The Time to Die

Das Jahr 1970 war ein wunderliches Jahr für Kinogänger. Der Bruch zwischen zwei Zeiten war spürbar – besonders im europäischem Film. The Time to Die von André Farwagi ist ein Paradebeispiel hierfür mit seiner träumerischen Eleganz, eine durch und durch komische, verwunschene Welt darzustellen.

A film can be destroyed. Not this one.

Story

Ein Mädchen flieht zu Ross vor einer unbekannten Gefahr, verliert die Kontrolle und stürzt. Aus ihrer Hand löst sich eine Filmrolle und kullert davon, bis sie direkt neben dem im Wald ein Nickerchen machenden Leibwächter von Max Topfer liegenbleibt.
Was darauf zu sehen ist, ist mehr als verstörend: Max Töpfer wird von einem Unbekannten in einem seiner Räume erschossen. Doch Max Töpfer lebt und die Filmrolle selbst scheint nirgends registriert. Auch das verunfallte Mädchen ist mehr Rätsel als Hilfe. Nach ihrem Sturz scheint sie an partieller Amnesie zu leiden, weiß aber noch genau, dass sie im Domizil von Max Töpfer wohnt und scheint es auch bestens zu kennen. Nur wurde sie noch nie zuvor von Töpfer oder einem seiner Untergebenen gesehen.
Das vermeintliche Opfer ist wie besessen von dem mysteriösen Filmdokument und macht sich an die Analyse – bis mit dem wohlhabenden Firmeninhaber Hervé Breton der auf dem Band zu sehende Mörder identifiziert ist und mit der unmöglichen Aufzeichnung konfrontiert werden soll.

