Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth

Harry Potter gebar Die Tribute von Panem und dieser Romanreihe folgte eine nicht mehr zu überblickende Masse an Dystopien mit auserwählten Kindern und Jugendlichen in den Hauptrollen. James Dashners Die Auserwählten-Reihe lässt sich genau dort verorten und musste ob ihres relativ großen Erfolges auch prompt verfilmt werden.

Never go beyond those walls.

Story

Vor 3 Jahren wurde der erste Junge auf die Lichtung geschickt. Seitdem wird jeden Monat ein weiterer zusammen mit Hilfsgütern mit dem Fahrstuhl an die Oberfläche gebracht. Wer dort ankommt, hat keine Erinnerungen und kann sich nach kurzer Zeit lediglich seines Vornamens entsinnen.
Die Lichtung ist umgeben von einem gigantischen Labyrinth, dessen Aufbau sich in jeder Nacht verändert und durch dessen Gänge in der Dunkelheit pirschen Griewer, halb-organische Ungeheuer, die bei Sichtkontakt sofort töten oder ein letales Gift über ihren Schwanzstachel abgeben, dabei sehr viel rumschleimen und ansonsten sehr an die Bugs aus Starship Troopers erinnern.
Thomas ist der neuste Ankömmling und sein Ziel ist es, sich den Läufern anzuschließen, die als einzige in dem Jungen-Mikrokosmos tagsüber den Irrgarten kartographieren dürfen, in der Hoffnung, einen Ausgang zu finden. Thomas unterscheidet sich in einer entscheidenden Sache von den anderen Gefangenen: Ihn suchen bruchstückhafte Erinnerungen heim. Als ein Aufeinandertreffen mit einem der Griewer erstmalig glimpflich ausgeht, bahnen sich Veränderungen an. Das Leben auf der Lichtung scheint nicht mehr sicher und plötzlich kommt, weit früher als erwartet, ein weitere Neuankömmling mit dem Fahrstuhl an. Es handelt sich um ein Mädchen, das Thomas zu erkennen scheint und eine Botschaft überbringt. Sie ist die letzte.

Kritik

Der Auserwählte kotzt in einen Fahrstuhl. Deutlicher könnte man kaum klarzumachen versuchen, sich von der Schwemme der Jugend-Dystopien abzuheben. Maze Runner gelingt das Kunststück, kein langes, für sich stehendes Einführungskapitel zu haben, sondern direkt mit hohem Tempo einzusetzen und alle nötigen Informationen im Zuge der schon trabenden Geschichte nachwirft. Dadurch geht der ganze Film ohne träge Minute vorüber und versucht zudem erfolgreich, grobe Unnötigkeiten in Form von nur zur Zeitdehnung dienenden Subplots abzusehen. Diesen Vorteil erkauft sich der Film aber mit etwas lahmer Trickserei. Es gibt keinen Grund, dass Thomas nicht sofort alles erzählt wird, was die Jungs über ihr Gefängnis wissen. Die wirklich wissenswerten Gefahren, davon erfährt er gemeinsam mit dem Zuschauer erst dann, wenn sie auftauchen. Es kommt hinzu, dass die Protagonisten – allem voran der häufig etwas zu blauäugig durch die Gefahr watschelnde Thomas – einige Dinge tun, die absolut unnachvollziehbar sind, und sie unnötig in Gefahr bringen, nur um eine Actionszene zum passenden Zeitpunkt herbeizuzaubern. Diese Szenen gewähren aber wenigstens alle einen weiteren Blick auf mögliche Antworten. Das Rezept von Maze Runner, so dreist es auch ist, ist ein gutes. Man stört sich höchstens formal an den kleinen Makeln, während man aber genaugenommen bestens unterhalten wird.
Der kleine Mikrokosmos, den die Jugendlichen sich zusammengezimmert haben, ist gut gelungen. Dass die Gruppe in einer grünen Insel im Herzen des Labyrinths lebt und dort ihre behelfsmäßigen Hütten errichtet, hat etwas Baumhaushaftes. Ein Baumhaus als Flucht- und Sicherheitsort für ein paar Kinder, die nicht wissen, wer was warum mit ihnen tut.
Dass die Dinge, die dort geschehen, tatsächlich so vonstattengehen würden, ist aber nur schwer zu glauben, und etwas formelhaft sind die Figuren mit ihren Tagesstrukturen und Hierarchien und nicht sehr überzeugend ist der Gedanke, dass dieses sonderbare soziale Experiment schon seit 3 Jahren funktioniert. Auch bleibt offen, wieso man nicht einfach das Baumaterial auf der Lichtung nutzt, um auf das Labyrinth zu gelangen, das so hoch gar nicht ist? Zwar wird dies kurz mit einer viel weniger naheliegenden Lösungsmöglichkeiten thematisiert, doch sofort mit „Wo willst du denn von da oben aus hin?“ abgetan, was die mit Abstand abwegigste Antwort ist, die man in diesem Film auf diese Frage geben könnte.

