Battlestar Galactica – Staffel 1

Die Neuauflage der einflussreichen Serie Battlestar Galactica aus dem Jahre 1978 beginnt mit einem Knall. Der Einstand, der 2003 zweigeteilt im amerikanischen Kabelfernsehen ausgestrahlt wurde, toppte jedwede Erwartungshaltung um Längen. Mit einem Piloten, der sämtliche Hoffnungen in den Schatten stellt, über geschlagene drei Stunden hervorragend unterhält und neben der temporeichen Handlung auch noch genug Puste besitzt, eine Vielzahl an Haupt- und Nebenfiguren einzuführen, hat die dieses Science Fiction-Epos eine Hürde genommen, an der das Gros sämtlicher Serien schon während des Anlaufs scheitert.
Und selbst, wenn all dies nicht zuträfe, bezöge der Serienstart seine Daseinsberechtigung allein aus der Tatsache, dass die Serenity aus Firefly einen kleinen Cameo spendiert bekommt.

Story

Die Menschheit lebt auf 12 Kolonien verteilt. Der Krieg mit den Zylonen, von den Menschen erschaffene humanoide Roboter, welche ein Eigenleben entwickelten und gegen ihre Schöpfer rebellierten, liegt 40 Jahre in der Vergangenheit. Doch der Frieden, der vielmehr ein ausgedehnter Waffenstillstand ist, steht auf wackeligen Beinen. Das neutrale Schiff, auf dem Vertreter beider Parteien sich regelmäßig zu Gesprächen zusammenfinden sollen, hat schon viele Jahre lang keinen zylonischen Gesandten mehr gesehen. Die Menschheit lebt zwar ohne Krieg, aber eben auch ohne die Gewissheit, dass dieser Zustand die laufende Woche noch überdauern wird.
Während man sich in trügerischer Sicherheit wiegt, sind die Zylonen nicht untätig gewesen. Waren sie einst nur metallene Zweibeiner mit roten Scanner-Augen und jeder Menge Feuerkraft, von den Menschen abfällig mit „Toaster“ tituliert, hat sich in den vergangenen 40 Dekaden eine neue Reihe gebildet. Es existieren 12 Zylonenmodelle, deren synthetische Natur nicht mehr offensichtlich ist. 12 Modelle, die ihren Schöpfern bis aufs Haar gleichen und jedes menschliche Merkmal tadellos nachahmen. Schmerz, Trauer, Gerissenheit, Dummheit und Sarkasmus; die ganze Palette menschlicher Charakteristika gehört zu ihrem Repertoire,  das es ihnen de facto erlaubt, vollständig unerkannt unter ihnen zu leben.  Und dies nicht nur bewusst, sondern auch als Schläfer, der bis zu seiner Aktivierung in der totalen Überzeugung lebt, ein Mensch zu sein – mit Freunden, Familie, Liebeskummer und natürlich zylonischem Feindbild. Der Unterschied ist im Detail zu finden: Sie sind stärker und, sofern ein Wiederauferstehungsschiff in der Nähe ist, auch noch unsterblich: Verendet der Körper, wird das Bewusstsein ins Schiff übertragen und einfach einem neuen Leib übergeben.

Und natürlich bleibt die Offensive der Toaster nicht aus. Mit einer gewaltigen Armada springen sie vor sämtliche bewohnte Planeten und bringen einen erbarmungslosen Genozid, der den Menschen aus dem Universum tilgen soll.
Die Battlestar Galactica, ein Kampfstern, der eigentlich längst ausgedient hat und mehr Museum denn Kriegsgerät ist, befindet sich zum Zeitpunkt des Angriffs ein wenig außerhalb und entscheidet sich in letzter Sekunde, einen Sprung ins Unbekannte zu wagen.
Dies ist der Beginn einer der spektakulärsten Odysseen in der modernen Seriengeschichte.

Dem Zuschauer wird gleich ein ganzer Strauß von Protagonisten anvertraut. So zum Beispiel der (anfangs noch) Captain des Schiffes, William „Bill“ Adama, ein erfahrener, väterlicher Pol der Ruhe, der nicht immer weiß, was zu tun ist, stets aber den Eindruck vermittelt, den erforderlichen Überblick und diverse Notfallpläne zu besitzen. Außerdem dessen Sohn, der disziplinierte Lee Adama, Rufname Appollo, dessen Figur nur in der ersten Folge etwas stereotyp scheint, in Wirklichkeit aber hervorragend geschrieben ist. Zudem Kathara Thrace, Rufname Starbuck, die aufmüpfige, stürmische Jägerpilotin, die fliegt und taktiert wie kein Zweiter und sich früh schon zum heimlichen Star mausert. Oder Laura Roslin, die nach einer Ad hoc-Wahl an Bord eines Transportshuttles zur Nachfolgerin des toten Präsidenten ernannt wird und fortan nicht nur an einer tödlichen Krebserkrankung leidet, sondern auch unter der Bürde ihres neuen Amtes. Oder Dr. Gaius Baltar, der unwillentlich als Triebfeder der fatalen Attacke fungierte und seitdem permanent eine zylonische Begleiterin hat, die allerdings nur er wahrnehmen kann.
Und das ist wirklich nur ein Auszug der Truppe, deren Schicksal für kommende 75 Episoden untrennbar mit dem der Battlestar Galactica verzahnt sein wird.

