The OA

Brittany „Brit“ Heyworth Marling (Another Earth) und Zal Batmanglij bekamen von Netflix grünes Licht für ihre eigene „Autoren“-Serie. Geschrieben, inszeniert und gedreht wird The OA von diesem Tandem und erzählt mit außergewöhnlichen Mitteln eine außergewöhnliche Geschichte.

When I say it out loud it all falls apart.

Story

Seit sieben Jahren sind die Adoptiveltern von Prairie Johnson im Unklaren darüber, was mit ihrer blinden Tochter geschah, die eines nachts einfach verschwand. Entsprechend groß ist der Schock, als sie feststellen, dass genau sie es ist, die sie in einem YouTube-Video von einer Brücke springen sehen.  Prairie überlebt und kehrt heim. Doch einiges ist anders. Sie hat ihr Augenlicht wieder, hat gewaltige Narben auf dem Rücken und kann oder will ihr Verschwinden nicht erklären. Dann aber trommelt sie 5 Personen aus der Nachbarschaft zusammen, schafft ein Band zwischen ihnen und beginnt, der Gruppe in nächtlichen Sitzungen ihre Geschichte zu erzählen.

Kritik

Die größte Leistung der Serie ist vielleicht die gelungene Ambition, eine Grundambivalenz als tragendes Prinzip der gesamten Serie zu halten und zu pflegen, ohne dass diese jemals zu nerven oder zu verderben beginnt. The OA schwebt irgendwo zwischen Profanem, Religiösem, Science-Fiction und Posthumanismus. Während also in erster Linie die Geschichte von ein paar Jugendlichen und anderen Verlorenen und Suchenden erzählt wird, liegt der Schwerpunkt des Plots mit erstaunlicher Ruhe in der Mitte der aufgezählten Spannungsfelder und macht dort eine erstaunlich gute Figur. Und so entschlossen unentschlossen verhält es sich auch mit den weiteren Bausteinen von The OA. Angefangen beim vieldeutigen und deswegen im Zuge dieser Staffel auch gleich mehrmals anders erklärten Seriennamen selbst. Seltsame, die Esoterik berührende Momente wechseln sich ab mit Entwicklungen, die das Geschehen immer wieder erden und auf Augenhöhe mit den Zuschauern zu bringen versuchen. Die Figuren werden von passend gewählten Schauspielern verkörpert, die diesen Wechsel mitmachen, manchmal in ihren ätherischen Anwandlungen unnahbar scheinen und Kitsch befürchten lassen, dann aber immer wieder mit den Füßen auf den Boden gelangen und die Geschichte zu ihrem speziellen Gleichgewicht verhelfen, welches ihr ihre merkwürdige Anziehungskraft verleiht. Brit Marling, die nicht nur die Hauptrolle bekleidet, sondern auch die Serie gemeinsam mit Zal Batmanglij schuf und an der Hälfte der Drehbücher mitschrieb, macht eine gute Figur, wird aber vor allem von Emory Cohen als Homer (The Place Beyond the Pines, Smash) in den Schatten gestellt, der eine wirklich außerordentliche Performance darbietet. Erfrischend ist darüber hinaus, wie der Bösewicht der Geschichte dargestellt wird. Nicht nur handelt es sich keinesfalls um einen klassischen Antagonisten, auch befinden sich seine Motive, wie nach und nach deutlicher wird, ebenfalls in einer moralischen Ambivalenz, die ihre Prägung mit der eingenommenen Perspektive gänzlich ändert. All der gelungenen Stimmung und des erfolgreich umgesetzten mutigen Konzepts zum Trotz ist The OA aber nicht sicher vor einigen Ungereimtheiten und logischen Brüchen, ohne die die Geschichte so nicht funktionieren könnte. Es sind diese Punkte, die darauf hinweisen, dass das Drehbuch ohne gewisse Krücken nicht auskommt; Krücken, die mit ein wenig kreativer Zuarbeit in dieser Form und Offensichtlichkeit aber nicht notwendig gewesen wären. Der Grund ist folgender: Die Regie von The OA ist blendend, sie sieht die Gefahrenstellen des Stoffs, bringt die Folgen gerne an deren Ränder, umgeht die kritischen Stellen dann aber und schafft damit etwas Besonderes. Sie ist gewieft, selbstbewusst und zugleich sehr stilecht. Das Drehbuch hingegen spielt nicht in dieser Klasse und macht wirklich ausschließlich der sensiblen Inszenierung Spaß. Dass dies gut geht, ist der ungewöhnlichen Thematik, den unverbrauchten Schauspielern und dem Format als Serie. Die Frage, ob und wie sich dies in einer etwaigen zweiten Staffel fortsetzt, steht nun wartend im Raum. Staffel 1 jedoch ist so offen, wie eine Geschichte mit dieser Thematik wohl sein muss, bringt die zentrale Geschichte aber trotzdem zu einem befriedigenden Ende.

Fazit

Mit The OA hat das Duo Marling und Batmanglij eine spezielle, gefühlvolle Mixtur aus Drama, Thriller, Esoterik und Science-Fiction geschaffen, die tatsächlich aufgeht. Besonders die Schauspieler und die sensible Regie ermöglichen es, dass die wunderliche Welt der Ambivalenzen fesselnd und hochspannend ist – und definitiv Lust auf Mehr macht.

Killjoys – Staffel 1

Parallel zu Dark Matter zäumte der SyFy-Channel noch ein zweites Serienpferd auf: Killjoys. Die Grundkonstellation ist in beiden Serien erst einmal recht ähnlich: Irgendwo zwischen Farscape, Firefly und irgendeiner Crime-/Fantasyserie siedeln sich die beiden Geschichten an. Doch macht Killjoys vieles deutlich besser als der Bruder Dark Matter.

