Zardoz

Nachdem das britische Film-Urgestein John Boorman mit Point Blank bekannt und bevor es mit Excalibur berühmt wurde, kam unter Anderem Zardoz. Sean Connery versuchte, das James Bond-Image, das die meisten Darsteller des Geheimagenten für ihre ganze restliche Karriere markiert, mit einer Rolle abzulösen, die sich in jeder Beziehung vom adretten Doppel-Null-Agenten unterscheidet.

The gun is good, the penis is evil.

Story

Im Jahre 2293 streifen barbarische Horden über die brache Erde und schlachten im Namen ihres zornigen Gottes Zardoz, der als gewaltiger fliegender Steinkopf durch die Landen schwebt, die Schwächeren ab. Die Brutalen werden sie genannt und dienen ihrem Gott in der Hoffnung, nach dem Tod Einlass in die sagenhafte Vortex zu bekommen, um dort ein paradiesisches Dasein zu führen.
Als der numinose Schädel wieder einmal zu seinen Jüngern spricht, schleicht sich der erbarmungslose Zed in sein Inneres und erschießt eine Person, die sich im Vorspann als ein Magier vorgestellt hat, der die Protagonisten manipuliert.
Über den schwebenden Kopf gelangt er in die Vortex, wo er die Ewigen antrifft. Menschen, die den Tod überwunden haben und in einer utopischen Gemeinschaft existieren, die von dem Supercomputer Tabernakel verwaltet wird. Der auf seine Instinkte reduzierte Schlächter stößt auf eine Gesellschaft, die sich der Instinkte längst entledigt hat – und trotzdem in vielerlei Hinsicht grausamer ist als die Bewohner der Außenwelt.
Während Zed, von den misstrauischen Ewigen als spannendes Versuchsobjekt angesehen, nach und nach das Leben in der Vortex kennenlernt, erfährt er schnell, dass auch die Unsterblichen nicht ohne Sorgen sind.

Kritik

Gerade mal eine Million Dollar hat das Spektakel gekostet. Ein Fünftel davon strich Sean Connery für seine Gage ein. Trotzdem reichten die verbliebenen Kröten aus, zwei Sci-Fi-Welten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, auf die Leinwand zu zaubern.
Im Außenbereich regieren die Barbaren, die mit antiken Schusswaffen auf Pferderücken die Order ihrer strengen Gottheit umsetzen. Obwohl quasi im Vorgarten von Boorman, Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in einer Person, gedreht wurde, wirkt die verwilderte Welt grimmig, erbarmungslos und fremdartig. Dass das Geld sogar so knapp war, dass den Statisten die Kostüme im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leib gemalt werden mussten, fällt auch dann nicht auf, wenn man in Besitz dieser Information ist. Obwohl der Film mit einem fliegenden Menschenkopf beginnt und direkt mit einem fliegenden und Gewehre kotzenden Steinkopf weitergeht, wirkt er nie unfreiwillig komisch. So falsch dieser Satz auch klingen mag.
Selbst Connery, der wie eine verbotene Mischung aus Danny Trejo und Sacha Baron Cohen aus Borat aussieht, spendet dem Werk durch seine brodelnde Präsenz einen tiefsitzenden Ernst und lässt die schrägen Geschehnisse und finanziellen Notbehelfe des Filmes in ihrer Ganzheit einfach richtig erscheinen. Eigentlich existiert in Connerys Spiel nur passive Irritation und unbändige Wut und nichts dazwischen, doch imponiert der Schotte in jeder Szene durch sein bloßes Auftreten.
Sobald der wortkarge Protagonist dann einen Fuß in die Vortex gesetzt hat, sieht man dem Science-Fiction-Film die begrenzten Mittel zwar stellenweise an. Zum einen hat die bühnenhafte Treiben aber eine ganz eigene Atmosphäre und zum anderen wird das schräge Filmkonzept mit bissigem Ernst rübergebracht, sodass man nach kurzer Zeit vergessen hat, ein eigentlich nur semiprofessionelles Filmset zu bestaunen, weil die dichte Welt einen verschlungen hat.
Auch sonst nimmt sich Zardoz jede Menge vor. Während der Film zeigt, wie sich der Exterminator Zed (der sicherlich nicht zufällig wie der letzte Buchstabe des Alphabets heißt) inmitten von Menschen wiederfindet, die eine Stufe erreicht haben, die Fortpflanzung, Schlaf und selbst den Tod nicht mehr benötigt, wartet er nicht nur mit einigen Überraschungen auf, sondern hat auch auf der Metaebene einiges zu sagen.
Die vielen ätherischen Szenen, das verstörende Verhalten der Ewigen und die pure Dekadenz ihrer Gesellschaft bieten in der  Zusammenstellung einige unaufdringliche Denkanstöße, ohne je belehrend zu sein. Da Zed selbst kaum als Identifikationsfigur dienen kann, fühlt man sich als Zuschauer ebenso hilflos in das unverständliche Treiben hineingeworfen wie er selbst. Bemerkenswert ist dabei seine Charakterentwicklung, die geschmeidig drei grundverschiedene Etappen abklappert, ohne dabei aufgesetzt zu wirken – auch  hier wieder Dank an die Schauspielkünste von Connery, der mit Zed die vielleicht anspruchsvollste Rolle seiner Karriere hatte. Wie sich der gewissenlose Wilde plötzlich selbst als Opfer wiederfindet und wie ein Tier gehalten wird, das römisch anmutenden Ausschweifungen beiwohnt, um sich später zum Erlöser aufzuschwingen, wird dem ungeschliffen Wesen seiner Figur zum Trotz mit viel Feingefühl dargestellt.

