Fahrenheit 451

Hin und wieder machen die Großen des Kinos ihre Aufwartung auf hier. Heute ist es François Truffaut, Mitbegründer der Nouvelle Vague. (Auch in Gedenken an den letzte Woche verschiedenen Kinomagier Jacques Rivette, von dem man sowieso schnellstmöglich alles sehen und lieben sollte. Wieder und wieder.)
Truffaut hat in seiner Karriere genau einen einzigen Film auf Englisch und auch nur einen einzigen Science-Fiction-Film gedreht. Beides ist Fahrenheit 451, lose nach dem gleichnamigen Roman von Ray Bradbury.

Who can explain the fascination of fire?

Story

Als die Erkenntnis kam, dass sich Bücher reflexiv mit Problemen oder offensiv mit Konflikten auseinandersetzen, folgte ihr Verbot. Zur Steigerung des Wohlbefindens wurden Bücher verboten und verbrannt, wo sie noch waren. Das ist die Aufgabe der Feuerwehr, nun schon seit vielen Jahren. Guy Montag ist bereits seit 5 Jahren erfolgreich in diesem Job, glücklich mit seiner Frau Linda im gemeinsamen Heim verheiratet und kurz vor der Beförderung stehend.
Als er aber Clarisse, eine nachdenkliche Lehrerin, begegnet, beginnt sei Weltbild zu schwanken. Und er nimmt sich ein Buch zur Hand.

Kritik

Innovationen sind entweder zeitlos oder nur in ihrer Gegenwart als solche anerkannt und gültig. Je nachdem etablieren sie sich dann als Standard, werden zum Trend oder bleiben aufgrund von Scheitern oder gar völlig unrechter Missachtung unbeachtet. In Fahrenheit 451 sind die gezeigten Werkzeuge, Uniformen und Interieurs überholt, die Idee ist es nicht; Das Verbot einer kulturellen Selbstverständlichkeit, eine radikale, kategoriale Zensur ist so lange ein aktuelles Thema wie es hierarchische Machtstrukturen gibt.

Dass Truffauts Science-Fiction-Film toll gealtert ist, liegt einerseits natürlich erst einmal an einer hervorragenden Restauration und Neuabtastung des Filmmaterials, andererseits aber auch an geschickten stilistischen Entscheidungen. Zu Teilen ist das Interieur nämlich ganz offensichtlich und absichtlich altmodisch gehalten, die Einrichtungen laden dazu ein, als rückwärtsgewandter Anachronismus stutzig zu machen. Telefone, Möbel, technisches Kleingerät, so etwas entstammt häufig einer Epoche, die 1966 längst schon zurückgelassen war. Allein die bühnenhaften Innenräume sind ein typisches Indiz für Studiofilme dieser Zeit, fügen sich aber gerade deshalb nahtlos in die Welt
Stillstand, Rückschritt, kommt mit gesellschaftlicher Verirrung. Aber es ist vor allem die kluge Beobachtung, dass bestimmte modische Elemente für eine Wiederkehr fast schon prädestiniert sind, die Fahrenheit 451 zwar nicht zur allerglaubwürdigsten Zukunftsvision machen, das Szenario aber zu einem glaubwürdigen Szenario an sich, das in seiner Zeichenhaftigkeit und sterilen Kantigkeit ausdrucksstark ist und mit seiner Fremdartigkeit einen faszinierenden Sog ausübt.
Gezeigt wird dies mit einer experimentierfreudigen Kamera, die nur manchmal etwas zu schnell am Raus- und Reinzoomen und -schwenken ist, im Grunde aber höchst geschickt den Zuschauer manipuliert, da sie gerne Dinge zeigt oder Dinge tut, die die Aufmerksamkeit bewusst auf etwas und von etwas anderem lenken. Damit werden Erwartungen geschürt und zugleich unterwandert.
Es resultieren fesselnde Bilder einer Welt der dringlichen Farben, die sich für den Zuschauer erst langsam, Stück für Stück entblättert. Ihr Gegenstände, Prinzipien und Probleme schlüpfen ganz natürlich sukzessive in den Film. Gemeinhin ist es Usus, so früh als möglich die Grundlagen der Diegese offenzulegen und dann eine Geschichte auf dieser Grundlage sich abspielen zu lassen. Geschichte und Welt im Laufe des gesamten Filmes erst nach und nach gemeinsam aufzudecken, ist so selten wie gefährlich. Fahrenheit 451 tut dies, blockt damit subtil manche Erzählkonventionen ab und wirkt in Folge nicht etwa sperrig, sondern angenehm interessant.
Angefangen mit den Opening-Credits, die nicht einfach als Text auf das Bild geblendet, sondern von einem Vorleserstimme vorgetragen werden. (Im Deutschen übrigens von einem Mann, im Original von einer Frau) Die Problematik auf eine solche, die Dritte Wand durchbrechende Weise zu etablieren, ist ein Kunstgriff, der in seiner schlichen Effizienz auch heute noch imponiert. Zugleich wird schon hier ein Handbreit die Tür geöffnet für eine mal mehr mal weniger präsente Skurrilität in der Geschichte, die Fahrenheit 451 in manchen Momenten beinahe zur Komödie werden lässt.

