Deadball

Yūdai Yamaguchis Filme können ohne Ausnahme zum Genre der japanischen Splatterkomödie gezählt werden. Die einzige Variation findet auf der Skala zwischen Horror und Klamauk statt, wobei er in der Regel als Autor auftritt. Zu seinem bekanntesten Filmen gehören Versus, Alive, und Meatball Machine. Seine erste Regiearbeit von 2003 namens Battlefield Baseball hat in entsprechenden Kreisen durchaus Kultcharakter. Deadball soll nicht nur thematisch an diesen Erfolg anknüpfen.

Story

Als der junge Jubeh Yakyu mit seinem übermenschlich starken Wurf versehentlich seinen Vater beim Baseballtraining tötet, schwört er, nie wieder diese Wurfpraktik anzuwenden. Jahre später ist Jubeh ein aufsässiger Erwachsener und wird infolge von Selbstjustiz in eine Justizvollzugsanstalt eingewiesen.
Er landet in einem Gefängnis unter der Leitung von Ishihara Enkelin eines deutschen Kriegsverbrechers im zweiten Weltkrieg. Diese wiederum zwingt Jubeh, der von ihr aufgestellten Gefangenenmannschaft beizutreten und mit dieser Baseball zu spielen. Dieses Team höchst unterschiedlicher Spieler tritt in einem Turnier gegen andere Gefängnismannschaften an.
Rasch stellt sich heraus, dass diese Veranstaltungen eine perfide, abgekartete Sache sind.

Kritik

Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass Deadball thematisch direkt an Yudai Yamaguchis Kultnachlass Battlefield Baseball anschließt. Auch hier spielt die Sportart absolut gar keine Rolle, auch hier ist ihre bloße Nennung Auslöser einer Geschichte, die beim leisesten Windhauch in sich zusammenzufallen droht, auch hier die Rechtfertigung für allerhand blutigen Blödsinn.
Für wen ist dieser Film? In erster Linie natürlich für Fans des Regisseurs und seiner Stilverwandtschaft – diese Sorte japanischer Kunstblutalbernheit, wie sie seit Jahrzehnten Hochkonjunktur haben. Wobei, so ganz stimmt das nicht – denn wie so viele aus dieser Sparte setzt Yudai Yamaguchi nicht auf Gallonen roter Farbe, sondern auf Körpersäfte und andere Mensch-Zutaten aus dem Rechner. Und das sieht man. Natürlich sind die Effekte bewusst durchschaubar gehalten, de facto ist es aber sehr selten, dass ein CGI-Blut-Film mit dem Charme liebevoller Handarbeit mithalten kann.
Ansonsten mangelt es dem Drehbuch an kreativen Spitzen eigentlich nicht. In den 99 Minuten steckt so viel Unfug, dass der Film über die volle Laufzeit durchaus bei der Stange zu halten weiß. Am bemerkenswertesten ist dabei, wie viele Gags man um den Hitlergruß herumbauen kann.
Der an Italo-Westerner angelehnte Protagonist Yakyû Jubei hat genügend krude Charaktereigenschaften, um den Film zu tragen – dank dem für diese Filme quasi gepachteten Tak Sakaguchi, der zusammen mit dem Regisseur durch Versus Bekanntschaft erreichte und in gefühlt jedem trashig angehauchten, semi-reflektierten östlichen Unfug mitspielt.
Nun steht und fällt ein solcher Film nicht nur mit seiner Kreativität, sondern auch mit der Qualität seines Humors. Und hier gerät Deadball einige Male ins Straucheln. Denn erst einmal muss gesagt werden, dass kein Witz oder Running Gag wirklich vom Hocker haut, stattdessen gibt es viele passable, einige nette und wenige sehr nette Späße, die primär durch ihr Timing zu überzeugen wissen. Doch ist hier eben auch Platz für Blödeleien, deren Plumpheit auch durch den Reflexivitäts-Stempel nicht aufgewertet werden und bestenfalls die Augen verdrehen lassen, meist aber zum partiellen Verabschieden des Grundinteresses führen.

Fazit

Letztlich ist Deadball natürlich genau das, was man von Yudai Yamaguchi erwartet und vermutlich auch erwünscht. Bewusst schrottiger Splatterblödsinn, der durch zahlreiche Absurditäten zusammengehalten wird und in seiner überhöhten, aber nie völlig abgehobenen Weise auch zu befrieden weiß. Die arg tumben Witze der Marke Flatulenzkadaver werden aber vermutlich nur den ganz harten Kern der Fanbase des Filmemachers zum Jubeln bringen.

Rollerball

William Harrison schrieb 1973 die Kurzgeschichte Rollerball Murder, die im gleichen Jahr im Esquire-Magazin veröffentlicht wurde. Zwei Jahre darauf legte er ein auf ihr basierendes Drehbuch vor, das von Norman Jewison (Jesus Christ Superstar) produziert und verfilmt wurde. Gedreht wurde überwiegend im München und entstanden ist ein einflussreicher Klassiker des Science-Fiction-Films.

