Deadball

Yūdai Yamaguchis Filme können ohne Ausnahme zum Genre der japanischen Splatterkomödie gezählt werden. Die einzige Variation findet auf der Skala zwischen Horror und Klamauk statt, wobei er in der Regel als Autor auftritt. Zu seinem bekanntesten Filmen gehören Versus, Alive, und Meatball Machine. Seine erste Regiearbeit von 2003 namens Battlefield Baseball hat in entsprechenden Kreisen durchaus Kultcharakter. Deadball soll nicht nur thematisch an diesen Erfolg anknüpfen.

Story

Als der junge Jubeh Yakyu mit seinem übermenschlich starken Wurf versehentlich seinen Vater beim Baseballtraining tötet, schwört er, nie wieder diese Wurfpraktik anzuwenden. Jahre später ist Jubeh ein aufsässiger Erwachsener und wird infolge von Selbstjustiz in eine Justizvollzugsanstalt eingewiesen.
Er landet in einem Gefängnis unter der Leitung von Ishihara Enkelin eines deutschen Kriegsverbrechers im zweiten Weltkrieg. Diese wiederum zwingt Jubeh, der von ihr aufgestellten Gefangenenmannschaft beizutreten und mit dieser Baseball zu spielen. Dieses Team höchst unterschiedlicher Spieler tritt in einem Turnier gegen andere Gefängnismannschaften an.
Rasch stellt sich heraus, dass diese Veranstaltungen eine perfide, abgekartete Sache sind.

Kritik

Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass Deadball thematisch direkt an Yudai Yamaguchis Kultnachlass Battlefield Baseball anschließt. Auch hier spielt die Sportart absolut gar keine Rolle, auch hier ist ihre bloße Nennung Auslöser einer Geschichte, die beim leisesten Windhauch in sich zusammenzufallen droht, auch hier die Rechtfertigung für allerhand blutigen Blödsinn.
Für wen ist dieser Film? In erster Linie natürlich für Fans des Regisseurs und seiner Stilverwandtschaft – diese Sorte japanischer Kunstblutalbernheit, wie sie seit Jahrzehnten Hochkonjunktur haben. Wobei, so ganz stimmt das nicht – denn wie so viele aus dieser Sparte setzt Yudai Yamaguchi nicht auf Gallonen roter Farbe, sondern auf Körpersäfte und andere Mensch-Zutaten aus dem Rechner. Und das sieht man. Natürlich sind die Effekte bewusst durchschaubar gehalten, de facto ist es aber sehr selten, dass ein CGI-Blut-Film mit dem Charme liebevoller Handarbeit mithalten kann.
Ansonsten mangelt es dem Drehbuch an kreativen Spitzen eigentlich nicht. In den 99 Minuten steckt so viel Unfug, dass der Film über die volle Laufzeit durchaus bei der Stange zu halten weiß. Am bemerkenswertesten ist dabei, wie viele Gags man um den Hitlergruß herumbauen kann.
Der an Italo-Westerner angelehnte Protagonist Yakyû Jubei hat genügend krude Charaktereigenschaften, um den Film zu tragen – dank dem für diese Filme quasi gepachteten Tak Sakaguchi, der zusammen mit dem Regisseur durch Versus Bekanntschaft erreichte und in gefühlt jedem trashig angehauchten, semi-reflektierten östlichen Unfug mitspielt.
Nun steht und fällt ein solcher Film nicht nur mit seiner Kreativität, sondern auch mit der Qualität seines Humors. Und hier gerät Deadball einige Male ins Straucheln. Denn erst einmal muss gesagt werden, dass kein Witz oder Running Gag wirklich vom Hocker haut, stattdessen gibt es viele passable, einige nette und wenige sehr nette Späße, die primär durch ihr Timing zu überzeugen wissen. Doch ist hier eben auch Platz für Blödeleien, deren Plumpheit auch durch den Reflexivitäts-Stempel nicht aufgewertet werden und bestenfalls die Augen verdrehen lassen, meist aber zum partiellen Verabschieden des Grundinteresses führen.

Fazit

Letztlich ist Deadball natürlich genau das, was man von Yudai Yamaguchi erwartet und vermutlich auch erwünscht. Bewusst schrottiger Splatterblödsinn, der durch zahlreiche Absurditäten zusammengehalten wird und in seiner überhöhten, aber nie völlig abgehobenen Weise auch zu befrieden weiß. Die arg tumben Witze der Marke Flatulenzkadaver werden aber vermutlich nur den ganz harten Kern der Fanbase des Filmemachers zum Jubeln bringen.