Am bemerkenswertesten ist die Schulsequenz in der Mitte des Filmes, in der all das auf eine wahnsinnig stilvolle und zugleich sehr unauffällige Weise fusioniert und dadurch etwas einzigartig Feines entstehen lässt. Es ist ein langer Gang, der trotz seiner Gradlinigkeit labyrinthisch wirkt, da die Montage die 180-Grad-Regel einfach missachtet. Das Wichtige findet außerhalb dieses Ganges, in den scheinbar zahllosen Räumen statt, wo die Kinder simultan im Chor Multiplikationsaufgaben lösen. Blicke verschiedener Figuren, die für Verschiedenes stehen, begegnen sich und etwas geschieht.
Es sind solche Momente, in denen Fahrenheit 451 fesselnd, verheißungsvoll und künstlerisch aufregend ist, in denen die Innovation des Filmes immer noch besticht und Jahreszahlen ihre Bedeutung verlieren. Es sind solche Momente, die auch die weniger gut funktionierenden, tragen.
Applaus verdient der Film auch dafür, dass er seine Geschichte nicht plump erzählt, dass er den eigentlich schon oft erzählten Plot mit allen bekannter Moral auf eine Weise darbietet, die noch einmal von Grund auf nachdenken lässt, um was es da eigentlich geht. Er zeigt nicht unsere, sondern eine Welt, in der das Bücherverbot normal ist und als vollkommen vernünftig anerkannt wird. Ohne nennenswerte Zweifel oder aktiv rebellierenden Untergrund, sondern tatsächlich funktionierend.

Oskar Werner spielt den abtrünnigen Feuerwehrmann mit schwer zu deutender Mimik irgendwo zwischen selbstsicher, spitzbübisch, verwegen und überheblich. Dazu wie er etwas sagt passt, was er sagt. Aus historischer produktionshistorischer Perspektive ist das besonders interessant, denn Fahrenheit 451 bzw. die Rolle des Guy Montag bedeutete das Ende einer produktiven Freundschaft von François Truffaut und Oskar Werner. Werners Vorstellungen des Charakters Montag waren fundamental andere als die des Regisseurs, sodass sich im Laufe der Dreharbeiten immer größere Spannungen aufbauten, die bis zur Arbeits- und Fügungsverweigerung des österreichischen Film- und Bühnendarstellers.
Truffauts Version – die des sonderbar Unbeschwerten, der sich vom Spießbürger zum Aufständischen entwickelt – passt zu dem Grundgefühl des Filmes. Die Prämisse lässt etwas Düsteres und Simples erwarten, doch Fahrenheit 451 geht von Anfang an mit einer surrealen, schwer abzuschätzenden Leichtigkeit gegen diese Erwartung vor, sodass die ganze Szenerie bedrohlich und zugleich doch merkwürdig verführerisch wirkt.
Das ist besonders bemerkenswert, da die hier skizzierte Welt eine im Kern sehr pessimistische ist. Auch wenn eine Anmerkung gen Ende vermuten lässt, die Geschichte verlaufe periodisch, sodass die Dystopie wieder von einer Phase der Vernunft abgelöst werde, scheint der fest verankerte Status quo einer zu sein, der so leicht nicht zu kippen ist. Die alternative Gesellschaftsform, die am Ende als Ausweg vorgeschlagen wird, ist eine, die offenkundig aus Verzweiflung geboren, die sich in einer so romantischen wie irrigen Idee verliert, welche zirkelschließend in Teilen tatsächlich erahnen können lässt, wie es zu der fatalen Ausgangssituation überhaupt erst hat kommen können.