But comfort is freedom!

Story

Die Menschen fristen ein Leben in Scheinfreiheit und sind Konzernen zu striktem Dank verpflichtet. Jede Stadt wird von einem bestimmten Konzern regiert und verwaltet.
Gelebt wird von Bürgern der Entwurf, den die Entscheidungsträger vorgeben. In der Freizeit nimmt man Drogen und erfreut sich an oberflächlicher Exzentrik. Wenn sie sich die Herrschenden – die man als normaler Passant nie zu Gesicht bekommt – etwas wünschen, nehmen sie es sich. So verlor Jonathan E. seine Frau. Heute ist er erfolgreicher Rollerballspieler, seit 10 Jahren im Geschäft und der Beste seiner Zunft.
Völlig grundlos und an der Spitze seiner Laufbahn wird er vom für ihn zuständigen Konzern aus dem Team delegiert, und das ausgerechnet vor dem schwierigen Match gegen die für ihre brutale Art berüchtigten Tokioer; ohne Regeln und mit nur begrenzten Auswechslungen. An diesem Punkt fängt der Profispieler an, Fragen zu stellen und für seine Selbstbestimmung zu kämpfen. Doch der Feind ist größer und mächtiger als gedacht. Warum aber hat der Konzern offensichtlich solche Angst vor dem einfachen Sportler?

Kritik

Rollerball ist heutzutage beileibe kein unbekannter Titel und sein Erbe in der Popkultur ist unsterblich. Trotzdem wird der Film kaum noch geschaut, ganz im Gegensatz zu anderen Klassikern, die sich um seinen Jahrgang herum tummeln. Woran das liegt? Vielleicht an Erwartungen. Titel, Beschreibung, Trailer und auch DVD-Cover suggerieren ein trashiges Sportspektakel mit albern angezogenen Spielern und viel Quatsch.
Und ja, man fragt sich schon unwillkürlich, was zwischen Heute und Zukunft geschehen sein mag, dass Nationalhymnen plötzlich nur noch mit Orgel gespielt werden und Schlaghosen es irgendwie geschafft haben, wieder in Mode zu kommen. Aber manchmal geht die Zeit eben sonderbare Wege. Und dann auch noch eine Science-Fiction-Geschichte über Rollschuhfahrer. Stärker in der Vergangenheit verwurzelt kann ein Film über die Zukunft unmöglich sein.
Tatsächlich ist Rollerball aber ein spannender Einblick in Politik und Gesellschaft einer faszinierenden Zukunft. Die titelspendende Sportart ist dabei einerseits nur Randgeschehen und andererseits wider Erwarten ganz und gar nicht trashig und lächerlich in Szene gesetzt.
Da Zuschauer und Protagonist gleichwenig über die wirklich rätselhaften Vorgänge wissen, bleibt die Angelegenheit außerdem ziemlich spannend.

James Caan, kurz vorher durch seine Oscarnominierung für Der Pate bekannt geworden, damals Mitte 30 und heute immer noch im Filmgeschäft, spielt den Rollerballer Jonathan, der selbst Spielball eines viel größeren Spieles ist. Und das tut er ungemein sympathisch. Es ist schwer, den kernigen Sportler nicht zu  mögen. Der ganze Film mit seinem hie und da schon etwas angerostetem Gerüst lastet auf Caans Schultern und sein Spiel trägt dieses Gewicht souverän und scheinbar mühelos.

Die Zukunft selbst wird geschickt dargestellt, indem man es nicht übertrieb mit den futuristischen Auswüchsen. Ein wenig mehr Dekadenz, ein paar veränderte Routinegesten und Angewohnheiten und eben die von Grund auf umgegrabene Gesellschaftsstruktur unter Herrschaft und Schuhsohle raffgieriger Konglomerate. Vieles wird erzählt, aber nicht gezeigt und das hat dem Film beim edlen Altern geholfen. Die einfallsreichste Methode, genau die richtige Menge vom Zukunftsbild erahnen zu lassen, ist eine langsame Kamerafahrt mitten durch eine Partygesellschaft, sodass der Zuschauer bei jedem Personengrüppchen Gesprächsfetzen aufschnappt und Details über die veränderte Welt erfährt. Details, die die Fantasie anregen, ohne visuell verwirklicht werden zu müssen. Das macht die Pseudo-Utopie greifbar und durchaus erschreckend. Androidenverschwörungen, Intelligenzpillen und Operationen jenseits der Erde. All das schafft eine Aura, die für die Geschichte selbst kaum wichtig ist, aber eine dichte Atmosphäre strickt, die in manchem Punkt gar an die mulmige Stimmung eines Philip K. Dick erinnert.