Vorwerfen kann man dem Film aber nicht, dass er langweilig oder uninteressant ist. Man fragt sich automatisch mit, was es mit dem riesenhaften Irrgarten auf sich hat und fiebert gespannt jeder Entdeckung entgegen.
Die Schauspieler sind unverbraucht, aber auch nicht über die Maßen talentiert; die Chemie zwischen den Figuren vorhanden und durchaus variabel, aber letztlich handelt es sich doch nur um leidlich gut maskierte Stereotypen. Eindeutig positiv hervorzuheben ist die musikalische Untermalung, die sich erfreulich zurückhält und in wichtigen Szenen fast schon minimalistische Töne angibt, die spannungsfördernd wirken, ohne je aufdringlich zu wirken. Was das hervorragende Moment an Maze Runner ist, das ist die Geschichte des Filmes. Und da alle anderen Aspekte eines Filmes nur dafür dienen, diese zu erzählen, lässt sich guten Gewissens schlussfolgern, dass Wes Balls Regiedebut in der Disziplin, auf die es wirklich ankommt, alles richtig macht. Vieles ist im Grunde Durchschnittlich, doch die gekonnte Inszenierung und das gut dosierte Freilegen neuer Informationshäppchen führen unweigerlich dazu, dass Maze Runner ein fesselndes Seherlebnis ist. Gerade der Fakt, dass man nur einen Schauplatz hat, der aufgrund seiner verwinkelten Struktur theoretisch aber alles überall verbergen könnte, macht das Seherlebnis interessant. Zudem man im weiteren Verlauf feststellen wird, dass ein Labyrinth auch abseits von ‚um die Ecke hechten‘ absolut imposant inszeniert werden kann.
Die schlussendliche Auflösung ist vielleicht ein bisschen spröde und lässt nicht unbedingt das allerbeste für die bereits feststehende Fortsetzung erwarten, doch ändert dies nichts daran, dass die zurückliegenden zwei Stunden hochgradig unterhaltsamen ausgefallen sind.

Man darf außerdem dankbar sein, dass die Romane nicht als Serie verarbeitet wurden, sondern man sich dafür entschied, sie in Filmform nachzuerzählen. So folgen die plot points in rascher Abfolge aufeinander, alles ist immer in Bewegung und die fesselnde Stimmung, die irgendwo zwischen Cube, Herr der Fliegen und Die dreibeinigen Monster changiert, saugt einen förmlich auf.

Fazit

Die Romanvorlage ist ein Pageturner und Wes Balls Verfilmung funktioniert auf die gleiche Weise. Hier ist etwas nicht ganz schlüssig, dort ist das Agieren einer Figur kaum begreiflich, doch all das spielt eigentlich keine Rolle, weil Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth ein echter Nägelkauer geworden ist.

Ender’s Game

Orson Scott Cards Roman, der 1985 aus einer deutlich älteren Kurzgeschichte entstand und bisher vier (je nach Auffassung auch 5) Fortsetzungen nach sich zog und weitere folgen lassen wird, galt lange Zeit als unverfilmbar. Gavin Hood (Wolverine: Weg des Kriegers) nahm das Ruder an sich, das mehrmals schon fast von anderen bedient worden wäre.


No. The way you win matters.

Story

Der Angriff der Formics, fiese insektoide Unholde aus dem Weltraum, konnte vor einem halben Jahrhundert nur mit großen Anstrengungen und dem unverschämten Glück eines Einzigen, der im richtigen Augenblick die richtige Entscheidung traf, zurückgeschlagen werden.
Die Menschheit hat sich wieder aufgerappelt, die Furcht vor einem erneuten Invasionsversuch ist aber allgegenwärtig.
Die Streitkräfte rekrutieren und trainieren Kinder, um besondere strategische Talente so früh wie möglich zu erkennen und zu fördern. Auf diesem Weg will man einen außergewöhnlichen Flottenkommandanten finden, um der außerirdischen Bedrohung Herr zu werden.
Colonel Hyrum Graff meint im Jungen Ender Wiggin das erhoffte Potenzial zu erkennen und schickt ihn von der Rekrutenschule direkt eine Raumstation, wo die Besten der Besten gegen- und miteinander trainieren.

