Die Eroberung des Weltalls

Byron Haskin war einer der Tausendsassa goldener Kinozeit. Angefangen als Spezialeffekte-Profi, inszenierte er später Filme wie Die Schatzinsel, Kampf der Welten oder Robinson Crusoe auf dem Mars ebenso wie Folgen für The Outer Limits. Für die erste Star-Trek-Folge überhaupt (The Cage) war er als Produzent zuständig. Seinem Faible für das Spiel mit der optischen Wirklichkeit blieb er dabei immer treu. So ging er mit Der Schatz der Balearen in die Geschichte ein als derjenige, der den ersten Cinemascope-3D-Film überhaupt drehte (und das zu einer Zeit, in der 3D seine Hochphase schon lange hinter sich hatte). Auch in Die Eroberung des Weltalls spielen Illusionen und Effekte eine prominente Rolle.

Invaders? Of what, sir?

Story

Um die Erde rotiert ruhig eine gewaltige Weltraumstation. Sie dient als Stütz- und Ausgangspunkt für den ersten bemannten Weltraumflug zum Mond. Die Konstrukteure unter dem Befehl Samuel Merritts sind ein unterschiedlicher Haufen – und haben zugleich die besten Chancen, aufgrund ihrer Erfahrung im Weltraum auch als Crew für die Expedition zum Erdtrabanten gewählt zu werden. Zwischen der Hoffnung darauf, der Sehnsucht nach der Erde und den entbehrungsreichen Zuständen, die zur Vorbereitung der Mission dienen, sind sie hin- und hergerissen.
Dann erhält Merrit überraschende Order: Er soll aus seiner Crew die fähigsten Männer auswählen. Der Flug soll bereits am nächsten Tag stattfinden. Und: Es geht nicht zum Mond, der Mars ist das neue Ziel

Kritik

Filme haben ein Problem mit dem Alter. Das ist kein Geheimnis. Ganz im Gegenteil, das ist eine öffentliche, seit jeher grassierende Auflassung, die allem, was älter als ein paar Jahre ist, Zeitgemäßheit, Relevanz und letztlich jede Genießbarkeit abspricht. Und das nicht, weil Bildsprache sich schneller entwickelt als gesprochene Sprache (das Gegenteil ist der Fall), sondern weil technischer Fortschritt sich beeilt, unsere Sehgewohnheiten auf sich reiten lässt und die Filme stehen lässt. Statten wir ihnen einen Besuch ab, dann sind wir fernab unserer Gewohnheiten. Einige Filme haben Glück, sie befinden sich gänzlich abseits dieser Route, ihnen haftet das edle Attribut der Zeitlosigkeit an. Die Eroberung des Weltalls ist nicht unbedingt ein solcher Film. Verwunderlich ist das nicht, denn Science-Fiction-Filme sind in diesem schmutzigen Wettbewerb von Natur aus benachteiligt. Nicht nur beziehen sie sich verstärkt in ihrer Realisierung auf zeitgemäße Technik, sie haben sie bzw. ihre gedankliche Weiterführung auch inhaltlich zum Thema und ergreisen deswegen nur allzu oft mit doppelter Geschwindigkeit. Und dann gibt es da noch die unglückseligen Vertreter, welche eine fundamentale technische Innovation imaginieren, die unweit später tatsächlich in die echte Welt einbrechen. Filme, die vor 1968/69 Raumfahrt thematisierten, gehören ohne Zweifel in diese Kategorie. Denn nicht jeder kann so verblüffend authentisch daherkommen, wie Destination Moon.
Der Punkt ist hier aber: Na und? Mit den gleichen Argumenten könnte man auch gegen unzählige Abenteuergeschichten über Seefahrt wettern. Es ist doch eigentlich ein Vorteil: Es gilt, an- und hinzunehmen, dass eine fiktionale Narration natürlich nicht in unserer Welt spielt, sondern in einer anderen, die genauso beschaffen ist, wie es im Film zu sehen ist. Und da gibt es eben Seeungeheuer, unterirdische Städte, Nazis auf dem Mond, Dinosaurier in der Nähe des Erdkerns und bösartige Matriarchinnen in Marspalästen. Unser Anspruch an Realismus ist schädlich – unser Anspruch an Authentizität ist es nicht.
Was hat all das mit Die Eroberung des Weltalls zu tun? Ehrlich gesagt, gar nicht so viel. Es soll nur dafür sensibilisiert werden, dass Filme nicht schlecht sind, wenn sie nicht das abbilden, was wir für Realität halten. Und dass diverse Prä-Mondfahrt-Filme in ihren naiven Vorstellungen und ihren nicht minder naiven, teils tumben Ideen zur Umsetzung der Weltraumbereisung nicht minder gut sein müssen als zeitgenössisches Kino. Letztlich geht es darum, sich Fremde und ihre Gefahren vorzustellen – und natürlich den Menschen, der sich ihr und diesen stellt.

