hochwertige, sondern eher im Mittelfeld anzusiedeln, was die Produktionswerte und Erzählschemata angeht. Doch ein griffiger Charme, hervorgerufen durch die immense Lust am Großen, ist der Sache merklich zu eigen, weshalb das Schauen auch nie langweilig wird.

Kurz noch zu ein paar Kleinigkeiten.
Parallels ist eine kleine Produktion von Leuten, deren Hinterhof nicht neunhundert Quadratkilometer groß ist und deren neunhundert Quadratmeter großer Hinterhof auch nicht voll mit Fässern steht, die von Geld und Erfahrung überschäumen. Manchmal blitzt ein kleiner Rest von Unsicherheit durch und dann wieder hält sich kurz das Gefühl, dass der Film gerne mehr gezeigt hätte, das hierfür nötige Effektteam aber nicht hatte. Letztlich aber verhält es sich mit alledem wie mit den Dialogen – zwar lässt sich hier und da, wenn man sucht, eine Spur Unbeholfenheit erahnen, doch zu 95% sind sie ordentlich gut geschrieben, machen Spaß und nehmen den Zuschauer problemlos mit.
Auch das Drehbuch ist immer optimal geschrieben, versöhnt aber durch die erwähnte Erzählgeschwindigkeit.
Leider gibt es aber auch weniger verzeihbare Zugeständnisse zu diesem Zweck, wenn die Protagonisten nur deswegen vermeidbare Fehler begehen, um den nächsten Plot Point herbeizudiktieren.
Was bleibt, sind Fragen der Logik. Wieso sprechen auf allen möglichen Erden alle das gleiche Englisch? Wieso spricht man überhaupt Englisch? Wieso heißen die Städte gleich? Wieso sind Moden weitestgehend identisch? Wieso zum Geier verlief die Evolution in den exakt gleichen Bahnen? Folgt das Dimensions-Roulette etwa einem göttlichen Plan? Gibt es womöglich einen prästabilierten Rhythmus im Kern jeden Seins, der dazu führt, dass die Richtung bei jeder möglichen Variante trotzdem immer in etwa dieselbe bleibt? Das sind Fragen, die stellt sich der Zuschauer, der Film aber hält sich nicht mit so essentiellen Plausibilitätsangelegenheiten auf. Bei solchen Feinheiten muss die Story einfach mit den Schultern zucken, denn auf Derartiges Rücksicht zu nehmen, hätte geheißen, sich in Details und zu verstricken und sich auf Umwege zu begeben. Doch ein kurzer Versuch, diese Umstände zu erklären, wäre der bessere Weg gewesen – nur um aufzuzeigen, dass man an sie gedacht hat und den Zuschauer für fähig hält, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Stattdessen behauptet der Film, dass allen parallel möglichen Realitäten auch jeder Mensch erneut auftritt – nur in anders variierter Rolle, als hätten sich die Geschicke der Welten nicht irgendwann, sondern immer vor etwa einer Generation getrennt. Es mag ja sein, dass das Häuslein dafür konzipiert wurde, nur derartige Realitäten anzusteuern, aber der Film verweigert die Aussage und schweigt über das schwierige Thema. Chance vertan, Missgeschick ausgeführt.

Fazit

Eine vielversprechende Ausgangssituation, moderate Schauspieler in einem souverän gefilmten Sci-Fi-Setting und viel Bewegung. Parallels ist ein durch und durch unterhaltsamer Film, der hie und da zwar Anlass zum Kopfschütteln bietet und die Atmosphäre damit kurz dünner werden lässt, den im Generellen aber bis zum Ende der Reise mitzunehmen weiß.
Der für viele wohl kritischste Punkt ist aber wohl das Faktum, dass das vermeintliche Ende keines ist, sondern stattdessen ein künstlich mysteriöser Twist einen zweiten Teil ankündigt, von dem nicht klar ist, ob er jemals kommen wird.

Briefe eines Toten

1986 brachte Konstantin Sergejewitsch Lopuschanski mit dem postapokalyptischen Nihilismusmanifest Briefe eines Toten ein Biest von einem Magnum Opus hervor, das damals wie (vor allem) heute viel zu wenig Zuwendung seitens der Medien erhielt und -hält. Zwar spukt der Film immer noch ganz oben in den heiligen Hallen einiger Filmliebhaber herum, die Aufmerksamkeit, die er ungebrochen verdient, bleibt ihm aber bisher verwehrt. (Das nachstehende Video ist ausnahmsweise kein Trailer, da sich keiner finden ließ, sondern ein beispielhafter Ausschnitt.)

I love it for it’s tragic fate.

