Maggie

Henry Hobson, zu dessen bisherigen Beiträge zur Landschaft Hollywood man durchaus berechtigt schweigen kann, lieferte 2015 mit Maggie sein Spielfilmdebüt ab, dessen primärer Aufmerksamkeitsmagnet sein Hauptdarsteller ist: Arnold Schwarzenegger.
Wem das Konzept, dass Arnold Schwarzenegger in einem Zombiedrama mitspielt, bereits Sensation genug ist, bei dem kann der Film sowieso nur wenig falsch machen. Doch Arnie ist hier nicht nur werbewirksamer Schmuck, sondern eine echte Bereicherung für einen sehr guten Film, der die kleine Sparte des „intellektuellen Zombiefilms“ sinnvoll bereichert.

Dad, I’ve gone to the city. Please don’t come for me.

Story

Durch hartes Durchgreifen konnte die USA von der Zombie-Epidemie weitestgehend gesäubert werden. Hier und dort streifen noch ein paar Untote umher, doch die tatsächliche Gefahr scheint gebannt. Und langsam beginnt man mit der Wiederaufnahme des Alltags. Die infizierte Schülerin Maggie Vogel wird von ihrem Vater aus der Klinik abgeholt. Der weitere Verlauf ist klar: In den nächsten Wochen wird sich ihr Zustand verschlimmern. Dann muss sie zusammen mit den anderen Opfern in Quarantäne gebracht werden und Sterben. Die Zeit dazwischen darf sie noch im Kreis der Familie bleiben. Ihr Farmer-Dad Wade Vogel muss sich nicht nur mit Nachbarn rumschlagen, die der Gefahrenquelle in ihrer ländlichen Gemeinde wütende Blicke zuwerfen, sondern vor allem mit der Tatsache selbst, dass nun Abschied von seiner einzigen Tochter genommen werden muss.

Kritik

Das Setting selbst ist angenehm unaufgeregt, wenn auch die Ausgangsituation mehr als hanebüchen daherkommt – die große Plage scheint überstanden, Amerika schüttelt sich nur noch ein wenig unter ihren Nachwirkungen. Letztlich scheint es aber so, als wäre die Epidemie nur ein weiteres großes Übel gewesen, das es gemeinsam zu überwinden galt. So gibt sich die gezeigte Welt einigermaßen ruhig, zur Hälfte, weil sie hilflos und müde ist, zur Hälfte aber auch, weil sie unbeirrt weiterbesteht. Sie gewinnt vor allem durch die tristen Farben und die perfekte Ausleuchtung der Szenerien viel an Profil und Stimmung. Mürbe ist alles, grau, alt und durchzogen von Schatten verschiedener Stärke. Am Horizont rauchen Trümmer, die vorherige Grenzenlosigkeit der Highways wird nun strukturiert von Leuchtfeuern der ausklingenden Katastrophe – aber es gibt sie noch, die Highways, die Autos auf ihnen, die Supermärkte und das Geld. Es ist nur eben alles etwas leerer, grauer. Manchmal ist es sehr viel grauer, fast schon an der Grenze zum Schwarzweiß, so entsättigt ist die Welt. Und Entsättigung ist es wohl auch, was den Zustand des Landes am besten beschreibt. Das Haus der Familie Vogel aber ist getaucht in warme Farben, Familie ist der sichere Nukleus in dieser Zeit und wohl schon immer. Sie ist das Zentrum, das über allem steht. Ist sie sicher, gibt es auch Hoffnung.
Das selbstverliebte Klavier, das etwas zu oft etwas zu verträumte Melodien klimpert, ist das Element des Films, das am meisten stört. Ein weniger plattes, dafür aber durchdachteres musikalisches Konzept hätte dem Film ebenso wie totales Fehlen von Musik sehr viel besser zu Gesicht gestanden. Dafür aber stimmt der Rest. Die Geschichte wird mit Gemach erzählt, ohne eine Minute langweilig zu sein. Einige Aufnahmen sind vielleicht zu sehr auf kunstvollen Kleinfilm getrimmt, manche Montagen in all ihrer gekonnten Realisierung im Kern zu altbacken, doch was am Ende zählt ist die grundsätzliche Stimmung – und die stimmt. Maggie ist durchgehend düster, aber nie trist, nie ohne Hoffnung, nie hässlich. Angesichts der schweren Thematik ist das viel mehr als nur ein Achtungserfolg. Zu wissen, dass ein naher Mensch bald gehen wird, dass die Zeit mit ihm befristet ist, das ist die eigentliche Geschichte des Filmes. Und der zurückhaltende Schwarzenegger spielt seine Rolle des verzweifelten Vaters mit gebundenen Händen ebenso überzeugend wie gut. Schwarzeneggers Figur dient als perfekter Spiegel dieser Hoffnung und ihrer Qualität. Ein rüstiger, mürrischer Dickkopf von einem Farmer, Vater und Ehemann. Der Österreichische Dialekt passt zu der Figur vom Land, die eisernen Züge zu dem, was das Leben von ihm abverlangt. Aus seinem Gesicht lässt sich lesen. Die Augen werden feucht, ein kaum merkliches Zittern, Ohnmacht und Ausweglosigkeit in den Bewegungen. Nie war der gebürtige Österreicher mehr Schauspieler als in Maggie.
Auch die anderen zentralen Figuren des reduzierten Ensembles wissen zu überzeugen. Joely Richardson als seine Frau und Stiefmutter von Maggie bietet den logischen Gegenpart zum Farmer. Auch in ihr umspinnen sich Rauheit, sich beißende Gefühle, Schmerz und Beharrlichkeit. Das Ehepaar Vogel ist in seiner Darstellung intensiv und glaubhaft. Die Namensgebende Maggie wird gespielt von Abigail Breslin (Little Miss Sunshine, Zombieland, Signs), die eine überzeugende Darsellung eines pubertierenden Mädchens gibt, das verunsichert, vom eigenen Körper betrogen und irgendwie schon halb erwachsen ist. Wie jede in ihrem Alter und doch anders. Überhaupt lässt sich der gesamte Film auch hervorragend auf Parabel auf das Erwachsenwerden lesen.
Obschon Maggie hie und da besser sein könnte, heißt das mitnichten, dass der Film an irgendeiner Stelle schlecht sei. Im Gegenteil: Die kleinen Pannen spielen letztlich keine zu bedeutende Rolle, weil das Drama sowohl inhaltlich als auch ästhetisch mitnimmt und fesselt.