Bei Die Eroberung des Weltalls ist die Sache eigentlich auch gar nicht so problematisch. Die Effekte sind natürlich pappig, aber auch ungemein charmant. Die putzigen Modelle, die bemühten Simulationen von Schwerelosigkeit, der inkonsequente Einsatz von Magnetschuhwerk stören nicht die Illusion, sondern steuern sie: Die Welt da draußen ist befremdlich, merkwürdig, schwer einschätzbar, unheimlich und fremdartig. Besonders die Konfrontation mit einem plötzlich nahenden Kometen setzt hier einen starken Akzent. Und die Darstellung der Fliehkräfte bei 18.000 Meilen pro Stunde ist Gold wert. Wirklich gut gealtert sind dafür einige Designeinfälle. Und dann gibt es noch Situationen wie eine wirklich beeindruckende Raumschifflandung, die damals für offene Münder gesorgt haben dürfte.
Vor allem aber gelingt dem Film der Spagat zwischen Ernst und Heiterkeit, bei dem sich zahlreiche Regisseure bis heute (eigentlich sogar: umso mehr heute) verletzen. Der Pioniergeist, die Lust am Entdecken sorgen hier für nicht direkt für Übermut, aber eine Form von Gelassenheit, die von Übermut rühren mag. Dazu gibt es eine gut abgestimmte Dosis Galgenhumor. Während diese sonderbare Losgelöstheit herrscht, spürt man dennoch eine unterschwellige Unzufriedenheit in der Crew mit ihrer Ausgeliefertheit an die Vorgesetzten, der Nichtwürdigung ihrer Taten und natürlich der eigenen Entfremdung von der Menschlichkeit auf der Erde. Es sind vor allem solche Zwischentöne, die in der Rezeption dieses Filmes damals wie heute zu stark vernachlässigt werden, dabei aber ziemlich bemerkenswert sind. Interessant wird es dann, wenn eine Debatte darüber angestoßen wird, ob der Mensch überhaupt von der Erde runtersollte, ob er nicht in den Weltraum eindringt und sich gegen Gott erhebt. Hier nimmt sich der Film in Sachen Moralität außerordentlich zurück und lässt den allein von seinen Figuren austragen. Gerade so etwas verliert nicht an Aktualität, Begründetheit und Sinn – und ist demzufolge uneingeschränkt sehenswert.
Es ist natürlich alles holprig, häufig auch alles andere als feinsinnig gespielt und manchmal auch unverhohlen pathetisch, das Zusammenspiel all er genannten Komponenten sorgt aber trotzdem dafür, dass Langeweile auf gar keinen Fall aufkommt. Das liegt auch daran, dass in Die Eroberung des Weltalls unglaublich viel passiert, obwohl der Film gerade einmal 78 Minuten dauert.

Auf der anderen Seite stehen teils dümmliche Dialoge, die aber auch ihre guten Momente vorweisen. Gerade zu Anfang stochert Die Eroberung des Weltalls aber schon sehr penetrant in den Zuschauernerven, wenn die Figuren andauernd in den Wir-müssen-dem-Zuschauer-was-erklären,-das-wir-als-Figuren-eigentlich-jetzt-nie-sagen-würden-da-es-für-uns-doch-altbekannt-ist.“-Modus fallen. Was zunächst noch positiv auffällt, ist die Besatzung, die durch einen Asiaten schon vor Star Trek internationale Akzente zu setzen scheint. Dieser Eindruck zerbricht mit beispielloser Härte, als der Film mit rassistischer Breitseite erklären lässt, dass Asiaten ja deshalb so klein seien, weil sie in ihrem Land nicht richtig essen. Und der Asiate, der stimmt zu.

