Star Wars: Das Erwachen der Macht

Es ist immer noch sehr schwer zu fassen, ja, skandalös. Da kommt ein junger New Yorker daher und haucht erst dem vor sich hin darbenden Star Trek neues Leben ein, um sich dann umzudrehen und in derselben Bewegung das untote Star Wars zu revitalisieren.
J. J. Abrams‘ Star Wars: Das Erwachen der Macht läuft heute in den Kinos an.

That’s not how the Force works!

Story

Nach der Zerstörung des Todessterns ist viel geschehen. Luke Skywalker verschwand in ein selbstgewähltes Exil und alle Welt sucht ihn vergebens. Das Imperium erstarkte erneut, die Splittergruppe Erste Ordnung ist radikaler und entschlossener unter der Führung eines mysteriösen Wesens namens Snoke.
Poe Dameron ist der beste Mann des Widerstands und gerade dabei, die vielleicht heißeste Spur zu Skywalker seit Dekaden zu verfolgen, als eine Division Stormtrooper unter dem Kommando des Anführers Kylo Ren angreift und Poe inhaftiert, der die wichtigen Informationen nur in letzter Sekunde seinem treuen Droiden BB-8 übergeben konnte.
Während Poe in der Zentrale der Ersten Ordnung auf einen desertierenden Stormtrooper trifft, der ihm zur Flucht verhelfen will, kugelt BB-8 der jungen Frau Rey über den Weg, die bald feststellen darf: Die Macht ist stark in ihr.

Kritik

Die Star Wars-Komponenten:

  1. Kleine Helden einer kleinen Widerstandsgruppe, die gerade erst damit beginnen, ihre „Macht“ zu entdecken, während sie ins Erwachsenenalter übergehen.
    Sie treten, moralisch gefestigt, ansonsten aber von großen Orientierungsschwierigkeiten geplagt, als Menschen aus einfachsten Verhältnissen gegen eine Technokratie an, die alles zu überwuchern droht und ihre Sporen aggressiv in alle Richtungen spuckt.
  2. Ihre Heldenreise führt sie zu Schauplätzen, die unvergleichlich reich sind an schillernden Figuren, skurrilen Details und exotisch-verspielten Nuancen. Schauplätze, die lebendig sind und keinen Zweifel daran lassen, nur ein kleines aber stellvertretendes Partikelchen einer großen Welt im großen Weltall voll mit weiteren großen Welten zu sein.
    Sie sind das Versprechen, dass das Abenteuer, das Fantastische, das zum Staunen Einladende nie aufgebraucht ist.
  3. Musik von John Williams, die nur Anlauf von wenigen Augenblicken benötigt, um einen tief in die dargestellte Welt zu saugen.
  4. Ein Schnitt im Einklang mit dieser Musik, der Establishing Shots für die Ewigkeit kredenzt. Es muss nicht Paul Hirsch sein. Aber wie von Paul Hirsch, das wäre in diesem Fall schon wichtig.
  5. Die Geschichte wird als Märchen erzählt. Das Märchenhafte: Ein Science-Fiction-Film, in dem die ‚Science‘ in ihrer Ausprägung nicht einfach nur Dystopie ist, sondern der komplette Gegenentwurf zum schwierigen, manchmal auch entbehrungsreichen, in jedem Fall bescheidenen, aber auch romantischen Leben in der Idylle. Die unterstützende Kraft ist etwas Fantastisches, eine Macht, die sich nicht erklären lässt – und wer etwas anderes behauptet, bezieht sich auf andere Star Wars-Filme -, aber das Substrat von allem ist. Die Technik der Guten ist morsch, überholt, zweckmäßig und spartanisch. Schrott, der aber eine Seele besitzt. Und selbst die Lichtschwerter sind Teil einer Tradition, mehr Symbol als Technik.
  6. Putzige Roboterflegel
  7. Laserschwertduelle

Star Wars ist nicht der Heilige Gral. Auch wenn das Franchise als Ausgangs- und Bündelungspunkt bizarr vieler popkultureller Phänomene als solcher behandelt wird. Es sind die aufgezählten Punkte, die in ihrer konkreten Kombination aber nicht einfach nur abgehakte Formalien sind, sondern von einer besonderen Leidenschaft für Filme zusammengehalten werden – die Magie, die der Filmreihe innewohnt. Und, aller Häme zum Trotz, wohl das, was George Lucas alleine zu verdanken ist.

Heute läuft Star Wars: Das Erwachen der Macht in den Kinos an. Das Embargo für Kritiken ist gefallen und die ganze Welt spuckt aus, was sie von einem der meisterwartetsten Werke aller Zeiten hält.
Der Film befindet sich in einer günstigen Position. Lucas‘ Prequel-Trilogie hatte es gleich doppelt schwer. Die Erwartungen waren aufgrund des Kults um die originalen Teile völlig überhöht und die Filme selbst missraten. Damit fiel das 99 angepeilte Sternenkrieg-Revival gleich zweimal rabiat aufs Gesicht.
Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass man heuer weitaus vorsichtiger an den neuesten Teil der Reihe geht. Und da J. J. Abrams das Erbe zu einem wirklich sehenswerten Film geballt bekommt, ist es gleich doppelt besser um Star Wars: Das Erwachen der Macht bestellt als seinerzeit bei Die Dunkle Bedrohung.

