Rick and Morty – Staffel 1

Wie anders sähe die Cartoonwelt ohne die Simpsons aus. Sie waren der erste, initiierende Stein einer Lawine von sogenannten Erwachsenen-Animationsserien, die schließlich ein gewisser Trey Parker gemeinsam mit Matt Stone in Form von South Park endgültig in jene selbstironischen Vulgärgefilde lenkte, die einzig und allein ein volljähriges Publikum als Zielgruppe haben.
Neben Altbekanntem wie Family Guy folgten etliche weitere Epigonen wie z. B. die hinreißend-verstörende Showbiz-Abrechnung Bojack Horseman, aber eben auch zahlreiche Fehlzündungen, die neben immer unflätiger werdendem Humor wenig zu bieten hatten. Rick and Morty ist ein Vertreter dieser Strömung, der nachhaltig aufzeigt, dass diese auch weiterhin beachtliche Blüten treibt.

We’re gonna scam the scammers, Morty. And we’re gonna take ‚em for everything they’ve got.

Story

Familie Sachez hat den ältesten ihres Stammbaums bei sich unterm Dach aufgenommen: Den exzentrischen, egozentrischen, alkoholabhängigen, aber auch unvergleichlich genialen Wissenschaftler und Forscher Rick. Seitdem sind Konflikte zwischen ihm, dem Elternehepaar Beth und Jerry sowie der pubertierenden Summer und dem 14-jährigen, etwas einfältigen Rick an der Tagesordnung. Das liegt nicht nur an dem häufig rücksichtslosen Gebaren des älteren Herren, sondern vor allem dahan, dass dieser Rick zu seinem Sidekick erkoren hat und der Junge ihn treu auf jeder seiner Reisen durch das Weltall, fremde Dimensionen, obskure Parallelwelten und Monsterdärme begleitet und ihm assistiert. So wenden die beiden beinahe fast genauso viele Gefahren von der Erde ab, wie sie heraufbeschwören.

Kritik

Statt weiter an der Derbheitsschraube zu drehen, überzeugt Rick and Morty mit einer hohen Konzentration aus Chaos, sich überschlagenden Ereignissen, pikanten Charakteren und einer all das überziehenden Kreativität, die in den besten Folgen über die volle Laufzeit begeistert. Dabei produzieren die Situationen so viele dicht aneinandergedrängte Witze, dass die weniger gelungenen von den brillanten einfach mitgerissen werden. Die große Bandbreite an Humor, die die Serie schamlos und scheinbar ebenso mühelos abdeckt, ist dabei das Alleinstellungsmerkmal Nummer eins. So ist einer der beiden Protagonisten ständig am Rülpsen und Saufen – woanders wäre das womöglich schon alleine Grund genug, die ganze Serie zu zerstören, bei Rick and Morty hingegen ist das so unerhört überzogen und so konsequent zu Ende gedacht, dass es regelmäßig für Lachlawinen sorgt. Das wirkliche Zugpferd ist demnach der beachtliche Einfallsreichtum, mit der hier pro Folge vorgegangen wird, indem nicht nur auf nichts und niemanden Rücksicht genommen wird, sondern auch gerne mal voraussetzungsreichere Geschichten geschaffen werden. Jede Episode ist voll von großen und kleinen popkulturellen Anspielungen – allem voran zu nennen ist der schier unerschöpflich scheinende Fundus aus cleveren Filmzitaten, die von am Rande auftauchenden Mise-En-Scéne-Referenzen bis hin zum kompletten Nachspielen der Handlung reichen und dabei wirklich so inspiriert und bekloppt eingesetzt werden, dass man das einfach loben muss.
Das beginnt schon bei der coolen, sehr an Doctor Who angelehnten Titelmusik und erstreckt sich über die das Nerdherz höher schlagen lassende Tatsache, dass auch kleinere Klassiker wie Zardoz auf würdigende Weise ihr Fett wegbekommen. Mal nicht die x-te Star Wars– oder Back to the Future-Hommage zu sehen, ist sehr erfrischend. Die Serie schafft es dabei weitestgehend, Zitate nicht um ihrer selbst Willen einzubringen, sondern erfährt mit ihnen immer mindestens eine humoristische Aufhübschung. Natürlich sind nicht alle Folgen so genial wie die besten Vertreter, einige sind nur gut, aber jede hat mindestens ihre kleinen brillanten Momente. Sei es nun in Form einer gescheiten Wendung oder dramaturgischen Entscheidung oder als charmantes Hervorholen eines Elements, das vor einigen Folgen beiläufig eingeführt wurde und nun seinen unerwarteten großen Moment bekommt.
Was man der Serie neben der latent schwankenden Folgenqualität ankreiden könnte, ist die Veranlagung, manchmal etwas zu „meta“ zu sein. Häufig entsteht innerhalb der verstrickten Geschichten dank des angespannten Verhältnisses zwischen Rick und Morty nämlich eine unverhoffte Dramatik, die dem verspielten Durcheinander kurzzeitig eine fesselnd-emotionale Note verleiht. Und in solchen Momenten ist es schon ein wenig schade, wenn eine Figur die vierte Wand durchbricht und mit irgendeiner Blödelei den unerwarteten Ernst, der der Serie gerade als Kontrast blendend zu Gesicht stünde, postwendend wieder relativiert. Aber das ist angesichts des wirklich enormen Unterhaltungswerts der Animationsserie eigentlich Erbsenzählerei.

Fazit

Es handelt sich bei Rick and Morty um eine der Auskopplungen der „Cartoon-Ära der Geschmacklosigkeiten“, die die als „Erwachsenenelemente“ verkauften Anstößigkeiten nie selbstzweckhaft, sondern tatsächlich mit starkem humoristischem Konzept darbieten. Denn nie hat man so viel Liebe für die (Film-)Historie des Science-Fiction-Filmes mit einem solchen Maße an Respektlosigkeit kombiniert gesehen, während sich all das Chaos, das die Figuren verbreiten, sich jedes Mal auch noch zu einer sinnvollen Geschichte entwickelt.
Bleibt zu hoffen, dass die Serie auch in Zukunft genug Einfallsreichtum und Energie aufrechterhalten kann, um den Erfolgskurs beizubehalten.
Im Augenblick ist es schwerlich zu glauben, dass dieser sprudelnde Quell an Ideen unerschöpflich ist. Andererseits steht dem kauzigen Abenteurer-Duo natürlich jede nur erdenkliche Welt offen.

Doctor Who – Siebter Doktor (Volume 3)

Auch Part drei der erstmaligen Veröffentlichung um die Erlebnisse des siebten Doctors von Pandastorm Pictures ist wieder eine reich befüllte Truhe. Nachdem Part 1 auf 4 DVDs geliefert wurde und sich der Mittelteil auf 5 Scheiben aufteilte, trumpft Part drei mit ganzen 7 bunt befüllten Silberlingen auf.

Get rid oft he deadwood, let the wasters go to the wall.

Story

Die gemeinsame Reise von Ace und dem Doctor neigt sich ihrem Ende zu, verliert deswegen aber nicht an Tempo. Das Gespann stolpert kreuz und quer in und durch die Pläne von König Artus‘ Rivalen, nautischen Fieslingen, Gespenstern aus der eigenen Biographie, Figuren aus diversen Mythologien und zu guter Letzt von einem seiner gefährlichsten Widersacher.