Fazit

Man könnte verkürzt sagen, Die Eroberung des Weltalls ist wie The Martian aus dem Jahre 2015, nur etwas kleiner. Doch auch, wenn das im Grunde zutrifft, wird es doch beiden Filmen nicht gerecht. Byron Haskins Weltraumfilm vor der Weltraumzeit setzt gekonnt eigene Akzente, bearbeitet interessante Fragenkomplexe und überzeugt mit Stimmungsabstufuungen, während in seiner recht kurzen Laufzeit mit den vielen Figuren allerhand geschieht.
Ein paar natürlich in die Jahre gekommene Effekte tun der Freude keinen Abbruch. Ein naiv-rassistisch anmutender Vortrag auf halber Strecke, darstellerischer Durchschnitt und eine etwas gehetzte Erzählweise gilt es vom Sichtungsspaß aber abzuziehen.

 

 

Rick and Morty – Staffel 1

Wie anders sähe die Cartoonwelt ohne die Simpsons aus. Sie waren der erste, initiierende Stein einer Lawine von sogenannten Erwachsenen-Animationsserien, die schließlich ein gewisser Trey Parker gemeinsam mit Matt Stone in Form von South Park endgültig in jene selbstironischen Vulgärgefilde lenkte, die einzig und allein ein volljähriges Publikum als Zielgruppe haben.
Neben Altbekanntem wie Family Guy folgten etliche weitere Epigonen wie z. B. die hinreißend-verstörende Showbiz-Abrechnung Bojack Horseman, aber eben auch zahlreiche Fehlzündungen, die neben immer unflätiger werdendem Humor wenig zu bieten hatten. Rick and Morty ist ein Vertreter dieser Strömung, der nachhaltig aufzeigt, dass diese auch weiterhin beachtliche Blüten treibt.

We’re gonna scam the scammers, Morty. And we’re gonna take ‚em for everything they’ve got.

Story

Familie Sachez hat den ältesten ihres Stammbaums bei sich unterm Dach aufgenommen: Den exzentrischen, egozentrischen, alkoholabhängigen, aber auch unvergleichlich genialen Wissenschaftler und Forscher Rick. Seitdem sind Konflikte zwischen ihm, dem Elternehepaar Beth und Jerry sowie der pubertierenden Summer und dem 14-jährigen, etwas einfältigen Rick an der Tagesordnung. Das liegt nicht nur an dem häufig rücksichtslosen Gebaren des älteren Herren, sondern vor allem dahan, dass dieser Rick zu seinem Sidekick erkoren hat und der Junge ihn treu auf jeder seiner Reisen durch das Weltall, fremde Dimensionen, obskure Parallelwelten und Monsterdärme begleitet und ihm assistiert. So wenden die beiden beinahe fast genauso viele Gefahren von der Erde ab, wie sie heraufbeschwören.

