Tag

Sion Sono wird schon lange als der Nachfolger Takashi Miikes gehandelt. Bis zu 5 Filme pro Jahr und ein Themenspektrum, das zwar noch nicht ganz das des alteingesessenen Tausendsassas abdeckt, aber sich trotzdem vom vierstündigen Coming-of-Age-Höschenblitzer-Fanatismus-Terrorismusfilm Love Exposure bis hin zur elegischen SciFi-Parabel wie dem gerade laufenden A Whispering Star erstreckt.

Story

Mitsuko befindet sich zusammen mit ihrer Klasse aus der Mädchenschule auf einem Ausflug in einem Bus. Sie ist eher introvertiert und daher auch mit sich selbst und ihren Gedichten beschäftigt, die sie bedächtig zu Papier bringt, während die anderen Mädchen sich ausgelassen miteinander vergnügen. Und dies rettet sie. Als sie sich gerade nach ihrem heruntergefallenen Stift bückt, rauscht ein rasiermesserscharfer Wind vorbei und halbiert den fahrenden Bus und all seine Insassen. Nur Mitsuko überlebt das mysteriöse Massaker. Auf der Flucht vor der unsichtbaren Gefahr stolpert sie durch den Wald und wechselt ihre bluttriefende Uniform mit der einer verstorbenen Schülerin.
Plötzlich befindet sie sich nur noch mit bruchstückhafter Erinnerung wieder an der Schule. Doch ist sie weiterhin sie selbst? War der grauenhafte Vorfall ein Traum?

Kritik

Tatsächlich häufen sich die Literaturverfilmungen aus dem Hause Sono so langsam (bei einer derartigen Institution darf man mittlerweile wohl Worte wie Haus in den Mund nehmen). Während das Meisterwerk Himizu allenthalben auf seinen literarischen Ursprung aufmerksam machte, obschon der Film selbst durch die Fukushima-Katastrophe eigentlich stark von diesem abwich, wirkt Tag eigentlich überhaupt nicht so, obwohl hier sogar ein Roman von Yûsuke Yamada als Vorlage herhielt. Vielmehr erinnert der zügig erzählte Film an eine moderne Anime-Serie – denn der Handlungsverlauf ist latent episodisch und entblößt mit jedem neuen Kapitel ein wenig mehr Aufklärung und zugleich ein wenig mehr Mysterium. Dass Sono vom Quellmaterial teils streng abweicht, ist nur eine Erklärung für den ersten, nicht aber für den zweiten Eindruck.
Weil Tag demnach eine dieser Geschichten erzählt, deren entscheidender Auflösungskern nach und nach zum Vorschein kommt, während sich die Fragen gleich Zwiebelhäuten sukzessive von ihm lösen, ist es umso wichtiger, möglichst unbescholten und bar jeden Vorwissens an den Film heranzutreten. Deshalb ist auch der Handlungsabschnitt hier entsprechend knapp und vage ausgefallen.
Und wie ist er nun, der vorletzte und sage und schreibe sechste Film Sion Sonos aus dem Jahr 2015? Gut, solide gut. Durch seine Levelarchitektur bietet Tag große Abwechslung und nutzt diesen Spielraum für die Kreation angenehm gegensätzlicher Pole. Die Szenen, in denen die Protagonistin mit ihren Schulfreundinnen ausgelassen durch den Wald tollt, wirken ganz ungekünstelt wie ein berauschender Befreiungsschlag – vor allem dank des erhebenden Postrocks von Mono, der dem Film tatsächlich eine emotionale Zusatzdimension von großer Wichtigkeit verleiht.
Inszenierung und Geschichtsaufbau sorgen für eine Beständigkeit des Gefühls von Mysterium, schnellen aber auch so sehr durch die 85 Minuten Laufzeit, dass man ein wenig die charakterliche Tiefe bei den Nebenfiguren vermisst. Dank dieser Rasanz, wodurch sich der Eindruck eines Computerspiels noch verstärkt, läuft der Film aber auch nie Gefahr, seinen peitschenden Flow zu verlieren. Ein paar stark hervorstechende komödiantische Elemente sorgen außerdem dafür, das Interesse eng zu binden.
Die Auflösung der Geschichte entpuppt sich schließlich als janusköpfige Angelegenheit – denn so banal sie ist, so facettenreich kann sie gelesen werden. Und gerade in Form einer klar feministischen und Aussage, die in ihrer Formulierung durchaus Mut beweist, fungiert Tag als Gegengewicht zu Sonos ein Jahr zuvor erschienen Meisterwerk obszöner Eleganz Tokyo Tribe, dessen misogynen Elemente nicht immer sofort als Satire zu erkennen sind.