Kritik

Da die Turbulenzen des großartigen Achten Doktors mehr oder weniger willkürlich in drei Partitionen zergliedert wurden, um ihnen drei Veröffentlichungen zu gönnen, bietet der Abschluss des Finales erwartungsgemäß keine alles umgrabenden Überraschungen. Stattdessen heißt es: „Mehr vom Gleiche“, was bei der vergnüglichen End-80er-Produktion aber nichts Schlimmes heißt, wie man in den Rezensionen zu Volume 1 und Volume 2 honett nachlesen kann.
Die Symbiose zwischen Ace und dem Titelhelden vollzieht sich weiter, wenn auch nicht viel weiter, weil das Duo bereits sehr schön harmonierte und das getreue, wenn auch stets kindsköpfig bleibende Mode-Rockermädel sich nur noch graduell entwickeln kann.
Auch die Abenteuer bleiben gewohnt schillernd und darüber hinaus ihrer wegweisenden Konzeption treu, sich nicht mit 20 Minuten für eine Geschichte zu begnügen, sondern ihre narrativen Bögen über drei bis vier Episoden zu spannen, auch wenn letzteres häufiger mal bedeutet, dass es überflüssige Minuten gibt. Auch hier haben wir also ein paar Stories, die man als weniger gelungen bezeichnen muss und bei denen sich fortsetzt, was schon im Mittelpart der Veröffentlichungsreihe in Erscheinung trat: Einige Stränge scheinen anfangs viel tiefer und ansprechender als sie nach ihrer Auflösung tatsächlich sind. Aber auch die wenigen Ausflüge, die sich nach Lückenfüller anfühlen, haben ausnahmslos lohnende Momente und auch immer ein paar erinnerungswürdige Dialogzeilen im Gepäck – zudem es zuverlässig dann spritzig wird, wenn sich gerade das Gefühl einschleichen möchte, dass es den Geschehnissen etwas zu sehr an Bewegung mangelt.
Im Finale läuft es glücklicherweise andersherum, denn hier startet die Geschichte mau, wird nach einer viertel Stunde aber zu einem beeindruckenden, groß erzählten Abenteuer, das einen absolut würdigen Abschluss darstellt. Musikalisch hat das letzte Staffeldrittel auch die besten Ergebnisse vereint, die charmant-nervigen Ramschsounds sind nun seltener anzutreffen, die an die Szenarien angepassten Musikschnipsel deutlich atmosphärischer und durchachter. Immer noch sind die Folgen, die auf der Erde spielen, die schwächsten. Doch wenigstens macht sich das Finale – das eben auf der Erde spielt – genau hierauf einen Witz, der nicht sehr originell, immerhin aber vorhanden ist.
So lässt sich das paradoxe Fazit ziehen, dass sich die ein oder andere Verschleißerscheinung nicht verleugnen lässt, das Abenteuerpärchen sich auf der anderen Seite aber so geschickt ins Vertrauen des Zuschauers gemogelt hat, dass dieser sich bei der behäbigen Raum-Und-Zeit-Stolperei in wohlig-vertrauter Umgebung weiß. Es ist, um mal wieder einen hochgradig fragwürdigen Vergleich anzubringen, wie ein Besuch im Elternhaus, das man vor Urzeiten verlassen hat.

Die abschließende Rezension zur Veröffentlichungs-Trilogie aus dem Hause Pandastorm soll Platz dafür bieten, Lobendes zu Form und Drumherum zu sagen. Dass es den siebten Doctor nur als DVD- und nicht als BluRay-Veröffentlichung gibt, ist einerseits ein Rätsel, andererseits in Anbetracht des Ausgangsmaterials aber verschmerzbar. BBC hat bei der Restauration von Bild und Ton allgemein großartige Arbeit geleistet und ordentlich Staub von den alten Bänden geblasen – selbst die deutsche Synchronisation hat ein wenig Überarbeitung spendiert bekommen und Untertitel wurden neu übersetzt. Im dieser Box wirkt es vereinzelt so, als wäre das Bild in kurzen Momenten ein wenig körniger und verrauschter, doch hier mag der subjektive Eindruck des Autors täuschen. Hinzukommt, dass alle drei Veröffentlichungen mit allerlei Bonusinhalten anrücken und sämtlich ein liebevoll gestaltetes Booklet besitzen. In Version drei gibt es von zwei Geschichten (‚The Curse of Fenric‘ und ‚Battlefield‘) gar spezielle Filmversionen, die Handlung ohne Unterbrechung und mit längerer Laufzeit erzählen. Dass die drei Veröffentlichungen mit einem geschmackvollen Coverartwork daherkommen, ist die Sahne auf der Doktortorte.

Fazit

Die gewohnten Stärken werden auch hier noch einmal genutzt, um die Abenteuerfahrt von Doctor und Kompagnon zu einem (wie man weiß, recht offen daherkommenden) Ende zu bringen. Auch hier gibt es neben schwächeren Ausflügen Highlights der Staffel, die man als geneigter Fan nicht verpassen sollte. Und auch, wenn es hie und da zum Schluss an zündenden Ideen etwas mangelte, macht sich umgekehrt bemerkbar, dass man mit der handwerklichen Umsetzung von Episode zu Episode versierter im Umgang wurde.

Doctor Who – Siebter Doktor (Volume 2)

Das silberne Jubiläum setzt sich fort. Mit Volume 2 der Spätachtzigerausgabe von Doctor Who werden die Abenteuer des siebten Doktors fortgesetzt.

Because it’s 1988.
Ha. That makes sense.

Story

Mit der neuen Begleiterin Dorothy ‚Ace‘ McShane an seiner Seite, die sich entschieden eigensinniger und rebellischer als Melanie Bush gebiert, gehen die Abenteuer des Siebten Doktors weiter. Es gilt dafür zu sorgen, dass ein Kampf zwischen Daleks nicht die Erde als Opfer einfordert. Auf einem Planeten aus der Zukunft, wo einzig Fröhlichkeit die Erlaubnis darstellt, nicht vom bizarren Kandyman vernichtet zu werden, muss ebenso der Frieden hergestellt werden wie in der Gegenwart unseres Heimatplaneten, wo Cybermen und eine Dame aus ferner Vergangenheit sich um die zerstörerische Allmacht von flüssigem Metall prügeln. Und während die Reise in einem sinstren Zirkus endet, wird langsam deutlich, dass der Doktor etwas zu verbergen hat, das unter keinen Umständen ans Tageslicht gelangen darf.

Kritik

Der Beginn der 14 neuen Episoden mit Silvester McCoy als schnippischem Doctor beginnen mit einem komplexen, teils auch unnötig verworrenen Kriegsvierteiler, in dem Elemente verschiedener Genres miteinander verrührt werden. Das hat gerade zu Beginn, wo alles ungewohnt mysteriös ist, großen Charme, versagt jedoch bei der Auflösung, die es sich viel zu einfach macht und feststellt, dass man das Ganze auch in einer einzigen Folge hätte erzählen können.
Ähnlich verhält es sich mit der Ausstattung. Dass ein paar leidlich eingekleidete Soldaten als Armee herhalten, ist sympathisch, und die kubistischen Bauten, aus welchen sich frisch gelandete Raumschiffe transformieren, wirken gar beeindruckend, da sie in angemessener Fremdartigkeit dargestellt werden. In der Summe passen die vielen kleinen Sonderbarkeiten aber häufig nicht so recht zusammen, weshalb sich auch formal sagen lässt, was für den ganzen Vierteiler gilt: Im keinen Gelungen, gerade anfangs sehr faszinierend, im Auslauf dann aber auch ein wenig ermüdend.
Die zweite Folgentrilogie namens Die Macht der Fröhlichkeit wirkt anfangs etwas spröde, doch ein paar Minuten später zeichnet sich ab, dass hier eine clever erdachte Analogie auf das Tabu Depression vorliegt. Das Vermächtnis der Nemesis, ebenfalls ein Dreiteiler, erinnert wieder stark an den Einstieg dieser Staffelbox und wartet mit eigentümlichen Gegnern auf, die mit den anderen Bösewichtern des Doctor Who-Universums leider nicht so recht mithalten können. Als ordentliche Serie der 80er darf freilich auch eine weitere Geschichte nicht fehlen, in der das Dritte Reich thematisiert wird, indem spielerisch über dessen Gründe und Auswirkungen spekuliert wird. Das Ende mit Die Todesmanege auf Segonax ist dann aber Unterhaltung auf höchstem Niveau und sondert ohne Unterbrechung eine so merkwürdige, beklemmende Stimmung ab, dass die vier Episoden, die eine in sich schlüssige Story mit interessanten Figuren erzählen, wirklich fesseln.

Die Entscheidung, wann Außenszenen – wie beispielsweise Stadtstraßen – on Location und wann im Studio gedreht wurden, ist zwar nachvollziehbar, trotzdem hätte eine andere Wahl manchmal Gutes mit sich gebracht. Wenn Straßen aus Linoleum bestehen, sehen die Sets insbesondere dann sehr nach Theater aus, wenn die Kostüme und Requisiten es auch tun. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit produziert dies aber auch eine spezielle Stimmung, die durch originale Drehplätze nie erzeugt worden wäre, da die man grundsätzlich auf Spielereien wie Farbfilter verzichtete. Dann und wann bricht man aber auch in großem Maße aus und lässt noch weit häufiger als in den ersten Erlebnissen des siebenten Doktors so viel explodieren, dass der Spaß der Pyrotechniker sich auch 27 Jahre später noch spüren lässt.
Die Serie pfeift mit einem derart frechem Frohmut auf ihre begrenzten Mittel, deren Einschränkungen zum Trotz sie einfach die Geschichten erzählt, die ihr im Sinn liegen – ganz ohne Eingeständnisse. Manchmal überstürzt es das Selbstbewusstsein von der Autoren und man nimmt das ein oder andere Mal einen erzählerisch so faulen wie feigen Weg, um sich aus Sackgassen zu mogeln. Das sind Momente, in denen man sich als mündiger Zuschauer nicht ernstgenommen fühlt. Und diese Momente sind der Feind jeder Geschichte.
Obwohl das Erzählerische manchmal ähnlich behelfsmäßig zusammengeschustert ist wie die Kulissen und Kostüme, macht sie fast immer Spaß. Und da der Doktor mittlerweile zu Genüge eingeführt wurde, wird die Zeit dafür genutzt, ihn mit zwar nur sehr kleinen, aber allemal interessanten Zügen zu charakterisieren. Und so, wie manche Effekte dann doch unverhofft gut aussehen, haben auch alle Erzählungen ihre Glanzmomente, die das Gesamtpaket als etwas erscheinen lassen, das unterm Strich in erster Linie sympathisch ist. Denn wirklich übelnehmen kann man dem Zeitreisenden in der Form des betulichen Silvester McCoy sowieso nichts.
Für alle Geschichte gilt: Sie blühen am Schönsten, so lange sie noch verheimlichen, von was sie erzählen und wie das Erzählte zusammenhängt. Zu Beginn wird inmitten von ein paar nicht offenkundig zueinander gehörigen Erzählsträngen geworfen und damit beschäftigt, Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte zu suchen. Man entwirft eine Theorie, freut sich darauf, sie am Kommenden zu messen… und wird immer bestätigt, weil die Storys, sobald sie ein paar Hinweise darauf gegeben haben, was ihr Angelpunkt ist, spätestens ab ihrer dritten Episode nicht mehr überraschen, sondern nur noch pflichtbewusst zu ihrem absehbaren Ende spulen – und das manchmal einen Ticken zu langsam.