Kritik

Anna Karino, die schöne Dänin, die als Muse Jean-Luc Godards große Bekanntheit erlangte und in zahlreichen seiner erfolgreichsten Filmen mitspielte, hat im Laufe ihres Lebens schon so einiges gemacht – sie war erfolgreich auf der Theaterbühne, am Mikrofon, auf dem Regiestuhl, an der Schreibmaschine und so fort. Bis zum heutigen Tage. Da ist es von fast schon zwingender Notwendigkeit, dass manche ihrer Arbeiten in Vergessenheit geraten. Dass wiederum andere aber nie, auch nicht zur Zeit ihres Erscheinens, einem größeren Kreis von Leuten bekannt waren, ist hingegen schon ungewöhnlich. Gerade dann, wenn es sich um einen französischen Film handelt, der außerdem auch noch Größen wie Bruno Cremer und Jean Rochefort in den Hauptrollen vorzuweisen hat. The Time to Die ist aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz ein solches Phänomen. Dass Regisseur André Farwagi ansonsten kaum etwas und vor allem nichts Besonderes gemacht hat, kann zum Teil als Erklärung dienen – jedenfalls so lange, bis man sieht, was der Regisseur hier Bemerkenswertes geleistet hat. Doch der Reihe nach.
The Time to Die scheint in einer nicht näher definierten Zukunft zu spielen, macht aber keine große Sache daraus. Neben einigen Apparaturen ist es vor allem, ein bläulicher Kopf von beunruhigender, an klassische Aliens erinnernder Form auf einer Leinwand in der Villa des Protagonisten, der Zukünftiges markiert. Und dieses merkwürdige Artefakt vereint alle Sonderbarkeiten in sich, die auch den Rest der Welt ausmachen. Seine Herkunft und Beschaffenheit: Ungeklärt und auch nicht zu hinterfragen. Seine Disziplin: Rationalität. Füttert man ihn mit Informationen, vermag er es, Lösungen und Wahrscheinlichkeiten auszurechnen. Dabei scheint er aber nicht bloße Maschine zu sein, sondern hat durchaus Züge eines eigenständigen Charakters. Zugleich scheint Max Topfer dieser Entität ausgeliefert, übergibt er doch jede neue Information sofort an das blaue Orakel und überlässt diesem den Großteil der Kombinationsarbeit. Wieso es auf einem Bildschirm zu sehen ist, ob es nur ein Programm, ein Avatar oder ein tatsächlich irgendwo real lebendes Wesen ist, man weiß es nicht. In vielerlei Hinsicht präsentiert der Film nur einen hermetisch abgeriegelten Mikrokosmos, der als geschlossenes System funktioniert, in das nichts unkontrolliert ein- oder ausdringen kann.
Max Topfer, der mafiös anmutende, exzentrische Patriarch des abgelegenen Anwesens, umgibt sich mit einer Heerschar aus Leibwächtern und scheint in der Welt eine Legende zu sein – als und für was genau, erfährt der Zuschauer aber bestenfalls indirekt. Die von Bruno Cremer geliehene Mimik und Körpersprache erinnern an die italienische Schauspiellegende David Hemmings und verleihen der unnahbaren Figur Charisma, Gefühl, Eleganz und große Ausstrahlung, sodass sie in allem, was sie tut, interessant wirkt.
Der ihm entgegenstehende Hervé Breton wird gleichsam als kühler Herrscher über sein kleines Reich dargestellt, nur dass er in der totalen Öffentlichkeit und nicht in der totalen Abgeschiedenheit lebt. Als Kopf seiner Firma, aufgebaut durch das Geld seiner Frau, wirbt er für die Art von Urlaub, die Max in seinem ausgegrenzten Walddomizil rund um die Uhr hat. Er ist ein abgeklärter Geck und Dandy, den in seiner wohltemperierten Arroganz kaum etwas aus der Fassung zu bringen scheint. Das Aufeinandertreffen der beiden markanten und zugleich undurchsichtigen Figuren, von denen sich ein jeder auf unbekanntes, unheimliches Gebiet begibt und dort verletzlich macht, ist unaufdringlich und gelassen inszeniert, wirkt dadurch aber nicht minder spannend.
Das führt zum Herzstück von The Time to Die – die lupenreine, glasklare Inszenierung, die, auch aufgrund ähnlicher Ausgangssituation und Verortung, an Gialli aus eben jener Zeit oder die elegantesten Neo-Noirs erinnert. Die Bildsprache der Kamerabilder Willy Kurants ergibt zusammen mit dem klugen Schnitt eine Stimmung, die den Film vor allem besonders macht. Die durch kleine Einrichtungsdetails und Kameraeinstellungen immer etwas fremdartig wirkenden Räume, die Natur außerhalb des Anwesens, in welcher dem Zuschauer nie klare Orientierungspunkte gegeben werden, die tänzerischen Bewegungen der Figuren – all das wirkt die ganze Zeit über wie ein merkwürdiger Traum. Dass es sich bei The Time to Die um einen dieser Filme handelt, die sich durch die Filmrolle als MacGuffin stark selbstreferenziell sind, verstärkt diese Wirkung beträchtlich. Da ist es fast schon passend, dass der eigentliche Plot fast schon egal ist – wohin all das führt, wie es aufgelöst wird, all das ist im Großen wenig befriedigend und zum Glück auch gar nicht so wichtig. Es ändert nichts an der mysteriösen Ausstrahlung, dem unheimlichen Fatalismus hinter allem und der Schönheit der einzelnen Elemente.

Fazit

The Time to Die ist ein weiteres obskures Relikt aus dem Frankreich der 70er – und wie so viele andere dieser Relikte so unbekannt wie schwer zu bekommen. Doch die Suche lohnt sich. Belohnt wird man nämlich mit einem Film, der sich in eine diffuse Lücke zwischen Science-Fiction, Mystery und Krimi setzt, sich von Anfang bis Ende wie ein aufregender Traum anfühlt und einen allein durch die Stimmung so geschickt mitnimmt, dass der verhältnismäßig dünne Plot (vor allem durch die Augen der Gegenwart) zur totalen Nebensächlichkeit verkommt.