Fazit

Irgendwie ist ein Film wie Tag eine Zwangsläufigkeit in einem Gesamtwerk wie dem von Sion Sono. Denn bei einem Output von bis zu sechs Filmen pro Jahr muss irgendwo irgendwann zu erkennen sein, dass Prioritäten gesetzt und damit an anderer Stelle Eingeständnisse gemacht worden sind. So wirkt Tag dann auch eher wie eine kurze Fingerübung des enfant terrible des japanischen Gegenwartkinos. Doch dieser Eindruck kann nur im Vergleich mit seinen sonstigen Werken entstehen (und ist immer noch weitaus besser als z. B. bei Auftragsarbeiten wie Shinjuku Swan, die einzeln betrachtet aber ebenfalls immer noch mehr als ordentlich sind), für sich genommen ist dieses voranpreschende Abenteuer nämlich immer noch sehenswert – vor allem für Fans japanischen Kinos. Denn obwohl es sich hier um einen eher kleineren Film aus der Schmiede Sion Sonos handelt, darf man hier nicht erwarten, nicht auf exzentrische Einfälle und Cha-Cha-Cha tanzende Verrücktheiten zu treffen.

Es ist schwer, ein Gott zu sein

Dass die Besten oftmals nicht auch die Wichtigsten ihrer Zeit sind, liegt vielleicht in der Natur von Gut und Schlecht, von Zeitgeist, hässlicher Ungerechtigkeit aufgrund internationaler Unterschiede und Zufall. Alexei Jurjewitsch German jedenfalls ist einer dieser Besten, während bis vor kurzem kein einziger seiner Filme auch nur auf DVD in Deutschland veröffentlicht wurde.
Sein Œuvre erstreckt sich über viereinhalb Jahrzehnte, umfasst aber nicht einmal ganz 6 Filme. „Nicht einmal ganz“, weil der visionäre Russe die Vollendung von Es ist schwer, ein Gott zu sein nicht mehr erleben konnte.

I see. But it feels like I can’t see.

Story

Auf einem fernen Planeten lebt eine Zivilisation in mittelalterlichen Verhältnissen, die den Menschen sehr ähnlich ist. Doch im Vergleich zu ihnen kam nie eine erlösende Epoche im Stile der Renaissance – man lebt immer noch in Feindschaft im Dreck und jeder ist sich ein Wolf. Intellektuelle werden verachtet, gejagt und aufgeknüpft.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern wurde von der Erde entsandt, die Bevölkerung auf diesem Planeten zu observieren, wobei sie jedoch keinesfalls in die Lebenspraktiken eingreifen dürfen. Einer der Erdlinge ist Don Rumata. Er wird von den Ansässigen zweifelnd als Gottessohn akzeptiert und genießt ein entsprechend hohes Ansehen, doch fällt es ihm selbst immer schwerer die barbarischen Zustände zu ertragen und tatenlos hinzunehmen, ohne selbst von ihnen beeinflusst zu werden.

Kritik

Die Adaption von Arkadi und Boris Strugazkis Science-Fiction-Klassiker war so etwas wie Germans Lebenstraum – und darf auf eine Genese zurückblicken, die der Dramatik von Terry Gilliams Kampf um sein fortwährend scheiterndes Don Quixote-Projekt in nichts nachsteht. Nach vielen Jahrzehnten konnte die Erschaffung des Filmes endlich angegangen werden und die Dreharbeiten sollten sich ber 6 Jahre ziehen. Während der nicht minder langen Postproduktionsphase verstarb Aleksej German; er konnte sein eigenes Magnum Opus nicht mehr erleben. Zusammen mit seiner Frau vollendete Germans gleichnamiger Sohn schließlich Es ist schwer, ein Gott zu sein.
Man kann sich nur schwer vorstellen, was für ein enormer Aufwand in diesen 6 Jahren des Drehs betrieben wurde, um dieses Abschiedswerk zu verwirklichen. Minutenlange Takes ohne Pause, voller Bewegung, voller Aktion. Ein Meer und ein Mehr von Details. Und all das unter den widrigsten Umständen.

Das Königreich Arkanar ist ein Land, das in Matsch errichtet wurde, in einer Welt aus Matsch. Regen fällt wie Steine ohne Unterlass auf die Straßen, weicht die Dächer, Böden und Hirne auf. Es ist, als brächten die Wolken den Wahnsinn, als wären sie Urheber dieser Hölle von einer Welt, die zur ewigen Wiederholung, zum ewigen Stillstand im hässlichsten aller Zustände verdammt ist. Wenn es nicht regnet, zieht in plumpen Schwaden ein schwerer Nebel über die fauligen Plätze und verbindet sich mit dem Rauch, der von ebenso plumpen Feuerstellen aufsteigt. Doch er will nicht in den Himmel. Aus irgendeinem Grund verweilt er auf dem Boden und füllt die aufgeweichten Wege Arkanars, ohne das Elend auf ihnen zu verdecken.
Raue und Schwachsinnige jagen sich müde durch den Schlick, jemand prustet Rotz aus einem Nasenloch  dann wird einen unbedachte Mann gezwungen, an der Unterseite eines Straßenaborts so lange auszuharren, bis sich ihm dampfende Ausscheidungen ins Gesicht legen. Frauen gibt es keine, auf 30 Männer scheint eine zu kommen. Sie bieten ihren Körper feil, befingern sich den Wanst, in dem eine Leibesfrucht die vollen 9 Monate vermutlich nicht überstehen wird. Hundert Meter weiter ragen Speere in die undurchsichtige Luft und tragen die Kadaver unzähliger armer Seelen auf ihren Spitzen zur Schau. Das Wetter frisst von ihnen. Die Bienen töten ihre Königin“, sagt ein spindeldürrer, heruntergekommener Bursche und grient in die Kamera, als hätte er jetzt schon die Pointe des Filmes verraten. Es brummt unruhig in einem Korb.
Durch die Geräusche zertrampelten Unrats, das Quieken sadistischer Dummköpfe und dem heiseren Lamentieren eines linkischen Bettlers dringt der Klang schwerer Stiefel. Ein brutaler Bärtiger schiebt sich nach vorne, seine Augen huschen herrisch durch die Gegend, sein Gesicht ist nicht lesbar. Der Hüne spielt Bluesiges auf etwas, das eine Klarinette sein könnte. Geräusche sind laut, stark, nachdrücklich. Die Kreaturen schmieren sich schwarze Bracke ins Gesicht, ihre Physiognomie verschwimmt mit dem widerwärtigen Land. Mensch, Gefühl, der endlose Marsch auf der Stelle, die kahle, zerklüftete Ebene und ihre Geschichte – alles wird eins.