Fazit

Interessant, viel mehr als spannend oder mitreißend, das ist François Truffauts Science-Fiction-Ausflug heute. Aber dafür sehr interessant, weil er inszenatorisch, analytisch und durch seine Charaktere, weil er durch seinen skurrilen Humor und die ehrliche Darbietungsweise seines Themas dazu verleitet, mehr wissen zu wollen von dieser Welt und ihren Bewohnern. Womöglich funktioniert der Film nicht in jeder einzelnen Szene so, wie er damals intendiert war, aber in diesen seltenen Momenten wirken die guten Szenen einfach ausreichend nach.

Falling Skies – Staffel 2

Robert Rodats Military-SciFi-Serie geht in die zweite Runde, nachdem die erste Staffel den erhofften Erfolg bei Zuschauern und Publikum hatte. Auch Produzent Steven Spielberg ist wieder mit von der Partie.

And no matter how each of us survive, maybe we owe it to those who didn’t to become the best of mankind.

Story

Drei Monate ist es her, dass der ehemalige College-Professor Tom Mason an Bord des Skitter-Rauschiffes ging. Unterdessen geht der Widerstand weiter, auch wenn die Entwicklungen nur langsamer Natur sind.
Als Mason plötzlich wiederkommt, herrscht nicht nur Freude, sondern auch skeptisch, schließlich weiß man nicht, ob er nicht – ähnlich den versklavten Kindern – ein Instrument der Invasoren ist, ob bewusst oder nicht.
Zusätzlich spitzt sich die Lage an der Front zu, Zwischenmenschliches verkompliziert sich und nicht zuletzt scheint auch die Fraktion der Alien nicht so eindeutig eins, wie bisher angenommen.

Kritik

Der Grundton von Season 2 ist ernster als der bisherige, weil auch die Figuren es sind. Die ganze Serie scheint erwachsener; das ist teils gelungen, weil etwa der Einsatz kitschiger Musik deutlich runtergeschraubt wurde, an einigen Stellen aber auch weniger gut geglückt, wie zum Beispiel an den erzwungen wirkend herangereiften Söhnen, die von den Jugendschauspielern nun einfach mit grimmigerer Mine dargestellt werden. Die machen das nicht schlecht, haben aber natürlicherweise mit der Diskrepanz zwischen ihrem kindlichen Äußeren und dem erwachsenen Inneren ihrer Figuren zu kämpfen.
Dass die Serie gesteigerten Anspruch an die eigene Ernsthaftigkeit hat, zeigt exemplarisch für alles eine ausgesprochen unangenehme Operationsszene in Folge 2, was so in der klar familientauglicheren ersten Staffel nicht vorgekommen wäre. Gut so, denn Falling Skies erlangt damit einen neuen Grad an Eigenständigkeit und Persönlichkeit, der der Science-Fiction-Serie anfangs nicht vollkommen abging, aber doch weit weniger deutlich präsent war. Dazu gibt es weitaus mehr Nachtszenen
Die finsterere Stimmung tut der Serie aber fraglos viel Gutes, eliminiert sie doch einige der vorherigen Schwachstellen. Auch die Dialoge haben qualitativ merklich zugelegt. Die Figuren wirken insgesamt nicht nur reifer, sondern haben auch an Profil zugelegt und bereichern ihren doch etwas klischeehaften Grundstock – der in der Vorgängersstaffel nicht schlecht funktionierte, die Geschichte aber nicht über weitere Seasons hätte tragen können – um ein paar individuellere und vor allem ausbaufähige Facetten.
Es sind da aber auch diese Folgen, in denen Figuren plötzlich irrationale Entscheidungen treffen, nur damit der Plot irgendwie in Gang kommt, und in denen nur pure Kontingenz ein paar Mal zu oft Entscheidendes herbeiführt. Besonders Ersteres ist jedes Mal ein Verlust für die Serie, denn so werden die Figuren doch wieder entmündigt und verkommen zu bloßen Werkzeugen, was der ehrenhaften Bestrebung, ihnen komplexere Hintergründe zu verleihen, entgegenwirkt. Natürlich, irgendwie sind Figuren ja auch immer zu gewissen Teilen Werkzeuge der Geschichte – doch ein gutes Drehbuch sollte sich bemühen, dies zu verbergen. Und ein sehr gutes Drehbuch ist sich dessen selbst nicht mal bewusst, so ernst nimmt es die eigenen Charaktere.