Eolomea

Erstaunlich ist es, was unter der Schirmherrschaft der DEFA alles entstanden ist. Neben famosen Dokumentationen wie Rangierer, Bergmänner oder Wer fürchtet sich vor’m schwarzen Mann gab es auch immer wieder Spielfilme aus dem Filmland DDR, die so überraschend, frisch, wagemutig und schlicht gut waren, dass man meinen könnte, all die Probleme dieses diktatorisch regierten realsozialistischen Staates irgendwo in Mitteleuropa hätten, wenn die Möglichkeit zum künstlerischen Ausgleich gegeben war, die Energien für großes künstlerisches Schaffen freisetzen können.
Unter diesen bemerkenswerten Filmen gibt es (gottseidank) auch Science-Fiction. Einer dieser Handvoll an Genreausflügen ist der poetische Eolomea von Regisseur Herrmann Zschoche.

Anmerkung: Es existiert im Augenblick leider kein angemessener Trailer im Internet, sondern nur eine mäßige Schwarzweiß-Version. Stattdessen gibt es hier die Anfangsszene zu bestaunen.
Er hat noch nie die Flüsse gesehen. Und die Wälder.

Story

Im direkten Umfeld der Raumstation Margot gehen Raumschiffe verschollen. Wieder und wieder. Als das achte Schiff in kürzester Zeit seinen Kontakt zur Erde abbricht, tritt ein Rat zusammen und erteilt ein Startverbot für sämtlichen interstellaren Verkehr. Interessengemeinschaften beharken sich gegenseitig, Theorien werden geboren und direkt wieder verworfen. Niemand hat eine Idee, was hinter dem mysteriösen Abhandenkommen der Schiffe samt Crew stecken könnte.
Dann bricht auch noch der Funkkontakt zur selbst Margot ab. Die Wissenschaftlerin Maria Scholl versucht, das intrigante Durcheinander zu durchschauen und macht sich auf die Suche nach Wahrheit.
Unterdessen, weit entfernt, schlagen sich Kapitän Danial Lagny und sein Lotse Olo Tal auf ihrem Raumschiff in der Nähe eines mit persönlichen Quälereien, Dienst nach Vorschrift und Regelverstößen rum.

Kritik

„Und nie wieder Kosmos! Nie wieder!“, johlt ein Mann und lässt sich rückwärts in die Wellen des Meeres fallen. Schnitt in den Vorspann: Sternennebel und ein Soundgewand, das sich irgendwo zwischen träumerischer Lounge.-Musik, Free Jazz und ein wenig Synthiegedudel austobt.
Was geschieht da? Die DEFA geschieht.

Eolomea fällt, abseits des zu lallenden und trotzdem schlecht einprägsamen Namens, weniger durch Einzeldinge auf als vielmehr durch deren geschickte Kombination. Weltraumfahrt ist an der Tagesordnung, fast täglich scheinen Schiffe jeder Art in die weite, aber auch schrecklich leere Schwärze des Alls aufzubrechen. Die Erde hat einfach nur den Bereich ausweiten können, in dem repetitive Arbeit unter fragwürdigen Bedingungen ausgeführt wird. Wecker stehen auf den Tischen dieser Schiffe und misslingender Funkverkehr quittiert sein eigenes Scheitern mit einem analogen Besetztzeichen. Die Szenenbilder sind teils putzig, die Ausstattung immer überzeugend, bisweilen aber nur gerade so noch glaubwürdig. Dass man nicht aus einem endlosen Geldfüllhorn schöpfen konnte, um den Film zu verwirklichen, ist ohne größere Mühe zu erkennen, aber keinesfalls ein Problem. Denn die Geschichte entspinnt sich nicht in üppigen Prachtbildern, sondern ganz natürlich aus vielen Gesprächen, die in tollen langen Einstellungen fotografiert sind und in erster Linie fantastisch geschrieben sind. Man hängt den Figuren schon in kürzester Zeit gebannt an den Lippen, wenn sie allesamt auf ihre charakteristische Weise Zynismus, Grübelei und Alltagsgeplänkel verbinden und mit philosophischen Exkursen versehen. Auf diese Weise vermittelt Eolomea immer mehr Details über den Zustand der Welt dieser Zukunft, sodass sich nach und nach ein erstaunlich klares Bild von Gesellschaft und politischer Situation ergibt, obwohl man von beidem nur Bruchstücke zu sehen bekam. Das mag trocken oder sogar aufgesetzt klingen, ist aber nichts davon, sondern einfach nur unaufdringliches, sehr angenehmes Konversationskino, das einen nach den ersten Sätzen mitzunehmen weiß.
Dabei springt die Erzählung hin und her zwischen den beiden Freunden Daniel und Olo an Bord ihres Raumschiffs, die eine sehr milde Form von Obrigkeitszweifel praktizieren, und der Erdprotagonistin Professor Maria Scholl, die dem Geheimnis auf den Grund zu gehen versucht. Aber nicht nur räumlich wird ein Spagat vollzogen, auch zwischen Gegenwart und Vergangenheit springt der Film immer wieder hin und her. Damit wird neben weiteren Einblicken in den Alltag und Zustand der Zukunft außerdem auch etwas Urlaubs- und sogar Agentenatmosphäre geliefert, die sich ebenso harmonisch ins Ganze fügt wie der Rest.