Rick and Morty – Staffel 1

Wie anders sähe die Cartoonwelt ohne die Simpsons aus. Sie waren der erste, initiierende Stein einer Lawine von sogenannten Erwachsenen-Animationsserien, die schließlich ein gewisser Trey Parker gemeinsam mit Matt Stone in Form von South Park endgültig in jene selbstironischen Vulgärgefilde lenkte, die einzig und allein ein volljähriges Publikum als Zielgruppe haben.
Neben Altbekanntem wie Family Guy folgten etliche weitere Epigonen wie z. B. die hinreißend-verstörende Showbiz-Abrechnung Bojack Horseman, aber eben auch zahlreiche Fehlzündungen, die neben immer unflätiger werdendem Humor wenig zu bieten hatten. Rick and Morty ist ein Vertreter dieser Strömung, der nachhaltig aufzeigt, dass diese auch weiterhin beachtliche Blüten treibt.

We’re gonna scam the scammers, Morty. And we’re gonna take ‚em for everything they’ve got.

Story

Familie Sachez hat den ältesten ihres Stammbaums bei sich unterm Dach aufgenommen: Den exzentrischen, egozentrischen, alkoholabhängigen, aber auch unvergleichlich genialen Wissenschaftler und Forscher Rick. Seitdem sind Konflikte zwischen ihm, dem Elternehepaar Beth und Jerry sowie der pubertierenden Summer und dem 14-jährigen, etwas einfältigen Rick an der Tagesordnung. Das liegt nicht nur an dem häufig rücksichtslosen Gebaren des älteren Herren, sondern vor allem dahan, dass dieser Rick zu seinem Sidekick erkoren hat und der Junge ihn treu auf jeder seiner Reisen durch das Weltall, fremde Dimensionen, obskure Parallelwelten und Monsterdärme begleitet und ihm assistiert. So wenden die beiden beinahe fast genauso viele Gefahren von der Erde ab, wie sie heraufbeschwören.

Kritik

Statt weiter an der Derbheitsschraube zu drehen, überzeugt Rick and Morty mit einer hohen Konzentration aus Chaos, sich überschlagenden Ereignissen, pikanten Charakteren und einer all das überziehenden Kreativität, die in den besten Folgen über die volle Laufzeit begeistert. Dabei produzieren die Situationen so viele dicht aneinandergedrängte Witze, dass die weniger gelungenen von den brillanten einfach mitgerissen werden. Die große Bandbreite an Humor, die die Serie schamlos und scheinbar ebenso mühelos abdeckt, ist dabei das Alleinstellungsmerkmal Nummer eins. So ist einer der beiden Protagonisten ständig am Rülpsen und Saufen – woanders wäre das womöglich schon alleine Grund genug, die ganze Serie zu zerstören, bei Rick and Morty hingegen ist das so unerhört überzogen und so konsequent zu Ende gedacht, dass es regelmäßig für Lachlawinen sorgt. Das wirkliche Zugpferd ist demnach der beachtliche Einfallsreichtum, mit der hier pro Folge vorgegangen wird, indem nicht nur auf nichts und niemanden Rücksicht genommen wird, sondern auch gerne mal voraussetzungsreichere Geschichten geschaffen werden. Jede Episode ist voll von großen und kleinen popkulturellen Anspielungen – allem voran zu nennen ist der schier unerschöpflich scheinende Fundus aus cleveren Filmzitaten, die von am Rande auftauchenden Mise-En-Scéne-Referenzen bis hin zum kompletten Nachspielen der Handlung reichen und dabei wirklich so inspiriert und bekloppt eingesetzt werden, dass man das einfach loben muss.
Das beginnt schon bei der coolen, sehr an Doctor Who angelehnten Titelmusik und erstreckt sich über die das Nerdherz höher schlagen lassende Tatsache, dass auch kleinere Klassiker wie Zardoz auf würdigende Weise ihr Fett wegbekommen. Mal nicht die x-te Star Wars– oder Back to the Future-Hommage zu sehen, ist sehr erfrischend. Die Serie schafft es dabei weitestgehend, Zitate nicht um ihrer selbst Willen einzubringen, sondern erfährt mit ihnen immer mindestens eine humoristische Aufhübschung. Natürlich sind nicht alle Folgen so genial wie die besten Vertreter, einige sind nur gut, aber jede hat mindestens ihre kleinen brillanten Momente. Sei es nun in Form einer gescheiten Wendung oder dramaturgischen Entscheidung oder als charmantes Hervorholen eines Elements, das vor einigen Folgen beiläufig eingeführt wurde und nun seinen unerwarteten großen Moment bekommt.
Was man der Serie neben der latent schwankenden Folgenqualität ankreiden könnte, ist die Veranlagung, manchmal etwas zu „meta“ zu sein. Häufig entsteht innerhalb der verstrickten Geschichten dank des angespannten Verhältnisses zwischen Rick und Morty nämlich eine unverhoffte Dramatik, die dem verspielten Durcheinander kurzzeitig eine fesselnd-emotionale Note verleiht. Und in solchen Momenten ist es schon ein wenig schade, wenn eine Figur die vierte Wand durchbricht und mit irgendeiner Blödelei den unerwarteten Ernst, der der Serie gerade als Kontrast blendend zu Gesicht stünde, postwendend wieder relativiert. Aber das ist angesichts des wirklich enormen Unterhaltungswerts der Animationsserie eigentlich Erbsenzählerei.

