Lucy

Über den Gallier Luc Besson, der gefühlt in allen auch nur annähernd französischen Produktionen seine Finger im Spiel hat, wurde hier schon das eine oder andere Wort im Vorbeigehen verloren.
Dass sein erstes Science-Fiction-Regieprojekt seit Das Fünfte Element sein wohl bestes Werk seit Léon – Der Profi ist und nun ohne großen Trubel Einzug in die Kino hält, war nicht wirklich zu erwarten.

We never really die.

Story

Lucy soll für ihre Liaison Richard einen Koffer an einer Rezeption abgeben. Nach einem gescheiterten Ablehnungsversuch und einer wenig freundlichen Antwort Seitens Richard stellt sie sich der Aufgabe und wird prompt von ein paar ruppigen Gangstern in den Fahrstuhl gezerrt. Der Koffer, so erfährt sie mit leichter Verspätung, enthält synthetisches CPH4, was als neuartige Droge den Markt fluten soll. In geringen Dosen eingenommen, steigert sie die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns.
Lucy und 3 andere Unglückliche werden mittels einer kurzen Operation in der Bauchgegend zu Drogenkurieren umfunktioniert, um den Stoff an Distributoren über den Globus weiter zu verteilen. Wer sich auflehnt, dessen Familie muss büßen.
Als sie einen Tritt in den frisch vernähten Bauch bekommt, öffnet sich der Drogenbeutel in ihrem Inneren und eine gewaltige Menge der kristallinen Substanz löst sich in ihrem Blutkreislauf auf. Lucy, die zuvor wie jeder andere Mensch auch nur 2 % der theoretisch zur Verfügung stehenden Gehirnkapazität nutzen konnte, erfährt Leistungssprünge in ungeahnten Ausmaßen, die es ihr alsbald nicht nur erlauben, in Hochgeschwindigkeit zu denken, sondern auch die Umwelt durch reinen Willen zu beeinflussen.
Lucy in the Sky with Diamonds.

Kritik

Dieser Luc Besson ist schon ein seltsamer Kauz. Nicht alle, aber doch die meisten Filme, in deren Schaffungsprozess er auf die eine oder andere Weise einbezogen war, ähnelten sich in gewissen Punkten. Meistens geht es um eine Person, die sich ekstatisch und brachial gegen eine Übermacht auflehnt, fast immer inszeniert mit spürbar zu viel buntem Kleber, fettigem Glamour, seltsam deplatzierten Humor und „Wooosh“-Geräuschen, wenn sich etwas schnell an der Kamera vorbeibewegt. Besson-Werke macht häufig aber ebenso aus, dass diese Mixtur als Summe ihre beharrlichen Teile nach einer Weile auf ihre Weise funktioniert – mal mehr, mal weniger gut.
So auch Lucy, der hier keine Ausnahme macht und schon direkt zu Beginn mit dämlichen Gleichnissen nervt, weil zu jeder Handlung ein mehr oder weniger gut passendes Szenenäquivalent aus der Natur reingeschnitten ist. Nähert sich Lucy den Bösen, lauert das Raubtier dem Opfer auf, erzählt Morgan Freeman von den Wundertaten der Menschheit, sehen wir eben diese. Das alte Romankonzept: Lass nichts sagen, was du auch durch Taten beschreiben kannst, wird hier nicht statt, sondern zusätzlich zu Sprache angewendet und wirkt darüber hinaus sehr plump. Dieses Stilmittel gewinnt ein wenig an Berechtigung dazu, wenn man den Film zur Gänze gesehen hat, bleibt aber trotzdem der größte Makel, den Lucy hat.
Die erste wirkliche Überraschung ist die unerwartete Brutalität, die vor allem die Protagonistin an den Tag legt und die Freigabe ab 12 Jahren höchst fraglich erscheinen lässt. Ihr Vorgehen ist fast immer so kaltblütig und direkt, dass man sich auch als geübter Zuschauer leicht erschrecken kann.
Das Hauptargument des Filmes ist sein Einfallsreichtum. Lucys immer weiter ansteigende Fähigkeiten setzen schon am Anfang jede Konkurrenz Schachmatt. Eine wirkliche Gefahr existiert für sie nicht, abgesehen von sich selbst. Dank des zurückhaltenden Drehbuchs führt dies aber nicht zu Langeweile, sondern heizt die Spannung im Gegenteil an. Lucy ist einer der wenigen Filme, bei denen man sie nie sicher sein kann, was die nächst Szene bringen und wohin die Geschichte führen wird. Nicht einmal eine vage Ahnung gesteht der Science-Fiction-Film dem Zuschauer zu. Dieses ungemein präsente Potential, den Kinobesucher zu überraschen, bannt ihn in den Kinosessel – und gehört zugleich zu den erfreulichsten Dingen, die man einem Film nur attestieren kann.
Dass die einzelnen Sequenzen, in denen sich Lucy, die von einer klassischen Tussi mit schäbigem Nagellack und den hässlichsten Ohrringen der Welt zur transzendierenden Superheldin mutiert, mit ihren neuen Kräften gegen allerhand Widrigkeiten behaupten muss, zwar immer interessant und unterhaltsam, aber nicht durchweg wirklich gut sind, verkommt angesichts dessen zur Nichtigkeit. Genaugenommen wäre viel des Spektakels gar nicht nötig, weil sie sich aller Probleme auf die gleiche, deutlich subtilere Weise annehmen könnte, aber verzichten möchte man darauf auch nicht. Überhaupt schleichen sich derartige Gedanken erst nach dem Abspann ein, denn unterdessen ist der Film zu atemlos, um Raum für hinterfragende Zweifel zu lassen. Zudem sind es gar nicht die Actionszenen, die die größte Spannung bergen, sondern jene, in denen Lucy Erkenntnis begegnet und diese dann jenen Menschen zu vermitteln versucht, die ein um 98% geringeres Denkvermögen haben. Hinsichtlich philosophischer Exkurse bleibt der Film natürlich weitestgehend bei den Erwartungen, die man an einen Populärfilm hat, vollzieht den Spagat zwischen rabiater Action und dem Stellen existenzieller Fragen aber doch mit einer erstaunlichen Selbstsicherheit. Einen wichtigen Beitrag liefert natürlich Scarlett Johansson, die ein weiteres Mal mit ihrem Gespür für ungewöhnliche Rollen mit ungewöhnlichen Körperbildern überzeugt und hier kaum wiederzuerkennen ist.
Inhaltlich wie auch vom Tempo her gelingt es Lucy nicht zuletzt aufzuzeigen, wie kolossal andere Versuche in diese Richtung wie zuletzt erst Transcendence an ihrem eigenen Anspruch eigentlich scheitern. Auch wenn es für den einen oder anderen etwas zu viel des Guten sein könnte, dass ein Luc Besson-Film sich tief und unverkennbar vor Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum verneigt.