Story

Die Welt, wie wir sie kennen, verbrannt einer Art von Feuer, die sich Prometheus wohl nie zu erträumen gewagt hätte. Die Menschen verscharren sich selbst in maroden Kellergewölben und bauten mit der Zeit eine Gesellschaft aus den Trümmern des Jetzt, die ihre ganz eigenen, den widrigen Umständen angemessene Gepflogenheiten hat. Alle leben in Angst davor, dass die Regierung das versprengte Trüppchen aufspürt und mit in ihre zweifelhaften Pläne zur Rettung der Menschheit einbezieht, die noch weniger geheuer sind als das Todesurteil des Status quo, in der jede Art von Existenz nur ein Provisorium im Schatten des Zerfalls sein kann.
Die Verbliebenen schaffen sich mit ihrer unbeholfenen Sicherheit eine absurde, grausam neue Art von Alltäglichkeit, wenn sich die Menschen ihre Hüte auf die Gasmasken setzen und Normalität aus etwas machen müssen, was ein ständiges Extrem ist. Sie versuchen weiterzumachen. Nicht aus Hoffnung, sondern weil ihnen nichts anderes bleib.
Ein Professor versucht derweil, etwas Zuversicht zwischen den sich und einander aufgebenden Trümmermenschen zu säen.

Kritik

Die Kamera bewegt sich rückwärts aus dem Bunker, durch ein Loch in einer Wand aus Schutt, die unsinnig dem radioaktiven Wind trotzt, und die Musik schwillt an, wird unangenehm, als würde uns ein Hauch von eben diesem berühren. Wir begeben uns nach draußen, durch das Loch, aus dem Loch, in das sich die Menschen zurückgezogen haben, um wie in einem Kerker zu kauern und darauf zu warten, dass alles endet Doch noch sehen wir nichts. Langsam schält sich der Rest von Zivilisation aus dem Giftdunst. Es zeichnen sich Wracks ab, noch mehr Schutt, Müll in Säcken und ohne Säcke, und Wahnsinn. Unrat auf Unrat, Elend neben Elend. Am Ende der Fahrt, wenn die Rückwärtsbewegung stoppt, stellen wir fest: Sie verdecke gar nichts, hinter der Kamera wurde uns nichts vorenthalten, denn mehr als das ist da draußen nicht. Nur die Asche der Vergangenheit, Staub und Nebel, so dicht gedrängt, das kein weiterer Platz für Hoffnung ist. Herzlich Willkommen in der Welt von Briefe eines Toten, ein Film, der aussieht, wie eine Krankheit.
Bei der Optik wurde auf Farben fast gänzlich verzichtet, sie sind dank bis aufs Maximum reduzierter Sättigung nur leicht, manchmal auch gar nicht vorhanden, lediglich ein eitriges Tschernobyl-Gelb färbt die Bilder des Bunkers – semantisch andere Räume bekommen andere Farben, in jedem Fall aber sondern die monochromen Duplex-Töne eine unangenehme Wirkung ab.

Nach dem kurzen Blick auf das, was mal das Freie war, geht es zurück in die Katakomben. In dieser sonderbaren Welt werden auch die Bewohner sonderbar und wuchsen zu verschrobenen, bitteren Kreaturen heran, die als pathologisches Splitterwerk durch die Gedärme eines ehemaligen Museums rotten und nicht einmal sich selbst noch die Nahesten sind. Die Kinder schweigen als wären sie stumm, die Erwachsenen sind im besten Falle kalt, jeder lebt in seiner ganz eigenen Art von destruktivem Schock. Häufig bewegt sich die Kamera auf Kinderaugenhöhe. Der Zuschauer ist – wie auch jeder andere – in dieser Welt ein Kind, das das Grauen schaut und zum ersten Mal überhaupt nicht als Symbol für Hoffnung und Zukunftsglauben herhalten kann. Ständiger Wind ist auch in den tiefsten Kammern zu hören und über fast allem liegt ein elendes Dröhnen, als wäre es die Welt selbst, die unter Schmerzen klagt.

Man macht dort weiter, wo man aufhörte: Das Treffen fataler Entscheidungen aufgrund von Egoismus, verdrehter Annahme von Effizienz und höherem Allgemeinwohl. Aufgenötigter, in sich selbst verdorbener Altruismus siecht allüebrall und wucherte zu seiner eigenen Antithese heran. So oft man es sonst auch hört, hier stimmt es wirklich: Alle Hoffnung ist gefahren. Die Ausgangssituation von Briefe eines Toten ist bekannt, die Umsetzung aber absolut brillant. In gnadenloser Differenziertheit portraitiert der Film eine Gesellschaft von Übermorgen, die ihren eigenen Nährboden verseuchte und sich nun nur noch dabei betrachten kann, wie sie langsam von Innen heraus fault.
Völlige Verzweiflung schlägt in Wahnsinn um. In jeder Figur sitzt ein wenig davon, während sie ihre persönlichen Vorstellungen auf eigentümliche Weise in die traurige Tat umsetzt. Das gipfelt nicht nur in ein paar niederschlagenden Kuriositäten, sondern auch in interessante Gespräche. Gezeigt werden in einzigartig einnehmender Weise Dinge, die passieren, wenn eine Generation feststellt, dass alle Vorherigen vernichtet und alle Nachkommenden unmöglich sind.

