Farscape – Staffel 1

Ende der 90er stehen Science Fiction-Serien wie Akte X und Babylon 5 in voller Blüte. Sie sind symptomatisch für eine Zeit des Umschwungs, in der die digitale Tricktechnik Tag für Tag potenter wird und man auch mit schmalerem Geldbeutel in der Lage ist, fantastische Elemente glaubhaft darzustellen.
1999 entsteht mit Farscape eine Serie, die diesen Trend ganz bewusst missachtet. Die meisten Ereignisse spielen sich auf engstem Raum in einer beinahe neutral anmutenden Umgebung ab, statt futuristischem Bombast gibt’s zeitlose Schlichtheit und anstelle von aalglatten CGI-Figuren geben sich klassische Puppen die Ehre.

Story

John Chrichton ist ein verhältnismäßig junger und talentierter Astronaut. Während einer Erdumrundung wird sein Shuttle unvermittelt von einem Schwarzen Loch eingesogen und in einem unbekannten Bereich des Universums wieder ausgespuckt. Prompt kollidiert er einem fremden Transporter und zerstört diesen so. Direkt danach verschlägt es ihn an Bord eines seltsam aussehenden Raumschiffes.
Chrichton erfährt im Laufe der Pilotfolge, dass dieses Schiff eigentlich eine biomechanoide Kreatur ist, ein sogenannter Leviathan. An Bord befinden sich außerdem noch der kriegerische Luxaner Ka D’Argo, der Hynerianer Rygel XVI und die delvianische Priesterin Pa’u Zhoto Zhaan. Die Navigation und Kommunikation mit dem weltraumtauglichen Lebewesen übernimmt Pilot, Abkömmling einer Rasse, die nur für diesen einen Zweck existiert. Ein Pilot verwächst auf Lebzeiten mit einem Leviathan, um mit ihm zu existieren und unterzugehen, während er primär als Mittler zwischen Schiff und Crew fungiert.
Diese spezielle Crew hat gerade einen Gefängnisausbruch hinter sich und befindet sich auf der Flucht vor den Peacekeepern. Eine Rasse, die mit eiserner Hand eine intergalaktische Diktatur betreibt.
Wie der Zufall es will, beherbergte der von Chichton unabsichtlich zerstörte Transporter eine hochrangige Führungsperson der Peacekeeper. Drum gerät der verirrte Erdling nicht nur ebenfalls auf die Fahndungsliste der Verfolger, sondern steigt auch automatisch zum persönlichen Erzfeind des Bruders des Verstorbenen auf: Peacekeeper-Captain Bialar Crais.
Kurz nachdem Chrichton mehr oder weniger freiwillig auf Moya Asyl gewährt wurde, stößt während der hektischen Flucht noch die verstoßene Peacekeeperin Aeryn Sun zur Besatzung.

Der wild zusammengewürfelte Trupp muss schnell lernen, als Team zu funktionieren, um den in jeder Beziehung überlegenen Häschern wenigstens vorerst entrinnen zu können. Gemeinsam bereist dieser doch sehr heterogene Haufen die „Unbekannten Territorien“ des Alls, die allerhand Überraschung und Abenteuer bereithalten, aber auch neue Feinde und Verbündete. Jeder der vielen Charaktere  arrangiert sich nur zögernd mit der improvisierten Zweckgemeinschaft, während die Peacekeeper wie ein finsterer Schatten in jedem Winkel zu warten scheinen.

Kritik

Am Anfang ist Farscape ein Ärgernis. Nicht etwa, weil das Gezeigte durchgehend miserabel ist, sondern weil es scheinbar alles daran setzt, nicht geliebt zu werden. Wie ein dummes, stures Kind provoziert die Serie den Zuschauer mit vielen kleinen Unzulänglichkeiten und strapaziert seine Geduld in unmöglichem Ausmaß, gibt sich spröde und sperrig. Für den Einstieg in diese Welt muss man in erster Linie also Geduld und Toleranz mitführen. Und den Glauben daran, dass es sich lohnt, die pubertäre Phase auszusitzen.
Zum Glück purzelt aber immer dann, wenn man gerade die Segel streichen will, ein wenig von dem besonderen Charme hervor, der später leuchtendes Merkmal von Farscape werden soll. Es sind Kleinigkeiten, die den Zuschauer bei der Stange halten: Ein ganz besonders gelungenes Geschöpf, ein paar markige One-Liner oder wirklich unerwartete Wendungen sind es, die aus dem Sumpf der anfänglichen Mediokrität hervorstechen und einen immer wieder dazu veranlassen, der Serie eine weitere letzte Chance zu geben.
Ja, Farscape braucht Zeit, um in die Gänge zu kommen. Doch spätestens ab Episode 10 zeichnet sich ab, dass das australische Filmteam mehr und mehr sein eigenes Tempo findet. Die Geschichten werden kontrastreicher, die Episoden stehen immer seltener nur für sich alleine und auch die Witze, anfangs noch sehr unbeholfen, treffen immer häufiger sicher ins Schwarze. Auch technisch gewinnt die Serie ab diesem Punkt an Anziehungskraft. Stille Aufnahmen des Weltraums betören mit pittoresker Farbgebung, Schnitte und Kamerawinkel werden experimenteller und selbst die Schauspieler scheinen sich mehr und mehr in ihre Rollen einzuleben.
Ab der Mitte erklimmt die Serie dann urplötzlich ein hohes Niveau, das ab dort fast ungebrochen gehalten wird.