Abrams‘ Version hält sich dabei beinahe schon sklavisch an das Erfolgsrezept der alten Filme, verfällt aber nicht in einen selbstzweckhaften Zitaterausch und weiß im richtigen Maße eigene Akzente zu setzen und Inhalte neu auszurichten.
Wieder ist es ein Niemand aus ärmlichen Umständen, der sich irgendwie durchs Leben schlägt und viel tagträumt, bis er schicksalshaft darüber stolpert, für die Machtnutzung prädestiniert zu sein. Schicksalshaft drüber stolpern, heißt in diesem speziellen Fall, dass gerade zu Beginn sehr viele Zufälle akzeptiert werden müssen, bis sich alle relevanten Figuren gefunden haben. Man mag das als „Macht-Fügung“ billigend in Kauf nehmen, kann aber mit Fug und Recht ebenso sagen, dass das Drehbuch hier ein bisschen nachlässig ist. Trotzdem flutscht der Film von Anfang an und wird tatsächlich mit jeder Szene etwas besser, bis sich die Geschichte in einem würdigen Schlussbild auflöst.
Apropos Bilder: Es wird, wie es zu erwarten war, viel fürs Auge geboten. Die Schauplätze sind ohne Ausnahme schön gewählt und ebenso schön gestaltet, auch wenn man aus ihnen mehr rausholen könnte. Die meiste Schönheit ist leider nur Kulisse, obwohl sie mehrmals das Potenzial hätte, auch aktiv ins Geschehen eingebunden zu werden. Dass man sich in Sachen CGI bewusst zurückgehalten hat und Sets und Figuren häufig von Hand entstanden sind, ist dabei allerdings die größte Wohltat. Nur bei wenigen Figuren fiel die Entscheidung doch zugunsten von CGI aus. Das charakteristische Art Design von Star Wars konnte ohne Schäden übertragen werden, auf die charmante Pappigkeit der Ausführung wurde dabei aber natürlich verzichtet. Dafür werden aber Variationen beliebter Schauplätze besucht, was auf dem Papier vielleicht nach feigem Recycling klingt, in Aktion dafür aber eine wahre Freude ist. Von der dunstigen Alien-Kneipe bis hin zum labyrinthischen Stahldarm eines gigantischen Imperiumflaggschiffs ist alles dabei.
Getrübt wird das Sehvergnügen manchmal von einer etwas zu zackigen Kamera, die mit weniger Schwenks und Fahrten einen stimmigeren Eindruck der Welt geboten hätte. Die Szenerien waren schon damals immer dann am erfreulichsten, wenn die Bewegung in den Bildern selbst entsteht und nicht nur die Perspektive. Ein wenig fehlt es der sich eh sehr schnell entwickelnden Geschichte hier an einem Ruhepol.
Hier merkt man aber bereits, dass bei allem nur auf hohem Niveau gekrittelt werden kann. Die Action-Sequenzen sind dafür durchweg übersichtlich und angenehm geschnitten, sodass nie die Orientierung verloren geht.
Die Geschichte selbst klappert, wie erwähnt, mehrere Stationen ab, wo immer ein Abenteuer darauf wartet, erlebt zu werden. Das ist durchaus durch die Star Wars-Tradition legitimiert. Auch The Empire Strikes Back ist genaugenommen nur eine ausgedehnte Actioneinlage gewesen, die von etwas Sumpf unterbrochen wurde. Deswegen kann man Episode 7 wahrlich nicht vorwerfen, hier einen falschen Kurs einzuschlagen.
Etwas schade ist es, dass der Film dafür gerade in Sachen Humor ein bisschen steif in der Hüfte ist. Denn neben einer Handvoll wirklich gelungener Reminiszenzen an alte Tage wird sich sehr auf den neuen Droiden-Begleiter DD-8 verlassen, dessen humorige Seiten sich aber in der Regel darauf beschränken, ganz ungeheuer putzig in der Gegend rumzukugeln. Auch sonst kommt der Film dann und wann etwas arg albern daher – die geistreichen, ins Schwarze zielenden Sprüche des Originals findet man nur vereinzelnd.
Daisy Ridley als neue Protagonistin und Macht-Hoffnung Rey macht ihre Sache ausgesprochen gut, kann aber auch mit starkem Spiel nichts daran ändern, dass die Lernkurve ihrer Figur ein bisschen sehr zackig vonstattengeht. Zwischen „Ich sammele und verkaufe Schrott, während ich mich selbst belüge“ und „Ich bin selbst dem stärksten Krieger der Dunklen Seite überlegen“ ist der Weg nämlich sehr kurz und die Entwicklung nicht so ganz nachvollziehbar.
Aber das ist nur Kleinkram. Die neue Generation der Machtjünger macht ihre Sache mehr als gut, die Anknüpfungspunkte zur alten Trilogie sind logisch und mit gut dosierter Sentimentalität eingebaut und auch ansonsten ist die Angelegenheit schweineunterhaltsam. Und trotz aller Freude darüber, dass es eine Art Wiedersehen ist, mit den Figuren, mit der Welt, mit Star Wars, ist es auch etwas Neues.
Laserschwertduelle gibt es dafür überraschend wenig. Und das ist vielleicht eine verblüffend gute Nachricht. Denn wenige wuchtige Konfrontationen mit wuchtigen Schlägen dieser tödlichen Lichtsäbel sind ehrfurchtgebietender als ausufernde Choreographien, bei denen die Waffen zu Tanzstäben verkommen. So bekommt auch der ganze Ritter-Aspekt wieder mehr Gewicht.

Vielleicht kann man in nerdiger Eingeschworenheit munkeln, dass man das Fehlen von George Lucas nichtsdestoweniger spürt. Denn der Flair, diese Quäntchen Magie, die halsstarrige Leidenschaft des Exzentrikers, die vermisst man an manchen Ecken dieses Abenteuers. Doch auch, wenn dies ketzerisch klingen mag – dass dies allein nicht reicht, sah man insbesondere bei Die Dunkle Bedrohung und Angriff der Klonkrieger.

Fazit

Star Wars. Neue Lieder, die nach alten Klingen, alte Gesichter, die mit der Zeit gingen, neue Helden, neue Abenteuer, eine neue Order. J. J. Abrams hat eine Saga wiederbelebt und dabei mit Bedacht alle Zutaten, die schon in der Vergangenheit funktionierten, wiederverwendet. Dass dabei Wiederholungen mehr Grund zur Freude als zur Klage sind, ist wohl das beste Zeichen, dass Star Wars: Das Erwachen der Macht eine würdige Fortsetzung ist. So wie die Originale ist auch der neueste Film nicht fehlerfrei. Eine Wiederholung des elektrisierenden Gefühls, das man damals beim ersten Star Wars-Kontakt hatte, ist weder zu erwarten noch zu leisten. Stattdessen ist auch Das Erwachen der Macht ein durch und durch unterhaltsames Sci-Fi-Märchen mit tollen Schauwerten und dem nötigen Respekt seinen Vorfahren gegenüber. Und das ist alles, was es sein muss.