Perfection is a process.

Story

Die abgebrühte Dutch und ihr Partner John Jaqobis sind Killjoys – Angehörige einer neutralen, aber von der Regierung gebilligten Kopfgeldjägerorganisation. Sie gelten als effizientes, eingespieltes Team, das im wendigen Schiff Lucy ihren Quadranten nach verschiedenen Klassen von Kriminellen durchforstet und es dabei selbst nicht so genau nimmt mit der Moral.
Als eines Tages D’avin Jaqobis, Johns Bruder, überraschend zu der kleinen Crew stößt, verändern sich die Dynamiken im Team.
Zugleich suchen Dutch düstere Schatten aus ihrer nebulösen Vergangenheit heim und Vorahnungen eines anstehenden Putschversuchs schweben wie stumme Vorzeichen über allem.
Zwischen Persönlichem, Politik, ambivalenter Moral und Fragen an und von Vergangenheit wie Zukunft muss sich das Trio in immer kritischeren Situationen behaupten, wächst zusammen, wird auf die Probe gestellt und erhält nach und nach den Überblick über ein erschreckendes Gesamtbild.

Kritik

Dark Matter ließ sich durchaus ein wenig Zeit, bis es ganz die Hüllen fallen lässt und klarmacht: „Ich bin Pulp! Trink ein Bier, wenn du mich schaust. Und sei nicht so aufmerksam, geh zwischendurch ruhig mal auf Klo!“, wodurch es sich einerseits in bester Tradition in die 90er-Jahre-Nachmittagsserien á la Stargate einreihte und sich andererseits abhob von all den High-Quality-TV-Auskopplungen des fluch- und segenreichen Netflix-Zeitalters. Und all das mit sämtlichen Vor- und Nachteilen.
Killjoys hat den Gürtel nicht so straff sitzen und zeigt schon ganz am Anfang, was es ist und wohin es will. Alles wirkt erst einmal eine Spur billig, eine Spur zu gewollt drei Spuren zu übertrieben, nimmt sich dabei aber nie so ganz ernst und bemüht sich vor allem ausreicheichend um Abwechslung.
Und, man mag es kaum fassen, der Vorspann ist noch mal eine Nummer liebenswert-schlechter als der von Dark Matter. Bescheuerte Bildaufteilungsspielereien zu völlig überholtem und ebenso lahmem Rock senden Grüße aus den 90ern zusammen mit den grimmig dreinschauenden, stur und steif umherlaufenden Protagonisten. Was ihn von nervigen Vorfahren abgrenzt, sind die wenigen Sekunden Laufzeit. Das ist der erste Eindruck, den Killjoys vermittelt, auch noch nach ein paar Folgen. Aber der Eindruck wandelt sich – zum Guten und immer Besserem.
Doch erst einmal kurz weiter mit den ersten Eindrücken: Das große Alleinstellungsmerkmal der Serie ist gewiss die Umkehrung der klassischen Geschlechterrollen, zumindest so ein bisschen. Chefin des Söldnertrios ist ein Actiongirl, das taffer, kampferprobter und gerissener ist als ihr männliches Beiwerk. Die Kleidung ist zwar immer noch eng und Schauspielerin Hannah John-Kamen (Game of Thrones) eindeutig viel zu klassisch sexy, andererseits kann man das auch als Zugeständnisse an das eigene Pulp-Herz sehen. Und an dieses Herz muss man auch glauben, wenn man der Serie etwas abgewinnen will. Zu jeder Action rüpelt irgendein (viel zu leise abgemischter) Metalsong vor sich hin. Und Action gibt es in klar definierten Abständen immer wieder. Barschlägerei, Lagehallenschießerei, Martial-Arts-Gekloppe. Dabei geht die Serie manchmal ein wenig zu verkrampft zu Werke, meist aber trifft sie den richtigen Ton und sorgt gekonnt für die Art von Unterhaltung, die sie bescheren will.
Was sie aber anders macht nicht nur als Dark Matter, sondern als viele andere aktuelle Serien, ist einfach: Sie wird besser von Folge zu Folge. Es wurde nicht in den ersten Episoden das magische Pulver zur Gänze verschossen, sondern alles wird passender, das Gesamtbild runder, die einzelnen Elemente umspielen sich stetig harmonischer, der Stil scheint sich immer stärker selbst zu finden und irgendwann muss man mitten in einer Episode in der ersten Staffelhälfte verblüfft auf Pause drücken und sich eingestehen, dass Killjoys überraschend einzigartig, überraschend charmant, überraschend gut ist – ehe man dann schnell wieder auf Play drückt, weil das Ganze nämlich auch überraschend spannend ist.