Auch beeindruckt Rollerball mit ein paar hübschen Einfällen. Die Parallelmontage, in der Jonathan zum ersten Mal in die Offensive geht und zeitgleich eine Horde wildgewordener Oberschichtler aus Langeweile und Übermut anfangen, im Rudel durch die karge Natur zu streifen und mit einer Pistole Bäume in Brand zu setzen, ist beeindruckend. Besonders, weil sie zwei Geschehnisse zeigt, die gar nicht so weit voneinander entfernt stattfinden, weshalb das Licht im Verhandlungsraum mit jedem Schuss ein wenig apokalyptischer flackert. Eine tolle und gut umgesetzte Idee.
Dass diese Symbolik nicht unerträglich platt ist, liegt an der sehr stilsicheren, gemäßigten Regie. Und die kommt nicht nur in der Beispielszene zum Tragen, sondern von Anfang bis zum Ende. Ein Film über Rollschuhfahrer, die in ihrer Freizeit Schlaghosen tragen, ist aller offensichtlichen Logik zum Trotz mitreißend und besonders ausgeglichen inszeniert. Hier geht es nicht um das Spiel, sondern um einen einzigen Spieler. Trotzdem ist Rollerball eine Art Sportdrama, weil Jonathan  kaum etwas anderes in seinem Leben hat und sich ganz durch das martialische Spiel definiert. Er kämpft in erster Linie nicht um Wahrheit oder gar Gerechtigkeit, sondern um sich selbst.
Als dann nach etwas mehr als einer Stunde der Kampf gegen Tokio ansteht, verliert der Film leider etwas von seiner beeindruckenden Zeitlosigkeit. Die Darstellung der japanischen Spieler und Fans ist aus heutiger Sicht fragwürdig und auch der Einsatz der im Voraus drohend angekündigten Kampfkünste mutet eher komödiantisch an. Denn die drücken sich vornehmlich darin aus, den Gegner von hinten anzuspringen und sich an ihm festzukrallen. Auch hier siegen aber temporeiche Inszenierung und die mitreißende Stadionatmosphäre. Die mehr oder weniger ’sportlichen‘ Auseinandersetzungn sind nämlich wunderbar spannend und rasant umgesetzt, sodass die wilden Kämpfe trotz anachronistischer Unzulänglichkeiten keine Sekunde peinlich oder langatmig wirken, sondern wirklich mitzureißen wissen.
Kamera und Schnitt sind über jeden Zweifel erhaben und wissen jede Menge Geschwindigkeit in das seltsame Treiben zu bringen. Bei diesem ist es übrigens alles andere als leicht, überhaupt für jemanden zu sein, da beide Teams selbst vor Totschlag nicht zurückschrecken und sich auch sonst nicht gerade fair und freundlich verhalten. Aber das ist die harte Welt von Rollerball, in der Menschenleben nichts wert sind und jeder derart verzweifelt nach Unterhaltung sucht, dass alles andere in ihren Schatten fällt. Und besonders die letzten zwei von insgesamt drei Matches lassen diese menschenverachtende Mentalität der krankhaft hedonistischen Zukunftsgesellschaft auf eindringliche Weise zur Geltung kommen, ohne dass der Holzhammer ausgepackt wird. Vor allem dann, wenn man alt genug ist, um noch zu wissen, wie schwer Rollschuhe sind. Dabei offenbaren sich  zugleich deutlich Parallelen zu Sportveranstaltungen und den Zuständen während dieser in unserer Gegenwart. Auch hier schafft es die gekonnte Regie aber, das Ganze nicht aufgesetzt und billig erscheinen zu lassen. Jonathan ist einem zu diesem Zeitpunkt schon zu sehr ans Herz gewachsen und die Geschichte hat sich zu spannend entwickelt.
Im Anschluss an die Auseinandersetzung mit den Japanern wird es kurz übertrieben Kitschig – der einzige wirkliche ärgerliche Ausrutscher des Filmes. Rollerball scheint dies irgendwie zu wissen, denn in der Szene darauf macht er den Patzer mit Ralph Richardson in der Rolle eines großartig weltfremden Wissenschaftlers wieder wett, der unentwegt über das leider verschollene 13. Jahrhundert schwadroniert.
Was folgt, ist Finale. Und dieses hat ein Ende, das wirkt wie ein Schlag in die Magengrube.

Fazit

Rollerball ist auch heute noch ein überraschend zurückhaltendes und spannendes Filmchen über eine gleichsam interessante wie erschreckende Zukunftsversion. Der Sci-Fi-Film beeindruckt zuvorderst mit seiner ausgeglichenen Regie und dem guten Gleichgewicht zwischen rasant inszenierten Rollschuhkämpfen und der blind tastenden Sinnsuche des Protagonisten.
Nicht so gut wie zeitnah erschienene Klassiker wie Logan’s Run, Andromeda, Alarm im Weltall oder Der Omega-Mann aber trotzdem ein sehenswertes und kurzweiliges Stück Science-Fiction.
Nur über das würdelose 2002er Remake sollte der Mantel des Schweigens ausgebreitet bleiben, da dieser so beispiellos missraten ist, dass er nicht einmal als alberne Verballhornung des Originals durchgehen kann. Auch hierfür hatte William Harrison das Drehbuch geschrieben, weigerte sich nach Sichtung des Resultats jedoch, auch nur Ähnlichkeiten zwischen Film und Buch zu erkennen.