Es ist schwer, ein Gott zu sein ist eine Art Historien-Science-Fiction. Und, nur fürs Protokoll, wer nun an Zeitreiseklamotten á la Die Besucher denkt, möge das doch bitte unterlassen.
Aleksei Germans letzter Film ist viel mehr ein ehrfurchtgebietendes Monument, beinahe selbst ein sterbender Gott, der sich drei Stunden dabei beobachten lässt, wie er sich würgend und schnaufend auf die Seite wälzt.
Es geht in diesem russischen Epos um eine Geschichte. Sie zu verstehen, ist hingegen nicht Voraussetzung, um auch den Film zu verstehen. Aus den unerklärlichen Extrakten des fremdartigen Alltags der Bewohner dieses Landes, die von Mythologie, Gerüchten, Denunziationen und Betrügereien schwafeln, lassen sich nur vage Schlüsse ziehen. Die wilden Einblicke in das unerbittliche Leben auf diesem in der Zeit gefangenen Planeten lassen erkennen, dass viel vorgeht, verwehren dem Zuschauer zugleich aber auch die ständige Antwort auf die gleichsam ständige Frage, was genau denn nun gerade geschehe. Es geht um einen Krieg von Grauen und Schwarzen, die im kristallenen Schwarz-Weiß des Filmes kaum auseinanderzuhalten sind. Es geht um die systematischen Lynchmorde an Intellektuellen, die in der Schar aus darbenden Rohlingen nur schwerlich auszumachen sind. Es geht um die Frage der Moral und die Last der Verantwortung – beides Worte, deren Bedeutungen sich verlieren in einem Strudel aus Herrschsucht und den daraus hervorgehenden Gräuel.

Es ist oftmals schwer zu erkennen, was passiert, im tatsächlichen wie auch im übertragenen Sinne. Die abstoßenden Gepflogenheiten, die verschiedenen Charaktere, die Fremde. Man erkennt alles klar und die zahlreichen Episoden lassen sich weitestgehend problemlos verfolgen; wie sie zusammengehören, das hingegen bleibt oftmals ein Rätsel. Aber auch das schnell gesprochene Russisch und die ebenso schnell passierenden Untertitel machen den Film zu einer Herausforderung auch inhaltlicher Natur. Trotzdem und vor allem deswegen dann kommt ihm von seiner Faszination nichts abhanden, im Gegenteil. Der Sog wird stärker. Und der Ort, zu dem er zieht, ist einer der Andersartigkeit. Man kann den Schmutz riechen, den Dunst spüren, den Rotz schmecken und in dieser Mammutperversion etwas finden. Man muss dem Film, der so viel Schlimmes zeigt, vertrauen, damit er funktionieren kann. Zum Glück ist es leicht, das zu tun und der Geschichte zu verfallen, sich ihr hinzugeben und sich ohne zu fragen durch ihre rückweglosen Irrungen schleppen zu lassen. Es ist schwer, ein Gott zu sein ist zwar genauso anstrengend und gnadenlos fordernd, wie es hier anklingt, mit der gleichen unwiderstehlichen Kraft aber auch verlockend und verführerisch, faszinierend in seiner Atemlosigkeit.
Denn die Geschichte wird in einer deliriumartigen Logik eines fabelhaften Albtraums erzählt, der genauso fesselnd wie abstoßend ist.

Die fehlenden Farben machen die Bilder nicht trostloser als sie sind, sie machen sie klar und präzise. Und Bilder sind es wahrhaftig, in denen Es ist schwer, ein Gott zu sein erzählt wird, mächtige Gemälde formte Kameramann Yuri Klimenko in der wüsten Szenerie. Und es wird sich gehütet diese kinetischen Kraftakte durch unnötige Schnitte zu ruinieren. Der Film funktioniert in langen, bisweilen ausufernden Plansequenzen, in denen die Kamera durch die Pfade und Felder des sinisteren Königreichs irrlichtert, überall das Gleiche findet und nicht genug davon bekommt. Mit energischer Begeisterung umschleicht sie die großen kleinen Tragödien, die sich auf dem Weg des mürrischen Wissenschaftlers ereignen, wendet den Blick nicht ab und zeigt alles. Es ist die entfesselte Magie der Bilder, die diese Mammut-Dystopie nicht nur ihre vorschlaghammerartige Wirkung, sondern auch die hypnotisierende Intensität verleiht. Es sind Bilder großer, glutofenheißer Kühle und Grausamkeit, ohne die Scheu vor Provokation, aber auch ohne den plumpen Wunsch, provozieren zu wollen.
Dabei ist das mürbe Spektakel der Spielorte keineswegs nur schlimm, es gibt auch erhabene, gar komische Augenblicke, die die Wolkendecke für einen kurzen Augenblick aufreißen lassen. Szenen der Menschlichkeit, die viel kräftiger wirken als jeder Akt müheloser Bösartigkeit und dem Film seinen letzten Schliff verleihen.