Die gewohnte Schere zwischen eher rückständischen Zuständen in Gesellschaft und am Boden und der Technik, die interplanetares Reisen zu einer Sache von gefühlten Minuten macht, ist in Killjoys besonders auffällig. Doch diese Schere verläuft nicht ins Nichts; die einzelnen Planeten bekommen Gesichter und ihre Kulturen beeinflussen die erzählten Geschichten. Der Start ist nicht so gut und dramatisch wie der von der Schwesterserie Dark Matter, dafür ist er aber ehrlicher. Hier köchelt alles lange auf kleiner Flamme, dafür aber beständiger und intensiver. Die großen, das Schicksal aller beeinflussenden Geheimnisse und Ranküne springen dem Zuschauer nicht sofort ins Gesicht. Dafür formt man die kleineren Konflikte mit größerer Intensität und größerem Geschick. Und das ist deutlich angenehmer.
Ebenfalls am Anfang könnte man glauben, dass die Figuren hier das Schwache Glied darstellen. Die Figur Dutch hat man schnell akzeptiert, da sie sich von den anderen beiden abhebt, viel Raum bekommt und lange Zeit als klares Serienzentrum markiert ist. Die Brüder John und D‘avin hingegen flachen im Vergleich erst einmal ab. John hat die typische Frauenrolle: Gut mit Maschinen, schwach im Kampf, sentimental, der insgeheime Schützling. Aaron Ashmore benötigt einfach ein paar Episoden, bis sich seine Figur etablieren und schätzenswert werden kann. D‘avin hingegen ist der archetypische Soldat mit geheimem Ziel und großem Trauma, der natürlich noch eine Rechnung zu begleichen hat und ansonsten fürs Grobe zuständig ist. Der Knackpunkt ist aber auch hier, dass alles für sich und zusammenwächst. Nach und nach offenbaren alle Figuren, inklusiver zahlreicher Nebencharaktere, markante, glaubwürdige, liebenswerte und spannende Eigenschaften, die sie plastischer und interessanter als erwartet werden lassen.
Darauf fußen zwischenmenschliche Entwicklungen und angedeutete Konflikte, die primär in den Psychen der Einzelnen und erst sekundär und deutlich seltener im Team ausgetragen werden. Überraschend ist, dass Killjoys vor allem hier unerwartet starke, gut abgestimmte Momente generiert, die einem die Figuren näher ans Herz bringen und aufregender machen. Und so wird die vermeintliche Pulp-Serie, die auf den ersten Blick nur für den schnellen Spaß zu haben ist, stückchenweise mehr als nur das. Sie wird eine tolle, bisweilen rührende, szenisch gut abgestimmte und vor allem überraschend clever geschriebene Serie, die man lieb gewinnt und deren Charme nicht aufgesetzt wirkt.
Die Drehbücher funktionieren, erzählen alle ihre relevante Geschichte und bringen jedes Mal neue Blickwinkel für das Team auf sein Schicksal und für den Zuschauer auf das Team. Und das Beste ist: Es sind nur drei Leute, nicht fünf, nicht sieben, nicht zwölf. Drei. Hier müssen nicht alle Eigenschaften auf eine große Gruppe verteilt werden, hier müssen nicht diverse Beziehungen ausgeleuchtet werden, auch auf dieser Ebene ist Killjoys eher klein. Und auch auf dieser Ebene ist das ein echter Glücksfall.
Insbesondere der sichere Stil und die – bisher – sauber geschriebenen Drehbücher machen einen großen Teil des Spaßes aus. Und dann gibt es immer mal wieder Momente, die beweisen, dass die Macher auch eine Hand fürs Poetische, Tragische, Schöne haben, wo andere gnadenlos in die Kitschfalle getreten wären.

Fazit

Das kommt unerwartet. Killjoys ist mitnichten ein weiterer Schnellschuss aus dem Standardgewehr des SyFy-Channels, sondern ein echtes Kleinod, das mit seinem rauen Charme ebenso zu begeistern weiß wie mit dem Worldbuilding und den glaubwürdigen Dynamiken.
Es ist lange her, dass einem ein Raumschiffteam ans Herz wachsen konnte. Und dann auch noch eines, das auf den ersten Blick gar nicht so besonders wirkt.

Staffel zwei ist gerade am Laufen. Und alsbald auch hier im Fokus.

Dark Matter – Staffel 1

Mit Dark Matter hat SyFy Universal eine Space Opera auf Basis des gleichnamigen Comics veröffentlicht, die sich anschickt, viel Gutes und von vielen Vermisstes ausgelaufener Sci-Fi-Serien zu vereinen – und sich mit diesem Konzept über die 15 bisherigen Folgen hinweg eine sehr loyale Fanbase aufgebaut hat.


I’m pretty sure the least we can do is nothing.

Story

Nach und nach erwachsen sechs Menschen aus dem Kälterschlaf. Sie sind alleine an Bord eines Raumschiffs, wissen nicht, wie sie dorthin kamen, wissen nicht, wer sie sind. Sie benennen sich nach der Reihenfolge ihres Erwachens. Was ihnen aus ihrer Vergangenheit bleibt, ist eine Art „Muskelgedächtnis“ – fünf von ihnen können außergewöhnlich gut kämpfen, ein jeder in eigenem Stil. Nummer 5, ein ängstliches Mädchen, bildet die Ausnahme.
Mit an Bord ist ein weiblicher Android, der das Schiff wartet und nach anfänglichen Schwierigkeiten Teil der Mannschaft wird, welche nicht nur mit den Widrigkeiten ihrer ihnen abhandengekommenen, sie aber jagende Vergangenheit, sondern vor allem auch mit der eigenen Gruppendynamik hadert. Abgesehen davon, dass grundverschiedene Moralvorstellungen aufeinandertreffen, muss einer der Crewmitglieder verantwortlich für die kollektive Gedächtnislöschung sein und Böses im Schilde führen.
Und auch das Schiff mit seinem verzweigten Schachtsystem birgt Geheimnisse.