Fazit

Maggie ist eine tragische Indieperle, die ohne Schwarzenegger in der Hauptrolle viel weniger Aufmerksamkeit bekommen hätte – und mit ihm viel mehr als nur ein Aushängeschild bekam. Der rüstige Farmer ist das ernergetische Zentrum eines intensiven, hochatmosphärischen Zombie-Dramas mit Mut zur Andersheit.

Ender’s Game

Orson Scott Cards Roman, der 1985 aus einer deutlich älteren Kurzgeschichte entstand und bisher vier (je nach Auffassung auch 5) Fortsetzungen nach sich zog und weitere folgen lassen wird, galt lange Zeit als unverfilmbar. Gavin Hood (Wolverine: Weg des Kriegers) nahm das Ruder an sich, das mehrmals schon fast von anderen bedient worden wäre.


No. The way you win matters.

Story

Der Angriff der Formics, fiese insektoide Unholde aus dem Weltraum, konnte vor einem halben Jahrhundert nur mit großen Anstrengungen und dem unverschämten Glück eines Einzigen, der im richtigen Augenblick die richtige Entscheidung traf, zurückgeschlagen werden.
Die Menschheit hat sich wieder aufgerappelt, die Furcht vor einem erneuten Invasionsversuch ist aber allgegenwärtig.
Die Streitkräfte rekrutieren und trainieren Kinder, um besondere strategische Talente so früh wie möglich zu erkennen und zu fördern. Auf diesem Weg will man einen außergewöhnlichen Flottenkommandanten finden, um der außerirdischen Bedrohung Herr zu werden.
Colonel Hyrum Graff meint im Jungen Ender Wiggin das erhoffte Potenzial zu erkennen und schickt ihn von der Rekrutenschule direkt eine Raumstation, wo die Besten der Besten gegen- und miteinander trainieren.