Kritik

Statt weiter an der Derbheitsschraube zu drehen, überzeugt Rick and Morty mit einer hohen Konzentration aus Chaos, sich überschlagenden Ereignissen, pikanten Charakteren und einer all das überziehenden Kreativität, die in den besten Folgen über die volle Laufzeit begeistert. Dabei produzieren die Situationen so viele dicht aneinandergedrängte Witze, dass die weniger gelungenen von den brillanten einfach mitgerissen werden. Die große Bandbreite an Humor, die die Serie schamlos und scheinbar ebenso mühelos abdeckt, ist dabei das Alleinstellungsmerkmal Nummer eins. So ist einer der beiden Protagonisten ständig am Rülpsen und Saufen – woanders wäre das womöglich schon alleine Grund genug, die ganze Serie zu zerstören, bei Rick and Morty hingegen ist das so unerhört überzogen und so konsequent zu Ende gedacht, dass es regelmäßig für Lachlawinen sorgt. Das wirkliche Zugpferd ist demnach der beachtliche Einfallsreichtum, mit der hier pro Folge vorgegangen wird, indem nicht nur auf nichts und niemanden Rücksicht genommen wird, sondern auch gerne mal voraussetzungsreichere Geschichten geschaffen werden. Jede Episode ist voll von großen und kleinen popkulturellen Anspielungen – allem voran zu nennen ist der schier unerschöpflich scheinende Fundus aus cleveren Filmzitaten, die von am Rande auftauchenden Mise-En-Scéne-Referenzen bis hin zum kompletten Nachspielen der Handlung reichen und dabei wirklich so inspiriert und bekloppt eingesetzt werden, dass man das einfach loben muss.
Das beginnt schon bei der coolen, sehr an Doctor Who angelehnten Titelmusik und erstreckt sich über die das Nerdherz höher schlagen lassende Tatsache, dass auch kleinere Klassiker wie Zardoz auf würdigende Weise ihr Fett wegbekommen. Mal nicht die x-te Star Wars– oder Back to the Future-Hommage zu sehen, ist sehr erfrischend. Die Serie schafft es dabei weitestgehend, Zitate nicht um ihrer selbst Willen einzubringen, sondern erfährt mit ihnen immer mindestens eine humoristische Aufhübschung. Natürlich sind nicht alle Folgen so genial wie die besten Vertreter, einige sind nur gut, aber jede hat mindestens ihre kleinen brillanten Momente. Sei es nun in Form einer gescheiten Wendung oder dramaturgischen Entscheidung oder als charmantes Hervorholen eines Elements, das vor einigen Folgen beiläufig eingeführt wurde und nun seinen unerwarteten großen Moment bekommt.
Was man der Serie neben der latent schwankenden Folgenqualität ankreiden könnte, ist die Veranlagung, manchmal etwas zu „meta“ zu sein. Häufig entsteht innerhalb der verstrickten Geschichten dank des angespannten Verhältnisses zwischen Rick und Morty nämlich eine unverhoffte Dramatik, die dem verspielten Durcheinander kurzzeitig eine fesselnd-emotionale Note verleiht. Und in solchen Momenten ist es schon ein wenig schade, wenn eine Figur die vierte Wand durchbricht und mit irgendeiner Blödelei den unerwarteten Ernst, der der Serie gerade als Kontrast blendend zu Gesicht stünde, postwendend wieder relativiert. Aber das ist angesichts des wirklich enormen Unterhaltungswerts der Animationsserie eigentlich Erbsenzählerei.

Fazit

Es handelt sich bei Rick and Morty um eine der Auskopplungen der „Cartoon-Ära der Geschmacklosigkeiten“, die die als „Erwachsenenelemente“ verkauften Anstößigkeiten nie selbstzweckhaft, sondern tatsächlich mit starkem humoristischem Konzept darbieten. Denn nie hat man so viel Liebe für die (Film-)Historie des Science-Fiction-Filmes mit einem solchen Maße an Respektlosigkeit kombiniert gesehen, während sich all das Chaos, das die Figuren verbreiten, sich jedes Mal auch noch zu einer sinnvollen Geschichte entwickelt.
Bleibt zu hoffen, dass die Serie auch in Zukunft genug Einfallsreichtum und Energie aufrechterhalten kann, um den Erfolgskurs beizubehalten.
Im Augenblick ist es schwerlich zu glauben, dass dieser sprudelnde Quell an Ideen unerschöpflich ist. Andererseits steht dem kauzigen Abenteurer-Duo natürlich jede nur erdenkliche Welt offen.

Eolomea

Erstaunlich ist es, was unter der Schirmherrschaft der DEFA alles entstanden ist. Neben famosen Dokumentationen wie Rangierer, Bergmänner oder Wer fürchtet sich vor’m schwarzen Mann gab es auch immer wieder Spielfilme aus dem Filmland DDR, die so überraschend, frisch, wagemutig und schlicht gut waren, dass man meinen könnte, all die Probleme dieses diktatorisch regierten realsozialistischen Staates irgendwo in Mitteleuropa hätten, wenn die Möglichkeit zum künstlerischen Ausgleich gegeben war, die Energien für großes künstlerisches Schaffen freisetzen können.
Unter diesen bemerkenswerten Filmen gibt es (gottseidank) auch Science-Fiction. Einer dieser Handvoll an Genreausflügen ist der poetische Eolomea von Regisseur Herrmann Zschoche.