Fazit

Die zweite von drei Veröffentlichungen, die sich mit den Abenteuern der siebten Doktorreinkarnation beschäftigen, flacht in Sachen Geschichten teils etwas ab, kann dank im Rücken liegender Introduktion dafür aber auch etwas mehr in die Tiefe gehen.
Dank spritziger Dialoge und Silvester McCcoy, der als Doktor weiterhin ein sehr unterhaltsamer Gnom ist, bereiten auch die weiteren Abenteuer Freude.

Predestination

Allerorts wird im Augenblick gerufen, dass Predestination ein neuer Hoffnungsbringer sei. Der kongenieale Looper ist quasi vergessen, der neue von den Spierig-Brüdern im Augenblick als Zeitreise-Revival dafür in aller Munde. Zu Recht? Nur so halb. Ihr neuer Film, der eine Adaption des Buches —All You Zombies— von Robert A. Heinlein (am bekanntesten vielleicht dank seiner Buchvorlage zu Starship Troopers) ist, macht einiges richtig und wichtiges falsch.

I never understood why my parents abandoned me.

Story

Ein Gast macht den sich nach einer guten Unterhaltung sehnenden Barkeeper neugierig. Der eigenbrötlerische Mann ist anfangs nicht für dafür zu haben, taut nach ein wenig Bearbeitung aber langsam auf. Schweres lastet ihm offenbar auf den schmalen Schultern. Eine Flasche Schnaps als Einsatz, beflügelt seine Stimme dann endgültig. Sie ist der Preis, wenn seine Geschichte besser ist als jede vorherige, die der Barkeeper bisher zu hören bekam.
Dass etwas höchst Sonderbares im Gange ist, wird nicht erst dann klar, wenn sich herausstellt, dass Zeitreisen, ein berüchtigter Terrorist und eine geheime Organisation sowohl in der Geschichte als auch in der Gegenwart große Rollen spielen.

Kritik

Das Brüderpaar Michael und Peter Spierig hat eigentlich seit über 10 Jahren eine Glückssträhne. Alles begann damit, die privaten Ersparnisse für eine assoziative Horrorkomödie mit Zombies und Ufos auf den Kopf zu Hauen und damit ordentliche Festivalerfolge zu erleben. Undead war intendierter Blödsinn, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nach siebenjähriger Pause folgte schließlich ein wenig unter dem Radar der großen Aufmerksamkeit Daybreakers, ein Film, der gerne sehr viel gewesen wäre, abseits der anheizenden Prämisse aber so arm an Seele wie an Blut ist, wenn er auch einen beeindruckenden Cast auffahren konnte. Andere Regisseure wären nach einem Erfolg, der mäßige Wellen schlug, vergessen worden. Ob es die Sympathie durch persönliche Einbringung oder ob die mythische Brüder-Aura ist, die die Filmemacher rund um den Globus im Zuschauergedächtnis haften lässt, lässt sich nicht so recht beantworten, ohne dabei sämtliche Seriösität aufzugeben. Jedenfalls wird auch das Drittwerk mit dem Namen Spierig beworben und jeder weiß, wer damit gemeint ist.

Predestination
hat sich nach Zombies und Gegenwartsvampirismus also ein weiteres Mal einem Sub-Genre verschrieben: dem Zeitreisefilm. Das allein sorgt beim Schreiber dieser Zeilen gewöhnlicherweise schon dafür, Großzügigkeit bei der Bewertung walten zu lassen. Nur hat dieser nischenartige Genre-Raum das lästige Problem, dass die meisten seiner Vertreter essenzielle Gemeinsamkeiten haben, die sich nur zu schnell wiederholen. Schon zu Beginn kann man getrost davon ausgehen, dass mehr oder weniger große Unerklärlichkeiten und vermeintliche Zufälle nur dafür da sind, um im späteren Verlauf völlig überraschend durch Zeitschleifen aufgeklärt zu werden. Das ist es, was Geschichten mit dieser Thematik so keck und aufregend macht. Alles ist Puzzle in Kreisform und wenn es anständig vorgepuzzelt wird und alle halbwegs Teile passen, bereitet das Nachbauen immense Freude. Wird zuvor aber mehrmals schon angedeutet, wie das fertige Bild am Ende aussehen könnte, löst sich die Spannung und die Frage, wo welche Teile hingehören, ist mit einem – viel zu frühen – mal gar nicht mehr so groß. Predestination geht leider schon sehr früh viel zu großzügig mit Lösungsandeutungen um. Geheimnisvoll tuende, tatsächlich aber banal transparente Prophezeiungen, verräterische Kameraeinstellungen und nicht zuletzt eine leicht zu erahnende Grundidee machen den Film zu etwas, was Zeitreisefilme nie sein sollten: berechenbar. Das wäre an sich nur halb tragisch, ginge der Sci-Fi-Film mit seinen kaum verhüllten Geheimnissen nicht zusätzlich so prahlerisch um, indem es bedeutungsschwangere Dinge anreiht und voraussetzt, dass der Zuschauer dabei einfach nicht mitdenkt.

All das ist zwar schade, aber bei weitem kein totales Scheitern. Auch wenn man sich hier eine kleine Blöße gibt, ist das Geschehen dennoch unentwegt unterhaltsam anzuschauen. Dadurch, dass der Film mit einer ausführlichen Analepse in einer Bar beginnt und erst viel später von dort aus die Geschichte weiterführt, findet eine interessante und durchaus als geglückt zu bezeichnende Zweiteilung des ganzen Filmes statt. Und ansonsten passiert einfach jede Menge und das schnell aufeinander, wodurch sich die Autoren beileibe nicht vorwerfen lassen müssen, auf der Stelle zu treten. Ordentlich gefilmt war Daybreakers auch, routiniert gespielt ebenso. Das große Manko des Filmes waren die steifen Dialoge und damit zwangsweise auch das Schaffen glaubwürdiger Figuren. Auch bei Predestination hapert es noch mit dem gesprochenen Wort. Floskeln und vermeintlich coole Phrasen sind an der Tagesordnung. Mehr als einmal wirkt es so, als hätte man beim
Drehbuchschreiben einfach nicht so recht gewusst, wie denn nun diese Stille zwischen den plotrelevanten Aussagen zu füllen ist. Wie Figuren eine Natürlichkeit erhalten, die über ihren rein funktionalen Daseinsgrund als Informationsgeber hinausgeht, ohne dabei geschwätzig zu wirken. In Ermangelung einer Lösung für dieses Dilemma wird das Henne-Ei-Problem auch schon mal als innovative Frage verkauft. Diese allseits bekannte Grundsatznot bei der schriftlichen Generierung von Charakteren zieht sich durch den Film und verhindert, dass man sich vollkommen in diese Welt versetzt fühlt. So dramatisch wie dereinst bei Daybreakers fällt das Ergebnis zwar nicht aus, doch ist es auch hier schade, dass die prinzipiell ja einladende Welt für den Zuschauer per se unzugänglich bleibt, da einfach alles zu sehr nach Fälschung riecht.
An diesem Punkt gehen Figuren und Geschichte Hand in Hand, denn erstere sind so schrecklich funktional geschrieben, dass es ihnen überhaupt nicht schwerfällt, den ganzen abstrusen Humbug für bare Münze zu nehmen, anstatt ihn als Zumutung zu empfinden. Den Durchschnittsmenschen in Predestination juckt es gar nicht, wenn da jemand um die Ecke kommt und zugibt, er sei Zeitreiseagent eines Zeitreisebüros. Da schaut man höchstens kurz skeptisch, bevor man gutgläubig nickt, als hätte da eben jemand kundgetan, in Wirklichkeit Sohn eines Schäfers zu sein.
Eigentlich ist das schade, denn wie jeder gute Zeitreisefilm entfaltet auch Predestination erst nach und nach – und je mehr, desto näher am Ende – seine eigentliche Ganzheit. Wie sich nach und nach die Fäden zusammenfügen, das ist schon nicht blöd und, wie ja der ganze Film einigermaßen, allemal unterhaltsam. Doch tölpeln sich Drehbuch und Regie immer wieder selbst vor die Füße.
Die prinzipiell ergreifende Tragik, die hinter der Geschichte steht, ist dabei fast selbst schon tragisch, verpufft ihre Wirkung doch fast zur Gänze vor den Fehlern, die dieser ja keineswegs schlechte Film macht.