Kritik

Nach einer sehr starken Einstiegsfolge drosselt Dark Matter wie so viele andere Serien auch erst einmal Geschwindigkeit und Qualität. Lange erweckt die Serie den Eindruck, schrecklich gerne wie Firefly sein zu wollen, sich darüber hinaus aber kaum Gedanken gemacht zu haben.
Sogar die Figuren wurden weitestgehend übernommen. Das liebenswerte, junge, bodenständige, niedliche, selbstständige Mechanikerin, die
taffe, raubeinige Dame, die mit der Philosophie des Patriarchs fusionierte, der grobschlächtige Unhold mit seiner Liebe für ebenso grobschlächtige Wummen und plumpen Humor und der etwas naive und zarte, aber rechtschaffene Schönling, der mit Vorliebe brenzlige Situationen hilfreich analysiert. Ja, nicht nur dass die Charaktere übernommen wurden, die Schauspieler wurden ohne Zweifel auch mit der Vorgabe gecastet, so auszusehen wie in Joss Whedons kurzlebiger Kultserie.
Doch lassen wir Milde walten. Wem kann es verübelt werden, in
Firefly verliebt zu sein? Und eine so falsche Idee ist es ja nicht, das Erbe dieser Serie antreten zu wollen. Formal hat dieser Plan auch gute Chancen, denn bestimmte Parameter sind anders und Dark Matter bemüht sich redlich um eine gewisse Eigenständigkeit. Vor allem die erwähnte erste Folge macht diesbezüglich neugierig, geizt sie doch nicht mit Geheimnissen Plottwists und Andeutungen, sodass man kurzzeitig meinen kann, auf ein wahres Fernsehjuwel gestoßen zu sein.
Bereits Episode 2 lässt aber befürchten, dass sich die Serie auf ihrem Piloten ausruht und sich nun erst einmal lahmen Einzelges
chichten zuwendet, die bestenfalls ein paar Alibientwicklungen für das große Ganze mitbringen. Und diese Befürchtung bewahrheitet sich teilweise – wobei aber gesagt werden muss, dass Dark Matter auch in seinen mittelmäßigen Stellen immer noch ordentliche Unterhaltung bietet.
Bezeichnend für
Dark Matter wie auch für Firefly ist es, dass die Syfy-Serie gerade an den Stellen schwächelt, die sie von Firefly unterscheiden. So ist das Geschehen an Bord der Serenity gerade deshalb so besonders gewesen, weil die Crew trotz der disjunkten Persönlichkeiten im Grunde eine harmonisch funktionierende Familie war, in der es wie in jeder guten Familie mal einen Streit gibt, die abends aber dennoch gemeinsam am Küchentisch sitzt und über die Launen des Tages blödelt. Die Crew in Dark Matter hingegen ist ein zerstrittener Haufen, in dem keiner den anderen über den Weg traut. Schlecht ist das keineswegs, denn das Konzept bietet natürlich mannigfache interessante Ansätze, das originäre aber Firefly-Feeling, das die Macher der Serie offenbar anstrebten, wird dadurch aber konsequent ausgeschlossen. Auch kommen die einzelnen Figuren viel zu selten über die eine, sie definierende Grundeigenschaft hinaus. Der tumbe Haudrauf mit Machismo-Humor, die kindliche Technikerin, die enger als alle anderen mit dem Schiff verbunden ist, die Androidin mit Hang zu Gefühlen, deren berechnende Art immer wieder für vermeintlich lustige Momente sorgt, der Farbige mit weichem Herz (eine Figur, die so langsam deutlich rassistisch Anklänge hat), der schweigsame „Ninja“ und eben der smarte Sunnyboy, der darauf angelegt ist, Sympathiezentrum zu sein. Das sind die Substrate des sozialen Mikorkosmos an Bord. Da Charakterentwicklungen und -vertiefungen aber nur sehr kleinschrittig vonstattengehen, sind die Möglichkeiten der Verbindungen und die damit einhergehenden Konflikte aber ebenso vorhersehbar wie an zwei Händen abzählbar.
Außerdem leidet die Serie gerade bei der inoffiziellem Hauptfigur
an einem schwerwiegenden Besetzungsfehler, denn Marc Bendavid macht seine Figur zum naiven Milchgesicht ohne Geberqualitäten, während ihn das Skript zur Hälfte mit Weinerlichkeiten nerven lässt und zur anderen Hälfte gerne einen erfahrenen Supersöldner hätte, der von dem Schauspieler aber einfach nicht dargestellt wird. Dass er eine Figur mit Tiefe und hartem Kern ist, dass er eventuell dunkle Geheimnisse hütet solche elementaren Eigenschaften, die ihm die notwendige Komplexität verleihen würden und laut Drehbuch auch sollen, funktionieren schlichtweg nicht befriedigend.
Wenn in Folge 10 eine ähnlich aufgebaute Crew die Bildfläche betritt, die aber viel interessanter als unsere Helden wirken, könnte man fast eifersüchtig werden, wenn man sich fragt, ob deren Erlebnisse nicht auch viel abenteuerlicher und
aufregender verlaufen.

Damit ist die Basis der Geschichten natürlich nicht die beste, wird jedoch dadurch gerettet, dass die restlichen Charaktere alle etwas vielversprechender und ansprechender daherkommen.
Wie schon angerissen wurden, strengt sich
Dark Matter sichtlich an, immer genügend Schauwerte und Tempo zu liefern. In Folge sind die Geschichten meist straff und unterhaltsam inszeniert, trotz passabler Prämissen inhaltlich aber auch in einigen Fällen kläglich dumm, teils nahezu albern. Das beste Beispiel dafür ist Folge 6, die Geschichte mit der Träumerin.
Was die Serie letztlich ziemlich elegant rettet, ist die Verkettung und Fortführung von Themen über die Folgen hinweg. Die relevanten und durchgängig fortgeführten Storystränge werden nicht brav nacheinander abgespult, sondern überschneiden sich permanent und nehmen in ihrer Anzahl tendenziell zu. Auch, wenn sie für sich genommen, alles andere als originell ausfallen, besitzen sie in ihrer Masse spätestens im letzten Drittel ausgewogene Abwechslung.
Der Kreis, begonnen von der tollen Einstiegsepisode, schließt sich mit der finalen Folge, die vielleicht nicht die größten Antworten liefert, dafür aber überraschend durchdacht und sehr keck inszeniert ist.