Fazit

Es handelt sich bei Rick and Morty um eine der Auskopplungen der „Cartoon-Ära der Geschmacklosigkeiten“, die die als „Erwachsenenelemente“ verkauften Anstößigkeiten nie selbstzweckhaft, sondern tatsächlich mit starkem humoristischem Konzept darbieten. Denn nie hat man so viel Liebe für die (Film-)Historie des Science-Fiction-Filmes mit einem solchen Maße an Respektlosigkeit kombiniert gesehen, während sich all das Chaos, das die Figuren verbreiten, sich jedes Mal auch noch zu einer sinnvollen Geschichte entwickelt.
Bleibt zu hoffen, dass die Serie auch in Zukunft genug Einfallsreichtum und Energie aufrechterhalten kann, um den Erfolgskurs beizubehalten.
Im Augenblick ist es schwerlich zu glauben, dass dieser sprudelnde Quell an Ideen unerschöpflich ist. Andererseits steht dem kauzigen Abenteurer-Duo natürlich jede nur erdenkliche Welt offen.

Ant-Man

Mit Ant-Man läuft die zweite Phase des Marvel Cinematic Universe in die letzte Runde. Mit einem stecknadelkopfgroßen Helden, viel Humor und reichlich Querverweisen auf die große Marvelgesellschaft versucht der Film, sich einen Ausnahmeplatz unter den großen Helden zu reservieren.

It’s a trial by fire, Scott… or in this case, water.

Story

Die Gesellschaft hat nur wenig Vergebung übrig für den gerade aus der Haft entlassenen und eigentlich hochgradig reumütigen Meisterdieb Scott Lang. Selbst der Job als Eisverkäufer wird ihm genommen, als sein Arbeitgeber von seiner Vergangenheit Wind bekommt. Darüber hinaus verweigert seine Ex-Frau ihm jede Begegnung mit der gemeinsamen Tochter Cassie, so lange Scott sein Leben nicht in eine geregelte Bahn gebracht hat.
Darum sieht er sich gezwungen, gemeinsam mit seinen halbkompetenten Freunden einen letzten Coup zu planen: Der ältere und wohlhabende Herr Hank Pym soll seine Anwesen und den darin befindlichen Tresor für eine Weile unbeaufsichtigt lassen. Als sich Scott daran zu schaffen macht, stellt sich schrittweise heraus, dass die Sachen anders liegen, als gedacht. Nicht nur ist Pym ehemaliger Mitarbeiter von S.H.I.E.L.D. und in Besitz eines Anzuges, der den Träger auf Ameisengröße schrumpfen lässt, er scheint den Einbruch Scotts außerdem von langer Hand selbst eingeleitet zu haben, um ihn für seinen eigenen Plan zu gewinnen. Denn sein ehemaliger Schützling Darren Cross plant Übles mit der einstmals von Pym entwickelten Technologie.

Kritik

In seiner Trailer-Inkubationszeit hat Ant-Man im Vergleich zu seinen Marvelgeschwistern nur wenig Aufmerksamkeit bekommen. Zwei gute Gags und eine Menge routinierter Standard wurden in der Vorschau von einem ziemlich blass wirkenden Paul Rudd begleitet, während sich das Gefühl festbiss, dass mit Michael Douglas ein wertvoller Cameo vorweggenommen wurde. Dass Edgar Wright (Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt, Shaun of the Dead) Mitte 2014 seinen Regiestuhl zusammenklappte und sich vom Projekt aufgrund kreativer Differenzen trennte, woraufhin sein Drehbuch, stark abgeändert, ausgerechnet Peyton Reed überlassen wurde, dessen bisheriger Werdegang ihn nicht unbedingt für einen Marvel-Film prädestinierte, sorgte zusätzlich für einen rostigen Beigeschmack.
Als der Film schließlich auf die Leinwände entlassen wurde, raschelte es im journalistischen Blätterwald – der unterhaltsamste, vielleicht auch beste Film direkt hinter Guardians of the Galaxy, bekommt man allerorts zu lesen. Und selbst James Gunn, Regisseur genannter Referenz, klinkt sich in diesen Kanon ein. Und dann erst das 3D.
Doch halt.