Fazit

Aleksei German hinterließ seinen ganz eigenen Essay darüber, was es bedeutet, Mensch zu sein; eine Oper des Ausuferns und Austrocknens, des Zerfalls und der Konzentration von Fragen, die keine Antworten bekommen. Was hier vorliegt, ist eine morastige Wucht von einem Film, der mahlt und mörsert, um zu zeigen, dass sich Dinge bis in die Unendlichkeit zerkleinern lassen. Und doch strahlt er etwas Essentielles aus, atmet eine Art von Filmmagie aus den perfekten Bildern, den atemberaubenden Einstellungen, der unfassbaren Ambition, der man sich nur schwer entziehen kann. Es ist schwer, ein Gott zu sein zieht einen tief in sich hinein und hinterlässt die Gewissheit, etwas Einmaligem beizuwohnen.
Trotz dessen kann sich Es ist schwer, ein Gott zu sein als Geduldsprobe herausstellen, die so zäh ist wie die Gesellschaft, die sie illustriert. Die vom Film entfesselte Kraft ist eine, die nur allzu schnell verpuffen kann, wenn sich herausstellt, dass jede Anstrengung in der fatalistischen Tretmühle aus Elend und Grausamkeit umsonst ist.

Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth

Harry Potter gebar Die Tribute von Panem und dieser Romanreihe folgte eine nicht mehr zu überblickende Masse an Dystopien mit auserwählten Kindern und Jugendlichen in den Hauptrollen. James Dashners Die Auserwählten-Reihe lässt sich genau dort verorten und musste ob ihres relativ großen Erfolges auch prompt verfilmt werden.

Never go beyond those walls.

Story

Vor 3 Jahren wurde der erste Junge auf die Lichtung geschickt. Seitdem wird jeden Monat ein weiterer zusammen mit Hilfsgütern mit dem Fahrstuhl an die Oberfläche gebracht. Wer dort ankommt, hat keine Erinnerungen und kann sich nach kurzer Zeit lediglich seines Vornamens entsinnen.
Die Lichtung ist umgeben von einem gigantischen Labyrinth, dessen Aufbau sich in jeder Nacht verändert und durch dessen Gänge in der Dunkelheit pirschen Griewer, halb-organische Ungeheuer, die bei Sichtkontakt sofort töten oder ein letales Gift über ihren Schwanzstachel abgeben, dabei sehr viel rumschleimen und ansonsten sehr an die Bugs aus Starship Troopers erinnern.
Thomas ist der neuste Ankömmling und sein Ziel ist es, sich den Läufern anzuschließen, die als einzige in dem Jungen-Mikrokosmos tagsüber den Irrgarten kartographieren dürfen, in der Hoffnung, einen Ausgang zu finden. Thomas unterscheidet sich in einer entscheidenden Sache von den anderen Gefangenen: Ihn suchen bruchstückhafte Erinnerungen heim. Als ein Aufeinandertreffen mit einem der Griewer erstmalig glimpflich ausgeht, bahnen sich Veränderungen an. Das Leben auf der Lichtung scheint nicht mehr sicher und plötzlich kommt, weit früher als erwartet, ein weitere Neuankömmling mit dem Fahrstuhl an. Es handelt sich um ein Mädchen, das Thomas zu erkennen scheint und eine Botschaft überbringt. Sie ist die letzte.