Anmerkung: Es existiert im Augenblick leider kein angemessener Trailer im Internet, sondern nur eine mäßige Schwarzweiß-Version. Stattdessen gibt es hier die Anfangsszene zu bestaunen.
Er hat noch nie die Flüsse gesehen. Und die Wälder.

Story

Im direkten Umfeld der Raumstation Margot gehen Raumschiffe verschollen. Wieder und wieder. Als das achte Schiff in kürzester Zeit seinen Kontakt zur Erde abbricht, tritt ein Rat zusammen und erteilt ein Startverbot für sämtlichen interstellaren Verkehr. Interessengemeinschaften beharken sich gegenseitig, Theorien werden geboren und direkt wieder verworfen. Niemand hat eine Idee, was hinter dem mysteriösen Abhandenkommen der Schiffe samt Crew stecken könnte.
Dann bricht auch noch der Funkkontakt zur selbst Margot ab. Die Wissenschaftlerin Maria Scholl versucht, das intrigante Durcheinander zu durchschauen und macht sich auf die Suche nach Wahrheit.
Unterdessen, weit entfernt, schlagen sich Kapitän Danial Lagny und sein Lotse Olo Tal auf ihrem Raumschiff in der Nähe eines mit persönlichen Quälereien, Dienst nach Vorschrift und Regelverstößen rum.

Kritik

„Und nie wieder Kosmos! Nie wieder!“, johlt ein Mann und lässt sich rückwärts in die Wellen des Meeres fallen. Schnitt in den Vorspann: Sternennebel und ein Soundgewand, das sich irgendwo zwischen träumerischer Lounge.-Musik, Free Jazz und ein wenig Synthiegedudel austobt.
Was geschieht da? Die DEFA geschieht.

Eolomea fällt, abseits des zu lallenden und trotzdem schlecht einprägsamen Namens, weniger durch Einzeldinge auf als vielmehr durch deren geschickte Kombination. Weltraumfahrt ist an der Tagesordnung, fast täglich scheinen Schiffe jeder Art in die weite, aber auch schrecklich leere Schwärze des Alls aufzubrechen. Die Erde hat einfach nur den Bereich ausweiten können, in dem repetitive Arbeit unter fragwürdigen Bedingungen ausgeführt wird. Wecker stehen auf den Tischen dieser Schiffe und misslingender Funkverkehr quittiert sein eigenes Scheitern mit einem analogen Besetztzeichen. Die Szenenbilder sind teils putzig, die Ausstattung immer überzeugend, bisweilen aber nur gerade so noch glaubwürdig. Dass man nicht aus einem endlosen Geldfüllhorn schöpfen konnte, um den Film zu verwirklichen, ist ohne größere Mühe zu erkennen, aber keinesfalls ein Problem. Denn die Geschichte entspinnt sich nicht in üppigen Prachtbildern, sondern ganz natürlich aus vielen Gesprächen, die in tollen langen Einstellungen fotografiert sind und in erster Linie fantastisch geschrieben sind. Man hängt den Figuren schon in kürzester Zeit gebannt an den Lippen, wenn sie allesamt auf ihre charakteristische Weise Zynismus, Grübelei und Alltagsgeplänkel verbinden und mit philosophischen Exkursen versehen. Auf diese Weise vermittelt Eolomea immer mehr Details über den Zustand der Welt dieser Zukunft, sodass sich nach und nach ein erstaunlich klares Bild von Gesellschaft und politischer Situation ergibt, obwohl man von beidem nur Bruchstücke zu sehen bekam. Das mag trocken oder sogar aufgesetzt klingen, ist aber nichts davon, sondern einfach nur unaufdringliches, sehr angenehmes Konversationskino, das einen nach den ersten Sätzen mitzunehmen weiß.
Dabei springt die Erzählung hin und her zwischen den beiden Freunden Daniel und Olo an Bord ihres Raumschiffs, die eine sehr milde Form von Obrigkeitszweifel praktizieren, und der Erdprotagonistin Professor Maria Scholl, die dem Geheimnis auf den Grund zu gehen versucht. Aber nicht nur räumlich wird ein Spagat vollzogen, auch zwischen Gegenwart und Vergangenheit springt der Film immer wieder hin und her. Damit wird neben weiteren Einblicken in den Alltag und Zustand der Zukunft außerdem auch etwas Urlaubs- und sogar Agentenatmosphäre geliefert, die sich ebenso harmonisch ins Ganze fügt wie der Rest.

