The Expanse – Staffel 1

Daniel Abraham und Ty Franck taten sich zusammen, bastelten aus ihren zweiten Vornamen das Pseudonym James S. A. Corey und veröffentlichten unter diesem eine Romanserie namens The Expanse, welche sowohl bei Kritikern als auch bei Fans fortan gefeiert wird. Ein knappes Jahr später kauft sich SyFy die Rechte, holt ein paar gute Schauspieler an Bord und verfilmt das erste Buch Leviathan Wakes in 10 Folgen..
Die Produzenten bilden ein illustres Gespann aus Verantwortlichen für The Book of Eli, Iron Man und Children of Men.

Shit just follow you around, don’t it kid?

Story

Das Sonnensystem ist im 23. Jahrhundert zu Teilen besiedelt. Die politisch stärksten Fraktionen sind Erde, der mittlerweile unabhängige Mars und der Mond. Aber auch die Belter, Bewohner eines Asteroidengürtels, der für die Gewinnung unabdingbarer Ressourcen bewohnt und bearbeitet wird, erheben langsam ihre Stimme, weil sie sich ausgebeutet fühlen. Dort wird eine militante Widerstandsgruppe gegründet. Inmitten dieser turbulenten Zeit wird der abgehalfterte Polizist Philipp Mogg damit beauftragt, die aufsässige Tochter eines Würdenträgers aufzuspüren. Der Fall stellt sich rasch als schwieriger und brisanter heraus als es eingangs noch den Anschein hat. Unterdessen muss sich die Crew der Canterbury von einer Katastrophe erholen und gerät zeitgleich zwischen die Fronten einer politischen Pattsituation, die sich als wahres Pulverfass herausstellt – für die die Besatzung das Streichholz darstellt.

Kritik

Man bedient sich sichtlich am Erfolg von Batttlestar Galactica: Es scheint keine Aliens zu geben, Politik spielt eine große Rolle, die Reibereien der Klassen und die aufgefächerten, synchron ablaufenden Handlungsstränge mehrerer gleichwertiger Protagonisten sind ebenso eminente Teile des BSG-Erfolgsrezeptes wie der Fokus auf Gesprächen statt auf Action. Dabei wirkt The Expanse aber nie so, als wolle es ein zweites Battlestar Galaactica sein, die Ähnlichkeiten lassen sich vielmehr nur formal feststellen, während die Serie ansonsten viel zu eigenständig ist, als dass es – vor allem negativ – auffallen könnte.
Der Hard-Boiled-Ermittler Philipp Moog (der Name sagt es eigentlich schon) ist ein ziemliches Abziehbild, wird vom tollen Thomas Jane aber rasch mit überraschend viel Leben und Charisma versehen und bleibt schon nach Minuten bereits als markiger, interessanter Typ in Erinnerung, der seinen eigenen Storyfaden ohne Probleme alleine spinnen kann.
Die rasch dezimierte Crew, deren Odyssee und Überlebenskampf im Weltraum gut 50 Prozent der Serie ausmachen, muss ihren Platz im großen Ganzen erst finden. Unterdessen überzeugt sie mit passender Dynamik, nachvollziehbaren Handlungen und einem durchaus spannendem Abenteuer.
In der Kerndisziplin, den Dialogen, funktioniert die Serie tadellos. Sie sind gut und glaubhaft geschrieben, die Figuren sind sinnvoll ausgearbeitet, haben klare Rollen, jedoch allesamt genug Raum für Geheimnisse, tote Winkel und Entwicklung. Die Konflikte und Probleme auf persönlicher wie auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene wirken nie aufgesetzt. Die verschiedenen Handlungsorte im Weltraum und in der schattigen, engen Minenkolonie sind darüber hinaus so unterschiedlich, dass nie Eintönigkeit Einzug hält – auch wenn beide Settings sich die räumliche Eingeschränktheit teilen, wenn auch auf anderen Ebenen: Das ist klug und geht als Idee wunderbar auf. .Der, deutlich geringere, Actionanteil zieht hier aber den Kürzeren. Zwar bemüht man sich merklich um Dynamik, doch einerseits fallen die Scharmützel grundsätzlich viel zu unübersichtlich aus und sind etwas spröde choreographiert, andererseits fällt hier wieder auf, was sich durch die gesamte Serie zieht: Die Effekte sind bestenfalls okay. Jede Aufnahme der Action wird früher oder später von etwas aus der Mode gekommenen Effekten gestört. Und dieser Makel findet sich überall wieder: Der Vogel, der dem Ermittler immer wieder vor der Nase herumfliegt, sieht so unecht aus, dass man sich zusammenreißen muss, um nicht unangenehm berührt zur Seite zu gucken, die Schiffe und Basen im Weltall können ihre animierte Natur ebenso wenig verbergen wie die im letzten Viertel der Serie zunehmenden Effekte in den Innenräumen. Eine so starke Betonung mäßiger Effekte mag übertrieben streng erscheinen, fällt aber deswegen so schwer ins Gewicht, weil sich The Expanse ansonsten sehr stilsicher gibt. Die nasse, schattige Welt voller Unzufriedenheit ist auf ihre Weise ebenso am Brodeln wie das glatte, bürokratische Pendant auf der Erde, wo man die Politkerin Chrisjen Avasarala regelmäßig Ranküne schmieden sieht, die sich auf die Serienhandlung bisher kaum auswirken, in Sachen Stimmung und Geschwindigkeit aber immer wieder das Gesamtgefüge etwas erden.