Ant-Man

Mit Ant-Man läuft die zweite Phase des Marvel Cinematic Universe in die letzte Runde. Mit einem stecknadelkopfgroßen Helden, viel Humor und reichlich Querverweisen auf die große Marvelgesellschaft versucht der Film, sich einen Ausnahmeplatz unter den großen Helden zu reservieren.

It’s a trial by fire, Scott… or in this case, water.

Story

Die Gesellschaft hat nur wenig Vergebung übrig für den gerade aus der Haft entlassenen und eigentlich hochgradig reumütigen Meisterdieb Scott Lang. Selbst der Job als Eisverkäufer wird ihm genommen, als sein Arbeitgeber von seiner Vergangenheit Wind bekommt. Darüber hinaus verweigert seine Ex-Frau ihm jede Begegnung mit der gemeinsamen Tochter Cassie, so lange Scott sein Leben nicht in eine geregelte Bahn gebracht hat.
Darum sieht er sich gezwungen, gemeinsam mit seinen halbkompetenten Freunden einen letzten Coup zu planen: Der ältere und wohlhabende Herr Hank Pym soll seine Anwesen und den darin befindlichen Tresor für eine Weile unbeaufsichtigt lassen. Als sich Scott daran zu schaffen macht, stellt sich schrittweise heraus, dass die Sachen anders liegen, als gedacht. Nicht nur ist Pym ehemaliger Mitarbeiter von S.H.I.E.L.D. und in Besitz eines Anzuges, der den Träger auf Ameisengröße schrumpfen lässt, er scheint den Einbruch Scotts außerdem von langer Hand selbst eingeleitet zu haben, um ihn für seinen eigenen Plan zu gewinnen. Denn sein ehemaliger Schützling Darren Cross plant Übles mit der einstmals von Pym entwickelten Technologie.

Kritik

In seiner Trailer-Inkubationszeit hat Ant-Man im Vergleich zu seinen Marvelgeschwistern nur wenig Aufmerksamkeit bekommen. Zwei gute Gags und eine Menge routinierter Standard wurden in der Vorschau von einem ziemlich blass wirkenden Paul Rudd begleitet, während sich das Gefühl festbiss, dass mit Michael Douglas ein wertvoller Cameo vorweggenommen wurde. Dass Edgar Wright (Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt, Shaun of the Dead) Mitte 2014 seinen Regiestuhl zusammenklappte und sich vom Projekt aufgrund kreativer Differenzen trennte, woraufhin sein Drehbuch, stark abgeändert, ausgerechnet Peyton Reed überlassen wurde, dessen bisheriger Werdegang ihn nicht unbedingt für einen Marvel-Film prädestinierte, sorgte zusätzlich für einen rostigen Beigeschmack.
Als der Film schließlich auf die Leinwände entlassen wurde, raschelte es im journalistischen Blätterwald – der unterhaltsamste, vielleicht auch beste Film direkt hinter Guardians of the Galaxy, bekommt man allerorts zu lesen. Und selbst James Gunn, Regisseur genannter Referenz, klinkt sich in diesen Kanon ein. Und dann erst das 3D.
Doch halt.

Ant-Man ist zweifelsohne besser als seine Trailer. Die Zahl guter Witze ist höher als zwei. An Paul Rudds Performance gibt es nichts zu beanstanden. Und Michael Douglas hat mit seinem naseweisen Mentor Hank Pym eine überraschend große Rolle, an der er auch sichtlich Freude zu haben scheint.
Trotzdem teilt ich das Projekt ein Leiden mit Filmen wie Thor und Captain America: The First Avenger. Er wirkt wie eine Pflichtübung, die Notwendigkeit, einen separaten Film um eine Figur herum zu drehen, die anschließend ins Avengers-Ensemble eingereiht werden muss, obwohl eine wirklich relevante Geschichte für einen solchen Film nicht existiert. Im Vergleich zu den genannten Einführungsfilmen liegen aber mildernde Umstände vor. Denn auf eine gar nicht ungeschickte Weise umgeht der Film die Entstehungsgeschichte des Helden, die schon zu oft mit ihrem klassischen Muster große Teile der Filme vereinnahmte, und erzählt stattdessen aus dem Alltag eines in klassischer Weise edlen Diebes, der sich für seine Rolle als Held gar nicht mehr groß entwickeln muss. Ebenfalls umschifft wird ein weiteres Problem aller Marvelfilme – das Fehlen eines ausreichend charakterstarken Antagonisten. Ant-Man tut lange Zeit gar nicht erst so, als existiere eine Bedrohung, personifiziert durch einen übermenschlich starken Erzschurken. Jedenfalls bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, der stellvertretend für die tiefsitzenden Probleme des Filmes steht. Plötzlich schlüpft Cross (für den Corey Stoll einfach dieselbe Rolle wie in House of Cards noch einmal spielt) in seinen eigenen Anzug und lässt in gewohnter Manier einiges explodieren, um sich dann in einen langweiligen Zweikampf mit unserem noblen Helden zu liefern, bei dem viel zu Bruch geht und nichts passiert.
Ant-Man zeigt Ansätze, es Guardians of the Galaxy gleich und es somit anders zu tun, traut sich aber nicht, diese auch konsequent bis zum Ende zu verfolgen. Es ist bloße Spekulation, aber vermutlich lässt sich genau hier die Naht spüren, wo Edgar Wrights Version des Filmes an Peyton Reeds gefügt wurde. Der im Alltag scheiternde, tragische Langfinger hätte das Potenzial, ein besonderer Held im Marveluniversum zu werden, der in vielerlei Hinsicht menschlicher ist als die Halbgötter und Supersoldaten aus seinem zukünftigen Team, verliert in seiner Rüstung aber all die Attribute. Der manchmal gar etwas lakonische Humor ist bemüht, mehr und größer zu sein als die Ironie in den anderen Marvelfilmen, welche immer bemüht sind, trotz flinker Worte nie den Ernst aus dem Fokus zu verlieren, reicht dann aber doch nicht aus, um eine wirklich andere Heldengeschichte entstehen zu lassen. Zwar kann der Film einige Lacher für sich verbuchen, ist aber ebenso reich an zu kalkuliertem und durchschnittlichem Witz, der sich aus dem Akzent von Figuren und und Ungeschicklichkeiten speist, während die treffsicheren Witze in Dialogform von überschaubarer Anzahl sind. Auch das 3D- und Actionargument, nämlich dass sich Ant-Man durch seine Schrumpf-Fähigkeit seiner Probleme in einer komplett anderen Dimension annehmen kann als seine Kollegen, führt letztlich zu keinem nennenswerten Ergebnis. Eine Badewanne bei der ersten Minimierung Scotts, die plötzlich zur dreckigen Ebene wird, ist bereits der Höhepunkt dieses vermeintlichen Paradigmenwechsels. Ansonsten fehlt es Regie und Drehbuch entschieden an schlagfertigen Ideen, den ameisengroßen Gauner in Szene zu setzen.
All das lässt sich ziemlich präzise so zusammenfassen, dass es Ant-Man einfach an Mumm fehlt. Er wäre gern der lockere, draufgängerische Exot in den Reihen der Avengers, traut sich nach einem so vielversprechenden wie kurzen Anlauf aber nicht, den entscheidenden Sprung zu machen, und wendet sich dann doch den üblichen Strukturen zu.
Dass die eigentliche Geschichte selbst etwas stockend erzählt wird und nur aus mehreren, teils etwas bemüht aneinandergefügten Stationen besteht, fällt angesichts dessen kaum auf.