Sowohl an der Soundkulisse als auch an der Kameraführung von Günter Jaeuthes entzünden sich hie und da fantastische Ideen und immer wieder blitzen feine inszenatorische Einfälle durch, die das sowieso schon lockere Geschehen mit ästhetischem Fingerspitzengefühl noch weiter auflockern und manchmal sogar ein andächtiges Schaudern hervorrufen.
Das heimliche Highlight des Filmes ist aber ein Kurzauftritt des Roboters Nr. 0560, der nicht nur ein hinreißend provisorisches Aussehen vorzuweisen hat, sondern vor allem auch den insgeheimen Gipfel der sowieso schon alles andere als ironiebefreiten Dialoge erklimmt und darüber hinaus wohlig an Robby aus Alarm im Weltall erinnert.

Fazit

Stimmungsvolle Bilder, spannende Charaktere mit Profil, eine sich schlüssig entfaltende Geschichte und vor allem fantastisch geschriebene Gespräche, die all das zusammenhalte, sorgen auch heute noch für großes Sehvergnügen. . Eolomea ist also  dialoglastiger, aber nicht geschwätziger Science-Fiction-Film mit mutigen Ansätzen in einer gewieft erdachter Welt spielend – das ist tatsächlich etwas, das heute nur schwer vorstellbar ist.

Der Marsianer

Ridley Scott, dank Alien, Blade Runner und Gladiator einer der ganz Großen der Filmgeschichte, hatte es in den letzten Jahren nicht leicht. Robin Hood überflüssig, das Alien-Prequel Prometheus eine Enttäuschung, The Counselor verschmäht und Exodus: Götter Könige ein fast schon wahnwitziger Ausflug in das Reich der Bibel.
Mit Der Marsianer liefert er nun Science-Fiction-Kino, das in vielerlei Hinsicht bemerkenswert ist – wenn auch erst bei genauerem Hinsehen. Die Chance darauf, an Scotts wirklich großen Werke anzuschließen, verwehrt sich der Film letzten Endes aber selbst.

I’m gonna have to science the shit out of this.

Story

Ein plötzlicher Sturm zwingt die Mannschaft der Ares 3, einer bemannten Marsmission, dazu, unplanmäßig die Zelte abzubrechen. Während es alle unbeschadet ins Schiff schaffen, wird Mark Watney von einem Trümmerstück getroffen und weggeschleudert. Alles deutet darauf hin, dass der Astronaut sein Leben ließ, kommunizieren die Anzeigen doch noch, dass sein Anzug bei der Kollision beschädigt wurde.
Schweren Herzens gelingt es der Ares 3 in letzter Sekunde den Mars zu verlassen.
Wie durch ein Wunder überlebt Watney ausgerechnet aufgrund des Trümmerstückes. Als er erwacht, ist er allein auf dem lebensfeindlichen Planeten. Nur eine verlassene Station und er als alleiniger Mensch. Ohne Nahrung, ohne realistische Chance auf Rettung, ohne Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Doch Mark Watney entschließt, zu überleben.