Über die kleineren und größeren Schwächen muss man hinwegsehen können, um die Qualitäten der SyFy-Produktion als Dank der Mühe genießen zu können.
Das kurze Intro erinnert
nämlich immer wieder daran, dass Dark Matter nie mehr sein will als ein kleines Guilty Pleasure, das für latent selbstironische Frühabendunterhaltung sorgt und quasi nebenbei die langfristige Ambition hat, ein größeres Universum aufzubauen, das nicht so schräg ist wie das von Lexx, nicht so süß ist wie das von Firefly und auf keinen Fall so ernst wie das von Battlestar Galactica. Dark Matter ist eine Räuberpistole, die nicht davor zurückschreckt, mal blöd und peinlich zu sein, im Gegenzug dafür aber eine Form von unbekümmerter Unterhaltung liefert, die sich nicht scheut, Experimente zwischen gut und schlecht, trashig und passabel budgetiert, sympathisch und nervig, dumm und clever zu wagen. Und wer weiß,
Die letzten paar Folgen überraschen mit einem Rückgriff auf d
ie temporeichen Pulpanleihen der ersten Episode und sorgen unverhofft für spannende Wendungen und gesteigertes Stilbewusstsein; immer im Rahmen der Möglichkeiten, versteht sich, und gerade deshalb auf eine angenehm bewusst-trashige Weise durchkomponiert, sodass sich Dark Matter in diesen Momenten wie der kleine, wenn auch ein wenig nervige Bruder von Farscape schauen lässt.

Fazit

Dark Matter legt wert darauf, keine großen Längen zu haben, was die Serie vorrangig durch eine schnittige, bisweilen unnötig hektische Inszenierung löst. Langeweile kommt dadurch tatsächlich keine auf, da auch die berühmten Füllerepisoden nicht in zu großer Anzahl anzutreffen sind.
Mit einigen Schwächen und der nicht immer glücklichen Vermählung von Klischee, Epigonentum und Pulp-Charme muss man sich allerdings erst einmal anfreunden, ehe man die Serie als das schätzen kann, was sie ist: Angenehm leichte Unterhaltung, nicht zu glatt, nicht zu spröde, sondern ein Rotzlöffel, der zwar regelmäßig mit seinen allzu typischen Jungenspäßen anstrengt, aber in seinen besten Momenten trotzdem ein liebenswerter Bengel sein kann, dessen naive Art die eigene Geduld belohnt.

Eine zweite Staffel steht in Bälde an.

Parallels

Netflix schreibt sich offensiv auf die Fahne, die Potenziale unbekannter Leute zu fördern und ihnen eine Plattform zu geben. Für neue Ideen und außergewöhnliche Konzepte. Neben den üblichen Verdächtigen von House of Cards bis zum gerade durch die Decke gebrochenen Daredevil sind es immer mal wieder auch Filme, die das Glück haben, vom Streaming-Giganten unter die Fittiche genommen zu werden. Auch Christopher Leone, der bisher höchstens durch seine Regiearbeiten für die Serie Wolfpack of Reseda, bekannt sein dürfte, hat das Glück, seinen Film Parallels durch und über Netflix produzieren zu dürfen. Mitgeschrieben und produziert hat der Herr aus Los Angeles allerdings auch Das verschwundene Zimmer – und das gibt schon einen guten Hinweis auf Ton und Richtung seines ersten großen eigenen Werks.

I’m a little afraid of racoons.

Kritik

Vor Jahren kapselte sich Ronan von seiner Familie ab und kam mehr schlecht als recht bezahlten Jobs als Schaukämpfer über die Runden. Seine Schwester Beatrix hat unterdessen die Laufbahn einer aufstrebenden Akademikerin eingeschlagen. Als beide eine rätselhafte Nachricht von ihrem Vater erhalten, finden sie ungeplant im leerstehenden Elternhaus zusammen. Zusammen mit Harry, einer Klette aus Jugendtagen, der sich in der Nachbarschaft anschließt, um eine Atempause von seiner herrischen Mutter zu nehmen, folgen sie einem Hinweis aus dem zurückgelassenen Wagen des Familienvaters.
Dieser führt sie in ein leerstehendes Bürogebäude, welches sich bereits nach wenigen Minuten als selbstgesteuerte Transportmöglichkeit entpuppt, um – scheinbar zufällig – zwischen Parallelwelten umherzureisen, wo es für genau 36 Stunden am Standort bleibt, bis es sich in die nächste Dimension begibt. Bei ihrem ersten Aufenthalt im geheimnisvollen Komplex wächst die Gruppe nicht nur um die forsche Polly, die das Gebäude schon lange ihr Zuhause nennt.