Eine klar auszumachende Geschichte gibt es zwar ebenso wie einen Protagonisten, doch stehen beide ganz im Dienste der Situationsstudie. Wichtig ist nicht, was passiert, sondern dass es überall auf eben diese Weise passiert. Dabei verkommt Konstantin Lopuschanskis Abgesang aber niemals zu einer selbstgerechten und selbstzweckhaften Leidensschau, die nichts tut, außer mit all ihrem Pessimismus den Zuschauer zu quälen. Dank der handwerklichen Raffinesse des Filmes, dank der Passion, mit der gedreht wurde, und dank der völlig trittsicheren Regie ist der Film zu einem vollkommenen Erlebnis geworden, das nie langweilt, nie lediglich durch seine Ödnis betrübt, sondern ein bewundernswerter Schaukasten ist, der einen Blick auf eine Welt voller Details, ausgeklügelter Einfälle und unabsehbarer Ereignisse gewährt. Und später, wie aus dem Nichts, überrumpelt einen das tschechische Kleinod mit Bildern, die in ihrer Ästhetik zeitlos sind, in ihrer unnahbaren Mächtigkeit bestürzend und ob ihrer Schrecklichkeit schön, aber auch erstarren lassend. Eine von Wahnsinn beseelte Aufnahme des Auslösers dieses Elends trifft wie ein herzhafter Schlag in die Magengrube. Diese Szene ist der Kern des Filmes, unnachahmlich und unnachgiebig intensiv. Eine der schönsten Hässlichkeiten, die mit Widerhaken aus Zucker tief unter die Haut geht.

Wie um das zu verstärken, gibt es trotz dieses Bildes der vollkommenen Niederlage auch Humor. Ein paar Szenen sind umschmeichelt von stautrockenen Pointen, die in ihrem Rahmen aus Bitterkeit stichgleich Wirkung zeigen. Es ist wie die störrische Hoffnung, das ewige Weitermachen der Menschen, von dem der Film erzählt. Humor ist Teil davon, denn Humor ist das Ignorieren von Tatsachen, aus dessen Bewusstmachung eine Erkenntnis gerinnt, die Absurdität verlachen lässt. Humor ist eine Art Triumph trotzdem; etwas, das dem Menschen nicht genommen werden kann, mag auch alles andere vergehen.

Fazit

Bei Briefe eines Toten handelt es sich um das vielleicht eindringlichste Angstzeugnis aus Zeiten des Kalten Krieges. Es ist ein kluges Portrait über ein speziesübergreifendes Selbstbegräbnis mit eindringlichen Sequenzen, einer fesselnden Ästhetik erschütternden Bildern und voller Perfektion. Es wird nie langweilig oder zäh, immer ist es trotz dem repetitiven Bunkeralltag fesselnd und interessant. Die 87 Minuten sind voll mit durchdachte Bilder in durchdachter Reihenfolge, jede Szene birgt Potenzial für Gänsehaut und in seiner völlig eigenen Stimmung ist Briefe eines Toten letztlich selbst ein rares Unikat.
Konstantin Lopuschanski schuf einen großen Film mit großen Ideen und großer Eindringlichkeit, der in seiner Bekanntheit – zuvorderst wohl wegen Verfügbarkeitsproblemen – auf fast schon herätische Weise sehr klein geworden ist.

The Rover

David Michôds Animal Kingdom war ein beachtlicher wie berechtigter Überraschungserfolg. Es war überdies sein erster Langfilm. Zwischendurch sammelte er noch etwas Drehbucherfahrung beim skurrilen Kleinstadtchaos-Kaleidoskop Hesher, ehe er sich zum zweiten mal hinter Drehbuch und Kamera setzte, um einen Endzeitfilm im australischen Outback zu drehen.
Und was für einen.

I was a farmer and now I am here.

Story

Australien, 10 Jahre nach dem Zusammenbruch; die Welt ist Hinterland. In der großen Weite aus Staub steht ein Bretterverschlag, in dem Bretterverschlag steht ein bärtiger Mann, dessen Gesicht mit der Welt und ihrem Treiben nichts mehr zu tun haben scheint, er selbst ist Hinterland.
Plötzlich stehlen drei Menschen seinen vor der Tür parkenden Wagen und er nimmt die Verfolgung auf. Auf seinem Weg trifft er Reynolds, einen einfach gestrickten Jungen, der sich als der Bruder eines der Verfolgten herausstellt, welcher zum Sterben zurückgelassen wurde.
Der Verfolger nimmt ihn als Mittel zum Zweck mit auf seine Reise, die das ungewöhnliche Dou ins trockene Herz der Finsternis führt.