Gerade zum Rad schlagenden Ende hin pfeift der Film auf konventionelle Erzählschemata und das breite Publikum und fährt ein furioses wie hypnotisches Finale mit viel Schauwert und Tiefgang auf, ohne den  aufmerksamen Betrachter dabei vollständig alleine zu lassen. Anfangs wirkt die Geschichte noch etwas höhepunktlos und besticht hauptsächlich durch schöne Bilder, doch etwas später wird klar, dass Zardoz sich etwas weiter wagt, als man anfangs vermutet.
Die Geschichte über Menschen, die auf dem Weg der Vervollkommnung irgendwo falsch abgebogen sind und sich in ihrem Überfluss eigentlich nichts sehnlicher wünschen, als endlich sterben zu können, bietet gerade im Mittelpart viele unheilvolle Szenen, in denen die Vortex oftmals wie eine gescheiterte Kommune wirkt. Tragische Elemente und purer Wahnsinn reichen sich die Hand und ergeben zusammen ein einzigartiges Portrait, das durch philosophische Versatzstücke und einfallsreiche Science-Fiction-Spielereien perfektioniert wird.
Zardoz ist ein farbenfrohes Mahnmal für eine Gesellschaft am Scheideweg, ein verstörend präziser Ausblick auf das, was wir heute in gewissem Sinne sind, nebenbei etwas oberflächliche Religionskritik und dabei in jeder Minute ein unverkennbares Zeitdokument der 70er.

Fazit

Ein Film, der vieles auf einmal ist, dabei aber nicht zerfasert und dessen eigenwilliger Faszination man sich auch heute nicht entziehen kann. Damals wie heute lassen sich einige Szenen natürlich belächeln, im Zusammenhang funktioniert das befremdliche Filmchen aber bestens.
Zardoz hat viel zu erzählen und überhebt sich trotz des vergleichsweise winzigen Budgets an keiner Stelle. Abgerundet wird der beunruhigende Zukunftstrip von einem poetischen Ende und der wertvollen Erkenntnis, dass Mehl des Mannes mächtigste Waffe ist.