Fazit

Weniger Übermut, weniger Kühle, vielleicht einen externen Berater, der bei der Figurengestaltung hilft. Mehr bräuchte es eigentlich gar nicht und der vierte Film aus dem Hause Spierig könnte etwas uneingeschränkt Tolles werden. Das notwendige Faible für spleenige Genres und kraftvolle Grundideen haben die Herren nämlich.
Predestination krankt leider an oben Genanntem. Das hindert den Film nicht daran, interessant und auch spannend zu sein. Doch hindert es den Zuschauer ebenfalls nicht daran, sich über viele Kleinigkeiten zu ärgern und deshalb immer wieder aus dem Film geschmissen zu werden.

Doctor Who – Siebter Doktor (Volume 1)

Science-Fiction befand sich weltweit immer noch im Aufschwung. Weltweit? England war ein kleines Land am Meer, in dem es eine traditionsreiche Genre-Perle ungemein schwer hatte. Doctor Who sollte abgesetzt werden und hatte nur noch eine verschwindend geringe Chance: Den siebten Doktor.

Nachdem die immense Popularität der britischen Kult-Serie Doctor Who auch in Deutschland seit ihrer Reboot ungebrochen anhält, lässt es sich Pandastorm Pictures nicht nehmen, auch die vergangenen Doktoren dem deutschsprachigen Raum zugänglich zu machen. Den Anfang macht der siebte Doktor, dessen Abenteuer in zwei DVD-Boxen veröffentlich werden. Diese Besprechung widmet sich der ersten.
Nachdem die Neuauflage von 2005 hier nicht sonderlich gut ankam, konnte der Kinoausflug im Jahre 2013 umso mehr begeistern.

Everything is under control.

Story

Die Tardis wird von der Rani angegriffen und kann mehr schlecht als recht auf Lakertia bruchlanden. Durch die Heftigkeit der Erschütterung kommt der Doktor ums Leben und es folgt die Regeneration zum siebten Doktor. Nach der anfänglichen Phase der Desorientierung und Amnesie tut er sich wieder mit seiner Begleiterin Melanie zusammen, um den gefährlichen Plan seiner Jugendfreundin Rani zu durchkreuzen und im Anschluss wieder seinem Tagesgeschäft nachzugehen: Leuten zu jeder Zeit und an jedem Ort eine helfende Hand zu sein.

Kritik

Es steht wohl außer Frage, dass man sich bei dem Doktor der 80er noch mehr als beim Doktor der 2000er darauf einstellen muss, eine eindeutige Fernsehproduktion zu sehen, die zum Teil auf Jugendliche zugeschnitten ist, folgerichtig auch aussieht, wie eine Mischung aus einem NDR-Schwank und einer russischen Kinderserie und sich zudem auch noch einen Spaß aus ihrer günstigen Machart macht. Das ist es ja auch, was Doctor Who zu großen Teilen ausmacht.
Grobschlächtige Kostüme sind Zeuge bizarrer Modevorstellungen, die weibliche Begleitung sieht aus wie der gute Bibo von der Sesamstraße und ist viel zu oft am Kreischen, die Requisiten erwecken wie eigentlich das gesamte Szenenbild und auch das Schauspiel einen Anschein von Bühne. Dass Doctor Who im Grunde eine Kinderserie ist, kommt hier unentwegt zum Vorschein. Umso beachtlicher ist es, dass sich hinter diese Ebene gerade für die Zeit ein spannendes Konzept mit Anspruch, der sich eben auch klar an ein erwachsenes Publikum richtet, befindet, das auch hervorragend aufgeht. Sylvester McCoy als siebenter Doktor ist die wohl tollpatschigste, slapstickhafteste Reinkarnation des Timelords, doch sieht sich die Serie trotzdem nicht als reiner Klamauk, sondern nimmt ihre Figuren und deren Biographie ebenso ernst wie die behandelten Thematiken – und ist dabei dann bisweilen doch alles andere als kinderfreundlich.

Im Verlaufe der ersten Staffelhälfte fällt mehr und mehr auf, wie lässig die Science-Fiction-Serie eigentlich, den haarigen Produktionsbedingungen zum trotz, ist. Alles ist sehr heiter, nicht selten auch albern, aber doch nie ohne ironische Distanz. Eigentlich beobachtet man ein permanentes Augenzwinkern, das die Geschehnisse in ein bewusst naives Licht taucht, gute Dialoge liefert und das Ganze mit einer meist griffigen Musik unterlegt.
Dass man damals größere Ambitionen hegte und die Figur so sehr liebt, dass man mit gegebenen Mitteln und vorgegebenem Stil trotzdem mehr erzählen wollte, als man aufgrund von eben diesen Elementen eigentlich erwarten durfte, zeigt sich darin, dass sich Geschichten gerne über mehr, nämlich, bis zu 5. Folgen erstrecken, was in den 80ern für eine TV-Serie vor Twin Peaks als unerhört subversiv zu bezeichnen ist.
Dass jede fortzusetzende Folge damit endet, dass der schusselige Doktor und in manchen Fällen auch sein Companion in größter Lebensgefahr schweben, nur um in der Fortsetzung dann pfeifend aus er Gefahr zu tänzeln, als wäre nichts gewesen, ist angesichts dieser Umstände zu verschmerzen.
Bereits die zweite Geschichte ist eine Sammlung wunderbar kurioser Bestandteile und wohldosierten Unfugs. Eine Reihe hinreißend gestörter Figuren, ein total entrückter Doktor, ein ordnungsliebende Oberlippenbartträger in einem faschistoiden Mikrosystem, Kannibalen, Killerroboter und noch einiges mehr kreieren einen Budenzauber, der an kantenfreier Kurzweil nur schwer zu überbieten ist. Story Nummer 3 ist eine Zeitreise in die 50er Jahre mit allerlei Alien-Bonus, ein paar anerkennenswerten Einfällen und einem überraschendem Maß an kaltblütigen Morden mit Schusswaffen. Jede Geschichte im Einzelnen aufzuführen, brächte mehr Spannungsraub denn Zugewinn, so sei einfach gesagt, dass es unter der überschaubaren Anzahl an Geschichten keine Ausfälle gibt und selbst die schwächste Episode sehenswert ist. Die Episoden sind ausnahmslos einfallsreich und sehr rund erzählt und haben mit dem Mehrfach-Folgen-Format ihren idealen Erzählraum gefunden. Die Funktion der Begleitung ist in dieser Staffel, den Doktor nicht zu begleiten. Am Anfang der Hanldungen werden die beiden regelmäßig getrennt und erleben dann parallele Abenteuer., die sich alle paar Minuten mit Mini-Cliffhangern ablösen. Dieser episodische Charakter wirkt etwas aufgesetzt, stört aber nie und sorgt, wenn auch auf etwas einfache Weise, für konstante Spannung.
An der Geduld schabt die bis zu zweiminütige Vorschau am Ende einer jeden Episoden, zudem die nachfolgende nach dem ebenfalls recht behäbigen Vorspann auch mit einer Wiederholung der letzten Sekunden der Vorfolge einsteigt, sodass man gerade dann, wenn man mehrere Teile am Stück schaut, einiger Wiederholung ausgesetzt wird. Das ist grundsätzlich keine Katastrophe, da der Urzustand der Serie so beibehalten wird und all diese Para-Texte zum Seherlebnis dazugehören, eine optionale Abschaltbarkeit wäre dennoch eine zeitgemäße und rücksichtsvolle Maßnahme gewesen.

Fazit

Der tölpelhafte Doktor und seine naive Begleiterin geben ein komisches Gespann ab, das sich mit der Zeit erstaunlich nah ans Herz schleicht. Zusammen mit den knalligen Geschichten, ihren verschrobenen Bösewichten und vor allem anderen dem Umstand, dass die Geschichten so lange brauchen dürfen, wie sie eben brauchen, um erzählt zu werden, erweisen sich die Missionen von Doktor Nummer 7 als ein ordentliches Sehvergnügen, das manchmal ein wenig zu infantil geraten ist, dies aber mit viel Charme und der Liebe zu Überraschungen problemlos ausgleicht.
 