Fazit

Der Abschluss von Phase 2 des Marvel Cinematic Universe ist unterhaltsam und hat einen sympathischen Helden – und Michael Douglas! Der mutige Schelm, der Ant-Man gerne wäre, ist er aber nicht. Dafür fehlt es dem Film an Mut und Frechheit, weshalb er sich letztlich auf gutem Niveau als gleichwertig neben den anderen Soloabenteuern der Marvelhelden einreiht. Was für ein Glanzlicht Ant-Man hätte werden können, hätte das Studio Edgar Wright nicht vergrault, ist schwer zu sagen.
Interessant wird es aber dennoch, wie sich der kleine Held Schulter an Schulter neben die mittlerweile ja schon äußerst durchmischten Haudegen der Avengers stellen wird.

Die Avengers – Die mächtigsten Helden der Welt – Staffel 1

Das Marvel Cinematic Universe züchtete mit seinem unvergleichlichen Erfolg auch wieder eine ganz neue Generation von Zeichentrickserien heran, die altgediente Helden auf neue Mission schicken. Die von Disney XD produzierte Avengers-Serie, welche 2010 startete und bis heute läuft, gehört zu den besten.

Prepare your monstrous head for my wrath!

Story

Da sich Nick Furys Organisation S.H.I.E.L.D. immer häufiger als falsche Wahl herausstellt, wenn die Erde mal wieder schnell und in kompakter Gruppe gerettet werden muss, schließen sich Iron Man, Hulk, Thor, Henry Pym und Wasp zu der Avengers-Formatoin zusammen, die als unabhängige Stoßtruppe gegen die mächtigsten Feinde antritt. Trotz persönlicher Tragödien im Hintergrund und ebenso persönlicher Rebereien innerhalb des Teams, gesellen sich mit der Zeit auch Captain America, Black Panther und schließlich Hawk Eye hinzu.
Während die aus den vier Gefängnissen ausgebrochenen Superschurken wieder eingefangen werden müssen, scheint sich die Schlinge die Erde stetig fester zu ziehen. So effizient die Einsätze der Avengers auch sein mögen, die Antagonisten, die im Hintergrund ihr Fäden ziehen, sind so zahlreich wie uneinschätzbar.

Kritik

Alle Figuren erhalten ihre standesgemäße Einführungsepisode, die zugleich auch geschickt die Weichen für den Staffelplot legt, wichtige Konflikte etabliert und nach und nach mehr Fenster zur Hauptstory öffnet, ohne dabei je gezwungen zu wirken. Schön ist, dass die einzelnen Geschichten dabei manchmal auch einen eigenen, in sich schlüssigen Zeichenstil besitzen. Bereits früh offenbaren sich all die Gründe The Avengers: Earth’s mightiest Heroes, zu schauen. In jeder Folge steckt Wissen und Herzblut, die Storys sind nett arrangiert, wirken immer relevant und niemals dumm. Die Action ist einfallsreich und logisch aufgebaut, es droht nie die Übersicht verlorenzugehen und ebenso wenig verkommen die Scharmützel zur blinden Materialschlacht. Die charismatischen Recken haben stets einen (meist) flotten Spruch auf den Lippen, der überraschend häufig die Erhoffte Wirkung hat, sind ihrer Superkräfte zum Trotz fehl- und auch mal verletzbar, und können alle ihre eigene Nützlichkeit für sich verbuchen. Einen kleinen Bonuspunkt erhält die Serie, weil sie gerade in Zeiten allgegenwärtiger Mythosmodernisierung den Mut beweist, Kostüme mit klassischen 60er-Flair mit einzubringen.
Warum aber ausgerechnet Playboy Tony Stark nun als Anführer fungiert, ist allein durch die Serie nur am Rande verständlich. Er ist der einzige extrovertierte, risikobereite und zugleich steinreiche Dandy der Truppe, der felsenfest mit der Gegenwart verwurzelt ist – aber auch einer der defizitärste Vertreter, körperlich wie moralisch. Natürlich ist es gerade all das, was ihn für diese Rolle prädestiniert, aus der bloßen Geschichte heraus wird diese unangefochtene Leitungsbefugnis aber nicht plausibel.