Kritik

Auch nach starker Verkrümmung der Geschichte, um sie zu einem standardisierten Drehbuch zu verbiegen, bleibt der ambitionierte und interessante Grundgedanke der Story erhalten, liefert der Film doch eine recht ungewohnte Sicht auf die Führung eines martialischen Sternenkrieges. Der Feind ist eigentlich völlig unbekannt. Seine Flottenstärke, seine Motive, seine Strategien. Einfach alles von ihm. Was man tut, fühlt sich genaugenommen nicht richtig an, da man nur die eigene Seite kennt und genaugenommen im Dunkeln stochert. Da aber der Mensch seine elementaren Handlungsmuster nie verlieren wird, wird er  zur vor Angst um sich beißenden Bestie, sobald er bedrohlich in die Ecke gedrängt wird.
Es bleibt unklar, wer und was gut und böse ist. Einfach deswegen, weil Gut und Böse in dieser einfachen Form nicht existieren.
Während die Moral angenehm diffus und – egal, wie man sich entscheidet –  unangenehm klebrig bleibt, trifft das auf viele Charaktere leider nicht zu. Während Ender und Fords störrischer Colonel Hyrum spannende Figuren sind, lassen sich alle anderen allesamt auf eine einzige maßgebliche Eigenschaft reduzieren, die darüber hinaus lediglich dafür da ist, die klare Bahn zu definieren, die Ender zu nehmen hat. Das in Verbindung mit ein paar irritierend nachlässig geschriebenen Dialogen führt dazu, dass einige Figuren fast schon zu Witzen verkommen. Das lächerliche Harter-Ausbilder-Klischee mit peinlich provokanten Schreiphrasen oder der dämliche Schulrowdy, der neben seiner kindlichen Aggressivität keinerlei Qualifikation hat, die sein Dasein in der Ausbildungsstätte rechtfertigt, sind da nur die schlimmsten Beispiele.
Etwas kurios sind außerdem einige Handlungen, die von Grund auf nicht nachvollziehbar sind – zum Beispiel wenn die Kinder zum ersten Mal in einem Raum ohne Schwerkraft trudeln und anfangen, aus purem Spaß am Experiment, die noch unbekannten Waffen aneinander auszuprobieren. Nach dem Motto: „Was mag wohl passiere, wenn ich mir diese Gabel ins Auge drücke?“.
Ja, was mag da wohl passieren. Gut so Jungs, und dann rettet ihr die Menschheit. Sicher, das soll verdeutlichen, wie ahnungslos und verspielt die Rasselbande ist. Aber mal ernsthaft, ist das der beste Weg, dies zu tun?
Im Laufe des Filmes mit anzusehen, wie der  schmächtige Ender nach und nach zur emotionsarmen, kühl kalkulierenden Kampfmaschine wird, die Gegner und Situationen automatisiert auf Schwachstellen abscannt, ist dann aber wieder durchaus ergreifend.
Das liegt vor allem daran, dass gelungen vermittelt wird, wie unbeholfen, unschuldig und hilflos die Kinder in ihrem Umfeld tatsächlich sind. Die Umstände zwingen sie, sich als Erwachsene zu fühlen und aufzuführen, was ihnen aber unmöglich gelingen kann. Die ungewöhnlich engen, graugelben Anzüge führen dazu, dass die völlig überforderten Nachwuchs-Helden unsicher und verloren wirken. Ganz wie ein normaler Teenager also.

Interessante Kameraperspektiven (Predator-Kameramann Donald M. McAlpine, immerhin 80 Jahre alt, läuft noch mal zu Hochtouren auf) und ein sphärisch-melancholischer Soundtrack schaffen es glücklicherweise häufig, auch eigentlich platten Szenen eine Ahnung von Bedeutsamkeit zu verleihen. Die Inszenierung ist hier definitiv dem sehr ungeschmeidigen Drehbuch überlegen. So gelingen dem Film Akzente, die er allein durch seine Geschichte kaum hätte setzen können. Wobei es zu kurz gegriffen wäre, es so zu sagen. Die Geschichte an sich ist dank der klugen Romanvorlage natürlich keine schlechte, wenn auch der Film sich viele eklatante Änderungen erlaubte, um den Stoff publikumsverträglich auf die Leinwand zu befördern.
Nur die Darstellung der Figuren ist der große Schwachpunkt, der den Film immer wieder zum bluten bringt.
Ab der zweiten Hälfte endet die klassische Ausbildungsphase und mit ihr die Dominanz der Stereotypen, Tausendsassa Sie Ben Kingsley taucht auf und der Film gewinnt gehörig an Faszination dazu.

Fazit

Man merkt Ender’s Game natürlich überall an, dass der Stoff auf Hollywoodtauglichkeit heruntergebrochen werden musste, doch bleibt die Story im Kern aufregend und ungewöhnlich genug. Plumpe Nebenfiguren und ebenso plumpe Dialogausfälle machen aber leider auch vieles kaputt. Trotzdem entwickelt der Sci-Fi-Film seinen ganz eigenen Sog und fasziniert durch die ungewohnte Betrachtungsweise der Geschehnisse in besonderem Maße.
Ender’s Game könnte der Auftakt zu einer sehr ambitionierten Serie sein, sofern das definitiv vorhandene Potenzial der erkannt und genutzt wird. Es bleibt also zu hoffen, dass sich das Studio trotz des mauen Einspielergebnisses zu diesem Wagnis entschließt.