Sowohl an der Soundkulisse als auch an der Kameraführung von Günter Jaeuthes entzünden sich hie und da fantastische Ideen und immer wieder blitzen feine inszenatorische Einfälle durch, die das sowieso schon lockere Geschehen mit ästhetischem Fingerspitzengefühl noch weiter auflockern und manchmal sogar ein andächtiges Schaudern hervorrufen.
Das heimliche Highlight des Filmes ist aber ein Kurzauftritt des Roboters Nr. 0560, der nicht nur ein hinreißend provisorisches Aussehen vorzuweisen hat, sondern vor allem auch den insgeheimen Gipfel der sowieso schon alles andere als ironiebefreiten Dialoge erklimmt und darüber hinaus wohlig an Robby aus Alarm im Weltall erinnert.

Fazit

Stimmungsvolle Bilder, spannende Charaktere mit Profil, eine sich schlüssig entfaltende Geschichte und vor allem fantastisch geschriebene Gespräche, die all das zusammenhalte, sorgen auch heute noch für großes Sehvergnügen. . Eolomea ist also  dialoglastiger, aber nicht geschwätziger Science-Fiction-Film mit mutigen Ansätzen in einer gewieft erdachter Welt spielend – das ist tatsächlich etwas, das heute nur schwer vorstellbar ist.

Squirm – Invasion der Bestien

Squirm – Invasion der Bestien brachte es als B-Horrorfilm zu bescheidenem Ruhm in der goldenen Ära des Tierhorrors. Es handelt sich um den ersten abendfüllenden Spielfilm des Amerikaners Jeff Liebermann, der später mit Blue Sunshine und Just Before Dawn seinen Hang zu speziellen Prämissen und Lokalitäten nachdrücklich unterstrich. Nach einer langen Pause war sein letzter Beitrag zum Horrorgenre das Späßchen Satan’s Little Helper. Wie die meisten seiner Filme brachte auch dieser es nur zu einer kleinen, aber umso überzeugteren Anhängerschaft.

There’s a lot of spaghetti here.

Story

Das begehrte Kleinstadt-Mädchen Geri Sanders hat sich ihren neuen Freund Mick ausgerechnet in der großen Stadt gesucht. Als dieser zu Besuch kommt, eckt er mit seiner Manier sofort bei einigen der weniger toleranten Bewohner des Kaffes Fly Creek an. Das wurmt Mick, der sich neben ignoranten Gesetzeshütern und Dorfklischees verkörpernden Nebenbuhlern zusätzlich mit einer Invasion von Menschenfleisch liebenden Würmern rumschlagen muss, welche die Stadt in Schrecken versetzen, nachdem ein schweres Unwetter dazu führte, dass einige Hochspannungsmasten ihre zu transportierende Energie in die Erde umleiteten.

