Looper

Wer seine Karriere mit einem Film wie Brick beginnt und drei Jahre später den unbeschwerten Brothers Bloom folgen lässt, wirft vor allem die Frage auf, wie der dritte Film von Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson aussehen wird.
Dass die Antwort dann ausfällt wie Looper, damit war nur schwer zu rechnen. Zum Glück steht dieser kleine Zeitreisethriller seinen Vorgängern qualitativ in nichts nach und beschert uns in einem Jahr, das sich von seiner Science-Fiction-Seite bisher eher enttäuschend zeigte, eine wahrlich angenehme Überraschung.


Dieser blöde Zeitreisen-Scheiß verbrutzelt einem total das Gehirn

Story

In unverbindlichen „30 Jahren“ ist Zeitreiserei keine Fiktion mehr. Dafür bringt die Zukunft aber auch Probleme mit sich, zumindest für Organisationen krimineller Natur. Da die Rechtsmedizin nahe an der Perfektion ist, kann die Mafia in ihrer Zeit keine Leichen mehr entsorgen, ohne früher oder später geschnappt zu werden.
Die Lösung: Die zu Exekutierenden werden 30 Jahre in die Vergangenheit geschickt und dort hingerichtet. Für diesen Job werden Personen aus derselben Zeit engagiert; die sogenannten Looper. Sie bekommen eine Waffe, einen Zeitpunkt und einen Ort mitgeteilt und müssen dann nur noch im richtigen Augenblick den Abzug betätigen. Die Bezahlung ist fürstlich, die Aufgabe simpel, nur einen Haken hat die Sache. Damit die Henker 30 Jahre in der Zukunft nicht plötzlich Probleme machen, stehen auch sie auf der Todesliste der Mafia, werden in der Zeit zurückgeschickt und von ihrem jüngeren Ich gerichtet. Sie sind selbst ihr letztes Opfer und werden anschließend freigestellt, um ganze 30 Jahre in Saus und Braus zu leben, ehe ihr unweigerliches Ende kommt.
Joe ist ein solcher Looper und tut unabsichtlich, was man unter keinen Umständen tun darf. Er lässt sein 30 Jahre älteres Ich entwischen und steht fortan ganz oben auf der Abschussliste des organisierten Verbrechens.

Kritik

Die gute Arbeit beginnt bereits beim Trailer. Dieser scheint viel zu zeigen, verrät in Wirklichkeit aber so gut wie gar nichts. Außerdem präsentiert er Looper als ein rasant geschnittenes Spektakel mit Blut und Blei. Was einen dann aber erwartet, ist anders. Nämlich ruhig, nachdenklich und alles andere als arm an Anspruch. Natürlich gibt es auch die versprochene Action. Wenn zur Waffe gegriffen wird, dann richtig – das Gezeigte ist in diesem Fall direkt, markig und ausgesprochen unangenehm, aber eben nicht so allgegenwärtig wie vom Trailer suggeriert.
Trotzdem bleibt das mulmige Gefühl den ganzen Film über bestehen. Das Amerika der Zukunft ist ein Loch, steht knietief in einer Horde aus Obdachlosen und funktioniert wieder nach dem Recht des Stärkeren. Jeder hat die Waffe im Anschlag und wenn eine arme Seele der neuen Edelkarosse zu nahe kommt, wird sie einfach niedergeschossen. Die Science-Fiction-Elemente, die abseits der sozialen Entwicklung Einzug in die Gesellschaft gefunden haben, sind vorbildlich dezent integriert. Futuristische Fahrzeuge, weiterentwickelte Alltagsgegenstände und ein paar subtil im Bild auftauchende Gadgets machen die Zukunft glaubwürdig. Das alles wirkt vor dem Hintergrund der verwahrlosten Straßenzüge und dem absolut außer Kontrolle geratenen Stadtleben aber sinnlos und verloren. Insgesamt macht das Szenario einen noch glaubwürdigeren Eindruck als z.B. das ähnlich gebeutelte L.A. in Strange Days oder die düstere Vision von Children of Men. Das urbane Treiben findet überwiegend in feuchten Gassen oder kahlen Hinterzimmern statt, Sonnenlicht ist die Ausnahme. Wenn die Handlung in der zweiten Hälfte aufs Land verlagert wird, ändern sich zwar Tageszeit und vorherrschende Farben, die Stimmung bleibt aber aufs Äußerste beunruhigend, kalt, hoffnungslos und von Anfang bis Ende bitter. Dazu trägt auch der sehr eigenwillige Score bei, der passend und atemberaubend präzise eingesetzt wird.
Einzig bei einer recht speziellen Eigenschaft bestimmter Leute kann man sich fragen, ob sie für das Funktionieren der Geschichte tatsächlich notwendig ist, wirkt sie in der auf Authentizität bedachten Welt doch minimal deplatziert und scheint in erster Linie für ein paar schicke Showeinlagen zu existieren. Aber das ist sicherlich Geschmackssache, stört die dichte Atmosphäre keineswegs und verleiht ihr sogar einen leicht surrealen Grundton.