Es ist immer was los, ständig gibt es mehr als nur einen Brandherd zu bekämpfen und trotz des nie versiegenden Flusses an Superschurkenmassen, wirkt der Hauptteil der zahlreichen Gegenspieler, die mit Vorliebe selbst in Gruppen auftreten, immer stimmig in das Geschehen eingebunden. Fast alle der kleinen und größeren Geschichten machen für sich und auch im Zusammenhang Sinn, denn die Geschehnisse scheinen sich fast immer mit ein wenig angestrengter Logik herleiten lassen, wodurch The Avengers’s: Earths mightiest Heroes nie zu einer bloßen und endlosen Schießbuden-Fahrt verkommt, bei der sich jedes Mal nur umgefärbte Pappfiguren umkippen lassen. Die TV-Adaptiopn hat Respekt vor den Bildern, die Stan Lee und Jack Kirby einst gestalteten, und lässt ihren Visionen ihr Grundgefühl erhalten bleiben. Das Kernstück der Serie ist somit auch die vorbildliche Balance zwischen Charakterentwicklung, Gruppendynamik und Actionanteil, die fast immer mustergütig umgesetzt wird. Auch sollte man sich von der Zeichentrickpräsentation nicht täuschen lassen, die Serie ist nämlich keineswegs nur für Kinderhaugen. Häufig sind die Storys recht komplex miteinander verwoben und man scheut sich auch nicht, sprachlich mal etwas anspruchsvoller zu werden. Aus irgendeinem Grund hat allerdings jede Episode ihre kleine Kalauer-Sekunde, in der es für den Augenblick einer Szene kurz dümmlich-albern wird. Daran hat man sich zwar schnell gewöhnt, befremdlich bleibt diese Gepflogenheit aber bis zum Schluss. Trotzdem: Natürlich ist dies in erster Linie eine Serie für Heranwachsende, so viel Spaß sie auch den Mündigen bereitet. Und so wird sie bewertet.

Dass es trotzdem auch schwächere Episoden gibt, steht bei der satten Anzahl von 26 Folgen trotzdem außer Frage. Doch selbst das formelhafte ‚459′ oder die Ideenarmut bei ‚Widow’s Sting‘ ist immer noch recht unterhaltsam, zudem die fehlende Substanz bei 20 Minuten Nettospielzeit weniger schadet als bei 50 und selbst hier wenigstens ein paar frische Oneliner für ausreichende Unterhaltung sorgen. Zudem ist diese Art von Episode klar in der Unterzahl, während die ansprechend geschriebenen Geschichten, die stets mit ein paar cleveren Einfällen garniert sind, eindeutig die Regel darstellen. Wenn dann Folgen wie ‚The Man who Stole Tomorrow‘ direkt an solche relativen Durchhänger anschließen, um Überlegungen aufzuwerfen, die vollends klarmachen, dass diese Zeichentrickserie nicht ausschließlich für Teenager produziert wurde, ist man rasch wieder mitten im begeisternden Sog von The Avengers: The Mightiest Heroes.
Die Dichte der qualitativ nachlässigeren Folgen nimmt gegen Ende dann leider merklich zu. Geduld und Toleranz des Zuschauers drohen in den finalen Abenteuern erstmalig ein wenig einzubrechen, da sich schließlich doch so etwas wie Ermüdung einstellt und das Konzept durch eine strukturelle Wiederholung angegriffen wird. Vorrangig mag das daran liegen, dass man sich etwas zu bemüht um einen finalen Konflikt bemühte, der möglichst groß und einmalig daherkommen soll, was beides aber nicht so recht aufgehen mag. Stattdessen wird ausgerechnet am Ende doch noch etwas zu konstruiert und überworfen. Der wirklich schlimmste Aspekt der Serie ist allerdings der Vorspann, der bereits beim ersten Mal enorm nervig auffällt und mit seinem geschmetterten Pathos-Lied so ekelhaft wirkt, wie kaum ein Intro der letzten Jahre. Zum Glück ist so etwas überspringbar.
Ein weiterer Schwachpunkt der Serie ist dort zu finden, wo er auch in Joss Whedons Realfilm-Adaption liegt. Da der Fokus auf den Rächer-Charakterköpfen liegt (und auch hier nicht immer von absolutem Gleichgewicht gesprochen werden kann), kommen die Schurken zu kurz und wirken im Vergleich zu den Protagonisten häufig eindimensional. Das wird durch ihre schiere Masse etwas ausgeglichen, doch wären weniger und dafür ebenbürtigere und vor allem mehrschichtigere Gegenspieler wünschenswert gewesen. Dafür führt der vorhandene Kompromiss zu einem sehr illustren Katalog schräger Vögel aus dem ganzen Marvel-Inventar.

Fazit

Allem voran bereitet die neue Marvel-Zeichentrickshow einen Mordsspaß. Sämtliche 26 Folgen sind enorm kurzweilig, die Balance zwischen Anspruch und Jugendtauglichkeit ist stets gelungen und ein jeder, der die perfekte kurzweilige Begleitung zum sonst so heldenfreien Mittagsmahl sucht, dürfte endlich gefunden haben, wonach er sich sehnte.
The Avenger’s: Earths mightiest Heroes ist in jedem Sinne hochwertige Zeichentrickserie, die fesselnde Unterhaltung auf den Bildschirm zaubert und dabei hervorragend die Möglichkeiten- und den Facettenreichtum des Marveluniversums illustriert.