Kritik

Die ersten Sekunden beginnen wie der Vorspann einer Serie – kurze Impressionen, die vermuten lassen, dass sie einem was sagen sollten. Die übliche Methode, mittels Zeitdokumentschnipseln, deren Verankerung im Kollektivbewusstsein unanfechtbar ist, eine Collage darzubieten, die dem Zuschauer bei der Verortung der Geschehnisse unterstützen soll, wird bei Parallels bereits ad absurdum geführt, wenn wir geflutete Großstädte und Feuerhagel auf selbige zu sehen bekommen. Nun kann man hoffen, dass dies ein Vorzeichen darauf ist, dass man mit Vorannahmen bei Parallels vielleicht lieber zurückhaltend sein sollte, weil hier einiges anders läuft. Alternativ denkt man sich, dass es sich bei diesem Film vielleicht tatsächlich um eine Serie handelt und geht vorsichtshalber schon einmal davon aus, dass die Geschichte nach den sportlichen 83 Minuten alles andere als zu Ende ist. Doch zurück zu dem Vorspann, der nach Minute 1 endet. Das hier vorgegebene Tempo hält Parallels nämlich ein, wenn der Sci-Fi-Film seine Geschichte straff und ohne überflüssiges Gepäck mit einer Dynamik erzählt, die den Zuschauer von der ersten Sekunde an mitnimmt. Und so finden drei rundum und mitsamt ihres alltagsproblematischen Hintergrundes etablierte Figuren, von denen jede glaubwürdig und kernig wirkt, bereits neun Minuten später nach einer flotten Odyssee und ein kleines schwarzes Ding, das wie ein Todesstern-Souvenir aussieht und die Geschichte in Gang setzt. Das Erzählen ist nicht gehetzt oder künstlich komprimiert, es wird einfach nur auf natürliche Weise Unnötiges weggelassen.
Diese Tugend wird – mit kleinen Abstrichen – beibehalten und mit Polly stößt recht früh ein Neuzugang dazu, der nicht nur gelungen kess ist, sondern mit Fresh Off the Boat-Star Constance Wu auch gelungen besetzt wurde.
Was dann aber folgt, bestätigt die erste Ahnung, dass Parallels im Herzen eigentlich eine Serie ist. Nachdem mit der Frage, warum es ein durch Dimensionen springendes Gebäude gibt und wer dahinter steckt, ein saftiger Köder ausgeworfen wurde, dreht sich der Plot erst einmal um und schwimmt in eine andere Richtung. Jede der zwei Dimensionen hat ihre eigene Geschichte, die die Protagonisten nebenbei durchleben müssen, wodurch rasch auch das Gefühl von Episodenhaftigkeit einstellt. Das ist nun erst einmal nicht weiter schlimm, denn die Erzählweise bleibt ökonomisch und das Kennenlernen der Figuren macht ebenso viel Spaß wie das Durchforschen der fremden Welten, im Hinterkopf bleibt aber das Wissen, dass der Film mit einem spielt und seine Antworten hinauszögert.
Tatsächlich besiegelt das Ende das, was man bereits ahnte: Statt richtiger Antworten gibt es viele neue Fragen und mit einem ganzen Bündel halbgarer Cliffhanger begrüßt einen der Abspann. Ob es weitergeht? Regisseur und Drehbuchautor Christopher Leone twittert, dass dem aller Voraussicht nach so sei – Parallels ist tatsächlich als Serie von Filmen angelegt. Doch wirklich Handfestes gibt es zu dem aktuellen Stand noch nicht zu erfahren.
Die Serie, die der Film ist, ist folgerichtig auch gar keine so hochwertige, sondern eher im Mittelfeld anzusiedeln, was die Produktionswerte und Erzählschemata angeht. Doch ein griffiger Charme, hervorgerufen durch die immense Lust am Großen, ist der Sache merklich zu eigen, weshalb das Schauen auch nie langweilig wird.

Kurz noch zu ein paar Kleinigkeiten.
Parallels ist eine kleine Produktion von Leuten, deren Hinterhof nicht neunhundert Quadratkilometer groß ist und deren neunhundert Quadratmeter großer Hinterhof auch nicht voll mit Fässern steht, die von Geld und Erfahrung überschäumen. Manchmal blitzt ein kleiner Rest von Unsicherheit durch und dann wieder hält sich kurz das Gefühl, dass der Film gerne mehr gezeigt hätte, das hierfür nötige Effektteam aber nicht hatte. Letztlich aber verhält es sich mit alledem wie mit den Dialogen – zwar lässt sich hier und da, wenn man sucht, eine Spur Unbeholfenheit erahnen, doch zu 95% sind sie ordentlich gut geschrieben, machen Spaß und nehmen den Zuschauer problemlos mit.
Auch das Drehbuch ist immer optimal geschrieben, versöhnt aber durch die erwähnte Erzählgeschwindigkeit.
Leider gibt es aber auch weniger verzeihbare Zugeständnisse zu diesem Zweck, wenn die Protagonisten nur deswegen vermeidbare Fehler begehen, um den nächsten Plot Point herbeizudiktieren.
Was bleibt, sind Fragen der Logik. Wieso sprechen auf allen möglichen Erden alle das gleiche Englisch? Wieso spricht man überhaupt Englisch? Wieso heißen die Städte gleich? Wieso sind Moden weitestgehend identisch? Wieso zum Geier verlief die Evolution in den exakt gleichen Bahnen? Folgt das Dimensions-Roulette etwa einem göttlichen Plan? Gibt es womöglich einen prästabilierten Rhythmus im Kern jeden Seins, der dazu führt, dass die Richtung bei jeder möglichen Variante trotzdem immer in etwa dieselbe bleibt? Das sind Fragen, die stellt sich der Zuschauer, der Film aber hält sich nicht mit so essentiellen Plausibilitätsangelegenheiten auf. Bei solchen Feinheiten muss die Story einfach mit den Schultern zucken, denn auf Derartiges Rücksicht zu nehmen, hätte geheißen, sich in Details und zu verstricken und sich auf Umwege zu begeben. Doch ein kurzer Versuch, diese Umstände zu erklären, wäre der bessere Weg gewesen – nur um aufzuzeigen, dass man an sie gedacht hat und den Zuschauer für fähig hält, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Stattdessen behauptet der Film, dass allen parallel möglichen Realitäten auch jeder Mensch erneut auftritt – nur in anders variierter Rolle, als hätten sich die Geschicke der Welten nicht irgendwann, sondern immer vor etwa einer Generation getrennt. Es mag ja sein, dass das Häuslein dafür konzipiert wurde, nur derartige Realitäten anzusteuern, aber der Film verweigert die Aussage und schweigt über das schwierige Thema. Chance vertan, Missgeschick ausgeführt.