Logiklöcher gibt es in Hülle und Fülle. Da werden die wichtigsten 5 Menschen der ganzen Gruppe auf eine Mission geschickt, die wahrscheinlich mit dem Tod endet – ganz offensichtlich nur deshalb, damit der Zuschauer sich um sie sorgt und nicht, weil irgendein klar denkender Kommandant ein Himmelfahrtskommando mit den besten und wichtigsten Entscheidungsträgern der verbliebenen Menschheit tatsächlich anordnen und sich selbst sogar anschließen würden. Der rechtfertigende Vorteil ist wie schon in Staffel 1, dass mit derlei Überstürztheit ein halbwegs hurtiges Tempo ohne viel Leerlauf gewährleistet wird.
Erzählerisch wählt die Serie aber einen sehr seltsamen Weg. Grundsätzlich ist man bemüht, noch mehr Zusammenhang zu stiften. Waren die einzelnen Episoden schon in Staffel 1 streng miteinander verbunden, ist man nun noch stärker bestrebt, die Folgen zwar thematisch zu ordnen, sie aber trotzdem so wirken zu lassen, als seien sie ein langer Film. Leider ist die Relevanz von vielen Ereignissen, auch wenn sie allesamt mit großem Ernst inszeniert werden, bei nur leicht genauerer Betrachtung höchst gering. Das überwiegende Geschehen ist verhältnismäßiger Kleinkram, der so wirkt, als habe man ihn eingefügt, um die Geschichte zu dehnen. Falling Skies macht in der zweiten Staffel einige Schritte, aber die meisten davon führen kaum voran.
Die Effekte sind immer noch etwas ungeschlacht, aber doch professioneller, weniger aus dem Gesamtbild herausragend, als noch in Staffel 1. Der Schritt von der ersten zur zweiten Staffel ist auch hier ein merkbarer gewesen. Sieht die ganze Serie im Prinzip gut aus und ist zumeist auch ordentlich fotografiert, fallen gerade die Kampfszenen aus der Glaubwürdigkeit heraus. Nicht nur dass die Aliens und ihr Geschütz weiterhin zu unecht aussehen, auch Kamera und Drehbuch fallen bei den Scharmützeln immer wieder überraschend ab. Weil es nicht gut aussieht, wird gewackelt und weil gewackelt wird, sieht es noch schlechter aus.
Das Staffelfinale beginnt mit ungewohnt viel und schlimmem Pathos und nimmt direkt im Anschluss einen Umweg voller Unnötigkeiten. So geht es weiter, als hätte der Plot sich sein plumpestes Element für den Schluss aufgespart. Dazu ist der aus dem Nichts kommende Plotfaden, der dieses Ende einläuten soll, einer unsauber in den Rest gewobener, der sich nur notdürftig in die ebenfalls schwammigen Neuerungen der letzten Folgen einfügt.

Fazit

Insgesamt ist Staffel 2 von Fallin Skies eine zwiespältige Angelegenheit. Auf den ersten Blick scheint es so, als habe sie mehr Sicherheit und einen selbstständigeren Stil gefunden, der sich durch größeren Ernst und geringere Kompromissbereitschaft auszeichnet. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass die Geschichte nur scheinbar vorankommt, während viele Ereignisse tatsächlich nur Stillstand bedeuten und höchstens den Figuren dienlich sind. Das ist beileibe kein Makel, doch wirken eben jene dann doch noch etwas zu unausgereift und manchmal auch zu zweckdienlich, um der angepeilten Eigenständigkeit gerecht zu werden.
Der angedeutete Wandel und auch die wachsend Sicherheit in technischer Umsetzung stehen der Serie aber gut zu Gesicht und rechtfertigen eine Weiterführung allemal. Freunde der ersten Staffel werden nicht enttäuscht werden.