Kritik

Wir erinnern uns an Mad Max. Nicht den zweiten oder dritten Teil, sondern den ersten. Jenen Teil, in dem die Postapokalypse nicht durch Selbstbau-Boliden und unterkomplexe Freaks mit Irokesenschnitt definiert wurde, sondern durch ein Setting, das tatsächlich nur ein paar Jahre von der Gegenwart entfernt zu liegen scheint, aber Komfort ebenso vermissen lässt wie Ordnung und Sicherheit einer staatlich geregelten Gesellschaft. Hieran erinnert The Rover zu Beginn. Nicht abgehoben, aber definitiv nach der Sozialordnung, die wir kennen. Jeder ist auf sich gestellt, Vertrauen Luxus und statt manischer Anarchie herrscht bittere Gnadenlosigkeit in einem brachliegenden Land, wo der Mensch isst, was er in die Hände bekommt, den Wert von Leben nicht mehr so recht kennt und wo das Auto – oder irgendein anderer wahllos erwählter Gegenstand – höchstes Gut ist.
Die Parallelen beginnen im weiteren Verlauf undeutlicher zu werden. Die Welt von Mad Max besitzt ein eindeutiges Verständnis von Gut und Böse, Falsch und Schlecht. Moral mag nicht allgegenwärtig und aller Menschen Maxime sein, aber vergessen ist sie keineswegs.
Dies ist ein Punkt, der in The Rover nicht existiert. Das macht den Film schockierend schmerzhaft, wahrhaft erschreckend und beinahe schon ekelhaft. Wenn das Maß von Richtig und Schlecht nicht mehr nur ignoriert wird, sondern wenn es schlichtweg nicht mehr vorhanden ist, scheint plötzlich alles möglich, auch das Undenkbare. Dies führt der wortkarge und ausgesprochen zielgerichtete Protagonist, dessen Namen erst im Abspann offenbart wird, nach gut einer halben Stunde Filmlaufzeit auf scheußliche Weise vor Augen. Der Turn, der den Zuschauer hier erwartet, ist einzigartig in seiner markerschütternden Drastik.
In diesem Land der mürben Gesichter, zusammengekniffen von Leuten, die ob der Umstände und fehlenden Spiegel längst nicht mehr wissen, dass, geschweige denn wie sehr sie ihre Gesichter zusammenkneifen, sind ethische Richtwerte verschluckt. Manch einer hat eine mürbe Erinnerung an Zeit, in der sie noch existent waren, doch es ist die Erinnerung an abgeschlossene Zeit, die mit der Gegenwart nichts mehr zu tun hat. Es gibt kein gemeinsames Wertesystem mehr, sondern nur noch individuelle Prioritäten. Antagonismus entsteht damit auf unkalkulierbare Weise, Rechtschaffenheit und ihr Gegenteil sind nicht mehr denkbar. The Rover formuliert dieses Gedankenspiel mit einer kunstvollen Konsequenz aus, wie es zuvor kaum ein Film gekonnt hat. Während viele Geschichten nihilistisch sind, fehlt es in dieser Endzeitversion gar an Dingen, die sich verneinen lassen.
Die Handlung selbst ist minimalistisch, denn auch die klassische Vorstellung von Abenteuer und dessen Ausmaßen hat keinen Wert mehr. Was regiert ist eine widerwärtige, unerbittliche Kontingenz, die zu Ende bringen wird, was der große Zusammenbruch ein Jahrzehnt zuvor zu beenden begonnen hat: Die Menschheit.
Umwickelt ist das karge Geschehen von einer fest verzahnten Bild-Ton-Ästhetik, die dem Rahmen dieses kaum auszuhaltenden Portraits eine perfide Schönheit verleihen. Die Bilder, die in ihrer Farbgebung, die unterdrücktem Lodern gleicht, tief eindringen und bedrückend schöne Panoramen liefern, werden getragen von manischem Zupfen und kakophonischen Streichern in gedrosseltem Tempo. Überhaupt ist die gesamte Soundkulisse, in der jeder Ton, so unbedeutend er auch sein mag, eine große Schwere in sich trägt, eine Klasse für sich. David Michôds Film ist in seiner Ästhetik ebenso kompromisslos und bis ins Detail stimmig und durchdacht, wie das durch sie Erzählte.
Dass das so gut funktioniert, liegt insbesondere an der Ein-Mann-Show, die Guy Pearce abliefert, der als Monolith von einem Menschen undurchdringlich und –durchschaubar wirkt, zugleich aber nie zur Gänze gleichgültig. Sein Namenloser Jäger ist ein Mann, der das, was er tut, abgrundtief hasst und es dennoch mit gnadenloser Inbrunst ausführt. Sein beschränktes Mitbringsel, auf dessen Gesicht sich ununterbrochen die einfachsten Emotionen in brachialer Größe bekriegen, wird gemimt von Robert Pattinson, der hier endgültig versucht, seinen Twilight-Fluch loszuwerden. Dass ihm das hiermit gelingt, steht außer Zweifel, auch wenn seine Figur in jeder Szene immer einen Deut zu viel mit ihrem verkrampften Gesicht zappelt. Der Rest des Casts ist an einer Hand abzuzählen und gleichsam ausnahmslos großartig.
The Rover ist so grausam und erbarmungslos, wie ein Film nur sein kann. Dabei ist er in seiner Gewaltdarstellung nicht über die Maßen explizit und die Anzahl der Sterbenden ist nicht übermäßig hoch. Es ist das Drumherum, das ihn so unerträglich gestaltet.
Das Ende bringt dann schließlich Schönheit, zumindest eine Art von Schönheit, aber auch noch mehr Wut, Verhärtung und Bitternis. Und es zeigt, wie verheerend Unschuld sich auswirken kann, wenn alles andere nur noch Schuld ist.