Kritik

Der Auserwählte kotzt in einen Fahrstuhl. Deutlicher könnte man kaum klarzumachen versuchen, sich von der Schwemme der Jugend-Dystopien abzuheben. Maze Runner gelingt das Kunststück, kein langes, für sich stehendes Einführungskapitel zu haben, sondern direkt mit hohem Tempo einzusetzen und alle nötigen Informationen im Zuge der schon trabenden Geschichte nachwirft. Dadurch geht der ganze Film ohne träge Minute vorüber und versucht zudem erfolgreich, grobe Unnötigkeiten in Form von nur zur Zeitdehnung dienenden Subplots abzusehen. Diesen Vorteil erkauft sich der Film aber mit etwas lahmer Trickserei. Es gibt keinen Grund, dass Thomas nicht sofort alles erzählt wird, was die Jungs über ihr Gefängnis wissen. Die wirklich wissenswerten Gefahren, davon erfährt er gemeinsam mit dem Zuschauer erst dann, wenn sie auftauchen. Es kommt hinzu, dass die Protagonisten – allem voran der häufig etwas zu blauäugig durch die Gefahr watschelnde Thomas – einige Dinge tun, die absolut unnachvollziehbar sind, und sie unnötig in Gefahr bringen, nur um eine Actionszene zum passenden Zeitpunkt herbeizuzaubern. Diese Szenen gewähren aber wenigstens alle einen weiteren Blick auf mögliche Antworten. Das Rezept von Maze Runner, so dreist es auch ist, ist ein gutes. Man stört sich höchstens formal an den kleinen Makeln, während man aber genaugenommen bestens unterhalten wird.
Der kleine Mikrokosmos, den die Jugendlichen sich zusammengezimmert haben, ist gut gelungen. Dass die Gruppe in einer grünen Insel im Herzen des Labyrinths lebt und dort ihre behelfsmäßigen Hütten errichtet, hat etwas Baumhaushaftes. Ein Baumhaus als Flucht- und Sicherheitsort für ein paar Kinder, die nicht wissen, wer was warum mit ihnen tut.
Dass die Dinge, die dort geschehen, tatsächlich so vonstattengehen würden, ist aber nur schwer zu glauben, und etwas formelhaft sind die Figuren mit ihren Tagesstrukturen und Hierarchien und nicht sehr überzeugend ist der Gedanke, dass dieses sonderbare soziale Experiment schon seit 3 Jahren funktioniert. Auch bleibt offen, wieso man nicht einfach das Baumaterial auf der Lichtung nutzt, um auf das Labyrinth zu gelangen, das so hoch gar nicht ist? Zwar wird dies kurz mit einer viel weniger naheliegenden Lösungsmöglichkeiten thematisiert, doch sofort mit „Wo willst du denn von da oben aus hin?“ abgetan, was die mit Abstand abwegigste Antwort ist, die man in diesem Film auf diese Frage geben könnte.

Vorwerfen kann man dem Film aber nicht, dass er langweilig oder uninteressant ist. Man fragt sich automatisch mit, was es mit dem riesenhaften Irrgarten auf sich hat und fiebert gespannt jeder Entdeckung entgegen.
Die Schauspieler sind unverbraucht, aber auch nicht über die Maßen talentiert; die Chemie zwischen den Figuren vorhanden und durchaus variabel, aber letztlich handelt es sich doch nur um leidlich gut maskierte Stereotypen. Eindeutig positiv hervorzuheben ist die musikalische Untermalung, die sich erfreulich zurückhält und in wichtigen Szenen fast schon minimalistische Töne angibt, die spannungsfördernd wirken, ohne je aufdringlich zu wirken. Was das hervorragende Moment an Maze Runner ist, das ist die Geschichte des Filmes. Und da alle anderen Aspekte eines Filmes nur dafür dienen, diese zu erzählen, lässt sich guten Gewissens schlussfolgern, dass Wes Balls Regiedebut in der Disziplin, auf die es wirklich ankommt, alles richtig macht. Vieles ist im Grunde Durchschnittlich, doch die gekonnte Inszenierung und das gut dosierte Freilegen neuer Informationshäppchen führen unweigerlich dazu, dass Maze Runner ein fesselndes Seherlebnis ist. Gerade der Fakt, dass man nur einen Schauplatz hat, der aufgrund seiner verwinkelten Struktur theoretisch aber alles überall verbergen könnte, macht das Seherlebnis interessant. Zudem man im weiteren Verlauf feststellen wird, dass ein Labyrinth auch abseits von ‚um die Ecke hechten‘ absolut imposant inszeniert werden kann.
Die schlussendliche Auflösung ist vielleicht ein bisschen spröde und lässt nicht unbedingt das allerbeste für die bereits feststehende Fortsetzung erwarten, doch ändert dies nichts daran, dass die zurückliegenden zwei Stunden hochgradig unterhaltsamen ausgefallen sind.

Man darf außerdem dankbar sein, dass die Romane nicht als Serie verarbeitet wurden, sondern man sich dafür entschied, sie in Filmform nachzuerzählen. So folgen die plot points in rascher Abfolge aufeinander, alles ist immer in Bewegung und die fesselnde Stimmung, die irgendwo zwischen Cube, Herr der Fliegen und Die dreibeinigen Monster changiert, saugt einen förmlich auf.

Fazit

Die Romanvorlage ist ein Pageturner und Wes Balls Verfilmung funktioniert auf die gleiche Weise. Hier ist etwas nicht ganz schlüssig, dort ist das Agieren einer Figur kaum begreiflich, doch all das spielt eigentlich keine Rolle, weil Maze Runner – Die Auserwählten im Labyrinth ein echter Nägelkauer geworden ist.

Die Zeitmaschine

Zur Winterzeit ein Klassiker. Die nachlässig gepflegte Tradition (sofern man bei drei bisher vergangenen Wintern mit einem Traditionsbruch von Tradition sprechen kann) soll auch dieses Jahr fortgeführt werden – und zwar mit George Pals (Endstation Mond) Die Zeitmaschine von 1960.

One cannot choose but wonder.