Oblivion

Oblivion. Nicht nur ein Film, dessen Titel endlich mal wieder identisch mit der Originalbenennung ist, sondern auch einer von den vielen der letzten Monate, bei dem eine Sperrfrist verbot, Kritiken vor Kinostart zu veröffentlichen. Normalerweise fast schon ein Geständnis von Verleiherseite, ordentlichen Murks ins Kino zu bringen und sich sehr dafür zu schämen.
Es ist an der Punktevergabe bereits erkennbar und sei daher vorweg gesagt: Dies ist nicht der Fall.
Oblivion ist  nach Tron: Legacy Joseph Kosinskis zweiter Leinwand-Ausflug und unterstreicht noch einmal all das, was man als Stärken und eventuelle Schwächen des Regisseurs nach seinem Erstling vermutet hatte.

Es ist unsere Aufgabe, uns nicht zu erinnern.

Story

Die Invasion außerirdischer Aggressoren konnte mit Mühe und Not zurückgeschlagen werden. Den Kämpfen zum Opfer fiel allerdings unser hochgeschätzter Erdenbegleiter Mond. Seit er den Blauen Planeten nicht mehr umkreist, wüteten Erdbeben, Tsunamis und weitere Naturkatastrophen, die die Wiege der Menschheit unbewohnbar machen. Die Überlebenden wanderten aus auf den Saturnmond Titan. Da Wasser dort allerdings Mangelware ist, muss die Erde noch ein letztes Mal den Kopf für seine Geißel hinhalten und ihre wichtigste Ressource hergeben.
Riesige Aufbereitungsanlagen hängen über den Meeren und produzieren sauberes Nass. Jack und seine Partnerin Vika müssen dafür sorgen, dass die Drohnen gewartet werden, die in ihrem Quadranten die Aufbereitungsanlagen vor den letzten Nachzüglern der Aliens schützen. Vika delegiert und überwacht aus der sicheren Ferne, Jack ist der Mann fürs Grobe, der über die postapokalyptische Erde saust, Alientrupps aufspürt und Drohnen rettet.
Er ist aber auch ein Mann, der die Erde nicht verlassen will, sich nicht nach Titan sehnt, sondern um seine Heimat trauert und die ganze Operation im Geheimen ein wenig hinterfragt. Große Unterstützung bekommen seine Zweifel, als plötzlich Menschen auf der Erde bruchlanden, er den Befehl missachtet, vom Unfallort fernzubleiben, und daraufhin eine Überlebende birgt, die nicht nur Erinnerungen an seine – zur Sicherheit aus der Erinnerung gelöschten – Vergangenheit wachrüttelt, sondern auch sein ganzes Weltbild auf den Kopf zu stellen droht.