Fazit

Dass einiges unnötig und anderes zu überkandidelt inszeniert ist, hat kaum noch Relevanz, wenn ein Film es schafft, die Antizipation schon allein der nächsten Szene so schwierig zu gestalten, dass Überraschungen en masse garantiert sind.
Dass Lucy es nebenbei auch noch schafft, durch eine eindeutige Antiheldin zu fesseln, auf Konventionen zu pfeifen und dabei hervorragend zu unterhalten, lässt die eine oder andere Ungehörigkeit mit Freuden vergessen.
Es ist, als hätte Herr Besson mit vielen Jahren Verspätung nun doch das Versprechen eingelöst, das er einst mit seinen einflussreichen Frühwerken gab.

Transcendence

Aus irgendwelchen Gründen sorgt es immer noch für kurze Furore, wenn Johnny Depp in einem Film mitspielt. Wenn Wally Pfister, lang erprobter Kameramann Christopher Nolans, mit ihm in der Hauptrolle sein Regiedebut gibt, ist das diesem Effekt durchaus förderlich, wie man im letzten Jahr im Internet erleben durfte.
Und wie so oft, wenn es um Johnny Depp, Regiedebütanten aus fremden Fächern und ganz generell um Erwartungshaltungen geht, ist die Sturzgefahr groß.


I spent my life trying to reduce the brain to a series of electrical impulses. I failed.

Story

Dr. Will Caster ist ein Pionier der Künstlichen Intelligenz. Er selbst behauptet von sich, die Welt nicht verändern, sondern sie verstehen zu wollen. Das ist etwas, das sich radikal ändert, als ein Anschlag auf ihn verübt wird und seine verbleibende Lebenszeit sich eine recht übersichtliche Spanne verkürzt. Seiner verzweifelte Gattin Evelyn gelingt das bisher Unmögliche. Sie kann das Gehirn des sterbenden Mannes direkt kopieren und in einen Computer übersetzen.
Während sie das Ereignis vor radikalen Technikskeptikern und der breiten Öffentlichkeit verheimlicht, breitet sich der digitalisierte Geist Casters über das Internet aus und verfolgt ganz eigene Pläne.