Oblivion

Oblivion. Nicht nur ein Film, dessen Titel endlich mal wieder identisch mit der Originalbenennung ist, sondern auch einer von den vielen der letzten Monate, bei dem eine Sperrfrist verbot, Kritiken vor Kinostart zu veröffentlichen. Normalerweise fast schon ein Geständnis von Verleiherseite, ordentlichen Murks ins Kino zu bringen und sich sehr dafür zu schämen.
Es ist an der Punktevergabe bereits erkennbar und sei daher vorweg gesagt: Dies ist nicht der Fall.
Oblivion ist  nach Tron: Legacy Joseph Kosinskis zweiter Leinwand-Ausflug und unterstreicht noch einmal all das, was man als Stärken und eventuelle Schwächen des Regisseurs nach seinem Erstling vermutet hatte.

Es ist unsere Aufgabe, uns nicht zu erinnern.

Story

Die Invasion außerirdischer Aggressoren konnte mit Mühe und Not zurückgeschlagen werden. Den Kämpfen zum Opfer fiel allerdings unser hochgeschätzter Erdenbegleiter Mond. Seit er den Blauen Planeten nicht mehr umkreist, wüteten Erdbeben, Tsunamis und weitere Naturkatastrophen, die die Wiege der Menschheit unbewohnbar machen. Die Überlebenden wanderten aus auf den Saturnmond Titan. Da Wasser dort allerdings Mangelware ist, muss die Erde noch ein letztes Mal den Kopf für seine Geißel hinhalten und ihre wichtigste Ressource hergeben.
Riesige Aufbereitungsanlagen hängen über den Meeren und produzieren sauberes Nass. Jack und seine Partnerin Vika müssen dafür sorgen, dass die Drohnen gewartet werden, die in ihrem Quadranten die Aufbereitungsanlagen vor den letzten Nachzüglern der Aliens schützen. Vika delegiert und überwacht aus der sicheren Ferne, Jack ist der Mann fürs Grobe, der über die postapokalyptische Erde saust, Alientrupps aufspürt und Drohnen rettet.
Er ist aber auch ein Mann, der die Erde nicht verlassen will, sich nicht nach Titan sehnt, sondern um seine Heimat trauert und die ganze Operation im Geheimen ein wenig hinterfragt. Große Unterstützung bekommen seine Zweifel, als plötzlich Menschen auf der Erde bruchlanden, er den Befehl missachtet, vom Unfallort fernzubleiben, und daraufhin eine Überlebende birgt, die nicht nur Erinnerungen an seine – zur Sicherheit aus der Erinnerung gelöschten – Vergangenheit wachrüttelt, sondern auch sein ganzes Weltbild auf den Kopf zu stellen droht.

Kritik

Als erstes sticht ins Auge, dass Oblivion ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus ist. Im Gegensatz zu den meisten Genrevertretern ist der Film hell, bisweilen fast schon grell, und weidet sich an seiner blendenden Schönheit. Die Skelette der untergegangenen Zivilisation wirken manchmal fast schon poetisch, die verheerten Weiten der endzeitlichen Erde ehrfurchtgebietend und fantastisch. Das Sci-Fi-Design der Gerätschaften, über die die beiden Wächter verfügen, gibt ebenfalls keinen Grund zur Klage. Alles ist detailliert und wirkt konzeptuell voll durchdacht. Vor allem Jacks wendiger Gleiter in Libellenform ist für Technik-Geeks garantiert ein kleines Faszinosum.
Wenn dann auch noch alles damit beginnt dass Jacks Off-Stimme zu diesen berauschenden Bildern in ergreifendem Tonfall die Vorgeschichte erzählt, ist man sich fast schon sicher, einem kleinen Meisterwerk beizuwohnen.
Schnell stellt sich heraus, dass nicht alles so gut und schön ist, wie die Computerstimme aus dem All es Jack und Begleiterin weismachen möchte. Keine Erinnerung an die Zeit vor ihrem Auftrag, ausbleibende Ersatzteillieferungen und von all den nimmermüden Drohnen umgeben, wirkt der Arbeitsplatz der beiden wie ein kleines 1984. Dazu kommt, dass die fliegenden Überwachungssonden nicht von ungefähr an den unterschwellig bedrohlichen HAL 9000 erinnern; inklusive rotem Auge. Während Jack skeptisch ist, pocht Kumpanin Vika aber auf Vorschriftentreue und Titaneuphorie. Trotzdem braucht es lange, bis man eine Bindung zu der Hauptperson aufgebaut hat. Das liegt zum einen an den Figuren selbst, die bis auf ihre grundlegenden Eigenschaften erst einmal leer bleiben und dabei nicht gerade umwerfend sympathisch sind. Viel wichtiger ist aber die Inszenierung. Denn hier fackelt Oblivion ohne Unterlass ein riesiges Feuerwerk ab, obwohl es dafür die meiste Zeit gar keinen Anlass gibt. Alles wird bedeutungsschwanger gefilmt und jede Aufnahme wirkt wie das zentrale Schlüsselbild überhaupt. Der dramatisch-epische Score liegt quasi auf den vollen 125 Filmminuten. Nicht eine Szene ohne mitreißende Musik, die selbst den banalsten Handgriff zur Jahrhundertgeste aufbläst. Diese Stilüberladung erlaubt es dem Film nicht, auch mal leisere Töne anzuschlagen, obwohl er dies gerade in der ersten Hälfte dringend nötig hätte.
So wird es dank permanenter Sinnes-Massage und des hohen Stilbewusstseins nie langweilig, doch während Augen und Ohren verwöhnt werde, bleiben Kopf und Herz weitestgehend missachtet. Symptomatisch für das Dilemma sind die Actionsequenzen, die jederzeit rasant vonstattengehen, gleichzeitig aber auch die größte Schwachstelle des Filmes darstellen, da sie ausnahmslos kalt lassen und die Spannung groteskerweise sogar für die Dauer des Ereignisses aus dem Film herausnehmen, anstatt sie zu erhöhen.
Bis grob zur Halbzeit ist Oblivion also ein außergewöhnlich hübscher, aber auch etwas oberflächlicher und distanzierter Sci-Fi-Film. Dann nimmt die Geschichte an Fahrt auf und mit ihr das gesamte Werk. Die Bindung zum Protagonisten kann endlich kräftig genug werden, um echte Sympathien zuzulassen, und alles kommt in Bewegung. Vor allem liegt das an den Storytwists, die das Geschehen ordentlich durcheinanderbringen und angenehm die bisherige Perspektive hinterfragen. Doch ist auch hier nicht alles eitelsonnenschein, denn so nett die Ideen erst einmal wirken mögen, so wenig plausibel sind sie. Bei genauerer Überlegung stellt sich nämlich leider heraus, dass die ganze Story eigentlich gar keinen Sinn macht – von vorne bis hinten. Zudem könnte man sich an einer Stelle daran stören, dass der Film ein paar kurze, aber umso eindeutigere Parallelen zu Duncan Jones Regiedebüt Moon aufweist. Doch sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Oblivion zugrundeliegende und sich sehr erfolgreich verkaufende Graphic Novel bereits 4 Jahre vor Moon erschienen ist. Und, wie gesagt, außerdem sind die Berührungspunkte viel seltener als in der ersten Sekunde zu befürchten ist.
Zugpferd Tom Cruise füllt seine Rolle, so wie alle anderen Beteiligten ebenso, solide und ohne große Mühen. Einzig die seltenen Augenblicke, in denen die Emotionen etwas größer werden, scheinen dem Scientology -Mimen minimal schwerzufallen.