Kritik

Hauptdarsteller Don Scardino spielt einen Horror-Protagonisten der besonderen Art, welcher nicht durch (männlich-starke oder weiblich-blickfangende) Körperlichkeit auffällt, sondern viel eher in die Klasse des durchschnittlichen Nerds fällt, der ein wenig weltfremd, keineswegs auf gewohnte Wiese attraktiv und noch weniger heroisch daherkommt. Dies ist besonders bemerkenswert, da das Bild des Strebers in den 70ern bekanntermaßen keinesfalls so gut war, wie es heute der Fall ist. Sein irgendwie befangenes Spiel passt zu dieser unkonventionellen Figur, sorgt aber auch für eine unüberbrückbare Distanz zwischen ihm und Zuschaue. Den Part größerer Körperpräsenz übernehmen der wie ein bockiger Collegestudent aussehende und agierende Redneck-Sheriff, welcher in der Geschichte lediglich die Aufgabe hat, sehr aufbrausend zu sein, und der mit ihm um die Herzensdame buhlende Roger Grimes, dessen Spiel mit Abstand am deutlichsten in Erinnerung bleiben dürfte. Mit Liebe zum Stumpfsinn mimt er den tumben Hinterwäldler, der Frauen mit seinem sorgsam geformten Oberkörper um den groben Finger wickelt, dabei aber weder denken noch vernünftig sprechen kann. Auf sein Konto gehen die meisten Lacher und er ist – neben den Würmern, versteht sich – auch der beste Grund, sich Squirm zu Gemüte zu führen. Dies war die einzige Rolle, die R.A. Dow je innehatte, und womöglich ist hier ein kleines Talent verschüttgegangen. Patricia Pearcy als das zu erobernde Mädchen fällt erwartungsgemäß gar nicht auf, was aber auch an ihrer Rolle liegen wird, die sich vornehmlich dadurch auszeichnet, ausgesprochen leicht eroberbar zu sein.
Die Würmer selbst sind, wenn sie denn mal auftauchen, ein ordentlicher Blickfang, der für das ein oder andere Ekelgefühl sorgen mag. In der breiten Masse sind sie ein fast schon surreal anmutender Teppich aus wabernden Schnüren, der wie ein ganz eigenes großes Wesen wirkt, das mehr ist, als seine kleinen Leiber. Das sind einprägende, effektive Bilder, doch haben die schmierigen Fleischfresser ihren ganz großen Auftritt erst ganz zum Schluss. Von einer anderen Szene abgesehen, tauchen sie sonst fast nur einzeln und darüber hinaus sehr selten auf. Als singuläre Fressmaschinen wirken die Tiere aber nur mäßig beängstigend und führen so eher die Figuren mit ihren teils etwas willkürlich anmutenden Handlungsdrängen vor. Erwähnenswert ist aber die Inszenierung der wirbellosen Gesellen, denn es handelt sich bei ihnen um unerklärlich geräuschvolle Würmer, die bisweilen käferartige Laute beim Bewegen von sich geben, ab und an aber auch einfach mal mit großer Bedrohlichkeit im Chor kreischen.
Damit ist Squirm eigentlich mehr skurriles Drama zwischen wunderlichen Menschen als Tier- oder Natur-Horrorfilm.
Auch die musikalischen Qualitäten sind ein Wechselbad, das einem in dieser Art nur selten widerfährt. Mal tölpelt ein Lied völlig unpassend über eine Szene und sorgt für eine Befremdung, die nur mit sehr viel Anstand und Wohlwollen noch als positiv zu werten ist, an anderen Stellen funktioniert die nicht immer nachvollziehbare Wahl der Musiktitel aber auch ganz gut. Ihren Höhepunkt erreicht diese Eigenart zweifelsohne mit dem Abspannlied, das – selbst wenn man auf durch diesen Text vorbereitet ist – einen gar nicht anders als völlig kalt erwischen kann.
Technisch gibt sich der Film eigentlich keine Blöße – die wenigen Effekte funktionieren gut und das erwähnte Finale beeindruckt gar mit ungeahnt dichtem Masse-Terror (in Ermangelung eines Äquivalents zu ‚Schwarm‘). Liebermans Regie ist gut, verträgt sich aber nicht immer mit dem ebenfalls von Lieberman geschriebenen Drehbuch.