Fazit

Zwischen Mad Max, Twin Peaks und dem Kahlschlag der Menschlichkeit erzählt The Rover eine Geschichte, die mit verstörender Einmaligkeit in einer Welt spielt, die zur Gänze von Moral befreit ist. In The Rover ist quasi gar nichts mehr intakt. Es macht keinen Spaß, diesen Film zu schauen – so hinreißend schön er auch ist –, es verursacht Schmerzen. Wenn er am Ende berührt, tritt diese Rührung mit einer qualvollen Erleichterung ein.
In seiner Kompromisslosigkeit, seiner formvollendeten Ausführung, der enorm tiefgreifenden Stimmung und den Figuren, die sämtlich am Rande des Wahnsinns ihren eigenen Untergang unterstreichen, ist der Film aber auch eine der intensivsten, mächtigsten und beachtlichsten Genreproduktionen überhaupt.

Mad Max II – Der Vollstrecker

War Mad Max noch ein – gutes – Drama, das die Postapokalypse, in der es spielt, nur andeutete, schuf George Miller mit dem zweiten Teil der Trilogie ein Werk, das ein ganzes Genre definierte und ganz nebenbei auch Kinostandards ins Wanken brachte. Jetzt, da der Trailer zum neusten Teil veröffentlicht wurde, ist es an der Zeit, einen Blick auf diesen Klassiker zu werfen.


Everybody is looking for something.

Story

Drei Jahre sind vergangen, seit Max Rockatansky Frau und Kind verlor. Seitdem rollt er mit seinem Ford Interceptor durch eine Welt, die mehr und mehr auseinanderfällt. Wasser und Benzin sind rarer dennje und das matte, damals schon ungesunde Grün wich ewiger Wüste. Max ist abgeklärter, aber auch gefasster.
Als er einen Tragschrauber inspiziert, wird er von dessen Besitzer überrumpelt, aber Max geht siegreich aus der Auseinandersetzung hervor. Um sein Leben zu retten, bietet der Pilot eine wertvolle Information im Austausch für seine Unversehrtheit an. Wenige Meilen entfernt soll eine zur Trutzburg umfunktionierte Raffinerie große Mengen an Treibstoff lagern.
Die Geschichte stellt sich als wahr heraus, doch befindet sich die kleine Siedlung in einem permanenten Belagerungszustand. Humungus und seine marodierenden Krieger wollen ebenso an das Benzin.

Kritik

Mad Max II – Der Vollstrecker ist ein rundes, ungemein unterhaltsames Stück Film. Das ist die Kritik in aller Kürze und das ist es, was unten im Fazit ein zweites Mal zu lesen sein wird.
Schon das clevere Intro, das aus entkontextualisierten Historienaufnahmen und – gleichwertig als Vergangenheit markiert – Sequenzen des ersten Mad Max verklebt ist, introduziert ohne Umschweife in die Diegese und gibt mit seiner scheinbar schwerelosen (was nicht bedeuten soll ‚unbekümmerten, im Gegenteil) Direktheit den Ton des ganzen Filmes an. Aus diesem Intro setzt sich der Werdegang der Welt und jener des Protagonisten zusammen, um dann direkt in eine Actionsequenz überzugehen, die alles bietet, was Ikonisch an der Mad-Max-Reihe ist. Nämlich aus Restfetzen der Zivilisation zusammengetrümmerte Selbstbauboliden, atemberaubende Verfolgungsjagden mit eben diesen, schrille Figuren mit grellen Irokesenschnitten und sandige Steam-Punk-Stimmung par excellence.
Es ist direkte, aber nie überladene, recht authentische Action, die – genau wie die schrägen Gestalten – von sämtlichen Figuren des Films ebenso wie von der Inszenierung selbst ernst und für voll genommen wird. All das vermag Dean Semler (der danach etwas auf Abwege geraten ist) mit einem angenehm beherrschten Kameraauge zu durchschweifen, angereichert mit gänzlich unverkranften Schnitten, die einen sonderbaren, aber perfekt sitzenden Kontrast zu dem Geschehen ergeben.
Die Action ist die ganze Laufzeit über einfach schlichtweg sehr gut und ganz besonders die perfekt eingebundenen Verfolgungssequenzen sind grandios inszeniert und bis heute einmalig unterhaltsam. Hier kommt auch der Soundtrack voll zur Geltung, der herrlich altmodisch aus den Boxen scheppert und den alles andere als altmodischen Szenen ein sehr spezielles Flair verpasst. Brian Mays (der ebenfalls im Anschluss keine Glanztaten mehr verbuchen konnte) Instrumentalisierung ist fast immer angemessen pompös, trägt in einer ganz bestimmten Szene dann aber doch merklich zu dick auf. In einer so kuriosen, nach außen hin abstrusen, nach innen hin durchgängig stimmigen Welt von „zu dick auftragen“ zu sprechen, ist eine sonderbare Formulierung. Doch genau das macht den Mittelteil der Trilogie aus. War Part 1 noch recht gediegen und klassisch – deswegen aber auch die intensivste Erfahrung von allen dreien – und trieb es Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel in allen Belangen zu weit, besetzt Mad Max II die goldene Mitte, in der alle Zutaten perfekt abgemischt und im korrekten Zeitabstand zusammengetragen wurden. Kleine Makel machen sich bemerkbar, können das Gesamtbild aber nicht verschlechtern.
Es tut dem Film auch gut, bei seinem Protagonisten einen Schritt zurückzuweichen und Max zu einem Helden nach klassischerem Vorbild werden zu lassen, fort von dem gebrochenen, von Schmerz halb zersetzten Max, hin zu Mad Max, dem besonnenen, durchaus charismatischen Überhelden, einem Fremden mit solidem Ehrenkodex, der Tragik mit Dynamik ersetzt, aber trotzdem nicht ganz befreit von seiner Vergangenheit ist.
Alle Figuren neben der Hauptperson sind ziemlich einseitig und sämtlich auf eine einzige überspitzte Eigenschaft reduzierbar, doch dafür sind sie zahlreich und das Geschehen ist derart abwechslungsreich, dass man eine tiefere Charakterzeichnung gar nicht zu vermissen beginnt; auch deswegen, weil die komischen Wesen in ihrer Einseitigkeit doch irgendwie für sich und miteinander funktionieren können. Ein formaler Fehler, der in der Praxis nicht mehr als solcher zu erkennen ist.