Das Mädchen, das durch die Zeit sprang

Ein modernes Zeitreisedrama, das auf dem schon vielfältig adaptierten 67er-Kultroman mit gleichem Namen stammt, der vom bis heute tätigen Sci-Fi-Urgestein Yasutaka Tsutsui (Paprika) verfasst wurde. Inszeniert wurde das Zauberwerk von Mamoru Hosoda, der einerseits Projekte wie Digimon-Filme verwirklichte, andererseits aber auch schon als Regisseur für das Meisterwerk Das wandelnde Schloss vorgesehen war. Er heimste dreimal in Folge den Preis für den besten Anime ein beim Sitges Festival Internacional de Cinema Fantàstic de Catalunya – das erste Mal für Das Mädchen, das durch die Zeit sprang, welcher von einem vielfältigen wie namenhaftem Künstlerteam realisiert wurde.
Und dazu deutlich vielschichtiger ist als man beim ersten Hinschauen vermutet.

Time Waits For No One.

Story

Die 17-jährige Makoto ist ein ganz gewöhnliches Mädchen, das verspätet in den Unterricht platzt und mit ihren besten Freunden von Herzen gerne Baseball spielt. Außerordentlich an ihr ist lediglich die Menge an Missgeschicken, die sie durch ihr tapsiges Verhalten magnetisch anzuziehen scheint.
Eine entscheidende Wendung bekommt ihr Leben, als sie über ein walnussförmiges Objekt stolpert, das ihr die Fähigkeit verleiht, über eine begrenzte Distanz in der Zeit zurückzureisen. Etwas, das nicht durch Willensstärke, sondern durch Stürze beziehungsweise große Sprünge vonstattengeht. Ein Umstand, der ihr frühzeitig das Leben retten wird.
Nach und nach lernt sie, diese Funktion bewusst einzusetzen und für die Revidierung kleinerer Alltagsfehler zu nutzen. Alsbald muss sie feststellen, wie unberechenbar Kausalität ist und dass ein vermeintlich vermiedener Fehler nicht selten viel größeres Unglück nach sich zieht.

Kritik

Das Mädchen, das durch die Zeit sprang gibt sich eingangs unverkennbar als beschwingtes Jugenddrama, das mit warmem Humor eine fantastische Komponente einführt und ein ganz normales Mädchen dadurch kleine Abenteuer durchleben lässt, die eine klassische, aber ungezwungen dargebotene Moral mit sich bringen.

Das alles in minimal gewöhnungsbedürftigen, aber passenden Zeichnungen, flüssig animiert und mit genau der richtigen Menge an Details, um einen ganz eigenen Stil zu ergeben. Die Figuren sind schön geschrieben, die Musik setzt mit einer Mischung aus Eigenkompositionen und Bach genau die richtigen Akzente und alles hält ein angenehm unaufgeregtes Tempo, ohne sich jemals auch nur im Ansatz zu ziehen. Ein Frühlingsfilm. Und etwas, das gehörig durchgeschüttelt wird, wenn man es mit wachem und analytischem Blick zu wenden beginnt. Dann stellt sich heraus, dass die oberflächlich süße Geschichte von einer gar nicht so süßen Über-Story ummantelt ist.

Der Anime provoziert Sehgewohnheiten in starkem Maßen, tut dies aber derart geschickt, dass es dem Zuschauer womöglich gar nicht auffällt, er die Provokation übersieht und den ganzen Film über nicht drauf eingeht. Es ist überraschend, wie schnell man der trickreichen Inszenierung auf den Leim geht. Der Madhouse-Anime funktioniert nämlich wie ein Zaubertrick, der derart gut ist, dass man nicht nur nicht sieht, wie er funktioniert, sondern im besten Fall übersieht, dass er überhaupt funktioniert, weil die Ablenkung so außerordentlich geraten ist, dass man nicht nur die im Ärmel versteckten Karten, sondern gleich den ganzen Magier übersieht.
Was ist gemeint und woran liegt das?
Inszeniert und aufgezogen ist Das Mädchen, das durch die Zeit sprang wie ein klassischer Chick Flick. Eine tollpatschige, aber ungemein liebenswerte Schülerin bekommt ein kleines, ganz persönliches Geheimnis und nutzt es, um im Auftrag von Kurzweil und Herzschmerz ein wenig Chaos anzurichten. Harmlos, süß und kindgerecht. Das sagen die Bilder, das sagen die Dialoge und das sagt auch die Musik. Deshalb achtet der Zuschauer ganz automatisch auf bestimmte Dinge mehr und auf andere weniger. Wir sind so trainiert, dass wir in einem bestimmten Genre nur Bestimmtes erwarten und anderes wiederum einfach hinnehmen, ohne es zu großartig hinterfragen. Das schließlich ist die Aufgabe von Genreunterteilungen – die Erschaffung und Erfüllung von Erwartungshaltungen, sodass bestimmte Kost zu bestimmtem Appetit gereicht wird. Wenn diese Erwartungen durchbrochen werden und doch eine Überraschung hinter der ersten Ebene lauert, muss diese entsprechend in Szene gesetzt werden, damit ihre Wirkung nicht verpufft und der Zuschauer in ausreichendem Maße verblüfft ist, anstatt mit Fragezeichen und Schulterzucken zurückzubleiben. Schwebt die Variation im Gewöhnlichen hingegen nur unscheinbar am Rande vorbei, trickst sie unseren Aufmerksamkeitsfokus allzu schnell aus und wird von unserer Wahrnehmung ganz einfach aussortiert. Da der Film auch funktioniert, wenn man ihn lediglich als unbeschwerte Zeitreiseromanze betrachtet, ist das nicht schlimm. Wer den Film so sehen möchte, kann ihn so sehen, wird eine gute Zeit haben und kaum etwas vermissen. Das ist die phänomenale Leistung von Das Mädchen, das durch die Zeit sprang: Es ist mehr Filme als nur einer.

Wenn man sich öffnet und zwingt, einmal die Genregrenzen auszublenden, wenn man versucht, alle Details von ihrer Inszenierung unabhängig zu betrachten und den Film in möglichst großer Distanz zu schauen, dann wird es interessant. Plötzlich tauchen Fragen auf, die dem Ganzen eine unheimliche, sehr unangenehme Note verleihen und den leichtfüßigen Gang ins Stolpern bringen. Manche Dinge, die nur am Rande Erwähnung bekommen, entpuppen sich als zentrale Motivierungen und andere wiederum verwandeln sich von einer guten Fee in eine verbitterte Hexe. Plötzlich erlaubt Das Mädchen, das durch die Zeit sprang nicht nur viele Lesarten – es fordert sie sogar ein. Auf einmal spielt die Romanvorlage von Yasutaka Tsutsui eine entscheidende Rolle, da sie vielleicht mehr als bloße Vorlage war. Denn es ist sicherlich kein Zufall, dass die dort geschilderten Geschehnisse sich 20 Jahre früher ereignen als die im Film.
Bestimmte Personen erscheinen in anderem Licht und allen voran die Perspektivierung der ganzen 100 Minuten sollte gründlich in Frage gestellt werden. Ist der Film etwa nur so naiv-heiter, weil er von der naiv-heiteren Makoto erzählt wird, die gar nicht so recht versteht, was ihr widerfährt? Es ist auf jeden Fall kein schlechter Rat, die angebotene Fokalisierung grundlegend zu problematisieren und darüber hinaus nicht jedes Wort aus einem scheinbar vertrauenswürdigen Mund für bare Münze zu nehmen, sondern alles Angebotene gründlich auf Plausibilität abzuklopfen.
Dies sollen Hilfestellungen und vage Hinweise, keineswegs aber Erklärungen sein. Man muss selbst hinter die Kulissen gelangen und das Gesehene aus eigener Motivation mit eigenen Mitteln verstehen. Die Beschäftigung mit dem Stoff bereitet dann die größte Freude, wenn man sich ohne fremde Hilfe in seinen Irrgarten wagt. Und wer weiß, vielleicht wartet in seinem Herzen ja ein Mindfuck hoher Güte.