Kritik

Vielleicht ist es ausnahmsweise angebracht, damit zu beginnen, was Ridley Scotts Der Marsianer nicht hat. Außergewöhnlich wird der Film nämlich gerade durch das Fehlen von ansonsten wie selbstverständlich anwesenden Bestandteilen des Science-Fiction-Kinos.
1. Der Marsianer ist keine Dystopie. Es ist Usus, dass in Science-Fiction-Filmen ausgerechnet das Science-Fiction-Element zugleich auch das Problem ist. Der Grund dafür ist die ungeschriebene Regel des Genres, dass unterschwellig Kritik an der Gesellschaft geübt werden soll, indem in der dargestellten Zukunft alle problematischen Aspekte der Gegenwart übersteigert auf das fiktive Zukunftsportrait projiziert werden. Hier jedoch ist die Technik die Umsetzerin von Wundern, macht den Menschen größer, überwindet mit ihm Grenzen. Der Marsianer ist nicht nur keine Dystopie, sondern ganz klar utopisch. Und damit quasi allein auf der weiten Genreflur.
2. Es gibt keine Liebesgeschichte. Wir wissen nicht einmal, ob auf Mark Watney eine Familie wartet. Tatsächlich wissen wir gar nichts über den Astronauten und seine Biographie – wir sehen ihn ausschließlich im Jetzt und ohne soziale Verknüpfung an die Erde. Es geht darum, wie er Probleme in der Gegenwart und nur in der Gegenwart löst. Das unterstreicht noch einmal den – so paradox es klingt – ungewöhnlichen Science-Fiction-Ansatz, nicht auf die Vergangenheit Bezug zu nehmen.
3. Es gibt keinen personifizierten Antagonisten. An dem Problem des Gestrandeten hat niemand Schuld. Es muss keiner bezwungen werden. Auch für dieses Phänomen gilt, dass es nur um die Situation geht, und darum, wie sie gemeistert werden kann. Ein Ansatz, wie er das letzte Mal in klassischen Abenteuerfilmen wirklich en vogue war.

Für das Fehlen dieser drei Punkte darf man den Film bewundern, sollte ihn zumindest achten, stellt er sich doch ohne Anstrengung und Stolz gegen Erzählkonventionen, die bereits so erstarrt sind, dass sie beinahe schon alternativlos erscheinen. Der Marsianer erinnert daran, dass sie es nicht sind und Geschichten sich nicht in diesem vorgegebenen Rahmen aufhalten müssen, um aufregend zu sein.

Wobei es zu viel des Lobes wäre, die Geschichte als aufregend zu bezeichnen. Sie ist nicht langweilig, aber auch fernab von Nervenaufreibend. Primär liegt das an der Figur des Mark Watney, der angesichts dieser Extremsituation niemals verzweifelt, sondern eine beispiellose Frohnatur bleibt, die kein Wässerchen zu trüben in der Lage wäre. Selbst in der aussichtslosesten Lage zuckt der Protagonist mit den Schultern, lässt ein spitzes, schiefes Lächeln aufblitzen und scherzt in die Kamera. Dadurch wirkt der Raumfahrer dann und wann allerdings auch etwas komisch, fast schon beunruhigend mit seiner stoischen, aufs Funktionieren und Weitermachen abzielenden Heiterkeit. Führt man sich vor Augen, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder einen Menschen sehen und nie wieder etwas anderes als Kartoffeln zu sich nehmen wird, dass er alleine auf einem lebensfeindlichen Planeten festsitzt, den Naturgewalten ausgeliefert und unentwegt mit einem Bein im Grab, kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass mit diesem Mark etwas nicht stimmt. Natürlich würde niemand sehen wollen, wie jemand sich in seine Verzweiflung wickelt und 144 Minuten jammert. Seine absolute Gelassenheit, die höchstens mal etwas spöttischen Sarkasmus zulässt, verhindert in vielen Momenten aber auch das Gefühl tatsächlichen Ernstes.
Vor allem deshalb wird Der Marsianer gerne als Wohlfühlfilm bezeichnet. Ein Road-Movie, das Positivität ausstrahlt und nebenbei eine Geschichte darüber erzählt, wie großartig menschlicher Wille und Artefakt zusammen arbeiten können. So ganz geht das aber nicht auf. Warum das so ist, liegt dafür an zwei weiteren Dingen, die fehlen.
1. Es fehlt eine Exposition. Es vergehen keine fünf Minuten, bis Mark Watney nach einer intensiven Actionsequenz, die im Film solitär bleibt, alleine auf dem roten Planeten ist und die Weichen allesamt gestellt sind. Anfangs lässt sich der Film einfach gar keine Zeit. Das hat seine Vorteile, gibt der ganzen Geschichte aber auch einen merkwürdigen Rhythmus, mit dem ihr Rest einfach nicht harmoniert.
2. Es fehlt an pittoresken Marspanoramen. Das als Mangel zu bezichtigen, mag etwas krude wirken, doch hätte genau das dazu beigetragen, Der Marsianer tatsächlich zu Ridley Scotts erstem Wohlfühlfilm zu machen. Gemeint sind nicht einfach irgendwelche hübschen Bilder, sondern ein Mut zu Ruhe in der Erzählung. Ein Mark Watney, der nicht nur aktionistisch wie optimistisch Probleme angeht, sondern auch mal ehrfürchtig in der monumentalen Präsenz eines fremden Planeten erstarrt, mutterseelenallein, aber umgeben von Wundern. Dass es das Potenzial dafür gibt und es vielleicht auch mal eine entsprechende Absicht gab, deutet sich manchmal an, wenn im Hintergrund etwa Windhosen über eine Ebene wandern oder ferne Gebirge einen Eindruck von Erhabenheit vermitteln. Aber das ist immer nur Kulisse hinter dem arbeitsamen Überlebenskünstlers. Sähe man ihn auch einmal innehalten, die Schönheit aufsaugen, den Mars kennenlernen, hätte das nicht nur dem Grundgefühl des Filmes gut getan, sondern auch seinen Charakter sinnvoll erweitert.
So spielt sich die Handlung zwar auf dem Mars ab, der Mars selbst spielt aber keine Rolle als Ort mit all seinem Potenzial, all seiner Faszination.