Fantasy-Filmfest-Special: Haunter

Wenn man ganz ehrlich ist, sollte man Vincenzo Natali eigentlich als tragisch-klassisches One-Hit-Wonder abtun. 1997 ging Dank Cube ein Raunen durch die Kinowelt. Dann geschah Übliches: Hohe Erwartungen und keine praktische Entsprechung. Cypher war da noch das ambitionierteste Projekt, aber viel zu unausgereift, Splice – Das Genexperiment generisch und ebenfalls nur Durchschnitt, Nothing ein definitiver Tiefpunkt und sein Paris, je t’aime-Beitrag nicht schlecht, aber eben auch nur kurz. Und dann geht’s plötzlich wieder zurück zum Horror – wenn auch ohne Sci-Fi-Elemente und auf völlig anderer Ebene als sein Würfel-Durchbruch, allerdings wieder auf engstem Raum.

Story

Lisa ist ein ganz normales Mädchen in den 80ern. Ihre Familie nervt, ist aber in Ordnung und Musikgeschmack und Kleidung haben die Tendenz zu Dunkel. Außerdem wird sie in einem Tag 16 – und das seit gut einer Woche. Denn derselbe Tag scheint sich wieder und wieder zu wiederholen, was aber nur sie merkt. Im Haus läuft die gleiche Routine immer aufs Neue ab und kann nicht gebrochen werden, und drinnen wogt dicker Nebel mit der Konsistenz von Sahne, der Lisas Handlungsspielraum weiter einschränkt. Als wäre das nicht genug, entdeckt der Teenager immer größere Seltsamkeiten im Haus – und des nachts schleicht etwas Grausiges durch die Flure, während unheimliche Stimmen aus dem Dachboden hallen.
Als Lisa versucht, den Merkwürdigkeiten auf eigene Faust auf den Grund zu gehen, sucht sie ein furchteinflößender Herr heim, der ihr unmissverständlich klarmacht, dass ihr und ihrer Familie schreckliches Leid wiederführe, wenn sie die Dinge nicht sofort auf sich beruhen ließe.
Aber welches 15-jährige Mädchen lässt schon Dinge auf sich beruhen?

Kritik

Man mag es gar nicht glauben, aber Herrn Natali ist doch tatsächlich wieder ein patentes Filmchen gelungen. Kein Überflieger, aber ein solider Genrebeitrag mit großer Freude am Hakenschlagen und bodenständigem Budenzauber.
Anfangs scheint Haunter das Und täglich grüßt das Murmeltier-Rezept um ein paar Haunted House-Zutaten zu bereichern und der aus Little Miss Sunshine bekannten Abigail Breslin ein neues Image verpassen zu wollen. Leider halten sich die Inhaltsangaben dieser Welt nicht zurück und geben unverblümt den ersten großen Twist preis, was das anfängliche Viertel des Filmes ein wenig seines Reizes beraubt. Ganz sicher kann man Haunter attestieren, dass er genau das schafft, was er erreichen will. Es schauert wohlig, man rätselt, wie die Sache wohl aufgelöst wird (und hofft dabei, dass jene Auflösung nicht allzu platt daherkommt) und schaut das ein oder andere Mal vielleicht sogar ein bisschen gespannt aus der Wäsche, weil der Film sich bemüht, stets etwas freaky und unberechenbar zu sein. Auch wenn eigentlich nur altbekannte Spuk-Elemente neu arrangiert werden: Gruselige Kinder, knarrende Dielen und unheilvolle Männer mit grinsender Fratze – Natali scheint in den letzten Jahren recht viel Zeit in diesem Genre verbracht zu haben.
Eine gesonderte Erwähnung verdient Stephen McHattie (Lexx) als ‚Pale Man‘, dessen böse Erscheinung mit starrem Grienen einem tatsächlich Schauer über den Rücken jagt. Aber auch der Rest des Casts glänzt mit überdurchschnittlicher Performance.
Wenn die Katze kurz nach der Mitte dann endgültig aus dem Sack ist, ist der Film aber noch nicht zu Ende, sondern bemüht sich, seine Geschichte schlüssig bis zum Schluss zu erzählen. Und eigentlich ist diese Geschichte natürlich gar nichts Dolles. Was den Film so angenehm spannend und schauderhaft macht, das ist das gute Drehbuch und die Regie, welche viel Fingerspitzengefühl in Gruselszenen beweist und den Alltag umgekehrt sehr beunruhigend darzustellen weiß.

Fazit

Eine schöne Schauermär, die ohne viel Krach und Aufwand eine wohlige Atmosphäre generiert und bis zum Ende gut unterhält. Dass der Plot an sich eine typische B-Movie-Idee ist, macht überhaupt nichts, weil die Sache so geschickt zusammengebaut wurde, dass der Film dort sympathisch wirkt, wo andere des Genres einfältig sind.