Zur neuen Wüste kam die Westernausrichtung hinzu, die noch stärker als im ersten Teil zutage tritt. Mad Max II – Der Vollstrecker könnte auch als Town-Tamer-Geschichte im Italowestern-Gewand durchgehen. Fahrzeuge statt Pferde, Benzin statt Gold. Das sind die einzigen Elemente, mit denen das Genre verfremdet wurde. Der australische Outback als Kulisse, wodurch die postapokalyptische Welt nicht selten wie ein ganz anderer Planet wirkt, trägt seinen Teil dazu bei.
Wer zu lange draußen, jenseits der kargen Überbleibsel von Zivilisation, lebt, der wird Wahnsinnig – der endlos erscheinende Strom gieriger, barbarischer Punks und Wrestlern mit ihrem flatternden Blick und ihren wahnwitzigen Konstruktionen aus Rost und Nägeln, beweisen dies. Jene, die in der Stadt ausharren, sind noch halbwegs gefestigt, denn sie haben Strukturen und, wenn nicht eine Heimat, so doch einen Ort, für den es sich zu Kämpfen lohnt.
Bei den archaischen Glücksrittern des Ödlands regiert jener, der am skurrilsten, unberechenbarsten, mitleidslosesten und wunderlichsten ist. Zum Stammesanführer werden eingeölten Gladiatoren, die mit ihren Masken und mit ihren totalitären Neigungen wie besessen in die trockene Weite hineinbrüllen. Es gilt das Vorrecht der imposantesten Aura.
In der Siedlung waltet ein Anführer mit Verstand und einer absurd weißen Erscheinung, der seine Leute koordiniert zu administrieren weiß und sich mit Bedacht der Masse an Feinden zu widersetzen weiß. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Probleme auf ein Maß anschwellen, dem nur Mad Max gewachsen ist.
Während die Verstoßenen sich schon zu weit von der Zivilisation entfernt haben, um in einem zivilisierten System funktionieren zu können, sind Die Städter zu schreckhaft, naiv und regelverliebt, um den Gefahren der Wildnis zu trotzen. Fähig werden sie nur durch einen Helfer, der zu gleichen Teilen Wildnis und Zivilisation ist. Auch hier tritt wieder in aller Deutlichkeit der Western hervor, der eine Aufgabe zu erfüllen hat, zuvor und im Anschluss aber alleine mit der Feststellung bliebt, keiner der Fraktionen angehören zu können und deshalb ewig getrieben durch die Winde pilgern muss, unentwegt auf der Suche nach neuen Aufgaben.
Dass das einzige Kind im Film in der Siedlung lebt, zugleich auch das tierhafteste Wesen im gesamten Film ist, das nur aus purem, empathielosen Instinkt heraus zu handeln scheint, ergänzt dieses Bild um eine ungewöhnliche wie wertvolle Facette. Nicht mehr lange und auch die wenigen Reste der Kultur, die jetzt noch mühsam aneinandergehalten werden, werden vollkommen dekonstruiert und auf ein primitives Grundgerüst runtergebrochen sein.
In Anbetracht dieser Sichtweise hat es eine traurige Ironie, dass Max ein ehemaliger Polizist ist, bevor die Anarchie in ihrer nihilistischsten Form ihm alles entriss, was Wert für ihn besaß.