Ant-Man ist zweifelsohne besser als seine Trailer. Die Zahl guter Witze ist höher als zwei. An Paul Rudds Performance gibt es nichts zu beanstanden. Und Michael Douglas hat mit seinem naseweisen Mentor Hank Pym eine überraschend große Rolle, an der er auch sichtlich Freude zu haben scheint.
Trotzdem teilt ich das Projekt ein Leiden mit Filmen wie Thor und Captain America: The First Avenger. Er wirkt wie eine Pflichtübung, die Notwendigkeit, einen separaten Film um eine Figur herum zu drehen, die anschließend ins Avengers-Ensemble eingereiht werden muss, obwohl eine wirklich relevante Geschichte für einen solchen Film nicht existiert. Im Vergleich zu den genannten Einführungsfilmen liegen aber mildernde Umstände vor. Denn auf eine gar nicht ungeschickte Weise umgeht der Film die Entstehungsgeschichte des Helden, die schon zu oft mit ihrem klassischen Muster große Teile der Filme vereinnahmte, und erzählt stattdessen aus dem Alltag eines in klassischer Weise edlen Diebes, der sich für seine Rolle als Held gar nicht mehr groß entwickeln muss. Ebenfalls umschifft wird ein weiteres Problem aller Marvelfilme – das Fehlen eines ausreichend charakterstarken Antagonisten. Ant-Man tut lange Zeit gar nicht erst so, als existiere eine Bedrohung, personifiziert durch einen übermenschlich starken Erzschurken. Jedenfalls bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, der stellvertretend für die tiefsitzenden Probleme des Filmes steht. Plötzlich schlüpft Cross (für den Corey Stoll einfach dieselbe Rolle wie in House of Cards noch einmal spielt) in seinen eigenen Anzug und lässt in gewohnter Manier einiges explodieren, um sich dann in einen langweiligen Zweikampf mit unserem noblen Helden zu liefern, bei dem viel zu Bruch geht und nichts passiert.
Ant-Man zeigt Ansätze, es Guardians of the Galaxy gleich und es somit anders zu tun, traut sich aber nicht, diese auch konsequent bis zum Ende zu verfolgen. Es ist bloße Spekulation, aber vermutlich lässt sich genau hier die Naht spüren, wo Edgar Wrights Version des Filmes an Peyton Reeds gefügt wurde. Der im Alltag scheiternde, tragische Langfinger hätte das Potenzial, ein besonderer Held im Marveluniversum zu werden, der in vielerlei Hinsicht menschlicher ist als die Halbgötter und Supersoldaten aus seinem zukünftigen Team, verliert in seiner Rüstung aber all die Attribute. Der manchmal gar etwas lakonische Humor ist bemüht, mehr und größer zu sein als die Ironie in den anderen Marvelfilmen, welche immer bemüht sind, trotz flinker Worte nie den Ernst aus dem Fokus zu verlieren, reicht dann aber doch nicht aus, um eine wirklich andere Heldengeschichte entstehen zu lassen. Zwar kann der Film einige Lacher für sich verbuchen, ist aber ebenso reich an zu kalkuliertem und durchschnittlichem Witz, der sich aus dem Akzent von Figuren und und Ungeschicklichkeiten speist, während die treffsicheren Witze in Dialogform von überschaubarer Anzahl sind. Auch das 3D- und Actionargument, nämlich dass sich Ant-Man durch seine Schrumpf-Fähigkeit seiner Probleme in einer komplett anderen Dimension annehmen kann als seine Kollegen, führt letztlich zu keinem nennenswerten Ergebnis. Eine Badewanne bei der ersten Minimierung Scotts, die plötzlich zur dreckigen Ebene wird, ist bereits der Höhepunkt dieses vermeintlichen Paradigmenwechsels. Ansonsten fehlt es Regie und Drehbuch entschieden an schlagfertigen Ideen, den ameisengroßen Gauner in Szene zu setzen.
All das lässt sich ziemlich präzise so zusammenfassen, dass es Ant-Man einfach an Mumm fehlt. Er wäre gern der lockere, draufgängerische Exot in den Reihen der Avengers, traut sich nach einem so vielversprechenden wie kurzen Anlauf aber nicht, den entscheidenden Sprung zu machen, und wendet sich dann doch den üblichen Strukturen zu.
Dass die eigentliche Geschichte selbst etwas stockend erzählt wird und nur aus mehreren, teils etwas bemüht aneinandergefügten Stationen besteht, fällt angesichts dessen kaum auf.