Story

George ist ein Wissenschaftler mit edlen Motiven und von visionärem Geist, der sich in seiner Zeit ausgesprochen fehl am Platze fühlt. 1899 versammelt er seine Freunde am Neujahrsabend bei sich zuhause, um ihnen zu eröffnen, dass er eine Zeitmaschine gebaut habe. Der Wissenschaftler wird von seinen intellektuellen Gefährten belächelt, seine Offenbarung als ausgeklügelter Scherz abgetan.
Im Anschluss an das Zusammenkommen setzt er sich in seine Zeitmaschine. Er durchzieht die Jahre, rast in die Zukunft hinein und passiert mehrere Kriege, erlebt den Niedergang und das erneute Erstarken der Zivilisation bis er sich schließlich im Jahre 802.701 entschließt, die Reise für eine längere Zeit zu unterbrechen, da er sich in einer paradiesisch anmutenden Umwelt befindet.

Kritik

Die erste 24 Minuten eines Filmes über Zeit, dessen durchschlagendste These es ist, dass Zeit Raum verändert, in einem einzigen Raum abspielen zu lassen, ist die mit Abstand klügste Idee von Die Zeitmaschine. So lange nicht gereist wird, bleibt der Raum starr. Erst, wenn das Neujahr naht, kann der Raum gewechselt werden. Ab dann wird der Film sukzessive schneller. Das erste, noch zurückhaltende Vorauseilen in der Zeit wird begleitet von nachdenklichem Off-Text. Hier setzt sich fort, was bereits den kammerspielartigen Anfang mit seinem prunkvollen Interieur ausmachte. George Pal brilliert in seiner Paradedisziplin, der fließenden Kombination verschiedener Tricktechniken, die ihm im Laufe seiner Karriere mehrere Oscars einbrachte; unter anderem auch für Die Zeitmaschine. Die Liebe zum Detail ist überall sichtbar. Sei es das viktorianische Design der Maschine mit ihren Schneckenverzierungen an einem ehemaligen Friseurstuhl, der penibel gestalteten Drehscheibe und einer Energiequelle aus Kristall – was zur Entstehungszeit des Filmes tatsächlicher Forschungsgegenstand war -, oder die verschwenderisch ausgestatteten Szenenbilder, deren Gestaltung vor allem im letzten Drittel mit einer gänzlich fremden, aber trotzdem natürlich wirkenden Flora imponiert.
Schön anzusehen sind die animierten Aufnahmen, mittels derer das rasche Vergehen von Zeit kenntlich gemacht wird. Dahinschmelzende Kerzen, Huschende Schnecken, Faulende Ungeheuer und eilende Gestirne die 750.000 Dollar teure Produktion überrascht regelmäßig mit ausgefeilten Effekten, die auch heute keineswegs lächerlich, sondern hochgradig charmant wirken. Hervorzuheben ist die pfiffige Idee, das Vergehen der Zeit anhand der sich in Sekundenschnelle wandelnden Mode am alterslosen Leibe einer Schaufensterpuppe zu illustrieren. Da verzeiht man auch die ausführlichen Erläuterungen der vier Dimensionen zu Beginn, die ein Publikum voraussetzen, das von Physik noch nie etwas gehört hat. Doch dies bleibt nicht das einzige Eingeständnis, das ein Zuschauer von heute in Kauf zu nehmen hat.

Inhaltlich gibt man sich anfangs noch offen und erkundungsbereit, reißt Determinismusfragen an, thematisiert Hybris und Naivität, Sinn-, Genügsamkeits- und Verantwortungsfragen gleichermaßen und ohne viel Pathos. Darf man vor Verantwortung fliehen? Welche Gründe für einen Fluchtwunsch könnte es geben und können diese überhaupt von Bedeutung sein? Ist es möglich, dass sie nicht relevant sind?
Leider genügt es dem Sci-Fi-Klassiker nicht, diese Fragen zu stellen und mit ihnen zu spielen, sondern er versucht sich an eindeutigen Antworten.

Der Reisende stolpert mit seiner unzerstörbaren Frisur naiv und blauäugig durch die Zeiten, zieht grundlos Schlüsse und ist ein Meister der Kurzsichtigkeit und blühender Arroganz, dabei voller Vorurteile, um dem Film mit seiner simplen Moraldoktrin gerecht zu werden. Der Stolz auf die Moral und Richtigkeit der frühen 60er in Amerika ist es, die dem Film und seinen Protagonisten plötzlich vom freien Erkunder zum Apostel werden lassen.
Besonders in der eigentlich sehr interessanten Zeit der Morlocks und der Eloi, deren Geheimnis es zu entschlüsseln gilt, kommt dies mit Penetranz zum Vorschein. Damit gibt der Film schädlich präzise Antworten auf die eingangs geäußerten Fragen und versündigt sich gegen die Maxime der Bescheidenheit, die er zuvor selbst noch zur Diskussion stellte.
George entpuppt sich immer stärker als ein vor Eitelkeit strotzender Starrkopf, der mit erhobenem Zeigefinger durch die Fremde läuft und denselben Fehler macht wie jene, die die angeprangerten Kriege und das resultierende Unheil verursachten – er sieht sich als etwas Besseres, fühlt sich überlegen und seine Sicht von Richtig und Falsch als allgemeingültig. Die Zeitmaschine muss sich heutzutage den Vorwurf gefallen lassen, dass sie auf eine schlechte Weise mehr als nur launige Unterhaltung ist. Sie ist ein Film mit einer reaktionären Botschaft, die besagt, dass Arbeit und Obrigkeitshörigkeit gut sind, Müßiggang aber gleichzusetzen ist mit Niedergang und Sittenverfall.
Trotzdem macht Die Zeitmaschine über die volle Dauer Spaß, beherrscht seine fantasievoll erzählte, fesselnde Geschichte mit ruhiger Hand und ist damals wie heute ein unterhaltsames Sehvergnügen, das Abenteuerlust entfacht. Die fragwürdige Moral hinter den Handlungen des vermeintlichen Helden wird vom Film jedoch nicht als solche erkannt, sondern als vorzuziehendes Weltbild verkauft.
Somit fungiert gerade dieser Zeitreisefilm als Zeitkapsel, die eine ungebrochen strahlende Erzähldynamik hat, aber Wertvorstellungen konserviert, die – gemessen an aktuellen, sich selbst als absolute Wahrheit verstehenden Wertvorstellungen – nicht mehr tragbar sind. Und damit wird mit Die Zeitmaschine in heutiger Sicht eine Geschichte über Zeit erzählt, die zur Entstehung des Werks so noch nicht lesbar gewesen ist. An der Romanvorlage von H. G. Wells mag das auch, aber keinesfalls ausschließlich liegen.