Fazit

Die kuriose Figurenkonstellation und das eigenwillige Kleinstadt-Drama sind nicht leicht zu mögen, auch wenn man dem Konzept eine gewisse Liebenswürdigkeit nicht absprechen kann. Neben ein paar gelungenen Lachern spricht vor allem das hypnotische Finale für Squirm, dessen Prämisse etwas in die Irre führt.

Zardoz

Nachdem das britische Film-Urgestein John Boorman mit Point Blank bekannt und bevor es mit Excalibur berühmt wurde, kam unter Anderem Zardoz. Sean Connery versuchte, das James Bond-Image, das die meisten Darsteller des Geheimagenten für ihre ganze restliche Karriere markiert, mit einer Rolle abzulösen, die sich in jeder Beziehung vom adretten Doppel-Null-Agenten unterscheidet.

The gun is good, the penis is evil.

Story

Im Jahre 2293 streifen barbarische Horden über die brache Erde und schlachten im Namen ihres zornigen Gottes Zardoz, der als gewaltiger fliegender Steinkopf durch die Landen schwebt, die Schwächeren ab. Die Brutalen werden sie genannt und dienen ihrem Gott in der Hoffnung, nach dem Tod Einlass in die sagenhafte Vortex zu bekommen, um dort ein paradiesisches Dasein zu führen.
Als der numinose Schädel wieder einmal zu seinen Jüngern spricht, schleicht sich der erbarmungslose Zed in sein Inneres und erschießt eine Person, die sich im Vorspann als ein Magier vorgestellt hat, der die Protagonisten manipuliert.
Über den schwebenden Kopf gelangt er in die Vortex, wo er die Ewigen antrifft. Menschen, die den Tod überwunden haben und in einer utopischen Gemeinschaft existieren, die von dem Supercomputer Tabernakel verwaltet wird. Der auf seine Instinkte reduzierte Schlächter stößt auf eine Gesellschaft, die sich der Instinkte längst entledigt hat – und trotzdem in vielerlei Hinsicht grausamer ist als die Bewohner der Außenwelt.
Während Zed, von den misstrauischen Ewigen als spannendes Versuchsobjekt angesehen, nach und nach das Leben in der Vortex kennenlernt, erfährt er schnell, dass auch die Unsterblichen nicht ohne Sorgen sind.