Fazit

Der Abschluss von Phase 2 des Marvel Cinematic Universe ist unterhaltsam und hat einen sympathischen Helden – und Michael Douglas! Der mutige Schelm, der Ant-Man gerne wäre, ist er aber nicht. Dafür fehlt es dem Film an Mut und Frechheit, weshalb er sich letztlich auf gutem Niveau als gleichwertig neben den anderen Soloabenteuern der Marvelhelden einreiht. Was für ein Glanzlicht Ant-Man hätte werden können, hätte das Studio Edgar Wright nicht vergrault, ist schwer zu sagen.
Interessant wird es aber dennoch, wie sich der kleine Held Schulter an Schulter neben die mittlerweile ja schon äußerst durchmischten Haudegen der Avengers stellen wird.

Paul – Ein Alien auf der Flucht

Paul – Ein Alien auf der Flucht (im Original kürzer und charmanter einfach nur Paul) ist zwar vom kindsköpfigen Komödien-Dou Simon Pegg und Nick Frost zusammengenäht, aber kein offizieller Teil der eigentlich inoffiziellen Blood-and-Ice-Cream-Trilogie.


What is this, nerd porn?

Story

Clive und Graeme sind Nerds aus dem Bilderbuch. Durch und durch Kind, dabei um die 40 herumschwirrend und gefangen in einer Parallelrealität, in der ein Autogramm von Anthony Daniels mehr wert ist als der Weltfrieden. Unsere Realität, könnte man sagen.
Die beiden Briten machen nach einem gelungenen Abstecher zur Comic-Con noch eine Art touristische Rundreise zu all den Plätzen, an denen UFO-Sichtungen sich häuften. Trotzdem trifft es sie nicht ganz vorbereitet, als sie plötzlich den hüfttiefen Außerirdischen namens Paul treffen, der kifft, trinkt, flucht und flieht. Letzteres tut er – wie könnte es anders sein – vor einer finsteren Regierungsbehörde namens FBI, die ihn wieder einfangen und gar nicht gut behandeln will.
Wie es sich für echte Nerds ziemt, greifen Clive und Graeme dem kleinen Kerl unter die grauen Arme, sobald sie den ersten Schock überwunden haben. Und wie es sich für ein echtes Road-Movie gehört, gabelt das Trio unterwegs noch Ruth auf, die Tochter eines fundamentalen Christen, die gerade ihre ganz eigenen Erfahrungen mit der gar nicht so christlichen Welt macht.

Kritik


Paul – Ein Alien auf der Flucht ist im Kern ein angenehmer, ungefährlicher Film, der sich gut nebenbei und zwischendurch einschieben lässt. Eine beschwingte Stimmung, harmlose Kalauer und die betuliche Chemie zwischen am animierten Grauling und seinen drei Reisebegleitern schaffen ein Seherlebnis, das man nicht unbedingt braucht, aber auch keinesfalls bereuen wird. Simon Pegg und Nick Frost liefern mit dem Drehbuch gewohnt gute Kost ab, die sich aus vielen spontan wirkenden Einfällen zusammensetzt und dabei auf leichtfüßige Weise die alte Geschichte von den beiden Verlierern erzählt, denen plötzlich, unerwartet und nicht ganz so angenehm wie erhofft, ein Lebenstraum erfüllt wird. Greg Mottola, der sich durch Filme wie Superbad und Adventureland in erster Linie als Indie-Komödien-Filmer einen Namen machte, verpackt das Ganze routiniert, aber erfreulich spritzig in einen inszenatorischen Rahmen.
Doch leider ist sich der Film nicht zu schade, hie und da ein paar zu plumpe und zotige Gags einzubauen. In die Kamera schreiende Gesichter von Autofahrern, die zu lange in die falsche Richtung geblickt und deswegen das witzige Hindernis übersehen haben, sind ebenso nervig wie die frivolen Witzeleien, die den gefährlich schmalen Grat zwischen ‚gelungen frech‘ und ‚albern platt‘ ein paar mal zu häufig überstolpern. An den Nerven zerren auch die übertrieben tölpelhaften Helfershelfer des windigen Oberagenten, aus dessen Jagd auf die Hauptpersonen sich der rote Faden der Story spinnt. In Summe ist alles im grünen Bereich, doch hätte der Film ohne Ausrutscher der Marke Holzhammer eine deutlich bessere Figur abgegeben. So aber erweckt er den Eindruck, sich immer mal wieder zwischen die Stühle zu setzen, wenn er bemüht ist, sämtliche Humor-Lager zu bedienen und dabei keines richtig zufriedenstellt.