Fazit

Vom von Dialogen gesteuerten Anfang über das unruhige Brodeln durch die Äonen hin zu dem formal klassischen Formale in berauschender Kulisse. George Pals Die Zeitmaschine ist selbst eine Reise, die auch heute noch ihr Erlebnis wert ist. Wie ausschlaggebend Zeit ist, zeigt aber auch das fragwürdige Weltbild, das der Hauptcharakter hat und die noch weitaus fragwürdige Handlungsanweisung die der Film im Stillen formuliert. Wer sich dessen bewusst ist und dies vom bloßen Unterhaltungswert zu abstrahieren weiß, kann der Wertung guten Gewissens einen Punkt hinzuaddieren. Wer dies nicht möchte, wird den Film womöglich als latent ärgerlich empfinden – und sollte vielleicht denselben Punkt von der Wertung subtrahieren.

Re-Animator

Im vergangenen Jahr beendete Stuart Gordons Re-Animator in Deutschland seine Index-Existenz. Über zwei Jahrzehnte war der auf Howard Phillips Lovecrafts Kurzgeschichte Herbert West – Der Wiedererwecker basierende Film verboten, was seinem Semi-Kultstatus zugute kam.
Es folgten zwei Fortsetzungen und eine überaus erfolgreiche Musical-Umsetzung.


Birth is always painful.

Story

Über die Jahrhunderte sind wir zu ganz anständigen Medizinern gereift, möchte man meinen. Dabei wird gern vergessen, dass es immer noch den einen oder anderen weißen Fleck auf der Karte unserer Möglichkeiten gibt. Krebs, Demenz, das Altern, der Tod – nichts davon tatsächlich heilbar. Wie unbeholfen ist der Mensch doch, wenn er sich bemüht, ein ausklingendes Leben noch ein wenig länger im Diesseits zu behalten. Mit Elektroschocks wird das Herz malträtiert, die wildesten Elixiere werden intravinös in den sterbenden Leib gepumpt, und dann zieht es die arme Seele doch davon. Dieser Kampf gegen Windmühlen ist für den ambitionierten Arzt von Heute eine frustrierende Angelegenheit. Dr. Herbert West ist ein solcher Arzt und weit davon entfernt, sich geschlagen zu geben. Eines Tages trifft er den überambitionierten Kollegen Dr. Daniel Cain an seiner Uni. Und Cain entwickelt ein Serum, das toter Materie wieder Leben einhaucht.