Farscape gehört definitiv zum Kauzigsten, was die SciFi-Welt zu bieten hat. Alle Charaktere, deren Statur nicht humanoid ist, sind entweder (leider recht selten) vollständig animatronische Kreationen, deren verblüffende Gestaltung nur erahnen lässt, wie viel Arbeit in ihnen steckt, oder Puppen aus dem Fundus  von Jim Henson’s Creature Shop, den Künstlern hinter den Muppets. Jene Puppen zeichnen sich durch ein so ausgeprägtes Minenspiel aus, dass der Zuschauer nach höchstens 15 Sekunden vergessen hat, dass es sich überhaupt um solche handelt. Rygel und Pilot können mit ihren Puppenkörpern auf eine derart facettenreiche Palette von Emotionen zurückgreifen, dass man sie ohne Mühe als vollwertige Hauptcharaktere akzeptiert. Zudem leisteten die Sprecher, die den beiden ihre charakteristischen Stimmen liehen, hervorragende Arbeit. Wenn z.B. der so gierige wie liebenswerte Rygel, ein krötenartiger grüner Pfropfen mit narzisstischer Grundhaltung und von einem knappen Meter Größe, mit wehleidigem Brummen und unverkennbarer Gesichtsarbeit Reue zeigt, nimmt man ihm diese Gefühlsregung nicht weniger ab als einem Schauspieler aus Fleisch und Blut.
Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass jedes Besatzungsmitglied ähnlich viel Raum zur Charakterentwicklung bekommt – dem heimatfernen Menschen wird nur wenig mehr Aufmerksamkeit geschenkt als dem insektoiden Pilot oder gar dem Leviathan selbst. Es sind Charaktere, die eine gewisse Loyalität zueinander pflegen, im Zweifelsfall aber ihre eigenen, durchaus sehr egoistischen Ziele verfolgen. Dass sich schon früh herausstellt, dass jeder einzelne Charakter dieses unsolidarische Potenzial in sich trägt, macht einen Großteil des Reizes aus. So gut die Crew auch zusammen funktionieren mag, strebt doch jeder einem anderen Ziel entgegen. Die Frage ist nur, wie groß die Opfer sind, die die Figuren dafür zu erbringen bereit sind.
Den vielschichtigen und durchweg interessanten Charakteren ist es zu verdanken, dass gerade jene Folgen die intensivsten sind, die überwiegend auf dem Schiff spielen – die beinahe kammerspielartigen Geschichten, die die sich wandelnden Beziehungen zwischen den Besatzungsmitgliedern thematisieren oder deren bewegte Vergangenheiten durchleuchten.
Auffällig ist insbesondere die Wandlung, die Chrichton durchmacht – vom fast schon exemplarischen Helden der Marke „US-Soldat“ reift er zum launenhaften Zyniker heran, durch dessen dünne Oberfläche immer wieder eine verstörende Manie platzt.

Trotz all der schrägen Einfälle, auf denen die Serie fußt, ist man stets darauf bedacht, Glaubwürdigkeit zu wahren. So wird gleich zu Anfang geklärt, wieso die völlig verschiedenen Spezies überhaupt in der Lage sind, problemlos miteinander zu kommunizieren. Und bereits vor Firefly und Battlestar Galactica hat man herkömmliche Schimpfwörter durch Neologismen ersetzt, um die Charaktere im Free-TV nach Lust und Laune fluchen zu lassen.
Auch ist Farscape die Serie der unvermittelten Einstiege. Häufig setzt eine Episode nicht nur direkt am Kernproblem der Folge, sondern gerne auch inmitten eines Gesprächs ein. Nicht selten drückt man auf Play und wird sofort von einem schweißnassen Alien angebrüllt. Trödelei ist wahrlich keines der Laster dieser Serie.
Und abschließend sei noch anzumerken: Keine Folge vergeht, in der Crichton nicht ein paar Anspielungen auf die Film- und Fernsehwelt der 70er und 80er Jahre – seiner eigenen Kindheit – einstreut. Dies verspricht gerade für Cineasten den einen oder anderen goldenen Moment.

Fazit

Die erste Staffel Farscape verlangt vom Zuschauer nicht nur den Mut, sich auf Ungewohntes einzulassen, sondern kann in der ersten Hälfte auch als wahre Geduldsprobe erscheinen. Es sei euch jedoch gesagt: Es lohnt sich. Wirklich.
Hat sich die Serie erst einmal gefangen, ist jede Folge eine Freude – man lacht und leidet und mit der liebenswerten Crew der Moya. Und spätestens wenn in den letzten Folgen ein ganz bestimmter Antagonist die Bildfläche betritt und die Serie in ein intensives Finale mündet, kommt man unmöglich umhin, der 2. Staffel entgegenzufiebern.

Ein Appell am Rande: Schaut’s auf Englisch.
Nicht nur deshalb, weil dem O-Ton grundsätzlich der Vorzug gewährt werden sollte, sondern weil Farscape dieser Erwähnung ganz besonders bedarf. Zum einen fällt die Synchronisation durchwachsen aus und viele gezielt eingesetzte Dialekte gehen verloren, zum anderen haben lediglich die ersten drei Staffeln überhaupt eine Übersetzung ins Deutsche erfahren. Spätestens bei Staffel 4 muss man sich an den englischen Ton halten, wenn man die Serie nicht aufgeben will.

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