Fazit

Oblivion ist audiovisuell ein vollwertiges Hauptgericht, das einen in dieser Beziehung befriedigt, aber auch übersättigt zurücklässt. Vor allem die ununterbrochene Musikuntermalung schadet dem Film mehr als ihm zu helfen.
Inhaltlich geschieht in der ersten Hälfte zu wenig, während in der zweiten die Logik dünn wie Seidenpapier ist. Trotzdem steigert sich der Film von Minute zu Minute, macht im letzten Drittel an vielen Stellen Spaß und ist aufgrund seiner technischen Pracht niemals langwierig.
Allerdings lebt Oblivion auch sehr von seinen Twists in Hälfte zwei, was bedeutet, dass vieles vom inhaltlichen Erlebnis dem erstmaligen Betrachten vorbehalten ist und alle weiteren Sichtungen zwangsläufig ohne den wichtigen Überraschungseffekt auskommen müssen. Das ist natürlich ein generelles Film-Phänomen, trifft hier aber in besonderem Maße zu.

A

John Carter – Zwischen zwei Welten

Edgar Rice Burroughs ist in erster Linie bekannt für seine Schöpfung Tarzan. Noch vor dem Affenjungen schrieb er erstmals 1913 die Geschichte Die Prinzessin vom Mars und legte damit im Vorbeigehen die Grundsteine für fantastische Szenarien, wie wir sie heute kennen. Während sämtliche große Science Fiction-Epen schamlos von Burroughs Vorlage entliehen und kopierten, waren die Pläne, diese selbst zu verfilmen, von chronischem Scheitern geprägt. 1931 hatte die Geschichte die Chance, der erste Zeichentrickfilm in Spielfilmlänge zu werden und verunglückte, der nächste Anlauf sollte Conan der Barbar und Star Wars mit Tom Cruise in der Rolle des John Carter die Stirn bieten und verdampfte ebenso in der Vorproduktionshölle wie der nachfolgende Plan, die Geschichte von Frank Miller inszenieren zu lassen. Jetzt, da die Technik reif genug ist, John Carters turbulente Marsabenteuer glaubhaft darzustellen, wird die Geschichte von Disney auf die große Leinwand geschickt.

Story

Die Erzählung von John Carter ist eingebettet in die Rahmenhandlung über dessen Neffen, der vom Ableben seines Onkels erfährt, zum Alleinerben wird und das Tagebuch des Verblichenen aufschlägt, um seine Geheimnisse zu lüften. Die Visualisierung der Memoiren machen die folgenden zwei Stunden Film aus.
1868 hat John Carter den Soldatendienst quittiert, den Patriotismus an den Nagel gehängt und tourt als exzentrischer Goldgräber durch die Landen. Auf der Flucht vor Soldaten und Apachen gleichermaßen stößt er nicht nur auf das ersehnte Edelmetall, sondern auch auf einen merkwürdigen Herren, der ihn nach kurzem Gerangel ohne Vorwarnung auf den Mars teleportiert.
Nachdem Carter sich mit den ungewohnten Schwerkraftverhältnissen vertraut und sich bei einem Stamm vierarmiger Marsianer einen Namen gemacht hat, wird er ungewollt in die Streitigkeiten der zwei großen Parteien des Planeten hineingezogen.
Die große Stadt Zodanga saugt dem Mars das Leben aus und ihr König erobert mit göttlichem Beistand unaufhaltsam den ganzen Planeten. Die verhältnismäßig friedlichen Bewohner der Stadt Helium haben dem wenig entgegenzusetzen und klammern sich an die Hoffnung, dass alles besser wird, sobald die holde Prinzessin Dejah Thoris mit dem tyrannischen Fürsten zwangsvermählt wird. Jene ist aber wenig angetan von dieser Perspektive, flieht aus der Heimat und stößt prompt auf John Carter von der Erde, der seinerseits eigentlich nur einen Weg sucht, der ihn zurück zu seinem Gold bringt.