Fazit

Mad Max II – Der Vollstrecker machte die staubige Postapokalypse erst so richtig salonfähig. Damals wie heute ist der Film ein Highlight des Genres, hat keine einzige Länge und ist trotz seines speziellen Settings fast immer ernst zu nehmen. Mel Gibson verleiht dem gebrochenen Max eine neue, gefestigtere Identität und lässt den wüsten Ausflug des Road Warriors unter Millers Regie zum vielleicht effizientesten Western der 80er werden.
Mad Max II – Der Vollstrecker ist ein rundes, ungemein unterhaltsames Stück Film, ist Abenteuerlust mit ganz viel detailversessener Einfallsreichtum, noch mehr Passion und gesalzen mit einer ordentlichen Prise Irrsinn.

Falling Skies – Staffel 1

DreamWorks Televisions Falling Skies wirkt auf den ersten Blick wie eine der unzähligen öden ‚Mystery-Montag‘-Serien im Stile von 4400 – Die Rückkehrer, V – Die Besucher oder Jericho – Der Anschlag. Es fehlt aber nicht nur der obligatorische Beititel, der die Handlung mit einem zusätzlichen Subjekt andeutet. Dass Stephen Spielberg Produzent ist, scheint in diesem Fall mehr zu sein als reines Werbemittel.


Maybe we owe it to those who didn’t, to become the best of mankind.

Story

Ein halbes Jahr liegt die plötzliche Invasion der Außerirdischen zurück. Riesige Schiffe hängen starr über Städten, die Menschen sind weitestgehend vernichtet, Siedlungen leer und zerbombt. Die wenigen Überlebenden schlagen sich alleine oder in Banden durch die Trümmer der Zivilisation, fliehen vor den Besatzern und bekämpfen sich gegenseitig.
Die Zweite Massachusetts, eine von wenigen koordinierten Widerstandszellen, hat es entsprechend schwer. Der Feind ist nicht zu verstehen, seine Motive sind – neben der aggressiven Ausrottung – unklar und Schwachstellen nicht bekannt. Riesige Mechs und schleimige Skitters räuchern die Nester der Flüchtlinge aus, töten die Erwachsenen und verschleppen Kinder, um sie mit einer organischen Steuereinheit an der Wirbelsäule zu Sklaven zu machen.
Thomas Mason, ehemaliger Geschichtsprofessor, ist Vater von drei Söhnen und nun Stellvertreter von Captain Daniel Weavers, dem verbissenen Anführer der mager ausgestatteten Streitkräfte. Gemeinsam mit anderen Anhängern des Widerstands müssen sie sich neu organisieren, Gefahren von Innen eindämmen, den Feind verstehen und am Leben bleiben.

Kritik

Wirbt ein Elaborat aus Film und Fernsehen mit großem Produzentennamen, hat das für gewöhnlich nichts zu bedeuten. Bei Falling Skies liegt die Sache überraschenderweise etwas anders, denn sowohl die guten wie auch die weniger guten Seiten, die man aus den Werken Stephen Spielbergs schätzen und erleiden gelernt hat, sind in der Sci-Fi-Serie erkennbar. Beginnen wir beim weniger erfreulichen Part.

Der flächendeckende Einsatz penetrant süßlicher Musik ist wohl das repräsentativste Stilmittel für das, was schiefläuft. Immer noch glauben große Teile des US-TVs, der Zuschauer würde den Grundton einer Szene nicht ohne einen tatsächlichen Ton, der das zu generierende Gefühl transportiert, verstehen. In Wirklichkeit nimmt es den Bildern wichtigen Wind aus den Segeln, wenn all das, was der Zuschauer aus sich heraus in das Gesehene legen könnte, bereits künstlich oktroyiert wird. Die Erfassung von Kunstwerken wird immer in erster Linie Konstruktions- und Kombinationsarbeit des Rezipienten sein. Je mehr davon stattfindet, desto intensiver, authentischer und tiefer wird die dargestellte Welt. Je mehr ihm aber davon mit billigen Gängelungsinstrumenten aus der Hand genommen wird, desto platter wird sie; die Diegese kastriert sich selber. Ohne die pathetisch geschwungenen Reden zu sirupartiger Musik wäre schon die erste Staffel weitaus besser.

Dies fügt sich nahtlos in das Gesamtbild. Es sind wieder mal die Schönen, die als einzige die rauen Zeiten des Alienterrors überstanden haben. Es sind die armen unschuldigen und natürlich ebenfalls hübschen Kinder, die von den Aliens zu zombiehaften Marionetten gemacht werden. Schutzlosigkeit und Unschuld werd ins Maßlose gesteigert. Der Makel ist eine Schande am Reinen, die nach Vergeltung brüllt. Die Figuren scheinen sämtlich Variationen aus der Kiste für Standardbausteine von Standardserien. Und die außerirdische Streitmacht? Wirbeltierartige Standardviecher, in Szene gesetzt wie die Bedrohung in einem Slasherstreifen.
Das alles nimmt man aus der ersten Episode mit. Die Effekte sind dazu gereade so noch Fernseh-Niveau, eigentlich aber 10 Jahre ihrer Zeit hinterher. Das Schauspiel ist überwiegend in Ordnung, aber nicht bemerkenswert. Die Stimmung passabel, aber zerkratzt von atmosphärischen Fehlgriffen wie die oben beschriebenen. Ummantelt von einem Plot von der Stange.