Fazit

Eine vielversprechende Ausgangssituation, moderate Schauspieler in einem souverän gefilmten Sci-Fi-Setting und viel Bewegung. Parallels ist ein durch und durch unterhaltsamer Film, der hie und da zwar Anlass zum Kopfschütteln bietet und die Atmosphäre damit kurz dünner werden lässt, den im Generellen aber bis zum Ende der Reise mitzunehmen weiß.
Der für viele wohl kritischste Punkt ist aber wohl das Faktum, dass das vermeintliche Ende keines ist, sondern stattdessen ein künstlich mysteriöser Twist einen zweiten Teil ankündigt, von dem nicht klar ist, ob er jemals kommen wird.

Battlestar Galactica – Staffel 1

Die Neuauflage der einflussreichen Serie Battlestar Galactica aus dem Jahre 1978 beginnt mit einem Knall. Der Einstand, der 2003 zweigeteilt im amerikanischen Kabelfernsehen ausgestrahlt wurde, toppte jedwede Erwartungshaltung um Längen. Mit einem Piloten, der sämtliche Hoffnungen in den Schatten stellt, über geschlagene drei Stunden hervorragend unterhält und neben der temporeichen Handlung auch noch genug Puste besitzt, eine Vielzahl an Haupt- und Nebenfiguren einzuführen, hat die dieses Science Fiction-Epos eine Hürde genommen, an der das Gros sämtlicher Serien schon während des Anlaufs scheitert.
Und selbst, wenn all dies nicht zuträfe, bezöge der Serienstart seine Daseinsberechtigung allein aus der Tatsache, dass die Serenity aus Firefly einen kleinen Cameo spendiert bekommt.

Story

Die Menschheit lebt auf 12 Kolonien verteilt. Der Krieg mit den Zylonen, von den Menschen erschaffene humanoide Roboter, welche ein Eigenleben entwickelten und gegen ihre Schöpfer rebellierten, liegt 40 Jahre in der Vergangenheit. Doch der Frieden, der vielmehr ein ausgedehnter Waffenstillstand ist, steht auf wackeligen Beinen. Das neutrale Schiff, auf dem Vertreter beider Parteien sich regelmäßig zu Gesprächen zusammenfinden sollen, hat schon viele Jahre lang keinen zylonischen Gesandten mehr gesehen. Die Menschheit lebt zwar ohne Krieg, aber eben auch ohne die Gewissheit, dass dieser Zustand die laufende Woche noch überdauern wird.
Während man sich in trügerischer Sicherheit wiegt, sind die Zylonen nicht untätig gewesen. Waren sie einst nur metallene Zweibeiner mit roten Scanner-Augen und jeder Menge Feuerkraft, von den Menschen abfällig mit „Toaster“ tituliert, hat sich in den vergangenen 40 Dekaden eine neue Reihe gebildet. Es existieren 12 Zylonenmodelle, deren synthetische Natur nicht mehr offensichtlich ist. 12 Modelle, die ihren Schöpfern bis aufs Haar gleichen und jedes menschliche Merkmal tadellos nachahmen. Schmerz, Trauer, Gerissenheit, Dummheit und Sarkasmus; die ganze Palette menschlicher Charakteristika gehört zu ihrem Repertoire,  das es ihnen de facto erlaubt, vollständig unerkannt unter ihnen zu leben.  Und dies nicht nur bewusst, sondern auch als Schläfer, der bis zu seiner Aktivierung in der totalen Überzeugung lebt, ein Mensch zu sein – mit Freunden, Familie, Liebeskummer und natürlich zylonischem Feindbild. Der Unterschied ist im Detail zu finden: Sie sind stärker und, sofern ein Wiederauferstehungsschiff in der Nähe ist, auch noch unsterblich: Verendet der Körper, wird das Bewusstsein ins Schiff übertragen und einfach einem neuen Leib übergeben.

Und natürlich bleibt die Offensive der Toaster nicht aus. Mit einer gewaltigen Armada springen sie vor sämtliche bewohnte Planeten und bringen einen erbarmungslosen Genozid, der den Menschen aus dem Universum tilgen soll.
Die Battlestar Galactica, ein Kampfstern, der eigentlich längst ausgedient hat und mehr Museum denn Kriegsgerät ist, befindet sich zum Zeitpunkt des Angriffs ein wenig außerhalb und entscheidet sich in letzter Sekunde, einen Sprung ins Unbekannte zu wagen.
Dies ist der Beginn einer der spektakulärsten Odysseen in der modernen Seriengeschichte.

Dem Zuschauer wird gleich ein ganzer Strauß von Protagonisten anvertraut. So zum Beispiel der (anfangs noch) Captain des Schiffes, William „Bill“ Adama, ein erfahrener, väterlicher Pol der Ruhe, der nicht immer weiß, was zu tun ist, stets aber den Eindruck vermittelt, den erforderlichen Überblick und diverse Notfallpläne zu besitzen. Außerdem dessen Sohn, der disziplinierte Lee Adama, Rufname Appollo, dessen Figur nur in der ersten Folge etwas stereotyp scheint, in Wirklichkeit aber hervorragend geschrieben ist. Zudem Kathara Thrace, Rufname Starbuck, die aufmüpfige, stürmische Jägerpilotin, die fliegt und taktiert wie kein Zweiter und sich früh schon zum heimlichen Star mausert. Oder Laura Roslin, die nach einer Ad hoc-Wahl an Bord eines Transportshuttles zur Nachfolgerin des toten Präsidenten ernannt wird und fortan nicht nur an einer tödlichen Krebserkrankung leidet, sondern auch unter der Bürde ihres neuen Amtes. Oder Dr. Gaius Baltar, der unwillentlich als Triebfeder der fatalen Attacke fungierte und seitdem permanent eine zylonische Begleiterin hat, die allerdings nur er wahrnehmen kann.
Und das ist wirklich nur ein Auszug der Truppe, deren Schicksal für kommende 75 Episoden untrennbar mit dem der Battlestar Galactica verzahnt sein wird.