Kritik

Die Verfilmung des klassischen Stoffes war ein nicht ganz ungefährliches Vorhaben. Denn was vor knapp 100 Jahren absolut neu und unverbraucht war, wirkt nach Dekaden des Vorbildseins und Abkupferns alles andere als frisch. Disney schafft es jedoch, dem SciFi-Ahnen ein jugendliches Antlitz zu schenken, das es randvoll mit sündhaft teuren Effekten ausfüttert. Und der Plan geht grundsätzlich auch auf.
Das Mammutwerk beginnt in beachtlichem Tempo. Der Anfang auf dem Mars ist ebenso rasant wie der eigentliche Prolog im Virginia des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Technisch wie inhaltlich wird dabei Hollywoodgewohnheiten der letzten 20 Jahre gefrönt, John Carter hat aber gerade in den ersten Minuten stets seinen eigenen Charakter und fühlt sich nie austauschbar an.
Erfrischend ist, dass der Hauptcharakter nicht als blasser Weichkeks beginnt, sondern die Entwicklung zum vorlauten Bartträger bereits vollendet hat. Die Geschichte startet mit einem John Carter, der bereits ein Held ist. Selbstbewusst, aktionistisch und voll mit kindischer Sturheit lernen wir am Anfang schon den Mann kennen, der am Ende ohne nennenswerte Charakterentwicklung das Finale verlassen wird.
Leider wird die Geschwindigkeit nicht aufrechterhalten und sobald sich der Bürgerkriegsveteran auf dem Mars eingelebt hat, schaltet der Film ein paar Gänge zurück. Zwar treibt die Geschichte ihn von Kampf zu Kampf, doch lassen die meisten Konfrontationen trotz hübscher Umsetzung wirkliche Höhepunkte vermissen. John Carter ist dabei zwar weder langweilig noch spannend, aber immerhin auch weit entfernt von uninteressant.

Die Story kann nichts dafür, dass ihre eigene Geschichte von anderen Erzählern ungezählte Male rezitiert worden ist, doch kann man dem Zuschauer auch nicht vorwerfen, dass sie ihm deswegen bekannt ist. Sowohl der Plot, der auf eine Handfläche passt, als auch die Charaktere sind Stereotype, die sicher nett erzählt, aber eben doch arm an Überraschungen sind. Die heiratsscheue und freiheitsliebende Prinzessin ist kaum mehr als eben das: Eine typische Prinzessin nach erprobtem Disney-Rezept, der allerhand Belanglosigkeit auf der Zunge liegen. Unsympathisch ist sie nie, jedoch sehr langweilig geschrieben.  Und Lynn Collins  fehlt das nötige Charisma, um dies zu retuschieren. Die Anziehungskraft von John Carter ist nicht auf inhaltlicher Ebene zu finden, sondern in ihrem eigentlichen Protagonisten versteckt: Dem Mars. Der Rote Planet wird in ausschweifenden Kamerafahrten vorgestellt und die Collage vieler Szenen kreiert eine Diegese, die trotz der Bekanntheit ihrer meisten Elemente Esprit versprüht. Die hier geschaffene Welt und die Wesen, die mit ihrer Kultur und ihren Mythen dort ihr Dasein fristen, werden mit viel Liebe zum Detail beobachtet und vom Film in jedem Moment ernstgenommen. Dies genügt fast gänzlich, um den Motor des Werkes am Laufen zu halten. Ein paar Längen werden nicht vermieden und dass diese gerade in den storyrelevanten Szenen zu finden sind, ist sicherlich problematisch, doch die reichhaltige Fantasie der Marsdarstellung entschädigt immer wieder dafür. Obschon viele der Effekte ihre künstliche Herkunft nicht verhehlen können, zieht das in sich stimmige Gesamtbild leicht in seinen Bann.
Die barbarischen Vierarmer, deren Kultur mit ihren Gebräuchen, Hierarchien aber auch Streitigkeiten nicht von ungefähr an die Römerzeit erinnert, wurden liebevoll erdacht.
Und das bei Science Fiction-Filmen, die von Spezies anderer Planeten erzählen, ureigene Problem mit der Kommunikation wurde entwaffnend simpel auf eine Art gelöst, die u.a. auch bei Farscape bereits Verwendung fand.
Über den Streifen verteilt finden sich übrigens immer wieder Szenen, die für einen Disneyfilm mit Märcheneinschlag verblüffend grausam sind und ein wenig fehl am Platze wirken. Auch sonst scheint John Carter an manchen Stellen unentschlossen, ob er seine Geschichte besser mit einem Augenzwinkern oder doch lieber todernst erzählen möchte. Dass der pulpige Charme der Vorlage, die übrigens elf Teile umfasst, immer zu erkennen ist, tut dem Gesamtbild aber ohne Frage gut.
Schade ist, dass der deutlich interessantere Teil der Story, nämlich die Gründe für die Verbindung zwischen Mars und Erde, nur läppisch angerissen und am Ende dafür benutzt wird, Anlauf für einen zweiten Teil zu nehmen.
Dass bis zu einem solchen weitere 100 Jahre verstreichen könnten, ist aber nicht ganz unwahrscheinlich. Das Riesenbaby der Walt Disney Motion Pictures Group fraß insgesamt geschätzt über 350 Millionen US-Dollar, wurde kaum beworben und verschwand wieder aus den Lichtspielhäusern, ehe sich der durchschnittliche Kinogänger darüber bewusst wurde, dass es diesen Film überhaupt gibt. John Carter, einer der fünf teuersten Filme aller Zeiten, entwickelte sich zur Katastrophe für den Micky Maus-Konzern, ließ alles Vertrauen, das zuvor in Findet Nemo– und WALL E-Regisseur Andrew Stanton gesteckt wurde, zerplatzen und drängte Rich Ross, den Kopf der Disney Filmstudios, seinen Hut zu nehmen.

Fazit

Ein unbeschwerter, manchmal sogar sympathischer Ausflug auf den wundersamen Mars von Edgar Rice Burroughs ist die Verfilmung des Pulp-Klassikers geworden. Somit wird die Adaption der Vorlage durchaus gerecht. Wenig überraschend wirkt die allseits bekannte Geschichte auf die Rezipienten des neuen Jahrtausends etwas uninspiriert. Doch vermag es die volle Breitseite an marsianischen Postkartenmotiven in Verbindung mit den gut aufgelegten Schauspielern und der sündhaft opulenten Ausstattung einen Unterhaltungswert zu generieren, der auch jenseits narrativer Werte existieren kann und einen Gang in die Videothek allemal rechtfertigt.