Warum gerade diese beiden Punkte fehlen, kann nur gemutmaßt werden. Eine naheliegende Vermutung: Ein Film über ein so lebensgefährliches wie einmaliges Abenteuer völlig ohne konventionelle Konflikte erschien dem Studio (oder Scott?) wohl doch zu gewagt. Deswegen finden Probleme in die Handlung Einlass, die mit der eigentlichen Kerngeschichte nichts zu tun haben und zu alledem auch noch etwas konstruiert und teilweise sogar völlig unlogisch sind. Der Crew von Ares 3 nicht mitzuteilen, dass der Zurückgelassene am Leben ist, obwohl man bereits seit vollen drei Monaten weiß, dass er sich auch erfolgreich selbstversorgen kann, ergibt auch unter dem Vorwand, dass dies ihre Konzentration bei der Rückkehr stören könnte, keinerlei Sinn. So treten als Ersatz-Antagonisten dann doch ein paar halsstarrige Schlipsträger die Bühne, doch im Prinzip haben sie dort nichts zu suchen und bereichern den Film bestenfalls marginal. Da das Zusammenspiel zwischen Mars- und Erdenschauplatz ansonsten überraschend gut funktioniert, fällt dies umso stärker auf, weil es unnötig am Tempo knabbert und das eigentlich Interessante blockiert. Vor allem aber: Hätte man darauf verzichtet, wäre genügend Raum für eine längere (bzw. überhaupt eine) Einführung und, noch wichtiger, für ein paar kontemplative Momente des Marsbewusstseins gewesen.

Fazit

Dass Der Marsianer strukturell ein Science-Fiction-Film außer der Reihe ist, ist besonders deshalb bemerkenswert, weil er selbst keine große Sache daraus macht. Dadurch, dass die Komponenten Gegenspieler und Liebesnot keine Rolle spielen, hat der Film in der Theorie alle Zeit der Welt, sich ganz auf das extraordinäre Abenteuers des Pioniers zu konzentrieren. Praktisch lässt sich Scotts Romanverfilmung leider ein paar Chancen entgehen, den Film zu etwas wirklich Außergewöhnlichem zu machen.
Trotzdem ist Der Marsianer ein erfreulich technikfreundlicher Ausflug geworden, der die Zukunft ausnahmsweise nicht als Zeit des Schreckens darstellt, sondern als eine, in der die Menschheit von ihren Errungenschaften auch profitiert. Matt Damon spielt – und dass man das mal schreiben würde, wäre vor 10 Jahren undenkbar gewesen – gewohnt gut und passt ausgezeichnet in die nicht ganz einfache Rolle des Verlassenen.