Gelungen sind dafür sehr nette Anspielungen auf die Nerdkultur, Augenzwinkerei in Richtung Alien-Mythen und ein paar mehr oder wenige filigrane Bezüge zu einschlägigen Filmen und Serien. Insbesondere Star Wars-Fans bekommen eine reiche Palette an liebevollen Zitaten geliefert, die von adaptierten Dialogen bis hin zu aufgegriffener Kameraarbeit reicht.
Wirklich schön geschrieben ist die Figur des Paul, der mit seiner dominierenden Lässigkeit nie nervt, dessen Anzüglichkeit immer angemessen dreist wirkt und der an den richtigen Stellen notwendige Zerbrechlichkeit durchschimmern lässt. So mausert sich der hübsch animierte Knirps schnell zur Figur, der man das herzliche Kumpel-Dasein sofort abnimmt.
Bei einer Produktion, die sich selbst nicht für voll nimmt und in erster Linie nur Schabernack sein will, ist das keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Fazit

Wie erwartet, ist Paul – Ein Alien auf der Flucht keine komödiantische Großleistung, sondern eine Fingerübung der britischen Schelme Pegg und Frost. Dafür ist die Angelegenheit aber ein grundsolides und sehr sympathisches Road-Movie geworden, das dem Faible der Sci-Fi-Nerds mit großen Zitatereichtum gebührend Rechnung trägt, in Sachen Humor letztlich aber eine zu große Bandbreite abdecken möchte, was nicht immer gelingt.

Doomsday Book – Tag des Jüngsten Gerichts

Zwei Regisseure, drei Filme – ein Omnibusfilm. Nichts Ungewöhnliches in der asiatischen Filmwelt. Die involvierten Personen sind es schon. Mit Yim Pil-sung (Hansel & Gretel) und Kim Ji-woon (I Saw the Devil, The Last Stand, A Tale of Two Sisters) sind mehr als nur anerkannte Filmemacher. Während auf ersterem die Hoffnung ruht, dass er noch Großes leisten wird, hat Kim Ji-woon sein Talent bereits vielfach unter Beweis gestellt. Ursprünglich sollte für den dritten Beitrag  Regisseur Han Jae-rim, der mit Portrait of a Gangster einen der wundervollsten und schrulligsten Thriller der letzten Jahre schuf, mitwirken, doch stieg dieser aus, woraufhin sich Kim und Yim am letzten Film gemeinsam versuchten.

Ich will jeden Moment aufzeichnen. Egal, ob schöne Momente oder schlechte Momente.

Story

Brave New World: Der nicht erfolglose, von seiner Familie aber völlig unterschätzte Yoon muss für ein paar Tage alleine den Haushalt schmeißen, während die Sippe Urlaub macht. Was Reinlichkeit anbelangt, waren seine Verwandten leider alles andere als motiviert. Das traute Heim strotzt vor Schmutz und in vielen Ecken modern ehemalige Nahrungsmittel  mit unkenntlich gegärten Zusätzen vor sich hin.
Widerstrebend entsorgt der junge Mann den Unrat. Doch wie die Wiederverwertungsindustrie nun einmal ist, wird eben dieser Hausmüll zu Tiermehl weiterverarbeitet, an hungrige Rinder verfüttert und irgendwo schleicht sich auch noch ein garstiger Keim ein. Die chemische Kombination ist natürlich – ein Zombie-Virus! Und das kontaminierte Fleisch landet direkt auf Yoons Teller, während dieser ein Date hat.

Heavenly Creature
: Androiden sind zu alltäglichen Stützen geworden, ein gemeinsames Leben mit ihnen ist lang schon Normalität.
In einem entlegenen Kloster ereignet sich aber Seltsames. Der Androide RU-4 erlangte das, was Mönche ihr ganzes Leben lang suchen: Erleuchtung. Ein Techniker wird geschickt, um den Sonderfall zu untersuchen und den Defekt zu finden, damit der Androide ersetzt und zerstört werden kann.

Happy Birthday: Die kleine Park hat einen sehr billardvernarrten Vater und ist daher nicht geringfügig in Sorge, als sie versehentlich seine schwarze 8 kaputt macht. Um den Vorfall zu vertuschen, bestellt sie auf einer etwas merkwürdig anmutenden Internetseite Ersatz und entledigt sich der des defekten Runds.
Zwei Jahre später hält ein Meteorit mit 10 Kilometern Durchmesser und der Form einer Billardkugel auf die Erde zu und kündigt das Ende an.