Kritik

Schöne Bilder und eine schrecklich hohle Phrase. Das ist der Einstig in Pfisters Transcendence und damit wird dem Zuschauer gleich eine strapazierfähige Vorausschau auf das Kommende geboten; mit der Ausnahme, dass die Bilder weniger schön sind, als man es bei einem passionierten Kameramann im Regiesessel erwartet. Im Gegenteil, die Aufnahmen sind nüchtern, unaufdringlich, fast schon unsicher in ihren kalten Farben und bieder-konventionellen Einstellungen. Auf die Bildsprache trifft das aber nicht zu. Inhaltlich wie optisch beliefert Transcendence den Zuschauer regelmäßig mit Plattitüden. Während letzteres noch zu verkraften ist, sind die inhaltlichen Kerben schon deutlich tiefer.
Johnny Depp als Hemdsärmelphilosoph Caster kippt nach dem 1. Akt von der Bühne und hinterlässt wenig mehr als seine ab und an aus einem Lautsprecher quakende Stimme, wobei der Film immer wieder frappant an Brett Leonards Virtuosity aus dem Jahre 1995 erinnert, in dem Russell Crowe als KI in ähnlich komischer Weise von Bildschirmen starrte. Eigentliche Hauptperson ist seine Ehefrau und Helfershelferin Evelyn, gespielt von Rebecca Hall, die ihre Sache auch ganz anständig macht, gegen das ideenfreie Drehbuch aber vollkommen machtlos ist. Der Rest des Casts schlafwandelt sich irgendwie durch den Film. In diesem passiert im Grunde eine Menge:Große Zeitsprünge, die große Ereignisse und Entwicklungen erlauben, führen dazu, dass Transcendence nie langweilig wird, auch wenn einige Kritiker nicht müde werden, dem Film genau dies vorzuwerfen. Das, was passiert, ist aber nicht nur frei von Innovationen, sondern nur allzu oft auch selten stupide. Man möchte nicht mosern über das jahrzehntelange Scheitern der Filmschaffenden rund um die Welt, eine adäquate Technikdarstellung auf seriöse Weise in die Diegese zu bekommen. Transcendence ist zweifelsohne ein neuer König in der Disziplin, derlei Vorgänge auf größtmöglich lächerliche Weise und zwanghaft dämlich zu visualisieren. Vom Klassiker der grünen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund über das stümperhafte 3D-Modell von Johnny Depps Visage bis hin zu den bizarren Effekten im letzten Teil der Geschichte, wo Story und Darstellungsweise sich noch einmal mit aller Kraft blamieren. Nein, beklagen möchte man diese völlig inspirationslose Geschichte, die zwar mühsam mit viel lärmendem Tand aufzupeppen versucht wurde, im Kern aber einfach nur schrecklich gehaltlos ist. Nichts ist neu, nichts überrascht, alles wirkt irgendwie mühsam zusammengeklebt. Dass die erste Szene des Filmes bereits den Ausgang der Geschichte vorwegnimmt, ohne dass es den Film irgendwie bereichert, ist dann schon gar nicht mehr so wichtig.

Wer sich mal ein wenig mit dem populären Post- und Transhumanismus auseinandergesetzt hat, der weiß, dass Nick Bostrom und Konsorten nicht unendlich viel klüger an der Materie kratzen, als es diese Erzählung von einer amoklaufenden Singularität tut, eine Rechtfertigung für den Film ist das
aber nicht.
Dazu gibt es eine zweifelhafte Botschaft, dass die fanatischen Techonophobiker, die im Film als Spinner mit grauenhaftem Tattoo-Geschmack dargestellt werden, letztendlich goldrichtig liegen. Das ist legitim, weil Kunst per se dafür da ist, Position zu beziehen. Gefallen muss einem eine solche Botschaft aber nicht, auch wenn die auf ihren Kern reduzierte Aussage natürlich ebenso banal und altbekannt ist, wie die restlichen Elemente des Machwerks: Gebt einem Einzelnen nicht zu viel Macht.

Zwischendrin gibt es immer mal wieder nette und unterhaltsame Ideen, das soll keineswegs verschwiegen werden, doch unterm Strich ist dieser Science-Fiction-Film vor allem anderen erst einmal Blödsinn. Nur dank des gefälligen Tempos fallen die unausgegorenen Ideen respektive deren Ausführungen nicht dramatisch schwer ins Gewicht und man fühlt sich um seine Zeit nicht betrogen. Denn richtig langweilig wird es zu keinem Augenblick. Und das muss man dem Film dann doch zugutehalten.