Fazit

Oberflächlich ein vergnüglicher Film über Mädchen, Mädchenprobleme und ein bisschen Fantastik. Und so funktioniert der Sci-Fi-Anime durchgehend und durchgehend gut. Daher wird er auch gerne als Kinderfilm begriffen und kann Kindern auch gefahrlos vorgesetzt werden. Gibt man sich aber Mühe, ein paar Vorhänge beiseite zu ziehen und das Gezeigte nicht nur hinzunehmen, sondern unablässig zu drehen und zu wenden, offenbart sich, dass der Würfel weit mehr als nur die einem zugewandte Seite besitzt.
Ein schönes, toll inszeniertes und clever aufgezogenes Spiel mit nicht nur doppeltem Boden, das gleich als mehrere Filme funktioniert. Selten hat sich hinter scheinbar ungefährlichem Charme eine solche Tragik aufgehalten.

Looper

Wer seine Karriere mit einem Film wie Brick beginnt und drei Jahre später den unbeschwerten Brothers Bloom folgen lässt, wirft vor allem die Frage auf, wie der dritte Film von Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson aussehen wird.
Dass die Antwort dann ausfällt wie Looper, damit war nur schwer zu rechnen. Zum Glück steht dieser kleine Zeitreisethriller seinen Vorgängern qualitativ in nichts nach und beschert uns in einem Jahr, das sich von seiner Science-Fiction-Seite bisher eher enttäuschend zeigte, eine wahrlich angenehme Überraschung.


Dieser blöde Zeitreisen-Scheiß verbrutzelt einem total das Gehirn

Story

In unverbindlichen „30 Jahren“ ist Zeitreiserei keine Fiktion mehr. Dafür bringt die Zukunft aber auch Probleme mit sich, zumindest für Organisationen krimineller Natur. Da die Rechtsmedizin nahe an der Perfektion ist, kann die Mafia in ihrer Zeit keine Leichen mehr entsorgen, ohne früher oder später geschnappt zu werden.
Die Lösung: Die zu Exekutierenden werden 30 Jahre in die Vergangenheit geschickt und dort hingerichtet. Für diesen Job werden Personen aus derselben Zeit engagiert; die sogenannten Looper. Sie bekommen eine Waffe, einen Zeitpunkt und einen Ort mitgeteilt und müssen dann nur noch im richtigen Augenblick den Abzug betätigen. Die Bezahlung ist fürstlich, die Aufgabe simpel, nur einen Haken hat die Sache. Damit die Henker 30 Jahre in der Zukunft nicht plötzlich Probleme machen, stehen auch sie auf der Todesliste der Mafia, werden in der Zeit zurückgeschickt und von ihrem jüngeren Ich gerichtet. Sie sind selbst ihr letztes Opfer und werden anschließend freigestellt, um ganze 30 Jahre in Saus und Braus zu leben, ehe ihr unweigerliches Ende kommt.
Joe ist ein solcher Looper und tut unabsichtlich, was man unter keinen Umständen tun darf. Er lässt sein 30 Jahre älteres Ich entwischen und steht fortan ganz oben auf der Abschussliste des organisierten Verbrechens.

Kritik

Die gute Arbeit beginnt bereits beim Trailer. Dieser scheint viel zu zeigen, verrät in Wirklichkeit aber so gut wie gar nichts. Außerdem präsentiert er Looper als ein rasant geschnittenes Spektakel mit Blut und Blei. Was einen dann aber erwartet, ist anders. Nämlich ruhig, nachdenklich und alles andere als arm an Anspruch. Natürlich gibt es auch die versprochene Action. Wenn zur Waffe gegriffen wird, dann richtig – das Gezeigte ist in diesem Fall direkt, markig und ausgesprochen unangenehm, aber eben nicht so allgegenwärtig wie vom Trailer suggeriert.
Trotzdem bleibt das mulmige Gefühl den ganzen Film über bestehen. Das Amerika der Zukunft ist ein Loch, steht knietief in einer Horde aus Obdachlosen und funktioniert wieder nach dem Recht des Stärkeren. Jeder hat die Waffe im Anschlag und wenn eine arme Seele der neuen Edelkarosse zu nahe kommt, wird sie einfach niedergeschossen. Die Science-Fiction-Elemente, die abseits der sozialen Entwicklung Einzug in die Gesellschaft gefunden haben, sind vorbildlich dezent integriert. Futuristische Fahrzeuge, weiterentwickelte Alltagsgegenstände und ein paar subtil im Bild auftauchende Gadgets machen die Zukunft glaubwürdig. Das alles wirkt vor dem Hintergrund der verwahrlosten Straßenzüge und dem absolut außer Kontrolle geratenen Stadtleben aber sinnlos und verloren. Insgesamt macht das Szenario einen noch glaubwürdigeren Eindruck als z.B. das ähnlich gebeutelte L.A. in Strange Days oder die düstere Vision von Children of Men. Das urbane Treiben findet überwiegend in feuchten Gassen oder kahlen Hinterzimmern statt, Sonnenlicht ist die Ausnahme. Wenn die Handlung in der zweiten Hälfte aufs Land verlagert wird, ändern sich zwar Tageszeit und vorherrschende Farben, die Stimmung bleibt aber aufs Äußerste beunruhigend, kalt, hoffnungslos und von Anfang bis Ende bitter. Dazu trägt auch der sehr eigenwillige Score bei, der passend und atemberaubend präzise eingesetzt wird.
Einzig bei einer recht speziellen Eigenschaft bestimmter Leute kann man sich fragen, ob sie für das Funktionieren der Geschichte tatsächlich notwendig ist, wirkt sie in der auf Authentizität bedachten Welt doch minimal deplatziert und scheint in erster Linie für ein paar schicke Showeinlagen zu existieren. Aber das ist sicherlich Geschmackssache, stört die dichte Atmosphäre keineswegs und verleiht ihr sogar einen leicht surrealen Grundton.

Sämtliche Schauspieler machen einen hervorragenden Job. Allen voran natürlich Joseph Gordon-Levitt und Bruce Willis als dessen gealterte Version. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit nimmt man ihnen die geteilte Identität sofort ab. Ein Problem, an dem viele Filme mit ehrlosen und eindeutig amoralischen Protagonisten leiden, wissen die Stars ebenfalls elegant zu lösen. Denn der kriminellen Natur der Hauptperson zum Trotz fühlt sich der Zuschauer an den innerlich zerrissenen Charakter gebunden, weil Willis und Gordon-Levitt die Gequältheit und die inneren Konflikte ihrer gemeinsamen Figur absolut überzeugend rüberbringen. Als Zuschauer fiebert man nicht nur mit, man hat sogar Mitleid mit dem gebrochenen Mann. Und das, obwohl der Film zu keiner Sekunde eindeutig Position bezieht, denn die Beweggründe des jungen Joe sind – je nach Perspektive – gleichermaßen falsch wie richtig. Ebenfalls sehr überzeugend ist Emily Blunt in ihrer ungewöhnlichen Rolle. Jeff Daniels, der den Kopf des Syndikats gibt, überragt die restlichen Darsteller aber beinahe, obwohl seine Nebenfigur nur in wenigen Szenen auftritt. Dabei wirkt sie bis zum Schluss verderblich und väterlich zugleich und schafft dadurch einen sehr interessanten Widerstreit.

Und da auch die Geschichte stimmt, über die hier keineswegs ein Wort zu viel verraten werden soll, ist an Looper eigentlich kaum etwas auszusetzen. Der Film hat keinerlei Längen, ist straff erzählt und wirkt doch nie gehetzt. Dabei findet der Streifen, wie schon die anderen Werke von Rian Johnson, schnell ein ganz eigenes Tempo, das den Sog des Gezeigten noch einmal mächtig verstärkt.
Zeitreisefilme haben unweigerlich ein besonders schweres Los, da sich in ihnen fast schon automatisch Probleme in Sachen Logik und Kausalität einnisten. Looper ist in dieser Hinsicht etwas eigenartig. Natürlich ist der Film sich dieser Last bewusst und scheint sich erst einmal einzuigeln, indem Willis‘ Figur auf Nachfrage nur genervt stöhnt, dass sie keine Lust habe, darüber nachzudenken. Allerdings ist man nicht so feige, wie es auf den ersten Blick wirken könnte. Denn tatsächlich wird die Möglichkeit einer Erklärung angedeutet, die nicht nur recht clever ist, sondern viele scheinbare Fehler nach kurzem Überdenken unschädlich machen kann. Allerdings bleibt es bei einer Andeutung – und es liegt in der Hand des Zuschauers, dieses Angebot dahingehend zu auszulegen oder eben nicht. Gerade in dieser Hinsicht bietet der Film viel Diskussionsstoff. Und eine große Ungereimtheit bleibt in jedem Fall bestehen.

Feststeht, dass man nicht mit mehr Information in den Film gehen sollte, als der Trailer an die Hand gibt. Hier gilt eigentlich in verstärktem Maße was über andere twistorientierte Filmchen wie etwa Cabin in the Woods gesagt wird. Je unvorbereiteter und ahnungsloser man sich heranwagt, desto besser.
Haltet euch also fern von sämtlichen Reviews, Inhaltsangaben und eingeweihten Freunden mit lockerer Zunge, damit dieses kleine Sci-Fi-Juwel seine Wirkung ungestört entfalten kann.