In unregelmäßigen Abständen gibt es außerdem immer mal wieder blutige, eklige Einschübe, die sich allerdings sauber ins erwachsene Szenario einfügen, ohne aufgesetzt und effektheischend zu wirken. Das ist per se natürlich nicht schlimm, kann den Zuschauer aber auch kurzzeitig aus der Welt und lässt sie dadurch „löchrig“ wirken, was schade ist, da die effiziente Inbesitznahme des Zuschauers Blut und Wasser für die Serie ist.
Irgendwann nach etwa Zweidritteln der Serie wird klar, dass der Plot – jedenfalls bisher – recht gängigen Mustern folgt. Was da passiert, um was es geht und wie damit umgegangen wird, ist alles andere als innovativ, sondern Teil des Grundsatzbaukastens für SF-Geschichten. Wie es aber erzählt wird, ist derart erfreulich, dass man dies der Serie kaum länger als ein paar Minuten vorwerfen möchte. Denn die erfreulich gut aufgesetzten Schauspieler in ihren interessanten Rollen und die wunderbar muffige und intensive Atmosphäre kreieren eine charakterstarke Diegese, in der jeder Winkel seinen ganz eigenen Reiz hat. Da verzeiht man auch, dass zwei der insgesamt 10 Folgen qualitativ sehr im Durchschnitt stecken, ehe es danach wieder langsam bergauf geht.

Fazit

Bei The Expanse handelt es sich um eine Serie, die vor allem durch ihre Stimmung und die kantigen Figuren besticht. Die Geschichte wird toll erzählt, ist selbst aber nichts Besonderes – aufgrund der formalen Umstände, aufgrund der Liebe, mit der die Romanwelt in die Serie übertragen wurde, ist man aber gerne geneigt zu glauben, dass die erste Staffel nur der Anlauf war, um daraufhin später kopfüber ins Potential zu springen, das zweifelsohne da ist. Die sechsteilige Buchvorlage dürfte schließlich nicht grundlos so preisbehangen sein.

Fahrenheit 451

Hin und wieder machen die Großen des Kinos ihre Aufwartung auf hier. Heute ist es François Truffaut, Mitbegründer der Nouvelle Vague. (Auch in Gedenken an den letzte Woche verschiedenen Kinomagier Jacques Rivette, von dem man sowieso schnellstmöglich alles sehen und lieben sollte. Wieder und wieder.)
Truffaut hat in seiner Karriere genau einen einzigen Film auf Englisch und auch nur einen einzigen Science-Fiction-Film gedreht. Beides ist Fahrenheit 451, lose nach dem gleichnamigen Roman von Ray Bradbury.

Who can explain the fascination of fire?