Fazit

Transcendence ist genau das, was die Trailer versprechen, nur etwas spannender. Hanebüchen, ärgerlich und dumm, aber bis zum Schluss trotz Ideenarmut und schrecklich missglückter Bilder nicht öde. Dennoch erweckt der Film vornehmlich den Wunsch, dass sich endlich doch mal ein Fähigerer mit mutigen Einfällen dieser Thematik zuwenden sollte. Denn ob Thesenfilm oder Knabberbegleitung, Kunst kann nie wirklich erfolgreich sein, wenn es ihr an Relevanz fehlt.

Oblivion

Oblivion. Nicht nur ein Film, dessen Titel endlich mal wieder identisch mit der Originalbenennung ist, sondern auch einer von den vielen der letzten Monate, bei dem eine Sperrfrist verbot, Kritiken vor Kinostart zu veröffentlichen. Normalerweise fast schon ein Geständnis von Verleiherseite, ordentlichen Murks ins Kino zu bringen und sich sehr dafür zu schämen.
Es ist an der Punktevergabe bereits erkennbar und sei daher vorweg gesagt: Dies ist nicht der Fall.
Oblivion ist  nach Tron: Legacy Joseph Kosinskis zweiter Leinwand-Ausflug und unterstreicht noch einmal all das, was man als Stärken und eventuelle Schwächen des Regisseurs nach seinem Erstling vermutet hatte.

Es ist unsere Aufgabe, uns nicht zu erinnern.

Story

Die Invasion außerirdischer Aggressoren konnte mit Mühe und Not zurückgeschlagen werden. Den Kämpfen zum Opfer fiel allerdings unser hochgeschätzter Erdenbegleiter Mond. Seit er den Blauen Planeten nicht mehr umkreist, wüteten Erdbeben, Tsunamis und weitere Naturkatastrophen, die die Wiege der Menschheit unbewohnbar machen. Die Überlebenden wanderten aus auf den Saturnmond Titan. Da Wasser dort allerdings Mangelware ist, muss die Erde noch ein letztes Mal den Kopf für seine Geißel hinhalten und ihre wichtigste Ressource hergeben.
Riesige Aufbereitungsanlagen hängen über den Meeren und produzieren sauberes Nass. Jack und seine Partnerin Vika müssen dafür sorgen, dass die Drohnen gewartet werden, die in ihrem Quadranten die Aufbereitungsanlagen vor den letzten Nachzüglern der Aliens schützen. Vika delegiert und überwacht aus der sicheren Ferne, Jack ist der Mann fürs Grobe, der über die postapokalyptische Erde saust, Alientrupps aufspürt und Drohnen rettet.
Er ist aber auch ein Mann, der die Erde nicht verlassen will, sich nicht nach Titan sehnt, sondern um seine Heimat trauert und die ganze Operation im Geheimen ein wenig hinterfragt. Große Unterstützung bekommen seine Zweifel, als plötzlich Menschen auf der Erde bruchlanden, er den Befehl missachtet, vom Unfallort fernzubleiben, und daraufhin eine Überlebende birgt, die nicht nur Erinnerungen an seine – zur Sicherheit aus der Erinnerung gelöschten – Vergangenheit wachrüttelt, sondern auch sein ganzes Weltbild auf den Kopf zu stellen droht.