Fazit

Ein Film der eigentlich alles hat, was man sich wünschen kann. Schwebende Motorräder, Zeitreisen und einen amoklaufenden Bruce Willis. Dabei wird er von Anfang bis Ende rasant erzählt, hat trotzdem emotionale Tiefe und hantiert dabei auch noch klug mit großen Fragen. Dass Looper mit seiner speziellen Neo-Noir-Ästhetik zusätzlich auch noch eine Augenweide ist, macht ihn endgültig zu einem der sehenswertesten Filme des laufenden Jahres.

Primeval – Rückkehr der Urzeitmonster – Staffel 2

Die Britten von Impossible Pictures schicken ihre erste eigene Serie abseits der Wissensvermittlung in die zweite Runde.  Keine Selbstverständlichkeit, aber ITV und Pro 7, für die direkt produziert wurde, zeigten sich mit dem Quotenschnitt zufrieden.
Weiter geht’s also mit Bewährtem. Diesmal sogar mit einer Folge mehr als noch in Staffel 1.

– Wo laufen wir hin?
– Ich bin dir nur nachgerannt!

Story

Immer noch klaffen Zeitlöcher auf, immer noch hasten Eigenbrötler Cutter und sein Flickwerk-Team umher, um alles, was aus ihnen purzelt, wieder zurückzustopfen und immer noch wundert sich keiner, dass das Anomalien-Phänomen außerhalb Londons kein Thema zu sein scheint.
Zwar erhält die Einheit nun eine flotte Zentrale und auch ein Anomalien-Detektor wird entwickelt, eigentlich geht es aber so unkoordiniert und planlos zu wie eh und je.
Außerdem muss sich Cutter nach dem letzten Staffelfinale damit abfinden, dass er sich in einer veränderten Gegenwart befindet.
Chef Lester bekommen einen an Mr. Bean erinnernden Adjutanten zur Seite gestellt und unser Einsatzteam wird von einem vertrauten Gesicht um einen Pressesprecher respektive Vertuschungsgehilfen bereichert, während ein paar verdächtige Gestalten die täglichen Operationen der Dinojäger zu überwachen scheinen.
Selbstverständlich sorgt Wildfang Helen weiterhin für gruppeninternen Zündstoff und hat überall da ihre Griffel im Spiel, wo es konspirativ zugeht.

Kritik

Wie die Story, so der Rest: Eigentlich ist alles beim Alten geblieben. Dabei fällt der Anfang interessanter aus, als die gesamte erste Staffel es jemals war. Endlich wird die Dinosuppe um ein paar Zeitreiseparadoxien angereichert, endlich ist der Grundstein gelegt, die ganze Thematik angemessen interessant auszuschmücken. Leider bleibt es bei diesem Ansatz und der akzeptable Einstieg entpuppt sich für Staffel 2 als leeres Versprechen.
Außerdem wird in der Wiedereinstiegsfolge auch gleichzeitig der bisherige Zenit an Ärgerlichkeit erreicht. Die Figuren verhalten sich in einem so unfassbarem Maße irrational, dass man es dem Drehbuch beinahe übelnimmt, dass das Zeitriss-Getier nicht schon vor Beginn der ersten Staffel den Trupp überrumpelt und die moderne Welt unterjocht hat. Am Ende der Episode nimmt das himmelschreiend Dumme mit einer abstrusen Selbstverständlichkeit überhand, während die eh schon magere Eigenlogik der Serie sich zeitgleich selbst durch den Mixer jagt. Hier kann einem nur der Gedanke kommen, dass man nicht nur den Zuschauer, sondern auch sich selbst veräppeln wollte, ist Primeval doch bereits in Folge 1 eine Karikatur seiner selbst. Eigentlich will man dem flachen Unterhaltungskonzept so viel Selbstreflexivität gar nicht zutrauen, doch eine andere Möglichkeit kann es schlichtweg nicht geben. Ohne noch weiter ins Detail gehen zu wollen: Das muss man schon gesehen haben, um es zu glauben.

Ansonsten bleibt Primeval seiner Linie treu: Da schalten Raptoren systematisch Überwachungskameras durch Zubeißen aus, Zeitreisepazifist Cutter verpönt Schusswaffen, bevorzugt aber die Axt und neuerdings werden die Bestien auch gerne mit Karate bearbeitet.
Man schämt sich nicht, längst zum Klischee gewordene Standardsituationen mit indolenter Regelmäßigkeit heraufzubeschwören. Es ist kaum zählbar, wie oft ein Charakter auf der Flucht im letzten Augenblick unter einem langsam sinkenden Tor hindurch rutscht inmitten der lebensbedrohlichen Gefahr die Gruppe verlässt, um sich sorgenfrei am ungeschützten Getränkeautomaten zu bedienen.
Weitere Figuren werden meist eingeführt, um die begriffsstutzigen Protagonisten besser dastehen zu lassen. Wenn in Folge 5 beispielsweise ein kleines Mädchen seinem Hund ohne mit der Wimper zu zucken durch eine Anomalie nachläuft, das Ganze mit „cool“ quittiert und weiter der Töle sucht, ist das fraglos außerordentlich.
Solche Situationen sind bei Primeval Staffel 2 an der Tagesordnung. Werden dem Team aus der Ferne panische Warnungen zugerufen, bleibt es natürlich erst einmal stehen und unterhält sich darüber, wie schlecht doch die Akustik sei. Dass eine gewisse Caroline quasi permanent alleine in Abbys Wohnung rumlungern kann, obwohl sie gar keinen Schlüssel besitzen dürfte, wird ebenso hingenommen wie die spontane Heilung eines verstauchten Knöchels.
Ganz zu schweigen von den Logiklücken in der großen Serienphilosophie. Primeval scheint sich auf der verbreiteten Meinung, Unstimmigkeiten wären bei Zeitreisegeschichten generell unvermeidlich, auszuruhen. So ist es sicherlich nachvollziehbar, dass man aus Furcht vor deterministischen Konsequenzen den Viechern aus der Vergangenheit ihren Hals nicht umdrehen will. Dass man sich hingegen nicht scheut, sie bewusstlos in ihrer Zeit auf einem Felsen zu platzieren, mutet in dieser Beziehung  aber reichlich inkonsequent an. Auch die Problematik, dass die Ereignisse der Vergangenheit alleine dadurch geändert werden, dass ständig Geschöpfe für ein Weilchen ihren Platz in Raum und Zeit verlassen, bleibt unausgesprochen. Es wäre nicht weiter schlimm, wenn sich die Serie durch hanebüchene Erklärungsversuche aus der Affäre ziehen wollen würde. Dass sie sich um derartige Detailfragen aber gar nicht erst kümmert, zeugt hingegen von großer Ideenarmut. Oder der Annahme eines denkfaulen Publikums.
Überhaupt wird die „Wir töten nichts!“-Devise von Folge zu Folge neu ausgelegt und bei Bedarf einfach ignoriert. Da wird dann auch mal unnötigerweise zum Maschinengewehr gegriffen, wenn Impossible Pictures der Meinung ist, ein bisschen Action wäre guter Quotendünger.

Zwischendurch lockern private Scherereien den Heldenalltag auf, ohne jemals notwendig zu wirken. Besonders die Beziehung zwischen Abby und dem hippen Nerd Conner, der seine Verwandlung zum Haarmodel zwischenzeitlich abgeschlossen hat, wird von der Sci-Fi-Serie fortwährend ungeschickt in Szene gesetzt. Eins der vielen Beispiele in Primeval, die von gutem Willen zeugen, während die passenden Ideen zur Verwirklichung ausgeblieben sind.

