Train to Busan

Yeon Sang-ho machte ab 2011 durch zwei recht spezielle animierte Filme von sich reden, die beide versuchten, ernste, teils wahre Begebenheiten aufzuarbeiten. Seinen absoluten Durchbruch erfährt er gerade aber mit einem Zombie-Action-Film, der bereits im letzten Jahr auf dem Fantasy Filmfest ausschließlich auf Lob und Begeisterung gestoßen ist: Train to Busan.

Raus hier! Alle raus, schnell!

Story

Als Fondsmanager ist Seok-woo nicht der angesehendste Teil der Gesellschaft. Zudem ist er geschieden und findet kaum Zeit für seine Tochter. So auch an ihrem Geburtstag, and dem sie unbedingt zu ihrer Mutter nach Busan fahren möchte; notfalls auch alleine. Also reißt sich der Geschäftsmann zusammen und steigt mit ihr in den Hochgeschwindigkeitszug KTX. Quasi zeitgleich greift ein Zombievirus um sich und entvölkert rasch Stadt um Stadt. Auch im fahrenden Zug selbst grassieren bald die Infektionen, fleischhungrige Ungeheuer wildern zwischen den Sitzreihen und die Überlebenden sind ängstlich, überreizt und voller Misstrauen.

Kritik

Von einem neuen Kapitel des, mindestens aber frischem Wind in dem ausgelaugten Genre des Zombiefilmes ist immer wieder die Rede, wenn von Train to Busan gesprochen wird. Es ist mehr als fraglich, warum der südkoreanische Streifen so gehandelt wird.
Die Exposition zu Beginn ist fernab von originell, aber flutscht ohne schlimme Längen durch die ersten Szenen und Minuten. Sobald der Zug bestiegen und der erste Zombie fresslustig durch den Wagon gestolpert ist, wähnt man sich inszenatorisch und vor allem auch dank des Soundtracks in einem 90er-Jahre Actionfilm à la Con Air.  Und die ersten Minuten ist das eine durchaus erfrischende Erfahrung, denn lange ist es her, dass Derartiges gemacht und gesehen wurde. Das Ziel des Filmes ist klar: Rasanz, Atemlosigkeit, höchste Spannung.
Doch dann stauen sich die ungenießbaren Momente immer häufiger und lassen die Ziele in weite Ferne rücken. Inszenatorisch fehlte es nämlich entschieden an passenden Einfällen, um das besonde Setting des fahrenden Zuges interessant zu nutzen. Stattdessen wird viel geschrien und viel auf der Stelle getreten, während sich die Geschichte relativ höhepunktlos durch Standardsituationen hangelt. Das alles hätte Potential gehabt, wenn die Figuren nicht allesamt schrecklich eindimensional, unsympathisch, unglaubwürdig und dumm wären. Sind sie aber, und wie. Die Dialoge sind zum Augenverdrehen, manche Handlungen unbegreiflich kurzsichtig und bestimmte Reaktionen und Entwicklungen kaum nachvollziehbar. Und da man sich in Folge nicht um das Vater-Tochter-Gespann wie um die Nebenfiguren kümmert, fehlt es auch den Gefahrensituationen an Dringlichkeit.
Hinzu kommt, dass die Zombies ästhetisch und auch hinsichtlich ihrer Motorik zwar durchaus beachtenswert erdacht wurden, das Budget aber offensichtlich nicht reichte, die Konzepte auch zu einer adäquaten Darstellung zu bringen: Während das Make-Up vollkommen in Ordnung geht, sehen sowohl einzelne Zombies als auch Massen von Untoten in Bewegung hakelig und klar animiert aus – dass sich hierbei häufig Dinge in Zeitraffer zu bewegen scheinen, verbessert den Eindruck um keinen Deut.
Wenn das Ganze sich dann nicht zu schade ist, gängige Klimaxregeln zu ignorieren, immer kitschiger zu werden und die Sache weitestgehend ironiefrei abzuspulen, bieten die knapp zwei Stunden Zombieaction leider nicht das versprochene und gepriesene Adrenalinkino, sondern viel zu häufig Ärger und Langeweile. Letztlich findet hier keine originelle Perle aus Südkorea zu uns, sondern nur die asiatische Version einfältigen Hollywoodradaus.

Randbemerkung: Aufgrund eines Irrtums des Kinobetreibers wurde der Film nicht OmU, sondern in der teils körperliche Schmerzen bereitenden Synchronfassung gezeigt. Es mag sein, dass der Film im Original sehr anders, weniger plump und an vielen Ecken gelungener ist als die lieblose und blecherne eingedeutschte Version ausfällt.