Kritik

Als erstes sticht ins Auge, dass Oblivion ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus ist. Im Gegensatz zu den meisten Genrevertretern ist der Film hell, bisweilen fast schon grell, und weidet sich an seiner blendenden Schönheit. Die Skelette der untergegangenen Zivilisation wirken manchmal fast schon poetisch, die verheerten Weiten der endzeitlichen Erde ehrfurchtgebietend und fantastisch. Das Sci-Fi-Design der Gerätschaften, über die die beiden Wächter verfügen, gibt ebenfalls keinen Grund zur Klage. Alles ist detailliert und wirkt konzeptuell voll durchdacht. Vor allem Jacks wendiger Gleiter in Libellenform ist für Technik-Geeks garantiert ein kleines Faszinosum.
Wenn dann auch noch alles damit beginnt dass Jacks Off-Stimme zu diesen berauschenden Bildern in ergreifendem Tonfall die Vorgeschichte erzählt, ist man sich fast schon sicher, einem kleinen Meisterwerk beizuwohnen.
Schnell stellt sich heraus, dass nicht alles so gut und schön ist, wie die Computerstimme aus dem All es Jack und Begleiterin weismachen möchte. Keine Erinnerung an die Zeit vor ihrem Auftrag, ausbleibende Ersatzteillieferungen und von all den nimmermüden Drohnen umgeben, wirkt der Arbeitsplatz der beiden wie ein kleines 1984. Dazu kommt, dass die fliegenden Überwachungssonden nicht von ungefähr an den unterschwellig bedrohlichen HAL 9000 erinnern; inklusive rotem Auge. Während Jack skeptisch ist, pocht Kumpanin Vika aber auf Vorschriftentreue und Titaneuphorie. Trotzdem braucht es lange, bis man eine Bindung zu der Hauptperson aufgebaut hat. Das liegt zum einen an den Figuren selbst, die bis auf ihre grundlegenden Eigenschaften erst einmal leer bleiben und dabei nicht gerade umwerfend sympathisch sind. Viel wichtiger ist aber die Inszenierung. Denn hier fackelt Oblivion ohne Unterlass ein riesiges Feuerwerk ab, obwohl es dafür die meiste Zeit gar keinen Anlass gibt. Alles wird bedeutungsschwanger gefilmt und jede Aufnahme wirkt wie das zentrale Schlüsselbild überhaupt. Der dramatisch-epische Score liegt quasi auf den vollen 125 Filmminuten. Nicht eine Szene ohne mitreißende Musik, die selbst den banalsten Handgriff zur Jahrhundertgeste aufbläst. Diese Stilüberladung erlaubt es dem Film nicht, auch mal leisere Töne anzuschlagen, obwohl er dies gerade in der ersten Hälfte dringend nötig hätte.
So wird es dank permanenter Sinnes-Massage und des hohen Stilbewusstseins nie langweilig, doch während Augen und Ohren verwöhnt werde, bleiben Kopf und Herz weitestgehend missachtet. Symptomatisch für das Dilemma sind die Actionsequenzen, die jederzeit rasant vonstattengehen, gleichzeitig aber auch die größte Schwachstelle des Filmes darstellen, da sie ausnahmslos kalt lassen und die Spannung groteskerweise sogar für die Dauer des Ereignisses aus dem Film herausnehmen, anstatt sie zu erhöhen.
Bis grob zur Halbzeit ist Oblivion also ein außergewöhnlich hübscher, aber auch etwas oberflächlicher und distanzierter Sci-Fi-Film. Dann nimmt die Geschichte an Fahrt auf und mit ihr das gesamte Werk. Die Bindung zum Protagonisten kann endlich kräftig genug werden, um echte Sympathien zuzulassen, und alles kommt in Bewegung. Vor allem liegt das an den Storytwists, die das Geschehen ordentlich durcheinanderbringen und angenehm die bisherige Perspektive hinterfragen. Doch ist auch hier nicht alles eitelsonnenschein, denn so nett die Ideen erst einmal wirken mögen, so wenig plausibel sind sie. Bei genauerer Überlegung stellt sich nämlich leider heraus, dass die ganze Story eigentlich gar keinen Sinn macht – von vorne bis hinten. Zudem könnte man sich an einer Stelle daran stören, dass der Film ein paar kurze, aber umso eindeutigere Parallelen zu Duncan Jones Regiedebüt Moon aufweist. Doch sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Oblivion zugrundeliegende und sich sehr erfolgreich verkaufende Graphic Novel bereits 4 Jahre vor Moon erschienen ist. Und, wie gesagt, außerdem sind die Berührungspunkte viel seltener als in der ersten Sekunde zu befürchten ist.
Zugpferd Tom Cruise füllt seine Rolle, so wie alle anderen Beteiligten ebenso, solide und ohne große Mühen. Einzig die seltenen Augenblicke, in denen die Emotionen etwas größer werden, scheinen dem Scientology -Mimen minimal schwerzufallen.

Fazit

Oblivion ist audiovisuell ein vollwertiges Hauptgericht, das einen in dieser Beziehung befriedigt, aber auch übersättigt zurücklässt. Vor allem die ununterbrochene Musikuntermalung schadet dem Film mehr als ihm zu helfen.
Inhaltlich geschieht in der ersten Hälfte zu wenig, während in der zweiten die Logik dünn wie Seidenpapier ist. Trotzdem steigert sich der Film von Minute zu Minute, macht im letzten Drittel an vielen Stellen Spaß und ist aufgrund seiner technischen Pracht niemals langwierig.
Allerdings lebt Oblivion auch sehr von seinen Twists in Hälfte zwei, was bedeutet, dass vieles vom inhaltlichen Erlebnis dem erstmaligen Betrachten vorbehalten ist und alle weiteren Sichtungen zwangsläufig ohne den wichtigen Überraschungseffekt auskommen müssen. Das ist natürlich ein generelles Film-Phänomen, trifft hier aber in besonderem Maße zu.

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