Kritik

Gerade mal eine Million Dollar hat das Spektakel gekostet. Ein Fünftel davon strich Sean Connery für seine Gage ein. Trotzdem reichten die verbliebenen Kröten aus, zwei Sci-Fi-Welten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, auf die Leinwand zu zaubern.
Im Außenbereich regieren die Barbaren, die mit antiken Schusswaffen auf Pferderücken die Order ihrer strengen Gottheit umsetzen. Obwohl quasi im Vorgarten von Boorman, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in einer Person, gedreht wurde, wirkt die verwilderte Welt grimmig, erbarmungslos und fremdartig. Dass das Geld sogar so knapp war, dass den Statisten die Kostüme im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leib gemalt werden mussten, fällt auch dann nicht auf, wenn man in Besitz dieser Information ist. Obwohl der Film mit einem fliegenden Menschenkopf beginnt und direkt mit einem fliegenden und Gewehre kotzenden Steinkopf weitergeht, wirkt er nie unfreiwillig komisch. So falsch dieser Satz auch klingen mag.
Selbst Connery, der wie eine verbotene Mischung aus Danny Trejo und Sacha Baron Cohen aus Borat aussieht, spendet dem Werk durch seine brodelnde Präsenz einen tiefsitzenden Ernst und lässt die schrägen Geschehnisse und finanziellen Notbehelfe des Filmes in ihrer Ganzheit einfach richtig erscheinen. Eigentlich existiert in Connerys Spiel nur passive Irritation und unbändige Wut und nichts dazwischen, doch imponiert der Schotte in jeder Szene durch sein bloßes Auftreten.
Sobald der wortkarge Protagonist dann einen Fuß in die Vortex gesetzt hat, sieht man dem Science-Fiction-Film die begrenzten Mittel zwar stellenweise an. Zum einen hat die bühnenhafte Treiben aber eine ganz eigene Atmosphäre und zum anderen wird das schräge Filmkonzept mit bissigem Ernst rübergebracht, sodass man nach kurzer Zeit vergessen hat, ein eigentlich nur semiprofessionelles Filmset zu bestaunen, weil die dichte Welt einen verschlungen hat.
Auch sonst nimmt sich Zardoz jede Menge vor. Während der Film zeigt, wie sich der Exterminator Zed (der sicherlich nicht zufällig wie der letzte Buchstabe des Alphabets heißt) inmitten von Menschen wiederfindet, die eine Stufe erreicht haben, die Fortpflanzung, Schlaf und selbst den Tod nicht mehr benötigt, wartet er nicht nur mit einigen Überraschungen auf, sondern hat auch auf der Metaebene einiges zu sagen.
Die vielen ätherischen Szenen, das verstörende Verhalten der Ewigen und die pure Dekadenz ihrer Gesellschaft bieten in der  Zusammenstellung einige unaufdringliche Denkanstöße, ohne je belehrend zu sein. Da Zed selbst kaum als Identifikationsfigur dienen kann, fühlt man sich als Zuschauer ebenso hilflos in das unverständliche Treiben hineingeworfen wie er selbst. Bemerkenswert ist dabei seine Charakterentwicklung, die geschmeidig drei grundverschiedene Etappen abklappert, ohne dabei aufgesetzt zu wirken – auch  hier wieder Dank an die Schauspielkünste von Connery, der mit Zed die vielleicht anspruchsvollste Rolle seiner Karriere hatte. Wie sich der gewissenlose Wilde plötzlich selbst als Opfer wiederfindet und wie ein Tier gehalten wird, das römisch anmutenden Ausschweifungen beiwohnt, um sich später zum Erlöser aufzuschwingen, wird dem ungeschliffen Wesen seiner Figur zum Trotz mit viel Feingefühl dargestellt.

Gerade zum Rad schlagenden Ende hin pfeift der Film auf konventionelle Erzählschemata und das breite Publikum und fährt ein furioses wie hypnotisches Finale mit viel Schauwert und Tiefgang auf, ohne den  aufmerksamen Betrachter dabei vollständig alleine zu lassen. Anfangs wirkt die Geschichte noch etwas höhepunktlos und besticht hauptsächlich durch schöne Bilder, doch etwas später wird klar, dass Zardoz sich etwas weiter wagt, als man anfangs vermutet.
Die Geschichte über Menschen, die auf dem Weg der Vervollkommnung irgendwo falsch abgebogen sind und sich in ihrem Überfluss eigentlich nichts sehnlicher wünschen, als endlich sterben zu können, bietet gerade im Mittelpart viele unheilvolle Szenen, in denen die Vortex oftmals wie eine gescheiterte Kommune wirkt. Tragische Elemente und purer Wahnsinn reichen sich die Hand und ergeben zusammen ein einzigartiges Portrait, das durch philosophische Versatzstücke und einfallsreiche Science-Fiction-Spielereien perfektioniert wird.
Zardoz ist ein farbenfrohes Mahnmal für eine Gesellschaft am Scheideweg, ein verstörend präziser Ausblick auf das, was wir heute in gewissem Sinne sind, nebenbei etwas oberflächliche Religionskritik und dabei in jeder Minute ein unverkennbares Zeitdokument der 70er.

Fazit

Ein Film, der vieles auf einmal ist, dabei aber nicht zerfasert und dessen eigenwilliger Faszination man sich auch heute nicht entziehen kann. Damals wie heute lassen sich einige Szenen natürlich belächeln, im Zusammenhang funktioniert das befremdliche Filmchen aber bestens.
Zardoz hat viel zu erzählen und überhebt sich trotz des vergleichsweise winzigen Budgets an keiner Stelle. Abgerundet wird der beunruhigende Zukunftstrip von einem poetischen Ende und der wertvollen Erkenntnis, dass Mehl des Mannes mächtigste Waffe ist.