Fazit

Eine schlimme Synchronisation, platte Figuren, einfallslose Action, kitschige Ausbrüche und sichtbare Budgetmängel führen leider dazu, dass Train to Busan nicht die herbeigesehnte Zombie-Action-Revolution ist und anstatt Nervenkitzel vielmehr Frust und Überdruss provoziert.

Maggie

Henry Hobson, zu dessen bisherigen Beiträge zur Landschaft Hollywood man durchaus berechtigt schweigen kann, lieferte 2015 mit Maggie sein Spielfilmdebüt ab, dessen primärer Aufmerksamkeitsmagnet sein Hauptdarsteller ist: Arnold Schwarzenegger.
Wem das Konzept, dass Arnold Schwarzenegger in einem Zombiedrama mitspielt, bereits Sensation genug ist, bei dem kann der Film sowieso nur wenig falsch machen. Doch Arnie ist hier nicht nur werbewirksamer Schmuck, sondern eine echte Bereicherung für einen sehr guten Film, der die kleine Sparte des „intellektuellen Zombiefilms“ sinnvoll bereichert.

Dad, I’ve gone to the city. Please don’t come for me.

Story

Durch hartes Durchgreifen konnte die USA von der Zombie-Epidemie weitestgehend gesäubert werden. Hier und dort streifen noch ein paar Untote umher, doch die tatsächliche Gefahr scheint gebannt. Und langsam beginnt man mit der Wiederaufnahme des Alltags. Die infizierte Schülerin Maggie Vogel wird von ihrem Vater aus der Klinik abgeholt. Der weitere Verlauf ist klar: In den nächsten Wochen wird sich ihr Zustand verschlimmern. Dann muss sie zusammen mit den anderen Opfern in Quarantäne gebracht werden und Sterben. Die Zeit dazwischen darf sie noch im Kreis der Familie bleiben. Ihr Farmer-Dad Wade Vogel muss sich nicht nur mit Nachbarn rumschlagen, die der Gefahrenquelle in ihrer ländlichen Gemeinde wütende Blicke zuwerfen, sondern vor allem mit der Tatsache selbst, dass nun Abschied von seiner einzigen Tochter genommen werden muss.

Kritik

Das Setting selbst ist angenehm unaufgeregt, wenn auch die Ausgangsituation mehr als hanebüchen daherkommt – die große Plage scheint überstanden, Amerika schüttelt sich nur noch ein wenig unter ihren Nachwirkungen. Letztlich scheint es aber so, als wäre die Epidemie nur ein weiteres großes Übel gewesen, das es gemeinsam zu überwinden galt. So gibt sich die gezeigte Welt einigermaßen ruhig, zur Hälfte, weil sie hilflos und müde ist, zur Hälfte aber auch, weil sie unbeirrt weiterbesteht. Sie gewinnt vor allem durch die tristen Farben und die perfekte Ausleuchtung der Szenerien viel an Profil und Stimmung. Mürbe ist alles, grau, alt und durchzogen von Schatten verschiedener Stärke. Am Horizont rauchen Trümmer, die vorherige Grenzenlosigkeit der Highways wird nun strukturiert von Leuchtfeuern der ausklingenden Katastrophe – aber es gibt sie noch, die Highways, die Autos auf ihnen, die Supermärkte und das Geld. Es ist nur eben alles etwas leerer, grauer. Manchmal ist es sehr viel grauer, fast schon an der Grenze zum Schwarzweiß, so entsättigt ist die Welt. Und Entsättigung ist es wohl auch, was den Zustand des Landes am besten beschreibt. Das Haus der Familie Vogel aber ist getaucht in warme Farben, Familie ist der sichere Nukleus in dieser Zeit und wohl schon immer. Sie ist das Zentrum, das über allem steht. Ist sie sicher, gibt es auch Hoffnung.
Das selbstverliebte Klavier, das etwas zu oft etwas zu verträumte Melodien klimpert, ist das Element des Films, das am meisten stört. Ein weniger plattes, dafür aber durchdachteres musikalisches Konzept hätte dem Film ebenso wie totales Fehlen von Musik sehr viel besser zu Gesicht gestanden. Dafür aber stimmt der Rest. Die Geschichte wird mit Gemach erzählt, ohne eine Minute langweilig zu sein. Einige Aufnahmen sind vielleicht zu sehr auf kunstvollen Kleinfilm getrimmt, manche Montagen in all ihrer gekonnten Realisierung im Kern zu altbacken, doch was am Ende zählt ist die grundsätzliche Stimmung – und die stimmt. Maggie ist durchgehend düster, aber nie trist, nie ohne Hoffnung, nie hässlich. Angesichts der schweren Thematik ist das viel mehr als nur ein Achtungserfolg. Zu wissen, dass ein naher Mensch bald gehen wird, dass die Zeit mit ihm befristet ist, das ist die eigentliche Geschichte des Filmes. Und der zurückhaltende Schwarzenegger spielt seine Rolle des verzweifelten Vaters mit gebundenen Händen ebenso überzeugend wie gut. Schwarzeneggers Figur dient als perfekter Spiegel dieser Hoffnung und ihrer Qualität. Ein rüstiger, mürrischer Dickkopf von einem Farmer, Vater und Ehemann. Der Österreichische Dialekt passt zu der Figur vom Land, die eisernen Züge zu dem, was das Leben von ihm abverlangt. Aus seinem Gesicht lässt sich lesen. Die Augen werden feucht, ein kaum merkliches Zittern, Ohnmacht und Ausweglosigkeit in den Bewegungen. Nie war der gebürtige Österreicher mehr Schauspieler als in Maggie.
Auch die anderen zentralen Figuren des reduzierten Ensembles wissen zu überzeugen. Joely Richardson als seine Frau und Stiefmutter von Maggie bietet den logischen Gegenpart zum Farmer. Auch in ihr umspinnen sich Rauheit, sich beißende Gefühle, Schmerz und Beharrlichkeit. Das Ehepaar Vogel ist in seiner Darstellung intensiv und glaubhaft. Die Namensgebende Maggie wird gespielt von Abigail Breslin (Little Miss Sunshine, Zombieland, Signs), die eine überzeugende Darsellung eines pubertierenden Mädchens gibt, das verunsichert, vom eigenen Körper betrogen und irgendwie schon halb erwachsen ist. Wie jede in ihrem Alter und doch anders. Überhaupt lässt sich der gesamte Film auch hervorragend auf Parabel auf das Erwachsenwerden lesen.
Obschon Maggie hie und da besser sein könnte, heißt das mitnichten, dass der Film an irgendeiner Stelle schlecht sei. Im Gegenteil: Die kleinen Pannen spielen letztlich keine zu bedeutende Rolle, weil das Drama sowohl inhaltlich als auch ästhetisch mitnimmt und fesselt.

Fazit

Maggie ist eine tragische Indieperle, die ohne Schwarzenegger in der Hauptrolle viel weniger Aufmerksamkeit bekommen hätte – und mit ihm viel mehr als nur ein Aushängeschild bekam. Der rüstige Farmer ist das ernergetische Zentrum eines intensiven, hochatmosphärischen Zombie-Dramas mit Mut zur Andersheit.

The Walking Dead – Staffel 1

Nach nunmehr 4 Staffeln und (mindestens) einer weiteren in Produktion, einer – teils aus der Serie entstandenen – Dauer-Euphorie für die Comicgrundlage aus der Feder von Robert Kirkman und Tony Moore, der Ankündigung von Spin-Offs und unentwegt steigenden Zuschauerquoten ist es wohl an der Zeit, The Walking Dead unter die Lupe zu nehmen. Zwar wurde das an vielen tausend anderen Stellen schon getan und so gut wie alles scheint gesagt, doch… das hat ja auch sonst niemanden abgehalten. Und Zombos sind nun mal Science-Fiction.


Do not enter the city. It belongs to the dead now.

Story

Die Welt ist der Zombie-Apokalypse anheimgefallen. Selbst Atlanta, wo Hilfssheriff Rick Grimes und seine Schusswunde ahnungslos in einem Krankenhausbett erwachen, sich über das ganze Chaos wundern und noch halb betäubt und völlig dehydriert in die verwüstete Stadt aufbrechen.
Dort nimmt sich ein fürsorgliches Vater-Sohn-Gespann des verwirrten Gesetzeshüters an und klärt ihn über das Notwendigste auf.
Auf dem Stand der Dinge angekommen, trennt er sich von seinen Helfern, gelobt, via Funk mit ihnen in Kontakt bleiben zu wollen, und macht sich auf den Weg, die eigene Familie ausfindig zu machen. Etwas, das überraschend flott gelingt, campieren Frau und Sohnemann doch zufällig mit einer knappen Handvoll Überlebender am Stadtgürtel, wo man sich in Sicherheit wiegt.
Wieder einmal stellt sich heraus, dass Menschen den Zombies einander gar nicht so unähnlich sind, wenn Gesetze ihre Gültigkeit verlieren und Geltungsdrang, Eifersucht, Angst und Verblendung ohne Puffer aufeinanderprallen.

Kritik

The Walking Dead ist so einiges. Zum Beispiel die Serie, die Kompromisslosigkeit in Sachen Gewaltdarstellung auch im TV legitim machte und genau deswegen so stark in den Medien geechot wurde. So viel spritzenden Hirnbrei und Zergliederung sah man selten zur Primetime im Free TV. Nicht nur mit dem Zombie wird übel umgesprungen, auch jene, die noch Geist im Leib haben, müssen so manche Marter über sich ergehen lassen. Die Geschehnisse hinterlassen definitiv Spuren auf ihren Figuren. Und das ist gut, denn dadurch fällt es leicht, auch mit Charakteren mitzuleiden, denen eigentlich der letzte Schliff fehlt, um als wirklich gut geschrieben durchgehen zu können.
Da es in der Natur des Genres liegt, findet sich auch in The Walking Dead schnell eine Gruppe von unterschiedlichen Menschen zusammen, die miteinander zwar nicht können, aber müssen. Und es liegt ebenfalls in dieser Natur, dass diese Leute zweibeinige Stereotypen sind. Aber ohne geht es einfach nicht. Entscheidend ist, wie aufdringlich diese Stereotypen sind, ob sie mehr als nur Klischee darstellen und vor allem, wie sie einander begegnen. Und da The Walking Dead all diese Fragen erfreulich positiv beantworten kann, darf gesagt werden, dass die Serie kaum etwas falsch macht. Ohne Stereotypen würde das ganze Konzept nicht aufgehen. Zombie-Geschichten sind eine Allegorie und eine solche funktioniert naturgemäß nur mit Repräsentanten.
Dass die Serie diesem Konzept folgt, passt zu ihrem mutigen und gleichzeitig konventionellen Weg: Es wird nicht versucht, der alten Zombie-Mär neue Facetten abzugewinnen, sie besonders innovativ zu erzählen oder gar von Grund auf neu zu erfinden. Stattdessen ist sie im Kern höchst gewöhnlich. Die Stärke ist schlichtweg die pointierte Inszenierung und das Gespür für passende Charaktermomente.
Dass die Science-Fiction-Serie vieles wie andere Genreproduktionen macht, bedeutet insbesondere, dass verstärkt auf des Schicksals Willkür gesetzt wird. Dass Dramatik entsteht, hängt in erster Linie damit zusammen, dass bestimmte Leute zufällig an bestimmten Orten auf weitere bestimmte Leute treffen, denen wiederum bestimmte Dinge passieren. Das alles könnte auch eine Stunde zeitversetzt geschehen und wäre für die Handlung dann kaum noch von Bedeutung; angefangen damit, dass unter der kleinen Schar Überlebender ganze drei Personen sind, die die Hauptfigur schon kennt, wodurch sich selbstredend allerhand tragische Verwicklungen ergeben.
Das ist sinnvoll, denn in 6 Episoden bleibt einfach relativ wenig Raum, der durch eine solche Ökonomie eben entsprechend genutzt werden will. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass derartiges passiert, von überschaubarer Größe.

Gleichzeitig ist es diese Raffung, die die Serie wirklich, wirklich gut macht. Die fehlende Eitelkeit, sich über zig Folgen zu schleppen, ohne entsprechend viel zu erzählen zu haben. In 6 Episödchen gibt es lediglich ein Ereignis, das nicht zwingend notwendig ist, weil es mit der Geschichte respektive ihren Figuren selbst nur peripher etwas zu tun hat. Alles andere ist straff erzählter Fortschritt ohne unangenehme Redundanz. Und da verzeiht man auch die ein oder andere überdramatische Szene, wenn man im Gegenzug nie das Gefühl bekommt, die laufenden Toten würden einen unnötig hinhalten.
Auch ansonsten macht US-Produktion– zumindest in dieser Staffel – so einiges richtig gut. Da wären zum Beispiel die sorgfältig gewählten Spielorte, welche mit zerschlissenen, von Rissen durchzogenen Stadtgesichtern, Ansammlungen von Fahrzeugwracks und Müll beherbergenden Straßenzügen gelungen Endzeitstimmung verbreiten. Denkwürdige Schlussbilder wie die finale Einstellung der Pilotfolge runden das Paket ab. Dass jede der sechs Episoden ihre eigenen kleinen Unstimmigkeiten bietet und atmosphärische Darstellung Glaubwürdigkeit gerne mal in die Ecke drängt, macht unterm Strich gar nichts, zumal es sich dabei wirklich nur um Kleinigkeiten handelt

Die Masken der Modernden sind eine Wucht und lassen die hungernden Wiedergänger nicht nur gefährlich, sondern im gleichen Maße mitleiderregend erscheinen. The Walking Dead ist tatsächlich eine Zombie-Serie, die ihre Monster nicht als Schießbudenfiguren vergeudet, sondern als einstige Menschen darstellt, und es dennoch weitestgehend vermeiden kann, in Sentimentalitäten zu rutschen.
Deswegen wurde es wohl auch nachgesehen, dass sie ab und an Magenwände und Blinddärme auf der Kameralinse verteilt. Die Toten sind die Feinde, aber es sind Feinde, die man nicht nur wegen ihrer Gefährlichkeit respektiert, sondern auch, weil immer wieder vor Augen geführt wird, was diese Toten einmal gewesen sind.
Trotzdem muss man sich fragen, ob Zombies, die in erster Linie auf Schall reagieren, dabei aber unentwegt am Stöhnen und Keuchen sind, sich nicht ständig gegenseitig zueinander locken müssten.

Für das Gelingen einer solchen Serie viel wichtiger ist aber die Umsetzung der gruppenpsychologischen Komponente – und auch hier wurden weitestgehend alle Ziele erreicht, während großartige Neuerungen und Überraschungen bewusst ausgespart bleiben. Wie überall heißt es: Bewährtes auf hohem Niveau. Konflikte und unausgesprochenen Streitworte stauen sich an und müssen gewaltsam unter Kontrolle gehalten werden. Das alles für und wegen einer Gruppe, die sich aus Individuen zusammensetzt, welche keine Wahl haben. Entweder diese Gruppe oder keine, entweder Gemeinschaft wider Willen oder drastisch gesunkene Überlebenschancen. All das fällt erst auf, wenn es hervorbricht. Nämlich in Extremsituationen, unter Alkoholeinfluss oder im Akt purer Hilflosigkeit. Das ist es, was die Serie so gut von ihrer Vorlage adaptiert, für bewegte Bilder aufbereitet und dem Zuschauer mit genau der richtigen Intensität darreicht. Vorlagentreue dieser Art ist wertvoller als bloßes Nacherzählen.

Fazit

Staffel 1 der Zombie-Serie bietet das, was der Fan kennt, von seiner besten Seite. Die Figuren als ausgewogene Mitte zwischen Stereotyp und glaubhafter Person, die Situation altbekannt, aber hervorragend wiedergegeben, die Ungeheuer stets hungrig und meist dort lauernd, wo Sicherheit erwartet wird. Eine Zombie-Serie, die kaum Neues, dafür aber auch kaum Überflüssiges bietet und somit niemanden enttäuschen sollte.

Zwei Jahrhunderte nach der Totenwache, 81 Jahre nach White Zombie und trotz Romero, der mittlerweile selbst wie ein Untoter sein eigenes Erbe befleckt, können’s Zombies immer noch. Wir lieben euch, ihr trägen, vielfräßigen Rudeljäger.

World War Z

Zwischen Schmalz, ungeschönten Tragödien, simplizistischem Existenzialismus, einer enttäuschenden James Bond-Episode und Gerard Butler als Action-Christ ist es nicht ganz einfach, den deutsch-schweizerischen Filmemacher Marc Forster eindeutig zu verorten.
Sein neustes Werk, die sehr freie Buchadaption World War Z, hat nicht nur Stapelzombies und einen Brad Pitt mit schulterlanger Mähne, sondern stellt auch eine Art Rehabilitierung für Ein Quantum Trost dar, der ähnlich verunglückte, wie die Übersetzung seines Titels.

Most people don’t believe something can happen until it already has.

Story

Gerry Lane hat seinen riskanten Job bei der UN schon lange an den Nagel gehängt und ist voll und ganz Familienmensch geworden, der mit Vorliebe den Abwasch erledigt und „Ich sehe was, was du nicht siehst“ mit seinem Nachwuchs spielt.
Als eines schönen Tages jedoch die weltweite Zombieapokalypse ausbricht und die Familie nur in letzter Sekunde durch einen alten Freund Gerry evakuiert werden kann, muss dieser sich damit abfinden, dass seine speziellen Dienste für die UN noch einmal reaktiviert werden müssen. Frau und Kinder sind nur so lange in Sicherheit, wie er sich als Virusjäger und Improvisationstalent betätigt.
Kurzerhand steigt Gerry mit einer Handvoll Soldaten in den nächsten Flieger und beginnt mit einer gefahrvollen Suche nach dem Ursprung des um sich greifenden Zombie-Virus.

Kritik

Die Nachrichten-Collage zu Beginn, die gerafft und durch die Lupe der Massenmedien die Genese der Epidemie erzählt, ist keine brandneue Idee, doch selten wurden einzelne Nachrichtenfragmente  zwischen verharmlosender und reißerischer Boulevardberichterstattung, Interviews und desorientierte Tatsachenberichte so gelungen aneinander montiert.  Das Ergebnis ist weniger informativ, sondern in erster Linie stimmungsgebend und beängstigen. Fortan haben Gerry Lane und mit ihm die Menschheit die Zeit im Nacken sitzen. Eine Zeit mit spitzen Zähnen, deren Bisse einen zum sprintenden Leichnam  werden lässt. Denn genau wie z.B. Danny Boyles  28 Days Later-Zombies trottet die untote Plage nicht stöhnend und schnaufend durch die Gasse, sondern bewegt sich im Eiltempo voran und bedient damit eine ganz andere Art von Furcht.
Einige Szenen mit den durch Häuserschluchten rollenden Zombiewellen sind unfassbar intensiv und beängstigend zugleich geworden. Diese Untoten kommen tatsächlich in Schwärmen wie eine Plage Gottes. Besonders die zahlreichen Bedrohungsszenen sind hervorragend eingefangen und sorgen für stete Anspannung, denn dankenswerterweise ist Gerry kein vollständiger Übermensch, sondern einfach nur ein wenig auf Zack. Da kann es auch vorkommen, dass er in einer panischen Affektreaktion etwas sehr Unüberlegtes in einem Flugzeug über den Wolken veranstaltet, ganz einfach deshalb, weil er trotz seiner Überdurchschnittlichkeit immer noch ein normaler Mensch in einer Extremsituation ist.
Während man sich im parallel laufenden Man of Steel nur mit großer Willenskraft für das Schicksal der Menschheit erwärmen kann, kaut man hier tatsächlich Nägel, während Stadt um Stadt der Plage anheimfällt.
Wer nach den Trailern mit der Angst zu kämpfen hatte, der Film zeige Brad Pitts Figur, die nichts anderes macht, als ihre Familie zu beschützen, darf die Waffen niederlegen. Frau und Kinder lässt er nämlich schon früh bei ein paar Aufpassern und bestreitet den Weg alleine.

In World War Z gibt es keine Blut-Springbrunnen und niemand wird mit den Eingeweiden eines andere Erdrosselt, ja. Trotzdem funktioniert der Film als Zombiefilm ausgezeichnet, so wie ein Horrorfilm eben ausgezeichnet funktioniert, wenn man nicht alles mit voyeuristischer Explizitheit präsentiert bekommt, sondern dem es dem eigenen Vorstellungsvermögen überlassen bleibt, die ungezeigten Leerstellen mit passendem Inhalt zu besetzen. Splatter befriedigt niedere Instinkte und macht – abhängig vom Realitätsgrad seiner Darstellung – Spaß. World War Z will aber nicht diese Art von Spaß machen. Niedere Instinkte werden hingegen auch hier befriedigt, nur dass es andere sind. Die Angst vor der Übermacht, die Furcht vor Schwarmintelligenzen, die Hilflosigkeit, einem Feind gegenüberzustehen, der für Rationalität keinen Sinn mehr hat und nur noch aus Wut und Fressdrang besteht. Nicht die Angst vor einer bestimmten Todesart, sondern davor, als Individuum einfach zu verschwinden.

Die globale Schnitzeljagt ist also gut gelungen und vor allem genau das, was World War Z sein und erreichen möchte. Erst auf den zweiten Blick offenbaren sich manche Ungereimtheiten und Schönheitsfehler.
Forster scheint sich immer noch zu seinem Wackelkamera-Laster hingezogen zu fühlen. Einige Handgemenge sind dadurch kaum mehr als das Flackern verschiedener Farben zu treibender Musik, aber auch das hat natürlich seine eigene stimmungsgebende Note.
Zur Schonung aller der, die während der Vorführung mal kurz den Saal verlassen müssen, wirft der Film wichtigen Informationen mehrmals ein. Einmal früh und dann noch mal, wenn der Zuschauer daran erinnert werden soll, weil es nun wichtig wird. Das lässt schnell ein Gefühl der Redundanz aufkommen. Außerdem ist die letztendliche Lösung des Ganzen sicherlich befriedigend, doch muss man sich schon fragen, wieso dieser entscheidende Punkt nicht schon viel früher irgendwem aufgefallen ist, denn so verborgen, wie der Science-Fiction-Film es weismachen möchte, ist die zu findende Schwachstelle des Virus keineswegs. Vor allem dann nicht, wenn man sich vor Augen führt, dass die Problematik eine weltweite ist. Klar wird auch nicht, wieso denn ausgerechnet Hauptperson Gerry so essenziell für diese Operation ist. Er hat keine lange Leitung, aber macht ihn das zum absoluten Virus-Experten und zur letzten Hoffnung der Menschheit?
Neben der Inszenierung hapert’s hie und da mit Dialogen und der eigentlichen Geschichte, aber unterm Strich ist das Tempo des Filmes ist einfach zu gelungen, als dass irgendeiner von den Punkten der Sache ihren Spaß nehmen könnte.

Im Finale gibt es sogar zünftiges Resident Evil-Feeling, wenn die beiden Actionhelden (Pitt bekommt nämlich relativ früh einen Sidekick an die Seite gestellt) durch Labore pirschen. Man merkt jedoch, dass der Schlusspart eilig neugedreht wurde, um den für den Verleih zu grausamen Originalschluss zu ersetzen. Die Geschichte selbst wirkt nahtlos zu Ende erzählt bzw. bis zu dem Punkt gebracht, wo sie vorerst stoppen soll.
Der Rest des Abschlusses ist hingegen sehr abrupt, vor allem, weil ein im letzten Drittel als sehr essenziell eingestuftes Problem sich einfach von alleine löst. Da merkt man deutlich, wo die Schere angesetzt wurde. Aber für so etwas und die anderen offenen Fragen gibt es dann die vollständige BluRay-Version – sogar mit ein paar Blutspringbrunnen, so wird gemunkelt.

Fazit

Marc Forsters World War Z ist eine mordsmäßig spannende Hatz rund um den Planeten geworden. Story und Action halten sich die Waage und die Inszenierung ist, von kleinen Wackelkamera-Aussetzern abgesehen, vollends gelungen. Brad Pitt als Normalsterblicher ist eine wohltuende Abwechslung und die Spannungsschraube permanent fest angezogen.
Stören tun nur Kleinigkeiten – und der unpassende Schluss, der sich nicht nur sehr nach Versatzstück anfühlt, sondern den Zuschauer darüber hinaus um die Lösung eines zuvor etablierten Problems betrügt.

Perfect Sense

Die Werke, auf die David Mackenzie zurückblicken kann, sind Filme wie Young Adam und der schauderhafte Toy Boy mit dem schauderhaften Ashton Kutcher. Mehr oder weniger leichte, seichte Filme, die sich um das Thema Liebe drehen.
Da verwundert es, dass Mackenzies Film aus dem Jahre 2011 ausgerechnet ein Sci-Fi-Drama ist.
Doch wenn man das Werk etwas genauer betrachtet, liegen thematisch zwischen Perfect Sense und den anderen Arbeiten des Engländers gar keine so großen Distanzen.

Eyes closed, oblivious to the world around them.

Story

In der nahen Zukunft bricht eine Krankheit aus.
Sie ist offenbar nicht ansteckend, verbreitet sich aber rasend. Ohne erkennbares System, doch unaufhaltsam und global.
Und während man noch rätselt, ob Umwelteinflüsse, Wasserveränderung, UFO-Invasionen, Terrorangriffe oder Gott der Auslöser für die Miesere ungeahnten Ausmaßes ist, verliert die Menschheit nach und nach den Sinn. Wortwörtlich.
Erst ein heftiger emotionaler Zusammenbruch und wenig später kann man nicht mehr riechen. Nachdem die Nase ihren Dienst eingestellt hat, folgen die weiteren Sinne. Immer in gleicher Reihenfolge, immer in epidemischen Wellen.
In dieser Zeit finden der begnadete Koch Michael und die Medizinerin Susan zueinander. Und obwohl sie beide nicht an Liebe glauben, verlieben sie sich doch, wenn auch voll Misstrauen und Zweifel.
Während die Sinne nach und nach abhandenkommen und die Weltordnung ruppig aus den Fugen gehoben wird, wird die fragile Bindung zwischen den beiden immer stärker belastet.

 Kritik

David Mackenzies Sci-Fi-Mär über eine Welt wie von Sinnen ist ein gelungener Film, der in erster Linie – und damit vielleicht ja sogar etwas selbstreflexiv – die Sinne reizt. Denn Perfect Sense ist handwerklich ungemein ausgereift.
Allem voran ist die herausragende Kameraarbeit zu loben, die so unaufdringlich wie ununterbrochen wunderschöne Ausschnitte– häufig auf Hüfthöhe der Personen – liefert, sie in kühlen blauen Farben präsentiert und damit eine ganz eigene Bildpoesie entwickelt.
Dazu kommen mit Ewan McGregor, Eva Green und weiteren hochkarätige Schauspieler, die durchdachte, vor allem aber sehr authentische Dialoge zum Besten geben dürfen.
Und wie das Handwerk ist, so ist auch die Atmosphäre: Kühl, wohl komponiert und ein wenig poetisch.

Manchmal meint der Film es aber auch etwas zu gut und kommt der Grenze zur übermäßigen Sentimentalität gefährlich nahe. Aber das nur, wenn man nicht bereit ist, diesen Schritt mitzugehen. Ob man sich von der hohen Emotionalität überreden lässt oder nicht, davon hängt es ab, ob Perfect Sense funktioniert oder verärgert.
Wimmernde Menschen, unterlegt von einer melodramatischen Frauenstimme und traurigen klassischen Stücken sind ohne Frage in höchstem Grade manipulativ, aber richtig eingesetzt eben auch ungeheuer effektiv. So wie in Perfect Sense, wenn man dem Film die Führung überlässt.

Von seltener Intensität sind die Szenen, in denen gezeigt wird, wie die Menschheit ihre Empfindlichkeit gegenüber der Natur einbüßt. Ganz besonders die Ausbrüche vor dem Verlust eines Sinnes sind perfekt eingefangen und ergreifend in Szene gesetzt. Das liegt auch daran, dass man den Zuschauer erahnen lässt, wie sich die völlige Hilf- und Schutzlosigkeit der noch nicht Betroffenen anfühlen muss, denen nichts bleibt, als einfach nur darauf zu warten, dass auch sie das Syndrom erfasst.
Fantastisch ist auch die Idee, zu zeigen, wie in der Restaurantküche reagiert wird, nachdem alle ihren Geruchssinn verloren haben. Schade, dass auf die Kompensationsmöglichkeiten bei den weiteren Phasen nicht ebenso ausführlich eingegangen wird, aber womöglich hätte der Effekt sich auch abgenutzt. Ebenfalls schön ist, dass glaubhaft vermittelt wird, wie eminent wichtig die Sinne für unser Erinnerungsvermögen – und damit letztlich für unsere Identität sind. An diese Eindrücke geknüpft sind Erinnerungen jeder Couleur, die durch Affizierung der Sinne, durch bestimmte Gerüche oder Geschmäcker wieder reaktiviert und vergegenwärtigt werden. Auch sie verblassen mit den Düften und Geräuschen der Welt.
Die ganze darin enthaltene Tragik wird offen gezeigt, aber selten zu überzogen dargestellt.
Dass die Protagonisten in einer möglichst dramatischen Reihenfolge erkranken, ist keineswegs logisch, da ja aber sowieso die ganze Sache eine Allegorie ist, muss es das auch nicht zwingend sein.

Was oben bereits angesprochen wurde, verdichtet sich zum Ende hin immer mehr. Man muss sich immer stärker auf den Film einlasen. Wer der besonderen Stimmung nicht folgen kann oder will, wird den erzählerischen roten Faden schnell sehr vermissen. Die Geschichte rückt mit jedem verlorenen Sinn nämlich weiter in den Hintergrund und wird von Impressionen, essayistischen Gedankenmonologen und, um das Kind beim Namen zu nennen, viel, viel Pathos abgelöst. Wer der nicht ganz rutschfesten Einladung folgt, Liebe und Lebensfreude als Essenz von allem zu huldigen, dem ist ein gewisser Unmut oder das ein oder andere, immerhin sehende, verdrehte Auge keineswegs übelzunehmen.
Geschmackssache ist ebenfalls der etwas offene Schluss, denn ein letzter Sinn bleibt – vorerst? – erhalten, damit die Botschaft der Geschichte mit Überzeugung zum Ende gebracht werden kann.

Fazit

Liebe in Zeiten des Außergewöhnlichen ist ein beliebtes, grundsätzlich funktionierendes Sujet. Und die Idee des Außergewöhnlichen in Perfect Sense ist wahrlich außergewöhnlich.
Im Anschluss an den sehr ausgewogenen, spannend erzählten ersten Teil folgt ein Rest, der einen mutigen, speziellen, aber auch nicht für jeden gemachten Weg einschlägt, der zu einem ehrlich vorgetragenen Optimismus im Angesicht des Schlimmsten führt.
Obwohl sich der Liebesfilm im Science-Fiction-Szenario dann und wann zu sehr in Sentimentalitäten verrennt, lohnt sich das Gesamtpaket aber – wenn auch nicht für jeden.

Endlich kann man aber mal guten Gewissens sagen: Wem der Trailer gefällt, dem dürfte auch der Film zusagen.