Kritik

Ein hinreißender Vorspann mit anatomischen Kunstzeichnungen, die in neonfarben und ästhetischen Posen einen schmalen Bereich zwischen Erotik und Morbidität besiedeln, führt in das Lovecraft-Universum.
Das ist umso erstaunlicher, erweist die erste Szene den Film doch als klaren Trash aus. Trash mit hervorquellenden Augen, schäumendem Fleischblut, schrillen Schreien und allerhand Flüssigkeiten von unfeiner Farbe. Die Leichen sind hübsch zerschunden und die ganze Inszenierung eine große voyoristische Ekelschau, vornehmlich darauf angelegt, den Zuschauer zum Quieken zu bringen. Der Film ist in dem Bewusstsein, seine Geschichte mit dem nötigen Maß an Selbstironie erzählen zu müssen, will er nicht in seinem eigenen Glibber ausrutschen.
Wenn der betagte Arzt mit lüstern hervorgestreckter Zunge und fast schon gierigem Blick die Knochensäge anwirft und dabei mit euphorischer Detailversessenheit von der Virtuosität seines Schaffens berichtet, mag man Re-Animator ganz fest umschlingen.
Die Figuren sind gut ausgearbeitet, reden keinen Unsinn und verhalten sich im Genrerahmen nachvollziehbar. Wärehnd Hauptdarsteller Jeffrey Combs in diesem Re-Animator-Teil noch stark an den prototypischen College-Studenten ohne große praktische Erfahrung, aber mit vorzeigbarer Blondine an der Seite erinnert, liefert Bruce Abbott als übereifriger Praxisbefürworter eine angenehm psychopathische Performance ab, die nie über ihr Ziel hinausschießt, aber trotzdem ein paar witzige Spitzen auf Lager hat. Es ist diese Mischung aus klassischen 80er-Jahre-Horrorelementen und dem bösartigen, aber selbstreflexiven und zum Glück sehr leisen, zurückhaltenden Humor, der den Kultstatus von Re-Animator erklärt. Viel trägt die im doppelten Sinne klassische Instrumentalisierung zur Stimmung des Filmes bei, die von Horror-Komponist Richard Band kreiert wurde, der hier erstmalig mit Stuart Gordon zusammenarbeitete. Nicht zurückhaltend, aber niemals aufdringlich und mit schnödem Pomp überladen, sondern in altmodisch-effizienter Weise antizipierend, vorwärtstreibend, vorbereitend und zurückhaltend, niemals subtil, aber immer mit dem richtigen Gespür für die Situation, so nimmt einen die Instrumentalisierung an die Hand, von Anfang bis Ende. Sie führt den Zuschauer durch die vielen kleinen Höhepunkte, durch die die beiden Wissenschaftler schrittweise zu ihrem zweifelhaftem Erfolg geführt werden. Alle paar Minuten hält der Film mit kurzen Schockepisoden bei der Stange, während die Welt schnell ihre eigenen Regeln vergisst. Das grün schimmernde Serum muss anfangs noch gezielt ins Hirn injiziert werden, um die Leichen zu vitalisieren. Später ist es dann aber gleich, wohin der Saft gepresst wird. Die Körper erwachen so oder so zum Leben, wenn sie mit ihm in Berührung kommen.
Nach einer Stunde ist das eh egal. Wenn der Antagonisten-Kadaver wieder rumläuft, driftet die Geschichte vollständig ins Absurde – leider. Kopf und Körper agieren unabhängig voneinander, die bisher angenehm dezente Komik legt eine Schippe zu viel drauf und auch die Musik lässt sich hinreißen, bei der Übertreibung mitzumischen. Dann ist
Re-Animator weniger eklig, weniger ernstzunehmen und dadurch auch weniger gut. Diese sonderbare Hommage an alte Gruselmotive hat ohne Frage etwas für sich, bringt die bisher stringente Atmosphäre des medizinischen Sci-Fi-Filmes aber gehörig durcheinander. Das überbordende Finale vermag es jedoch, diesen Fehltritt vergessen zu machen. Der Film hat dann nicht mehr denselben Ton, wirkt in den ausladenden, fast schon an Braindead erinnernden Gefilden aber trittsicher und fühlt sich sichtlich wohl.

Dem wissenschaftskritischen Aspekt, wenn man den Film denn nicht als puren Unterhaltungsstreifen wahrnehmen möchte, kommt keine allzu große Rolle zu, er bleibt im Hintergrund aber durchweg spürbar. Es sind die Thematik und die agierenden Forscher, die allesamt auf ihre Weise einen an der Klatsche haben, weil sie nicht nur ihr Erkenntnisinteresse über den Rest der Welt und alle Werte erheben, sondern vorrangig von paranoidem Konkurrenzdenken getrieben werden. Anstatt in kooperativem Wirken gesicherte Ergebnisse anzustreben, werden die Wissenschaftler zu narzisstischen Eigenbrödlern, die dem anderen keinen Zentimeter Fortschritt gönnen und sich neidvoll mit fremden Federn behängen. Interessant wird es, wenn man eine andere Lesart zulässt. Der erzkonservative Dekan Halsey lässt Töcherlein Megan nicht bei unserem Wissenschaftler übernachten. Theoretisch ist dies nur durch Eheschließung möglich, praktisch gar nicht, denn ein offizieller Kontakt, der über akademische Belange hinausgeht, würde den jungen West sofort von der Forschungseinrichtung verbannen. Zusammenfinden kann das Paar nur, weil der Vater früh das Zeitliche segnet – und natürlich als grunzendes, instinktgetriebenes Wesen wiederkehrt, das keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Es sind gleich zwei Weltbilder, mit denen Gordons Film abrechnet, und einzig der ambitionierte, aber gewissenahfte West kann siegreich hervorgehen, da er die goldene Mitte zwischen alt und neu, Rückwärtsgewandtheit und Hybris verkörpert, um sich gegen die miteinander paktierenden Weltbilder durchzusetzen, bis ihn sein doppeltes Wesen am Ende zerreißt.
Das kann nur gipfeln in einem Splatterfest, in dem Zurückgeholte splitterfasernackt und blutrünstig, aber unter voller geistiger Kontrolle als Armee aufmaschieren.

Fazit

Eine hübsch inszenierte Eskalation mit liebevollen, kaum gealterten Effekten, einer überwiegend gut dosierten Selbstironie, gut aufgelegten Darstellern und einer sehr dynamischen Dramaturgie. Ein unpassender Ausflug ins Absurde bricht nach einer Stunde aber mit der Atmosphäre und der Film benötigt eine Weile, um sein neues Gesicht mit der Geschichte zusammenzubringen.