Story

Als die Erkenntnis kam, dass sich Bücher reflexiv mit Problemen oder offensiv mit Konflikten auseinandersetzen, folgte ihr Verbot. Zur Steigerung des Wohlbefindens wurden Bücher verboten und verbrannt, wo sie noch waren. Das ist die Aufgabe der Feuerwehr, nun schon seit vielen Jahren. Guy Montag ist bereits seit 5 Jahren erfolgreich in diesem Job, glücklich mit seiner Frau Linda im gemeinsamen Heim verheiratet und kurz vor der Beförderung stehend.
Als er aber Clarisse, eine nachdenkliche Lehrerin, begegnet, beginnt sei Weltbild zu schwanken. Und er nimmt sich ein Buch zur Hand.

Kritik

Innovationen sind entweder zeitlos oder nur in ihrer Gegenwart als solche anerkannt und gültig. Je nachdem etablieren sie sich dann als Standard, werden zum Trend oder bleiben aufgrund von Scheitern oder gar völlig unrechter Missachtung unbeachtet. In Fahrenheit 451 sind die gezeigten Werkzeuge, Uniformen und Interieurs überholt, die Idee ist es nicht; Das Verbot einer kulturellen Selbstverständlichkeit, eine radikale, kategoriale Zensur ist so lange ein aktuelles Thema wie es hierarchische Machtstrukturen gibt.

Dass Truffauts Science-Fiction-Film toll gealtert ist, liegt einerseits natürlich erst einmal an einer hervorragenden Restauration und Neuabtastung des Filmmaterials, andererseits aber auch an geschickten stilistischen Entscheidungen. Zu Teilen ist das Interieur nämlich ganz offensichtlich und absichtlich altmodisch gehalten, die Einrichtungen laden dazu ein, als rückwärtsgewandter Anachronismus stutzig zu machen. Telefone, Möbel, technisches Kleingerät, so etwas entstammt häufig einer Epoche, die 1966 längst schon zurückgelassen war. Allein die bühnenhaften Innenräume sind ein typisches Indiz für Studiofilme dieser Zeit, fügen sich aber gerade deshalb nahtlos in die Welt
Stillstand, Rückschritt, kommt mit gesellschaftlicher Verirrung. Aber es ist vor allem die kluge Beobachtung, dass bestimmte modische Elemente für eine Wiederkehr fast schon prädestiniert sind, die Fahrenheit 451 zwar nicht zur allerglaubwürdigsten Zukunftsvision machen, das Szenario aber zu einem glaubwürdigen Szenario an sich, das in seiner Zeichenhaftigkeit und sterilen Kantigkeit ausdrucksstark ist und mit seiner Fremdartigkeit einen faszinierenden Sog ausübt.
Gezeigt wird dies mit einer experimentierfreudigen Kamera, die nur manchmal etwas zu schnell am Raus- und Reinzoomen und -schwenken ist, im Grunde aber höchst geschickt den Zuschauer manipuliert, da sie gerne Dinge zeigt oder Dinge tut, die die Aufmerksamkeit bewusst auf etwas und von etwas anderem lenken. Damit werden Erwartungen geschürt und zugleich unterwandert.
Es resultieren fesselnde Bilder einer Welt der dringlichen Farben, die sich für den Zuschauer erst langsam, Stück für Stück entblättert. Ihr Gegenstände, Prinzipien und Probleme schlüpfen ganz natürlich sukzessive in den Film. Gemeinhin ist es Usus, so früh als möglich die Grundlagen der Diegese offenzulegen und dann eine Geschichte auf dieser Grundlage sich abspielen zu lassen. Geschichte und Welt im Laufe des gesamten Filmes erst nach und nach gemeinsam aufzudecken, ist so selten wie gefährlich. Fahrenheit 451 tut dies, blockt damit subtil manche Erzählkonventionen ab und wirkt in Folge nicht etwa sperrig, sondern angenehm interessant.
Angefangen mit den Opening-Credits, die nicht einfach als Text auf das Bild geblendet, sondern von einem Vorleserstimme vorgetragen werden. (Im Deutschen übrigens von einem Mann, im Original von einer Frau) Die Problematik auf eine solche, die Dritte Wand durchbrechende Weise zu etablieren, ist ein Kunstgriff, der in seiner schlichen Effizienz auch heute noch imponiert. Zugleich wird schon hier ein Handbreit die Tür geöffnet für eine mal mehr mal weniger präsente Skurrilität in der Geschichte, die Fahrenheit 451 in manchen Momenten beinahe zur Komödie werden lässt.