Kritik

Brave New World scheint anfangs nur von einem jungen Mann zu handeln, der endlich mal sturmfrei hat und die Zeit nutzt, sich vor Müll zu ekeln. Das Ganze ist ansprechend und unterhaltsam gefilmt und dazu so überzogen gespielt, dass man sich die ersten sieben Minuten einem reinen Slapstick-Film wähnt. Kurze Zeit später wird dann Schönes auf unappetitliche Weise dargestellt und mir nichts, dir nichts greift die Zombie-Plage um sich. Wobei zwischen Infektion und Verwandlung einiges an Zeit vergeht. Sowohl mit der Phase vor dem Ausbruch als auch mit diesem selber befasst sich der Film – im Verhältnis zu seiner Laufzeit – recht ausführlich. Die letzte Phase, wenn das Virus global um sich gegriffen hat und rostige Strukturen aufbricht, erfährt dann etwas weniger Aufmerksamkeit, obwohl sie die mit Abstand interessanteste ist.
Das alles ist nett anzusehen, beleidigt den Zuschauer nicht und macht auch nichts Entscheidendes falsch. Aber es ist auch einfach nichts Besonderes. Und bei einem Kurzfilm über Zombies etwas falsch zu machen, ist sowieso ein Ding der Unmöglichkeit.
Schade, dass man sich der eingangs so ausgewalzten Schmutz-Phobie des Protagonisten nicht weiterhin zugewendet hat, um die Geschichte mit Schwerpunkt auf ihr zu erzählen. Vielleicht wäre es dann kein besserer Film geworden, seine teilweise Austauschbarkeit hätte er dadurch aber auf jeden Fall verloren.
Die Invasion selbst wird nur angedeutet und, wohl aus finanziellen Gründen, nicht bebildert. Stattdessen dienen unterschiedliche TV-Beiträge als Ersatz für Illustration, wobei ganz nebenbei Verschwörungstheoretiker charmant aufs Korn genommen werden. Das Bunte Potpourri aus Nachrichten, Talkshows und pseudowissenschaftlichen Reportagen stellt eine herrlich skurrile Collage da, die viel besser funktioniert als der Rest des Filmes. Ganz zum Schluss nimmt das Geschehen noch einen Schwenk, der tatsächlich ein wenig an Cronenbergs Frühwerk Shivers erinnert.
Der Film wirft einige Fragen auf. Zum Beispiel, warum es in Korea offenbar normal ist, dass Leute an Fließbändern dafür bezahlt werden, den Hausmüll anderer Leute zu durchwühlen. Oder ob Kühe tatsächlich mit einem Rechen geschlachtet werden.
Nach alledem fragt man sich nach der letzten Sequenz etwas ratlos, was Brave New World denn überhaupt sein will. Kritik an Medien? Kritik an Massentierhaltung? Kritik am Umgang mit unserem Müll? Kritik an der Gesellschaft und Dekadenz allgemein? Kritik an Klarnamenzwang im Internet? Oder ist der Rote Apfel, mit dem es beginnt und endet, das Symbol für die Versuchung der schönen neuen Welt? Das Bibelzitat am Ende deutet an, dass all das, noch viel mehr und vielleicht auch gar nichts gemeint sein könnte. Vermutlich hat Yim Pil-sung einfach nur 40 Minuten Spaß gesucht und gefunden. Ganz ähnlich fühlte man sich auch bei seinem Debütwerk Hansel & Gretel.
Fassen wir zusammen: Launiger Anfang, Unterhaltsamer Endpart, zu gewöhnlicher Hauptteil – und damit in einer Kurzfilmsammlung eigentlich bestens aufgehoben.

6/10

Heavenly Creature ist der Mittelteil und widmet sich wenig überraschend den alten Fragen, ob Maschinen eine Seele haben können, ab wann künstliche Intelligenz nicht mehr zu unterscheiden ist von menschlichem Gemüt und warum wir Gutes fürchten, wenn es fremd ist. Heavenly Creature versucht von etwas zu erzählen, das wir als gleichwertig ansehen sollten, wenn wir nur einmal unseren per se voreingenommenen Blick in den naiven, nicht vorbelasteten Modus setzen könnten.
Das klingt bis hierhin wenig aufregend, da schon unzählige Male in unzähligen Variationen gesehen. Regievirtuose Kim Ji-woon  gelingt es aber, das Thema nicht kitschig oder sentimental, sondern erfrischend unkonventionell anzugehen und damit in einer noch ganz unverbrauchten Variation darzustellen. Er stellt die richtigen Fragen, erzeugt nur mit Worten große Spannung und setzt sein Werk aus traumhaft schönen, ungewohnt präzisen Bildern zusammen, die aus aufregenden Perspektiven betrachtet werden. Die Farben sind klar und warm, der Kontrast zwischen bebend ruhigem Kloster und stoischem Roboter ist berauschend und die Musik so makellos ausgewählt wie eingesetzt. Kernstück ist natürlich Androide RU-4, der sich bedächtiger bewegt als jeder Mensch, fremdartig, friedlich und unheimlich zugleich wirkt und perfekt komponiert durch den Film führt. Das offensichtliche Design-Vorbild I, Robot wird ab Sekunde 1 uneinholbar abgehängt.
Ein Roboter, der weiß, dass er nur Schraubenprodukt ist, der weiß, dass er repariert werden muss – und dennoch sein Gleichgewicht hat; produziert von einem Wesen, das fürchtet, von seiner eigenen Schöpfung überflügelt zu werden, deswegen das Zeitalter der Computer verflucht und Heil in hektischer Rückwärtsbewegung sucht. Sogar eine Prise Frankenstein lässt sich mit gutem Willen ausmachen.
Abfällig – unnötig abfällig – ausgedrückt, könnte man Heavenly Creature als ‚Laberfilm‘ abstempeln. Es wird geredet, eigentlich wird nur geredet. Allerdings ist es ein Laberfilm mit einem Roboter, der selbst kaum redet, über den dafür aber umso ausschweifender geredet wird – und darum geht es. Um Lebewesen, die zu eigenen Schlüssen fähig sind, über deren Köpfe aber hinweg entschieden wird. Klingt auf diesen Kern runtergebrochen platt, ist in der Ausführung aber mit seltener Eleganz geglückt.