Sämtliche Schauspieler machen einen hervorragenden Job. Allen voran natürlich Joseph Gordon-Levitt und Bruce Willis als dessen gealterte Version. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit nimmt man ihnen die geteilte Identität sofort ab. Ein Problem, an dem viele Filme mit ehrlosen und eindeutig amoralischen Protagonisten leiden, wissen die Stars ebenfalls elegant zu lösen. Denn der kriminellen Natur der Hauptperson zum Trotz fühlt sich der Zuschauer an den innerlich zerrissenen Charakter gebunden, weil Willis und Gordon-Levitt die Gequältheit und die inneren Konflikte ihrer gemeinsamen Figur absolut überzeugend rüberbringen. Als Zuschauer fiebert man nicht nur mit, man hat sogar Mitleid mit dem gebrochenen Mann. Und das, obwohl der Film zu keiner Sekunde eindeutig Position bezieht, denn die Beweggründe des jungen Joe sind – je nach Perspektive – gleichermaßen falsch wie richtig. Ebenfalls sehr überzeugend ist Emily Blunt in ihrer ungewöhnlichen Rolle. Jeff Daniels, der den Kopf des Syndikats gibt, überragt die restlichen Darsteller aber beinahe, obwohl seine Nebenfigur nur in wenigen Szenen auftritt. Dabei wirkt sie bis zum Schluss verderblich und väterlich zugleich und schafft dadurch einen sehr interessanten Widerstreit.

Und da auch die Geschichte stimmt, über die hier keineswegs ein Wort zu viel verraten werden soll, ist an Looper eigentlich kaum etwas auszusetzen. Der Film hat keinerlei Längen, ist straff erzählt und wirkt doch nie gehetzt. Dabei findet der Streifen, wie schon die anderen Werke von Rian Johnson, schnell ein ganz eigenes Tempo, das den Sog des Gezeigten noch einmal mächtig verstärkt.
Zeitreisefilme haben unweigerlich ein besonders schweres Los, da sich in ihnen fast schon automatisch Probleme in Sachen Logik und Kausalität einnisten. Looper ist in dieser Hinsicht etwas eigenartig. Natürlich ist der Film sich dieser Last bewusst und scheint sich erst einmal einzuigeln, indem Willis‘ Figur auf Nachfrage nur genervt stöhnt, dass sie keine Lust habe, darüber nachzudenken. Allerdings ist man nicht so feige, wie es auf den ersten Blick wirken könnte. Denn tatsächlich wird die Möglichkeit einer Erklärung angedeutet, die nicht nur recht clever ist, sondern viele scheinbare Fehler nach kurzem Überdenken unschädlich machen kann. Allerdings bleibt es bei einer Andeutung – und es liegt in der Hand des Zuschauers, dieses Angebot dahingehend zu auszulegen oder eben nicht. Gerade in dieser Hinsicht bietet der Film viel Diskussionsstoff. Und eine große Ungereimtheit bleibt in jedem Fall bestehen.

Feststeht, dass man nicht mit mehr Information in den Film gehen sollte, als der Trailer an die Hand gibt. Hier gilt eigentlich in verstärktem Maße was über andere twistorientierte Filmchen wie etwa Cabin in the Woods gesagt wird. Je unvorbereiteter und ahnungsloser man sich heranwagt, desto besser.
Haltet euch also fern von sämtlichen Reviews, Inhaltsangaben und eingeweihten Freunden mit lockerer Zunge, damit dieses kleine Sci-Fi-Juwel seine Wirkung ungestört entfalten kann.

Fazit

Ein Film der eigentlich alles hat, was man sich wünschen kann. Schwebende Motorräder, Zeitreisen und einen amoklaufenden Bruce Willis. Dabei wird er von Anfang bis Ende rasant erzählt, hat trotzdem emotionale Tiefe und hantiert dabei auch noch klug mit großen Fragen. Dass Looper mit seiner speziellen Neo-Noir-Ästhetik zusätzlich auch noch eine Augenweide ist, macht ihn endgültig zu einem der sehenswertesten Filme des laufenden Jahres.