Kritik

Als erstes sticht ins Auge, dass Oblivion ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus ist. Im Gegensatz zu den meisten Genrevertretern ist der Film hell, bisweilen fast schon grell, und weidet sich an seiner blendenden Schönheit. Die Skelette der untergegangenen Zivilisation wirken manchmal fast schon poetisch, die verheerten Weiten der endzeitlichen Erde ehrfurchtgebietend und fantastisch. Das Sci-Fi-Design der Gerätschaften, über die die beiden Wächter verfügen, gibt ebenfalls keinen Grund zur Klage. Alles ist detailliert und wirkt konzeptuell voll durchdacht. Vor allem Jacks wendiger Gleiter in Libellenform ist für Technik-Geeks garantiert ein kleines Faszinosum.
Wenn dann auch noch alles damit beginnt dass Jacks Off-Stimme zu diesen berauschenden Bildern in ergreifendem Tonfall die Vorgeschichte erzählt, ist man sich fast schon sicher, einem kleinen Meisterwerk beizuwohnen.
Schnell stellt sich heraus, dass nicht alles so gut und schön ist, wie die Computerstimme aus dem All es Jack und Begleiterin weismachen möchte. Keine Erinnerung an die Zeit vor ihrem Auftrag, ausbleibende Ersatzteillieferungen und von all den nimmermüden Drohnen umgeben, wirkt der Arbeitsplatz der beiden wie ein kleines 1984. Dazu kommt, dass die fliegenden Überwachungssonden nicht von ungefähr an den unterschwellig bedrohlichen HAL 9000 erinnern; inklusive rotem Auge. Während Jack skeptisch ist, pocht Kumpanin Vika aber auf Vorschriftentreue und Titaneuphorie. Trotzdem braucht es lange, bis man eine Bindung zu der Hauptperson aufgebaut hat. Das liegt zum einen an den Figuren selbst, die bis auf ihre grundlegenden Eigenschaften erst einmal leer bleiben und dabei nicht gerade umwerfend sympathisch sind. Viel wichtiger ist aber die Inszenierung. Denn hier fackelt Oblivion ohne Unterlass ein riesiges Feuerwerk ab, obwohl es dafür die meiste Zeit gar keinen Anlass gibt. Alles wird bedeutungsschwanger gefilmt und jede Aufnahme wirkt wie das zentrale Schlüsselbild überhaupt. Der dramatisch-epische Score liegt quasi auf den vollen 125 Filmminuten. Nicht eine Szene ohne mitreißende Musik, die selbst den banalsten Handgriff zur Jahrhundertgeste aufbläst. Diese Stilüberladung erlaubt es dem Film nicht, auch mal leisere Töne anzuschlagen, obwohl er dies gerade in der ersten Hälfte dringend nötig hätte.
So wird es dank permanenter Sinnes-Massage und des hohen Stilbewusstseins nie langweilig, doch während Augen und Ohren verwöhnt werde, bleiben Kopf und Herz weitestgehend missachtet. Symptomatisch für das Dilemma sind die Actionsequenzen, die jederzeit rasant vonstattengehen, gleichzeitig aber auch die größte Schwachstelle des Filmes darstellen, da sie ausnahmslos kalt lassen und die Spannung groteskerweise sogar für die Dauer des Ereignisses aus dem Film herausnehmen, anstatt sie zu erhöhen.
Bis grob zur Halbzeit ist Oblivion also ein außergewöhnlich hübscher, aber auch etwas oberflächlicher und distanzierter Sci-Fi-Film. Dann nimmt die Geschichte an Fahrt auf und mit ihr das gesamte Werk. Die Bindung zum Protagonisten kann endlich kräftig genug werden, um echte Sympathien zuzulassen, und alles kommt in Bewegung. Vor allem liegt das an den Storytwists, die das Geschehen ordentlich durcheinanderbringen und angenehm die bisherige Perspektive hinterfragen. Doch ist auch hier nicht alles eitelsonnenschein, denn so nett die Ideen erst einmal wirken mögen, so wenig plausibel sind sie. Bei genauerer Überlegung stellt sich nämlich leider heraus, dass die ganze Story eigentlich gar keinen Sinn macht – von vorne bis hinten. Zudem könnte man sich an einer Stelle daran stören, dass der Film ein paar kurze, aber umso eindeutigere Parallelen zu Duncan Jones Regiedebüt Moon aufweist. Doch sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Oblivion zugrundeliegende und sich sehr erfolgreich verkaufende Graphic Novel bereits 4 Jahre vor Moon erschienen ist. Und, wie gesagt, außerdem sind die Berührungspunkte viel seltener als in der ersten Sekunde zu befürchten ist.
Zugpferd Tom Cruise füllt seine Rolle, so wie alle anderen Beteiligten ebenso, solide und ohne große Mühen. Einzig die seltenen Augenblicke, in denen die Emotionen etwas größer werden, scheinen dem Scientology -Mimen minimal schwerzufallen.

Fazit

Oblivion ist audiovisuell ein vollwertiges Hauptgericht, das einen in dieser Beziehung befriedigt, aber auch übersättigt zurücklässt. Vor allem die ununterbrochene Musikuntermalung schadet dem Film mehr als ihm zu helfen.
Inhaltlich geschieht in der ersten Hälfte zu wenig, während in der zweiten die Logik dünn wie Seidenpapier ist. Trotzdem steigert sich der Film von Minute zu Minute, macht im letzten Drittel an vielen Stellen Spaß und ist aufgrund seiner technischen Pracht niemals langwierig.
Allerdings lebt Oblivion auch sehr von seinen Twists in Hälfte zwei, was bedeutet, dass vieles vom inhaltlichen Erlebnis dem erstmaligen Betrachten vorbehalten ist und alle weiteren Sichtungen zwangsläufig ohne den wichtigen Überraschungseffekt auskommen müssen. Das ist natürlich ein generelles Film-Phänomen, trifft hier aber in besonderem Maße zu.

A