Schade ist lediglich, dass der SF-Film zum Ende hin die Zügel loslässt und ins Pathetische ausbricht. Eine Erhöhung des Tempos – inhaltlich wie stilistisch – hätte es nicht gebraucht. Doch der Moment ist kurz und schnell kehrt wieder dem Tempel angemessene Ruhe ein.
Ein in Summe großartiger, cineastisch wertvoller Film, für den alleine sich der Kauf von Doomsday Book bereits lohnen würde.

8,4/10

In Happy Birthday befindet sich, wie schon im ersten Beitrag, eine große Spitze gegen das Fernsehen – natürlich, denn Selbstreflexivität kommt immer gut an. „Hätten sie auch gerne einen Bombenkeller, können sich aber kein eigenes Haus leisten?“
Eigentlich besteht das Filmchen zu einem Drittel aus Sketchen in Form von absurden Fernsehbeiträgen, die über das nahende Ende der Welt berichten und reichlich viele reichlich unvernünftig handelnde Menschen zeigen. Und das ist überhaupt nicht schlimm. Die Spots sind zwar durchgehend albern, überzeugen aber durch ein schönes Timing, haben funktionierende Pointen und machen den Film so zu einer hübschen Mischung aus purem Unsinn und einer weiteren Art von Unsinn, der aber eine düsterere Stimmung hat.
Die Familie um das kleine Mädchen, das die Apokalypse übers Internet bestellt hat, leidet nämlich ungemein unter der verfahrenen Situation und zeigt, auch durch das Spiel der Darsteller, große Emotion. Ein interessanter Dualismus, den der Film trotz seiner unsinnigen Thematik mit Geschick errichtet.
Technisch ist das Ganze ebenso gut umgesetzt wie der vorangehende Film. Sowohl musikalisch als auch visuell ist Happy Birthday eine Delikatesse. Die optische Eleganz liegt weniger an der Bildkomposition und mehr an der ungewöhnlichen Kameraführung, die nie Langeweile im Bild aufkommen lässt.
Leider ist die Geschichte um die Fernsehbeiträge herum nicht übermäßig spannend und erschöpft sich tatsächlich in der Prämisse der bestellten Billardkugel. Deswegen haben sich zwischendrin immer mal wieder einige Längen einschleichen können. Etwas, das bei grob 40 Minuten Spieldauer eigentlich nicht passieren sollte. Trotz allem auf seine Art empfehlenswert, obwohl der Film zwischen Comedy und seltsamer Familientragik im Bunker häufig desorientiert wirkt und keine der beiden Möglichkeiten voll ausnutzt.

6,9/10

Fazit

Alle Filme sind, wenn auch in unterschiedlichem Grad, sehenswert. Heavenly Creature ist sogar weitaus mehr als nur das.
Drei Filme, zwei Regisseure mit unterschiedlicher Handschrift. Yim Pil-sungs Arbeit ist handwerklich gut, zerfällt aber in zu viele Teile. Kim Ji-woon überzeugt nicht nur mit technischer, sondern auch mit inhaltlicher Raffinesse. Dem Schlussbeitrag Happy Birthday merkt man die Gemeinschaftsarbeit der Beiden in jeder Szene im Guten wie im weniger Guten an.
Was aus diesem Beitrag geworden wäre, wenn Han Jae-rim dem Projekt treu geblieben wäre, lässt sich leider nur raten. Doch auch so ist Doomsday Book – Tag des Jüngsten Gerichts eine schöne Anthologie über die Gründe, weshalb die Welt sich nicht mehr allzu lange drehen wird.