Unterm Strich klingt das alles aber deutlich schlimmer, als es tatsächlich ist. Trotz und sicher auch wegen der unzähligen Fehltritte ist das Treiben durchaus nett anzusehen. Ein harmloses Intermezzo als Alternative zu schlechtem Wetter, das man sofort wieder vergessen hat, ebenso wenig aber ernstlich bereut.
Der größte Gewinn gegenüber Staffel 1 ist fraglos die Tatsache, dass langweilige Momente nun meistens vermieden werden. Das Tempo funktioniert etwas besser, die Schauspieler wirken in ihren Rollen heimischer und einen Deut interessanter ist die Angelegenheit auch geworden. Die musikalische Untermalung ist belanglos, leistet sich aber immerhin keine wirklich peinlichen Ausrutscher mehr und auch die Urzeitschlingel sehen einen Tick besser aus, obwohl wenn man sich manchmal immer noch in einer The Asylum-Produktion wähnt. Immer dann, wenn die animierten Kreaturen sich zu schnell bewegen, kränkelt auch die Qualität der Effekte. Auf der anderen Seite lassen sich diesbezüglich aber ebenso ein paar positive Ausschläge verzeichnen.
Leider verscheucht man auch hier Potential, indem man jeden banalen Gang um die Ecke, jeden Blick über die Schulter mit furchtbar viel Pathos in Szene setzt. Im Umkehrschluss wird so das gefährliche Zukunftsraubtier nicht interessanter als der Besuch einer Frittenbude.
Was die Serie aus dem kritischen Bereich holt, sind die mittelmäßigen, aber trotzdem charismatischen britischen Gesichter. Und weil die Faustregel mit dem blinden Huhn und seinem Körnerglück auch auf Serien anwendbar ist, existieren ebenfalls Episoden mit kleinen Lichtblicken. Die vorletzte Folge zum Beispiel weiß mit ein paar netten inszenatorischen Ideen zu gefallen, die verloren geglaubtes Interesse wieder ins Leben rufen können.
Die finale Episode ist dann in mancher Hinsicht besser als alle vorherigen Geschichten und in vielerlei Hinsicht noch alberner.

Fazit

Grundsätzlich hat sich wenig geändert. Einiges ist besser geworden, das meiste geblieben und in ein paar Punkten schafft es Staffel 2 sogar, den Vorgänger zu unterbieten.
Wer über dramaturgische Schwächen hinwegsehen und über alle anderen Schwächen lachen kann, findet hier aber vielleicht sein Guilty Pleasure.
Absichtlich funktionierender Witz und eine deutlich bodenständigere Selbstwahrnehmung, das ist mein Wunsch für Staffel 3. Dann klappt’s auch mit dem Durchschnitt.

Primeval – Rückkehr der Urzeitmonster – Staffel 1

Tim Haines wurde in den späten 90ern dafür bekannt, sein Wissen über Dinosaurier populärwissenschaftlich aufzuarbeiten und so in guter Infotainment-Tradition an den Mann zu bringen. Bereits während der Produktion seines Prestigeprojekts Dinosaurier – Im Reich der Giganten hatte er den Wunsch, die digital erschaffenen Kreaturen mit einer zeitgemäßen Thrillerhandlung zu verbinden. Mit Primeval gelang ihm die Umsetzung seines Traumes 8 Jahre später. Somit ist die obligatorische deutsche Beifügung „Rückkehr der Urzeitmonster“ zwar so unnötig wie fast sämtliche Titelergänzungen unserer eifriger Übersetzer, lässt sich aber immerhin mit etwas gutem Willen auch auf Haines‘ Filmographie beziehen.

Story

Hellen, Die Frau des Evolutionsbiologen Professor Nick Cutter, verschwand spurlos im Forest of Dean in England.
Als sich acht Jahre später seltsame Vorkommnisse um diesen Wald herum häufen, ist Cutter schnell zur Stelle. Was er entdeckt, ist eine Art Tor in die Vergangenheit – eine sogenannte Anomalie, die das Bindeglied zwischen Gegenwart und Erdmittelalter zu sein scheint. Und diese Anomalie spuckt Dinos aus, die prompt anfangen, das englische Eiland zu ihrem Jagdrevier zu erklären.
Zeitgleich mit Cutter stoßen noch weitere Personen auf das gefährliche Phönomen: Die kesse Abby, die im Zoo arbeitet, der nerdige Connor, der eigentlich Student von Professor Cutter ist, und Stephen, Galan und Cutters Assistent. Selbstverständlich lässt sich auch die verschollene Gemahlin alsbald wieder blicken.
Kurz darauf schaltet sich die Regierung ein und als klar wird, dass Anomalien in ganz England auftauchen, um biestige Reptilien durchzulassen und dann wieder zu verpuffen, wird das zusammengewürfelte Grüppchen, das sich im Forest of Dean zusammengefunden hat, einfach mal zum strenggeheimen Einsatzteam ernannt, das fortan die Anomalien und alle Probleme, die sich dank ihnen ergeben, in Schach halten darf.

Kritik

Der Inhaltsangabe merkt man schon an, dass Primeval nicht übermäßig ernstgenommen werden sollte. Nicht die Charaktere, nicht die Handlung, nicht einmal die Werbung. Denn egal, wie oft man liest, dass die Effekte mit ihrer wegweisenden Qualität die Dinos direkt ins eigene Wohnzimmer brächten, ist und bleibt diese Behauptung doch eine dreiste Lüge. Die Urzeitmonster sind stets unscharf dargestellt und bewegen sich längst nicht so geschmeidig, wie man es von zeitgemäßer Animationen gewohnt ist, weshalb sie auch immer wie der künstlich ins Bild gefügte Fremdkörper wirken, der sie sind. Die Krone setzen aber die Anomalien selbst auf, die aussehen, als hätte man eine Discokugel fotographiert, die im Begriff ist zu bersten. Wirklich katastrophal ist aber die Musikuntermalung, die ungeschlachter kaum sein könnte und bei so gut wie jedem Einsatz eine Gänsehaut der wirklich unangenehmen Art verursacht.
Etwas verwunderlich ist zudem, dass gerade ein Dinonarr wie Tim Haines in drei von sechs Folgen keine Echsen ins Feld schickt, die nachweislich existiert haben, sondern Fantasiewesen wie etwa einem überdimensionierten Tausendfüßler den Vortritt lässt.
Passend zu den trashigen Animationen sind auch die Charaktere gezeichnet, die fast ausnahmslos in den drei Konfigurationen „unvermutet smart“, „selten dämlich“ und „attraktiv“ agieren, wobei jede Figur in den meisten Episoden alle Stationen wenigstens kurz einmal besetzen darf.
Natürlich gibt es da auch noch den zwielichtigen Regierungsbeamten, der einer ominösen Deeskalationseinheit angehörig ist und als undurchsichtiger Vormund für das Protagonistenhäufchen dient.
Um es kurz zu machen: Überall finden sich kleinere wie größere Fehler. Sei es Hellen, die nicht gekämmt ist, weil sie bei Dinos lebt, wohl aber in einwandfreier Kleidung rumläuft. Oder die einfache Tatsache, dass man Zeitportale zwar etwas sonderbar, nicht aber als ausreichend bedeutsam genug empfindet, um tatsächliche Spezialisten für deren Betreuung anzuheuern. Stattdessen zieht man einen wackeligen Zaun um die Zeitfenster und betraut einen Haufen dahergelaufener Zivilisten mit dieser brisanten Aufgabe.

Spätestens dann aber, wenn der gerade zu Beginn haarsträubende Mysteryplot um das Geheimnis der Anomalien ins Rollen kommt, bemerkt man schnell, dass diese Science Fiction-Serie gar nicht mit klassischem Anspruch geschaut werden möchte.
Der seichte Trashcharme gibt eigentlich ab der ersten Folge bereits den Ton an. Zwar streift die Komik in und Wort und Situation nur selten das angepeilte Ziel, das Gesamtbild versprüht aber doch eine merkwürdige Heiterkeit, gegen die man sich irgendwann einfach nicht mehr sperren kann. Und wären die Plots der Einzelepisoden nicht so schrecklich generisch, würde jene eigene Stimmung beinahe genügen, der Serie zumindest auf dieser speziellen Rezeptionsebene eine Empfehlung auszusprechen.
Durch die trägen Geschichten schleicht sich außerdem allzu oft Langeweile ein, die von der lockeren Stimmung nie zur Gänze aufgewogen werden kann und einigen der 45-minütigen Folgen die Dauer eines ganzen Spielfilmes zu geben scheint.
Was jedoch in jeder Szene unverkennbar zum Vorschein tritt, ist der Spaß, den die ganze Crew beim Dreh gehabt haben muss. Permanent hat der Zuschauer das Gefühl, die Akteure verschmitzt grinsen zu sehen. Und auch dieses Gefühl ist bis zu einem gewissen Grade ansteckend.

Fazit

Primeval ist fernab von toll, hat aber unbestreitbar seine Momente. Die britische Herkunft steht der Serie definitiv gut zu Gesicht. Es handelt sich nun mal nicht um eine geleckte Produktion aus irgendeinem staubigen Hollywoodstudio. Auch unterschwellige Selbstironie muss man Primeval zugutehalten.
Doch all der europäische Charme kaschiert nicht die gigantischen Krater in Drehbuch und Figurenzeichnung. Und die muntere Atmosphäre macht aus den müden Einzelstories halt auch keine fesselnden Geschichten.
Erst gegen Ende kommt ein wenig des Potenzials zum Vorschein, das eine Serie mit Zeitreisethematik von Natur aus hat. Aber dann ist es auch schon vorbei und ein schnöder Cliffhanger ist das einzige, was einen dazu bringen soll, sich auch das halbe Dutzend Folgen von Staffel zwei zu Gemüte zu führen.