Am bemerkenswertesten ist die Schulsequenz in der Mitte des Filmes, in der all das auf eine wahnsinnig stilvolle und zugleich sehr unauffällige Weise fusioniert und dadurch etwas einzigartig Feines entstehen lässt. Es ist ein langer Gang, der trotz seiner Gradlinigkeit labyrinthisch wirkt, da die Montage die 180-Grad-Regel einfach missachtet. Das Wichtige findet außerhalb dieses Ganges, in den scheinbar zahllosen Räumen statt, wo die Kinder simultan im Chor Multiplikationsaufgaben lösen. Blicke verschiedener Figuren, die für Verschiedenes stehen, begegnen sich und etwas geschieht.
Es sind solche Momente, in denen Fahrenheit 451 fesselnd, verheißungsvoll und künstlerisch aufregend ist, in denen die Innovation des Filmes immer noch besticht und Jahreszahlen ihre Bedeutung verlieren. Es sind solche Momente, die auch die weniger gut funktionierenden, tragen.
Applaus verdient der Film auch dafür, dass er seine Geschichte nicht plump erzählt, dass er den eigentlich schon oft erzählten Plot mit allen bekannter Moral auf eine Weise darbietet, die noch einmal von Grund auf nachdenken lässt, um was es da eigentlich geht. Er zeigt nicht unsere, sondern eine Welt, in der das Bücherverbot normal ist und als vollkommen vernünftig anerkannt wird. Ohne nennenswerte Zweifel oder aktiv rebellierenden Untergrund, sondern tatsächlich funktionierend.

Oskar Werner spielt den abtrünnigen Feuerwehrmann mit schwer zu deutender Mimik irgendwo zwischen selbstsicher, spitzbübisch, verwegen und überheblich. Dazu wie er etwas sagt passt, was er sagt. Aus historischer produktionshistorischer Perspektive ist das besonders interessant, denn Fahrenheit 451 bzw. die Rolle des Guy Montag bedeutete das Ende einer produktiven Freundschaft von François Truffaut und Oskar Werner. Werners Vorstellungen des Charakters Montag waren fundamental andere als die des Regisseurs, sodass sich im Laufe der Dreharbeiten immer größere Spannungen aufbauten, die bis zur Arbeits- und Fügungsverweigerung des österreichischen Film- und Bühnendarstellers.
Truffauts Version – die des sonderbar Unbeschwerten, der sich vom Spießbürger zum Aufständischen entwickelt – passt zu dem Grundgefühl des Filmes. Die Prämisse lässt etwas Düsteres und Simples erwarten, doch Fahrenheit 451 geht von Anfang an mit einer surrealen, schwer abzuschätzenden Leichtigkeit gegen diese Erwartung vor, sodass die ganze Szenerie bedrohlich und zugleich doch merkwürdig verführerisch wirkt.
Das ist besonders bemerkenswert, da die hier skizzierte Welt eine im Kern sehr pessimistische ist. Auch wenn eine Anmerkung gen Ende vermuten lässt, die Geschichte verlaufe periodisch, sodass die Dystopie wieder von einer Phase der Vernunft abgelöst werde, scheint der fest verankerte Status quo einer zu sein, der so leicht nicht zu kippen ist. Die alternative Gesellschaftsform, die am Ende als Ausweg vorgeschlagen wird, ist eine, die offenkundig aus Verzweiflung geboren, die sich in einer so romantischen wie irrigen Idee verliert, welche zirkelschließend in Teilen tatsächlich erahnen können lässt, wie es zu der fatalen Ausgangssituation überhaupt erst hat kommen können.

Fazit

Interessant, viel mehr als spannend oder mitreißend, das ist François Truffauts Science-Fiction-Ausflug heute. Aber dafür sehr interessant, weil er inszenatorisch, analytisch und durch seine Charaktere, weil er durch seinen skurrilen Humor und die ehrliche Darbietungsweise seines Themas dazu verleitet, mehr wissen zu wollen von dieser Welt und ihren Bewohnern. Womöglich funktioniert der Film nicht in jeder einzelnen Szene so, wie er damals intendiert war, aber in diesen seltenen Momenten wirken die guten Szenen einfach ausreichend nach.