Kritik

Auch nach starker Verkrümmung der Geschichte, um sie zu einem standardisierten Drehbuch zu verbiegen, bleibt der ambitionierte und interessante Grundgedanke der Story erhalten, liefert der Film doch eine recht ungewohnte Sicht auf die Führung eines martialischen Sternenkrieges. Der Feind ist eigentlich völlig unbekannt. Seine Flottenstärke, seine Motive, seine Strategien. Einfach alles von ihm. Was man tut, fühlt sich genaugenommen nicht richtig an, da man nur die eigene Seite kennt und genaugenommen im Dunkeln stochert. Da aber der Mensch seine elementaren Handlungsmuster nie verlieren wird, wird er  zur vor Angst um sich beißenden Bestie, sobald er bedrohlich in die Ecke gedrängt wird.
Es bleibt unklar, wer und was gut und böse ist. Einfach deswegen, weil Gut und Böse in dieser einfachen Form nicht existieren.
Während die Moral angenehm diffus und – egal, wie man sich entscheidet –  unangenehm klebrig bleibt, trifft das auf viele Charaktere leider nicht zu. Während Ender und Fords störrischer Colonel Hyrum spannende Figuren sind, lassen sich alle anderen allesamt auf eine einzige maßgebliche Eigenschaft reduzieren, die darüber hinaus lediglich dafür da ist, die klare Bahn zu definieren, die Ender zu nehmen hat. Das in Verbindung mit ein paar irritierend nachlässig geschriebenen Dialogen führt dazu, dass einige Figuren fast schon zu Witzen verkommen. Das lächerliche Harter-Ausbilder-Klischee mit peinlich provokanten Schreiphrasen oder der dämliche Schulrowdy, der neben seiner kindlichen Aggressivität keinerlei Qualifikation hat, die sein Dasein in der Ausbildungsstätte rechtfertigt, sind da nur die schlimmsten Beispiele.
Etwas kurios sind außerdem einige Handlungen, die von Grund auf nicht nachvollziehbar sind – zum Beispiel wenn die Kinder zum ersten Mal in einem Raum ohne Schwerkraft trudeln und anfangen, aus purem Spaß am Experiment, die noch unbekannten Waffen aneinander auszuprobieren. Nach dem Motto: „Was mag wohl passiere, wenn ich mir diese Gabel ins Auge drücke?“.
Ja, was mag da wohl passieren. Gut so Jungs, und dann rettet ihr die Menschheit. Sicher, das soll verdeutlichen, wie ahnungslos und verspielt die Rasselbande ist. Aber mal ernsthaft, ist das der beste Weg, dies zu tun?
Im Laufe des Filmes mit anzusehen, wie der  schmächtige Ender nach und nach zur emotionsarmen, kühl kalkulierenden Kampfmaschine wird, die Gegner und Situationen automatisiert auf Schwachstellen abscannt, ist dann aber wieder durchaus ergreifend.
Das liegt vor allem daran, dass gelungen vermittelt wird, wie unbeholfen, unschuldig und hilflos die Kinder in ihrem Umfeld tatsächlich sind. Die Umstände zwingen sie, sich als Erwachsene zu fühlen und aufzuführen, was ihnen aber unmöglich gelingen kann. Die ungewöhnlich engen, graugelben Anzüge führen dazu, dass die völlig überforderten Nachwuchs-Helden unsicher und verloren wirken. Ganz wie ein normaler Teenager also.

Interessante Kameraperspektiven (Predator-Kameramann Donald M. McAlpine, immerhin 80 Jahre alt, läuft noch mal zu Hochtouren auf) und ein sphärisch-melancholischer Soundtrack schaffen es glücklicherweise häufig, auch eigentlich platten Szenen eine Ahnung von Bedeutsamkeit zu verleihen. Die Inszenierung ist hier definitiv dem sehr ungeschmeidigen Drehbuch überlegen. So gelingen dem Film Akzente, die er allein durch seine Geschichte kaum hätte setzen können. Wobei es zu kurz gegriffen wäre, es so zu sagen. Die Geschichte an sich ist dank der klugen Romanvorlage natürlich keine schlechte, wenn auch der Film sich viele eklatante Änderungen erlaubte, um den Stoff publikumsverträglich auf die Leinwand zu befördern.
Nur die Darstellung der Figuren ist der große Schwachpunkt, der den Film immer wieder zum bluten bringt.
Ab der zweiten Hälfte endet die klassische Ausbildungsphase und mit ihr die Dominanz der Stereotypen, Tausendsassa Sie Ben Kingsley taucht auf und der Film gewinnt gehörig an Faszination dazu.

Fazit

Man merkt Ender’s Game natürlich überall an, dass der Stoff auf Hollywoodtauglichkeit heruntergebrochen werden musste, doch bleibt die Story im Kern aufregend und ungewöhnlich genug. Plumpe Nebenfiguren und ebenso plumpe Dialogausfälle machen aber leider auch vieles kaputt. Trotzdem entwickelt der Sci-Fi-Film seinen ganz eigenen Sog und fasziniert durch die ungewohnte Betrachtungsweise der Geschehnisse in besonderem Maße.
Ender’s Game könnte der Auftakt zu einer sehr ambitionierten Serie sein, sofern das definitiv vorhandene Potenzial der erkannt und genutzt wird. Es bleibt also zu hoffen, dass sich das Studio trotz des mauen Einspielergebnisses zu diesem Wagnis entschließt.