Kritik

Die erste Staffel widmet sich vornehmlich den Problemen, die entstehen, wenn plötzlich eine neue Gesellschaft aus den Trümmern entstehen muss und die vertrauten moralischen Maßstäbe auf währende Gültigkeit geprüft werden müssen. Wie wird regiert? Wie lassen sich die Ziele von Präsidentin und Kommandobrücke unter einen Hut bringen? Wie wird für genügend Wasser und Nahrung gesorgt? Wie wird man den Quartierproblemen Herr? Fragen, deren Relevanz erst dann in aller Deutlichkeit hervortritt, wenn die Eskalation bereits unausweichlich scheint. Irgendwie muss für die Bevölkerung Normalität entstehen, während das Wissen um die omnipräsente Bedrohung in jedem Einzelnen nistet. Zu jeder Zeit könnte ein zylonisches Geschwader direkt vor die Nase des Kampfsterns und seiner zahlreichen zivilen Begleitschiffe springen und die jämmerlichen Reste der menschlichen Spezies auf ewig ausmerzen.
Die stärksten Folgen sind jene, die sich direkt der Politik und den Problemen widmen, welchen sich das unvollkommene, absolut isolierte Gesellschaftssystem stellen muss. Es sind die kleinen Geschichten, die den Grundstein für all das legen, was später noch folgen wird. Die zylonische Bedrohung wirkt trotz ständiger Erwähnung gewollt diffus, die Angreifer sind ein gesichtsloser Schrecken, dem nichts entgegenzusetzen ist. Die Galactica treibt ziellos durch den Raum und klammert sich verzweifelt an die Hoffnung, dass irgendwo eine dreizehnte Zivilisation mit dem Namen „Erde“ existiert.
Natürlich gibt es auch Lückenfüllerfolgen, wirkliche Tiefpunkte, die ihre 45 Minuten Dauer zu einer kleinen Ewigkeit stretchen. „Der Zwölferrat“, eine der wenigen Fehlgriffe in Sachen politische Brisanz, und das so unstimmige wie unglaubwürdige Doppelfolgen-Finale „Ellen“ seien hier exemplarisch genannt. Und auch die grundsätzlich interessanten Charaktere sind nicht ausnahmslos fabelhaft geschrieben. Gaius Baltar wird so zum Beispiel als klügster noch lebender Mensch, als legendäres Genie eingeführt – ein Attribut, dem der Absprung von der reinen Behauptungsebene niemals gelingen will, da sich die Figur in wahrhaft jeder Beziehung unsagbar dämlich und tölpelhaft gibt. Zusammen mit dem doch recht gewöhnungsbedürftigen Spiel James Callis‘ birgt Baltar das Potenzial, den Zuschauer gehörig auf die Probe zu stellen. Ein Versprechen, das aber glücklicherweise erst in späteren Staffeln eingelöst werden soll.
Derlei Probleme schrumpfen jedoch sofort zu Marginalien zusammen, weil die Chemie der Serie einfach stimmt. Die an sich schon starken Figuren funktionieren in Kombination schlicht hervorragend, die sozialen Bande, die ständig im Wandel begriffen sind, sind so glaubwürdig wie speziell und sämtliche Probleme von und zwischen den Protagonisten werden somit auch für den Zuschauer greifbar. Und schließlich ist das bei diesem Format die halbe Miete.
Die Serie profitiert insbesondere von den hervorragenden Charakterzeichnungen, da weder die Besatzung noch der Zuschauer wissen, ob nicht doch einer der engsten Freunde, der treusten Vertrauten in Wirklichkeit ein Zylon ist, dessen wahres Wesen früher oder später erwacht und Katastrophen auf mehreren Ebenen und von unschätzbarem Ausmaß verursacht. Jene Problematik ist das Herz der gesamten SciFi-Serie. Und eben diese Prämisse, dass grundsätzlich niemandem vertraut werden dürfte, aber jeder Einzelne ein unersetzliches Teil des Gesamtgefüges darstellt, führt dazu, dass Battlestar Galactica weniger eine klassische Science Fiction-Serie ist, sondern eine Space Soap allererster Güte, die schlichtweg keine Aliens nötig hat.

Fazit

Zusammen mit den bemerkenswerten Effekten, dem herrlichen Spiel der Kontraste zwischen modernster Technologie und der Retro-Ausstattung der Galactica, den schick choreographierten Raumkämpfen und den überraschenden Wendungen ist Staffel eins von vier ein Serienauftakt, der kaum Wünsche offenlässt. Viele Dinge, die später primär von der Serie in Erinnerung bleiben werden, finden im ersten Viertel nur andeutungsweise Erwähnung. Doch gerade die Tatsache, dass man nach dem explosiven Piloten ein paar Gänge zurückschaltet, ohne aber je ins Belanglose abzurutschen, führt dazu, dass man der Besatzung auch in turbulenteren Serienzeiten, die unweigerlich kommen werden, gerne treu bleiben wird.