Kritik

Die erste Staffel widmet sich vornehmlich den Problemen, die entstehen, wenn plötzlich eine neue Gesellschaft aus den Trümmern entstehen muss und die vertrauten moralischen Maßstäbe auf währende Gültigkeit geprüft werden müssen. Wie wird regiert? Wie lassen sich die Ziele von Präsidentin und Kommandobrücke unter einen Hut bringen? Wie wird für genügend Wasser und Nahrung gesorgt? Wie wird man den Quartierproblemen Herr? Fragen, deren Relevanz erst dann in aller Deutlichkeit hervortritt, wenn die Eskalation bereits unausweichlich scheint. Irgendwie muss für die Bevölkerung Normalität entstehen, während das Wissen um die omnipräsente Bedrohung in jedem Einzelnen nistet. Zu jeder Zeit könnte ein zylonisches Geschwader direkt vor die Nase des Kampfsterns und seiner zahlreichen zivilen Begleitschiffe springen und die jämmerlichen Reste der menschlichen Spezies auf ewig ausmerzen.
Die stärksten Folgen sind jene, die sich direkt der Politik und den Problemen widmen, welchen sich das unvollkommene, absolut isolierte Gesellschaftssystem stellen muss. Es sind die kleinen Geschichten, die den Grundstein für all das legen, was später noch folgen wird. Die zylonische Bedrohung wirkt trotz ständiger Erwähnung gewollt diffus, die Angreifer sind ein gesichtsloser Schrecken, dem nichts entgegenzusetzen ist. Die Galactica treibt ziellos durch den Raum und klammert sich verzweifelt an die Hoffnung, dass irgendwo eine dreizehnte Zivilisation mit dem Namen „Erde“ existiert.
Natürlich gibt es auch Lückenfüllerfolgen, wirkliche Tiefpunkte, die ihre 45 Minuten Dauer zu einer kleinen Ewigkeit stretchen. „Der Zwölferrat“, eine der wenigen Fehlgriffe in Sachen politische Brisanz, und das so unstimmige wie unglaubwürdige Doppelfolgen-Finale „Ellen“ seien hier exemplarisch genannt. Und auch die grundsätzlich interessanten Charaktere sind nicht ausnahmslos fabelhaft geschrieben. Gaius Baltar wird so zum Beispiel als klügster noch lebender Mensch, als legendäres Genie eingeführt – ein Attribut, dem der Absprung von der reinen Behauptungsebene niemals gelingen will, da sich die Figur in wahrhaft jeder Beziehung unsagbar dämlich und tölpelhaft gibt. Zusammen mit dem doch recht gewöhnungsbedürftigen Spiel James Callis‘ birgt Baltar das Potenzial, den Zuschauer gehörig auf die Probe zu stellen. Ein Versprechen, das aber glücklicherweise erst in späteren Staffeln eingelöst werden soll.
Derlei Probleme schrumpfen jedoch sofort zu Marginalien zusammen, weil die Chemie der Serie einfach stimmt. Die an sich schon starken Figuren funktionieren in Kombination schlicht hervorragend, die sozialen Bande, die ständig im Wandel begriffen sind, sind so glaubwürdig wie speziell und sämtliche Probleme von und zwischen den Protagonisten werden somit auch für den Zuschauer greifbar. Und schließlich ist das bei diesem Format die halbe Miete.
Die Serie profitiert insbesondere von den hervorragenden Charakterzeichnungen, da weder die Besatzung noch der Zuschauer wissen, ob nicht doch einer der engsten Freunde, der treusten Vertrauten in Wirklichkeit ein Zylon ist, dessen wahres Wesen früher oder später erwacht und Katastrophen auf mehreren Ebenen und von unschätzbarem Ausmaß verursacht. Jene Problematik ist das Herz der gesamten SciFi-Serie. Und eben diese Prämisse, dass grundsätzlich niemandem vertraut werden dürfte, aber jeder Einzelne ein unersetzliches Teil des Gesamtgefüges darstellt, führt dazu, dass Battlestar Galactica weniger eine klassische Science Fiction-Serie ist, sondern eine Space Soap allererster Güte, die schlichtweg keine Aliens nötig hat.

Fazit

Zusammen mit den bemerkenswerten Effekten, dem herrlichen Spiel der Kontraste zwischen modernster Technologie und der Retro-Ausstattung der Galactica, den schick choreographierten Raumkämpfen und den überraschenden Wendungen ist Staffel eins von vier ein Serienauftakt, der kaum Wünsche offenlässt. Viele Dinge, die später primär von der Serie in Erinnerung bleiben werden, finden im ersten Viertel nur andeutungsweise Erwähnung. Doch gerade die Tatsache, dass man nach dem explosiven Piloten ein paar Gänge zurückschaltet, ohne aber je ins Belanglose abzurutschen, führt dazu, dass man der Besatzung auch in turbulenteren Serienzeiten, die unweigerlich kommen werden, gerne treu bleiben wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert