Train to Busan

Yeon Sang-ho machte ab 2011 durch zwei recht spezielle animierte Filme von sich reden, die beide versuchten, ernste, teils wahre Begebenheiten aufzuarbeiten. Seinen absoluten Durchbruch erfährt er gerade aber mit einem Zombie-Action-Film, der bereits im letzten Jahr auf dem Fantasy Filmfest ausschließlich auf Lob und Begeisterung gestoßen ist: Train to Busan.

Raus hier! Alle raus, schnell!

Story

Als Fondsmanager ist Seok-woo nicht der angesehendste Teil der Gesellschaft. Zudem ist er geschieden und findet kaum Zeit für seine Tochter. So auch an ihrem Geburtstag, and dem sie unbedingt zu ihrer Mutter nach Busan fahren möchte; notfalls auch alleine. Also reißt sich der Geschäftsmann zusammen und steigt mit ihr in den Hochgeschwindigkeitszug KTX. Quasi zeitgleich greift ein Zombievirus um sich und entvölkert rasch Stadt um Stadt. Auch im fahrenden Zug selbst grassieren bald die Infektionen, fleischhungrige Ungeheuer wildern zwischen den Sitzreihen und die Überlebenden sind ängstlich, überreizt und voller Misstrauen.

Kritik

Von einem neuen Kapitel des, mindestens aber frischem Wind in dem ausgelaugten Genre des Zombiefilmes ist immer wieder die Rede, wenn von Train to Busan gesprochen wird. Es ist mehr als fraglich, warum der südkoreanische Streifen so gehandelt wird.
Die Exposition zu Beginn ist fernab von originell, aber flutscht ohne schlimme Längen durch die ersten Szenen und Minuten. Sobald der Zug bestiegen und der erste Zombie fresslustig durch den Wagon gestolpert ist, wähnt man sich inszenatorisch und vor allem auch dank des Soundtracks in einem 90er-Jahre Actionfilm à la Con Air.  Und die ersten Minuten ist das eine durchaus erfrischende Erfahrung, denn lange ist es her, dass Derartiges gemacht und gesehen wurde. Das Ziel des Filmes ist klar: Rasanz, Atemlosigkeit, höchste Spannung.
Doch dann stauen sich die ungenießbaren Momente immer häufiger und lassen die Ziele in weite Ferne rücken. Inszenatorisch fehlte es nämlich entschieden an passenden Einfällen, um das besonde Setting des fahrenden Zuges interessant zu nutzen. Stattdessen wird viel geschrien und viel auf der Stelle getreten, während sich die Geschichte relativ höhepunktlos durch Standardsituationen hangelt. Das alles hätte Potential gehabt, wenn die Figuren nicht allesamt schrecklich eindimensional, unsympathisch, unglaubwürdig und dumm wären. Sind sie aber, und wie. Die Dialoge sind zum Augenverdrehen, manche Handlungen unbegreiflich kurzsichtig und bestimmte Reaktionen und Entwicklungen kaum nachvollziehbar. Und da man sich in Folge nicht um das Vater-Tochter-Gespann wie um die Nebenfiguren kümmert, fehlt es auch den Gefahrensituationen an Dringlichkeit.
Hinzu kommt, dass die Zombies ästhetisch und auch hinsichtlich ihrer Motorik zwar durchaus beachtenswert erdacht wurden, das Budget aber offensichtlich nicht reichte, die Konzepte auch zu einer adäquaten Darstellung zu bringen: Während das Make-Up vollkommen in Ordnung geht, sehen sowohl einzelne Zombies als auch Massen von Untoten in Bewegung hakelig und klar animiert aus – dass sich hierbei häufig Dinge in Zeitraffer zu bewegen scheinen, verbessert den Eindruck um keinen Deut.
Wenn das Ganze sich dann nicht zu schade ist, gängige Klimaxregeln zu ignorieren, immer kitschiger zu werden und die Sache weitestgehend ironiefrei abzuspulen, bieten die knapp zwei Stunden Zombieaction leider nicht das versprochene und gepriesene Adrenalinkino, sondern viel zu häufig Ärger und Langeweile. Letztlich findet hier keine originelle Perle aus Südkorea zu uns, sondern nur die asiatische Version einfältigen Hollywoodradaus.

Randbemerkung: Aufgrund eines Irrtums des Kinobetreibers wurde der Film nicht OmU, sondern in der teils körperliche Schmerzen bereitenden Synchronfassung gezeigt. Es mag sein, dass der Film im Original sehr anders, weniger plump und an vielen Ecken gelungener ist als die lieblose und blecherne eingedeutschte Version ausfällt.

Fazit

Eine schlimme Synchronisation, platte Figuren, einfallslose Action, kitschige Ausbrüche und sichtbare Budgetmängel führen leider dazu, dass Train to Busan nicht die herbeigesehnte Zombie-Action-Revolution ist und anstatt Nervenkitzel vielmehr Frust und Überdruss provoziert.

Snowpiercer

Wenn die Leitfiguren des südkoreanischen Kinos sich zusammenschließen, um einen französischen Kultcomic in englischer Sprache zu verfilmen, dann horcht man auf, leckt sich die Lippen und versucht, ruhig zu bleiben. Aber man hat auch ein bisschen Angst, dass das alles nach hinten losgeht.
Produzent Park Chan-wook (Oldboy) hat mit Stoker bereits erfolgreich außerhalb von Asien Fuß gefasst. Sein nicht minder fähiger Landsmann Bong Joon-ho (Memories of Murder, The Host) hingegen betritt zum ersten Mal internationalen Boden. Und hinterlässt prompt tiefe Fußabdrücke.

Because I want to live.

Story

Die Menschen sind Problemlöser, wir kennen das ja. So findet man auch für die Erderwärmung ein Mittel zu Linderung. Die Chemikalie, die man selbstsicher in die Atmosphäre reibt, wirkt aber etwas zu gut und die Erde vereist. Nur die paar hundert Menschen, die es in den Hightech-Zug des exzentrischen Wilford geschafft haben, entkommen dem Kältetod.
Jener Zug rattert seit nunmehr 17 Jahren über ein weltweites Schienennetz und in den einzelnen Wagons wird eine strenge Hierarchie eingehalten. Die hinteren Abteile sind vor Dreck starrende Slums, in denen sich die Bedürftigen von glitschigen Proteinriegeln ernähren und regelmäßig unter harschen Restriktionen durch Wilfords Privatarmee leiden. Je weiter es Richtung Lok geht, desto mehr gleicht der Zug einem Schlaraffenland.
Obwohl es in den vergangenen Jahren schon eine Handvoll gescheiterter Revolutionen gab, wappnet sich der bärbeißige Curtis für einen Aufstand und mit ihm alle Bewohner der hinteren Abteile. Das Ziel: Die Erstürmung der Lok, eine Umkehrung des Klassenkampfes, Kontrolle über den letzten Zufluchtsort der Menschheit.

Kritik

Züge im Film. Eine so sonderbare wie traditionsreiche Liebe, die schon seit frühester Kinozeit besteht und immer wieder erneuert wurde. Dass ein Film über einen Zug mal die Charts von scififilme.net durcheinanderbringen würde, war dennoch nicht abzusehen. Gut so, denn nicht absehbare Dinge sind bekanntlich die schönsten von allen.
Snowpiercer, das schärft der Film schon ganz zu beginn ein, ist im Grunde ein Märchen, darauf deuten nicht nur unzählige klassische Muster hin, sondern auch Bebilderung und Erzählweise. Es ist für das Genießen des Werks nicht ganz unwichtig, dies zu durchschauen, aber Bong Joon-ho macht aus diesem Umstand auch keinen Hehl und zeigt überdeutlich, was für einer Gattung seine Geschichte angehört.
Die meisten Filmemacher hätten das schlauchige Zug-Setting wohl als problematische Limitation empfunden. Der begnadete Koreaner aber zieht genau daraus den größten Gewinn. Wie das Gefährt selbst ist die Handlung immer in Bewegung und der Spießroutenlauf durch die einzelnen Abteile ist weder reiner Selbstzweck noch platte Metapher, sondern über weite Strecken ein Paradebeispiel für filmisches Erzählen. Natürlich ist hier alles zum Bersten angefüllt mit Analogien – aber den Film darauf zu reduzieren, würde ihm Gewalt antun. Sie sind ein Bonus zur Geschichte, nicht umgekehrt. Und so soll es sein.
Vor allem zu Anfang in den spartanisch-ramschigen Wagons der wirklich allerniedrigsten Klasse fühlt man sich wie Pinocchio im Bauche des Wales, während die Entdeckungsreise durch den Rest des für alle unbekannten Schienenungeheuers nicht nur optische Überraschungen verspricht. Dabei hätte so viel schiefgehen können. Wie kolossal nah das Scheitern ist, wenn ein Film versucht, einander zwei Welten gegenüberzustellen, die in Sachen Wohlstand und moralischem Feingefühl die denkbar größte Distanz zwischen sich haben, zeigte kürzlich erst die fade Literaturverfilmung Die Tribute von Panem, wo die Armen schön waren, die Reichen aus Plastik bestanden und alle gemein hatten, schrecklich eindimensional zu sein. Einige Unterfraktionen in Snowpiercer sind ebenfalls eindimensional, das wird aber gleich mehrfach legitimiert. Zum einen wird ihnen ihre Eindimensionalität auf eindrucksvolle Weise vor Augen geführt, woraufhin unerwartete Facetten zum Vorschein treten können. Zum anderen funktioniert die Eindimensionalität hier tatsächlich als Werkzeug der Geschichte und als Element des Märchens. Es wird etwas damit angefangen, während sie im oben genannten Negativbeispiel einfach nur vorhanden ist. Dass die comichaften Charaktere so hervorragend funktionieren, ist natürlich zu großen Teilen dem edlen Cast zu verdanken. Tilda Swinton als lispelnde Edel-Diktatorin spielt wie ein störrisches Kind – und nervt dabei keine Sekunde. Chris Evans deutet in einem weiteren Film an, tatsächlich ein Schauspieler zu sein. Der großartige Song Kang-ho zeigt endlich mal wieder, dass er weit mehr draufhat, als auf seine einzigartige Weise den tragischen Tölpel zu mimen. John Hurt strahlt die gleiche väterliche Wärme wie in jeder Rolle der letzten Jahre aus und nutzt dabei einfach nicht ab. Das Bewundernswerte ist nicht die Masse an hochkarätigen Schauspielern, sondern die Fähigkeit, all diese Gesichter unter einen erzählerischen Hut zu bekommen, ohne dass ein Charakter überflüssig oder unterbeleuchtet wirkt.

Viel, ungemein viel gewinnt der Science-Fiction-Film durch seine Bilder. Kameramann Hong Kyung-pyo, der schon für die trübe Schönheit in Joon-hos Mother sorgte, ist ein wenig beschriebenes Blatt, beherrscht sein Handwerk aber wie kaum ein anderer. Dabei besticht Snowpiercer nicht durch Extravaganzen und viel Spielerei, sondern durch Kleinigkeiten, die teilweise so sublim und unaufdringlich sind, dass man sie bewusst kaum erkennt, während sie auf ihre Weise viel zum Gefühl des Filmes beitragen. Seien es zögerliche, aber unerbittliche Zooms im Schneckentempo, perfekt ausgetüftelte Winkel, die jederzeit Übersicht in den  engen Räumen gewährleisten, aber nie vergessen lassen, wie eingepfercht die dargestellte Welt ist oder eben die unzähligen großartigen Bilder, die in rauen Mengen geliefert werden und jedes Mal für einen kleinen Freudenrausch sorgen.
Das in Verbindung mit der klugen Regie sorgt dafür, dass mit Snowpiercer ein Werk vorliegt, das auf eine Weise spannend ist, wie es nur die ganz großen Filme sind. Fantasie, Heldenkonstruktion, Bildsprache und die Akzente der Instrumentalisierung von Marco Beltrami (Wolverine: Weg des Kriegers, Warm Bodies, World War Z) schaffen ein Ganzes, das unter Cineasten wohl nie in Vergessenheit wird. Ein Film, der vielleicht wie Dark City erst viel zu spät die ihm zustehende Würdigung erhalten wird, aber dafür auch weiterbesteht, wenn der ganze andere Standard seiner Zeit nur noch für Randvermerke brauchbar ist.
Spielend wird ein ganzes Päckchen einander eigentlich ferner Genres verarbeitet, sprunghaft bewegt man sich zwischen düster-ernstem Grundton, realistischen Bildern, rauschhaften Einschüben und bisweilen fast schon ätherischen Sequenzen. Ja, Snowpiercer ist eines dieser großen Werke. Aber nicht, weil er sich an das Regelwerk erfolgreicher Hollywoodfilme hält, sondern gerade weil er sich traut, dieses in den richtigen Momenten zu ignorieren. Weil er sich das leisten kann. So märchenhaft der Film auch ist, buckelt er doch nicht vor dem Massengeschmack. Der Regisseur ist seinem durch und durch asiatischen Situationshumor treu geblieben und immer mal wieder pendelt das Geschehen zu einer schmerzhaft unangenehmen Schonungslosigkeit, die es der FSK vermutlich nicht ganz leicht gemacht hat.
Einzig am Ende scheint der permanent unter Hochdruck stehende Kessel ein bisschen Dampf einzubüßen. Die letzten Stationen der extravaganten Reise sind nicht mehr ganz so intensiv und der Stillstand am Ende tut der bisher so atemlosen Dynamik nicht ausschließlich gut. Selbst in diesen Momenten ist Snowpiercer aber immer noch sehenswerter und besser als das meiste Andere – bis zum Abschluss, der vielleicht nicht jedem schmeckt, tatsächlich aber noch einmal unterstreicht, wie treu der Film seiner Gattung, seinem Stil und seiner Geschichte ist.

Fazit

Ja, ein Märchen. Aber eines der kompromisslosesten Märchen überhaupt. Schillernde Figuren, einprägsame Bilder, ein formidables Tempo und das einmalige Gespür Bong Joon-ho, die unterschiedlichsten Elemente im richtigen Zeitpunkt zu etwas Einzigartigem zu verbinden, machen Snowpiercer zu einem strahlenden Highlight des noch jungen Jahres.

Doomsday Book – Tag des Jüngsten Gerichts

Zwei Regisseure, drei Filme – ein Omnibusfilm. Nichts Ungewöhnliches in der asiatischen Filmwelt. Die involvierten Personen sind es schon. Mit Yim Pil-sung (Hansel & Gretel) und Kim Ji-woon (I Saw the Devil, The Last Stand, A Tale of Two Sisters) sind mehr als nur anerkannte Filmemacher. Während auf ersterem die Hoffnung ruht, dass er noch Großes leisten wird, hat Kim Ji-woon sein Talent bereits vielfach unter Beweis gestellt. Ursprünglich sollte für den dritten Beitrag  Regisseur Han Jae-rim, der mit Portrait of a Gangster einen der wundervollsten und schrulligsten Thriller der letzten Jahre schuf, mitwirken, doch stieg dieser aus, woraufhin sich Kim und Yim am letzten Film gemeinsam versuchten.

Ich will jeden Moment aufzeichnen. Egal, ob schöne Momente oder schlechte Momente.

Story

Brave New World: Der nicht erfolglose, von seiner Familie aber völlig unterschätzte Yoon muss für ein paar Tage alleine den Haushalt schmeißen, während die Sippe Urlaub macht. Was Reinlichkeit anbelangt, waren seine Verwandten leider alles andere als motiviert. Das traute Heim strotzt vor Schmutz und in vielen Ecken modern ehemalige Nahrungsmittel  mit unkenntlich gegärten Zusätzen vor sich hin.
Widerstrebend entsorgt der junge Mann den Unrat. Doch wie die Wiederverwertungsindustrie nun einmal ist, wird eben dieser Hausmüll zu Tiermehl weiterverarbeitet, an hungrige Rinder verfüttert und irgendwo schleicht sich auch noch ein garstiger Keim ein. Die chemische Kombination ist natürlich – ein Zombie-Virus! Und das kontaminierte Fleisch landet direkt auf Yoons Teller, während dieser ein Date hat.

Heavenly Creature
: Androiden sind zu alltäglichen Stützen geworden, ein gemeinsames Leben mit ihnen ist lang schon Normalität.
In einem entlegenen Kloster ereignet sich aber Seltsames. Der Androide RU-4 erlangte das, was Mönche ihr ganzes Leben lang suchen: Erleuchtung. Ein Techniker wird geschickt, um den Sonderfall zu untersuchen und den Defekt zu finden, damit der Androide ersetzt und zerstört werden kann.

Happy Birthday: Die kleine Park hat einen sehr billardvernarrten Vater und ist daher nicht geringfügig in Sorge, als sie versehentlich seine schwarze 8 kaputt macht. Um den Vorfall zu vertuschen, bestellt sie auf einer etwas merkwürdig anmutenden Internetseite Ersatz und entledigt sich der des defekten Runds.
Zwei Jahre später hält ein Meteorit mit 10 Kilometern Durchmesser und der Form einer Billardkugel auf die Erde zu und kündigt das Ende an.

Kritik

Brave New World scheint anfangs nur von einem jungen Mann zu handeln, der endlich mal sturmfrei hat und die Zeit nutzt, sich vor Müll zu ekeln. Das Ganze ist ansprechend und unterhaltsam gefilmt und dazu so überzogen gespielt, dass man sich die ersten sieben Minuten einem reinen Slapstick-Film wähnt. Kurze Zeit später wird dann Schönes auf unappetitliche Weise dargestellt und mir nichts, dir nichts greift die Zombie-Plage um sich. Wobei zwischen Infektion und Verwandlung einiges an Zeit vergeht. Sowohl mit der Phase vor dem Ausbruch als auch mit diesem selber befasst sich der Film – im Verhältnis zu seiner Laufzeit – recht ausführlich. Die letzte Phase, wenn das Virus global um sich gegriffen hat und rostige Strukturen aufbricht, erfährt dann etwas weniger Aufmerksamkeit, obwohl sie die mit Abstand interessanteste ist.
Das alles ist nett anzusehen, beleidigt den Zuschauer nicht und macht auch nichts Entscheidendes falsch. Aber es ist auch einfach nichts Besonderes. Und bei einem Kurzfilm über Zombies etwas falsch zu machen, ist sowieso ein Ding der Unmöglichkeit.
Schade, dass man sich der eingangs so ausgewalzten Schmutz-Phobie des Protagonisten nicht weiterhin zugewendet hat, um die Geschichte mit Schwerpunkt auf ihr zu erzählen. Vielleicht wäre es dann kein besserer Film geworden, seine teilweise Austauschbarkeit hätte er dadurch aber auf jeden Fall verloren.
Die Invasion selbst wird nur angedeutet und, wohl aus finanziellen Gründen, nicht bebildert. Stattdessen dienen unterschiedliche TV-Beiträge als Ersatz für Illustration, wobei ganz nebenbei Verschwörungstheoretiker charmant aufs Korn genommen werden. Das Bunte Potpourri aus Nachrichten, Talkshows und pseudowissenschaftlichen Reportagen stellt eine herrlich skurrile Collage da, die viel besser funktioniert als der Rest des Filmes. Ganz zum Schluss nimmt das Geschehen noch einen Schwenk, der tatsächlich ein wenig an Cronenbergs Frühwerk Shivers erinnert.
Der Film wirft einige Fragen auf. Zum Beispiel, warum es in Korea offenbar normal ist, dass Leute an Fließbändern dafür bezahlt werden, den Hausmüll anderer Leute zu durchwühlen. Oder ob Kühe tatsächlich mit einem Rechen geschlachtet werden.
Nach alledem fragt man sich nach der letzten Sequenz etwas ratlos, was Brave New World denn überhaupt sein will. Kritik an Medien? Kritik an Massentierhaltung? Kritik am Umgang mit unserem Müll? Kritik an der Gesellschaft und Dekadenz allgemein? Kritik an Klarnamenzwang im Internet? Oder ist der Rote Apfel, mit dem es beginnt und endet, das Symbol für die Versuchung der schönen neuen Welt? Das Bibelzitat am Ende deutet an, dass all das, noch viel mehr und vielleicht auch gar nichts gemeint sein könnte. Vermutlich hat Yim Pil-sung einfach nur 40 Minuten Spaß gesucht und gefunden. Ganz ähnlich fühlte man sich auch bei seinem Debütwerk Hansel & Gretel.
Fassen wir zusammen: Launiger Anfang, Unterhaltsamer Endpart, zu gewöhnlicher Hauptteil – und damit in einer Kurzfilmsammlung eigentlich bestens aufgehoben.

6/10

Heavenly Creature ist der Mittelteil und widmet sich wenig überraschend den alten Fragen, ob Maschinen eine Seele haben können, ab wann künstliche Intelligenz nicht mehr zu unterscheiden ist von menschlichem Gemüt und warum wir Gutes fürchten, wenn es fremd ist. Heavenly Creature versucht von etwas zu erzählen, das wir als gleichwertig ansehen sollten, wenn wir nur einmal unseren per se voreingenommenen Blick in den naiven, nicht vorbelasteten Modus setzen könnten.
Das klingt bis hierhin wenig aufregend, da schon unzählige Male in unzähligen Variationen gesehen. Regievirtuose Kim Ji-woon  gelingt es aber, das Thema nicht kitschig oder sentimental, sondern erfrischend unkonventionell anzugehen und damit in einer noch ganz unverbrauchten Variation darzustellen. Er stellt die richtigen Fragen, erzeugt nur mit Worten große Spannung und setzt sein Werk aus traumhaft schönen, ungewohnt präzisen Bildern zusammen, die aus aufregenden Perspektiven betrachtet werden. Die Farben sind klar und warm, der Kontrast zwischen bebend ruhigem Kloster und stoischem Roboter ist berauschend und die Musik so makellos ausgewählt wie eingesetzt. Kernstück ist natürlich Androide RU-4, der sich bedächtiger bewegt als jeder Mensch, fremdartig, friedlich und unheimlich zugleich wirkt und perfekt komponiert durch den Film führt. Das offensichtliche Design-Vorbild I, Robot wird ab Sekunde 1 uneinholbar abgehängt.
Ein Roboter, der weiß, dass er nur Schraubenprodukt ist, der weiß, dass er repariert werden muss – und dennoch sein Gleichgewicht hat; produziert von einem Wesen, das fürchtet, von seiner eigenen Schöpfung überflügelt zu werden, deswegen das Zeitalter der Computer verflucht und Heil in hektischer Rückwärtsbewegung sucht. Sogar eine Prise Frankenstein lässt sich mit gutem Willen ausmachen.
Abfällig – unnötig abfällig – ausgedrückt, könnte man Heavenly Creature als ‚Laberfilm‘ abstempeln. Es wird geredet, eigentlich wird nur geredet. Allerdings ist es ein Laberfilm mit einem Roboter, der selbst kaum redet, über den dafür aber umso ausschweifender geredet wird – und darum geht es. Um Lebewesen, die zu eigenen Schlüssen fähig sind, über deren Köpfe aber hinweg entschieden wird. Klingt auf diesen Kern runtergebrochen platt, ist in der Ausführung aber mit seltener Eleganz geglückt.

Schade ist lediglich, dass der SF-Film zum Ende hin die Zügel loslässt und ins Pathetische ausbricht. Eine Erhöhung des Tempos – inhaltlich wie stilistisch – hätte es nicht gebraucht. Doch der Moment ist kurz und schnell kehrt wieder dem Tempel angemessene Ruhe ein.
Ein in Summe großartiger, cineastisch wertvoller Film, für den alleine sich der Kauf von Doomsday Book bereits lohnen würde.

8,4/10

In Happy Birthday befindet sich, wie schon im ersten Beitrag, eine große Spitze gegen das Fernsehen – natürlich, denn Selbstreflexivität kommt immer gut an. „Hätten sie auch gerne einen Bombenkeller, können sich aber kein eigenes Haus leisten?“
Eigentlich besteht das Filmchen zu einem Drittel aus Sketchen in Form von absurden Fernsehbeiträgen, die über das nahende Ende der Welt berichten und reichlich viele reichlich unvernünftig handelnde Menschen zeigen. Und das ist überhaupt nicht schlimm. Die Spots sind zwar durchgehend albern, überzeugen aber durch ein schönes Timing, haben funktionierende Pointen und machen den Film so zu einer hübschen Mischung aus purem Unsinn und einer weiteren Art von Unsinn, der aber eine düsterere Stimmung hat.
Die Familie um das kleine Mädchen, das die Apokalypse übers Internet bestellt hat, leidet nämlich ungemein unter der verfahrenen Situation und zeigt, auch durch das Spiel der Darsteller, große Emotion. Ein interessanter Dualismus, den der Film trotz seiner unsinnigen Thematik mit Geschick errichtet.
Technisch ist das Ganze ebenso gut umgesetzt wie der vorangehende Film. Sowohl musikalisch als auch visuell ist Happy Birthday eine Delikatesse. Die optische Eleganz liegt weniger an der Bildkomposition und mehr an der ungewöhnlichen Kameraführung, die nie Langeweile im Bild aufkommen lässt.
Leider ist die Geschichte um die Fernsehbeiträge herum nicht übermäßig spannend und erschöpft sich tatsächlich in der Prämisse der bestellten Billardkugel. Deswegen haben sich zwischendrin immer mal wieder einige Längen einschleichen können. Etwas, das bei grob 40 Minuten Spieldauer eigentlich nicht passieren sollte. Trotz allem auf seine Art empfehlenswert, obwohl der Film zwischen Comedy und seltsamer Familientragik im Bunker häufig desorientiert wirkt und keine der beiden Möglichkeiten voll ausnutzt.

6,9/10

Fazit

Alle Filme sind, wenn auch in unterschiedlichem Grad, sehenswert. Heavenly Creature ist sogar weitaus mehr als nur das.
Drei Filme, zwei Regisseure mit unterschiedlicher Handschrift. Yim Pil-sungs Arbeit ist handwerklich gut, zerfällt aber in zu viele Teile. Kim Ji-woon überzeugt nicht nur mit technischer, sondern auch mit inhaltlicher Raffinesse. Dem Schlussbeitrag Happy Birthday merkt man die Gemeinschaftsarbeit der Beiden in jeder Szene im Guten wie im weniger Guten an.
Was aus diesem Beitrag geworden wäre, wenn Han Jae-rim dem Projekt treu geblieben wäre, lässt sich leider nur raten. Doch auch so ist Doomsday Book – Tag des Jüngsten Gerichts eine schöne Anthologie über die Gründe, weshalb die Welt sich nicht mehr allzu lange drehen wird.