Aber dann, bevor die erste Folge endet, ein Lichtblick. Beim so unbekannten wie uninteressanten Aggressor wird eine Ahnung von Tiefe antizipiert. Es ist nicht viel, was die ersten 40 Minuten als Köder hinhalten, aber es ist etwas. Wer ihn daraufhin nimmt, darf feststellen, dass sich dieser Vertrauensvorschuss auszahlen wird. Außerdem kommt man schwer drumherum, sich einzugestehen, dass trotz der stilistischen Plattitüden eben auch die positiven Einflüsse von Produzent Spielberg und Autor Robert Rodat in Erscheinung treten.
Die auf Episodengröße zurechtgehackten Geschichten sind nicht herausragend, werden aber in ordentlicher Geschwindigkeit erzählt – und allein das macht eine Menge aus. Dank den ökonomisch kurzen 40 Minuten pro Episode und 10 Episoden pro Staffel hat die Serie quasi nie mit Längenproblemen zu hadern. Zudem darauf verzichtet wurde, einen bedeutungsschweren Vorspann einzubauen, der die Laufzeit künstlich aufbläht. Alles geschieht angenehm kurzzeitig aufeinanderfolgend und der pausenlose Marsch durch die Etappen der Handlung wird so diszipliniert durchgehalten, dass die kleinen Unzulänglichkeiten, die am Anfang noch Schlimmes befürchten lassen, gar nicht so stark ins Gewicht fallen. Tatsächlich werden die Figuren trotz stereotyper Veranlagung rasch sympathisch.
Während der Plot grundsätzlich interessante Aspekte aufweist und im richtigen Tempo voran gepeitscht wird, sodass der Zuschauer stets mit genügend viel Zucker in die nächste Folge gelockt wird, hapert es manchmal an den Wegen, die das Drehbuch einschlägt. Es ist schon etwas arg konstruiert, wenn die Widerständler gedankenverloren ihren ersten Kriegsgefangenen, einen gefährlichen wie unbekannten Parasiten sowie einen potenziellen Wirt unbewacht im selben Raum einquartieren. Solche Kleinigkeiten sind es, die immer wieder fragen lassen, wie so etwas passieren kann. Ungereimtheiten dieser Art gibt es auch in anderen Bereichen, aber nirgends stoßen sie so bitter auf wie mitten in der Story.

Lob verdient sich die Geschichte aufgrund ihrer cleveren Struktur. Wie gesagt, inhaltlich darf keine Revolution erwartet werden, der formelle Aufbau aber ist richtungsweisend. Die einzelnen Glieder gehen sinnig ineinander auf und sind, so wie sie portioniert wurden, optimal im angebotenen Serienformat aufgehoben. So erzählen alle Folgen ihre eigenen Geschichten, von denen aber jede aus der vorherigen hervorgeht. Kein Subplot erweckt den Eindruck, nur isoliertes Füllwerk zu sein, während die Episoden sämtlich eine gewisse Abgeschlossenheit aufweisen können. Dabei befindet sich der Spannungsbogen auf konstantem Niveau, das fernab von nervenzerreißend ist, die Allgegenwärtigkeit der Bedrohung aber ebenso gut rüberzubringen vermag wie ihre Undurchschaubarkeit. ‚Konstantes Niveau‘ bedeutet auch, dass die letzte Folge keine Ausnahme bildet. Sie wirkt wie eine der 9 vorherigen und endet mit einem Cliffhanger, der bemüht dramatisch, genaugenommen aber gar nicht so aufregend ist, zudem auch die vermeientlich große Tat der Widerständlicher im letzten Akt eigentlich kaum der Rede wert ist.
Es ist vor allem Noah Wyle (bekannt vornehmlich aus Emergency Room), der alles zusammenhält. Zwar ist sein Tom Mason auf einem denkbar durchschnittlichen Grundgerüst errichtet, doch seine Darstellung des Vaters und Arztes, der zum Anführer der Rebellen avanciert, ist erfrischend natürlich und menschlich, nie überzogen und bemerkenswert sympathisch.

Fazit

Falling Skies bemüht sich sichtlich, es dem Zuschauer nicht immer leicht zu machen, die Serie zu mögen. Die Effekte sind unterdurchschnittlich, das wirklich Bedauerliche ist aber, dass die Serie, wäre sie nüchterner und mit ein wenig Dezenz erzählt, die Chance hätte, zu den Größeren zu gehören. Dank der wenig feinfühligen weil plump steuernden Inszenierung erfüllt sie aber nur selten das volle Potenzial, das sie im Kern trägt.
Dessen ungeachtet: Die Dramaturgie gibt es her, das Szenario sowieso. Erzählerisches Fingerspitzengefühl, ein tauglicher Protagonist und vor allem das forsche Tempo machen Staffel 1 zu einem nichtsdestotrotz sehenswerten und allemal kurzweiligen Auftakt, der geschickt die Weichen für Größeres stellt.