Lucy

Über den Gallier Luc Besson, der gefühlt in allen auch nur annähernd französischen Produktionen seine Finger im Spiel hat, wurde hier schon das eine oder andere Wort im Vorbeigehen verloren.
Dass sein erstes Science-Fiction-Regieprojekt seit Das Fünfte Element sein wohl bestes Werk seit Léon – Der Profi ist und nun ohne großen Trubel Einzug in die Kino hält, war nicht wirklich zu erwarten.

We never really die.

Story

Lucy soll für ihre Liaison Richard einen Koffer an einer Rezeption abgeben. Nach einem gescheiterten Ablehnungsversuch und einer wenig freundlichen Antwort Seitens Richard stellt sie sich der Aufgabe und wird prompt von ein paar ruppigen Gangstern in den Fahrstuhl gezerrt. Der Koffer, so erfährt sie mit leichter Verspätung, enthält synthetisches CPH4, was als neuartige Droge den Markt fluten soll. In geringen Dosen eingenommen, steigert sie die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns.
Lucy und 3 andere Unglückliche werden mittels einer kurzen Operation in der Bauchgegend zu Drogenkurieren umfunktioniert, um den Stoff an Distributoren über den Globus weiter zu verteilen. Wer sich auflehnt, dessen Familie muss büßen.
Als sie einen Tritt in den frisch vernähten Bauch bekommt, öffnet sich der Drogenbeutel in ihrem Inneren und eine gewaltige Menge der kristallinen Substanz löst sich in ihrem Blutkreislauf auf. Lucy, die zuvor wie jeder andere Mensch auch nur 2 % der theoretisch zur Verfügung stehenden Gehirnkapazität nutzen konnte, erfährt Leistungssprünge in ungeahnten Ausmaßen, die es ihr alsbald nicht nur erlauben, in Hochgeschwindigkeit zu denken, sondern auch die Umwelt durch reinen Willen zu beeinflussen.
Lucy in the Sky with Diamonds.

Kritik

Dieser Luc Besson ist schon ein seltsamer Kauz. Nicht alle, aber doch die meisten Filme, in deren Schaffungsprozess er auf die eine oder andere Weise einbezogen war, ähnelten sich in gewissen Punkten. Meistens geht es um eine Person, die sich ekstatisch und brachial gegen eine Übermacht auflehnt, fast immer inszeniert mit spürbar zu viel buntem Kleber, fettigem Glamour, seltsam deplatzierten Humor und „Wooosh“-Geräuschen, wenn sich etwas schnell an der Kamera vorbeibewegt. Besson-Werke macht häufig aber ebenso aus, dass diese Mixtur als Summe ihre beharrlichen Teile nach einer Weile auf ihre Weise funktioniert – mal mehr, mal weniger gut.
So auch Lucy, der hier keine Ausnahme macht und schon direkt zu Beginn mit dämlichen Gleichnissen nervt, weil zu jeder Handlung ein mehr oder weniger gut passendes Szenenäquivalent aus der Natur reingeschnitten ist. Nähert sich Lucy den Bösen, lauert das Raubtier dem Opfer auf, erzählt Morgan Freeman von den Wundertaten der Menschheit, sehen wir eben diese. Das alte Romankonzept: Lass nichts sagen, was du auch durch Taten beschreiben kannst, wird hier nicht statt, sondern zusätzlich zu Sprache angewendet und wirkt darüber hinaus sehr plump. Dieses Stilmittel gewinnt ein wenig an Berechtigung dazu, wenn man den Film zur Gänze gesehen hat, bleibt aber trotzdem der größte Makel, den Lucy hat.
Die erste wirkliche Überraschung ist die unerwartete Brutalität, die vor allem die Protagonistin an den Tag legt und die Freigabe ab 12 Jahren höchst fraglich erscheinen lässt. Ihr Vorgehen ist fast immer so kaltblütig und direkt, dass man sich auch als geübter Zuschauer leicht erschrecken kann.
Das Hauptargument des Filmes ist sein Einfallsreichtum. Lucys immer weiter ansteigende Fähigkeiten setzen schon am Anfang jede Konkurrenz Schachmatt. Eine wirkliche Gefahr existiert für sie nicht, abgesehen von sich selbst. Dank des zurückhaltenden Drehbuchs führt dies aber nicht zu Langeweile, sondern heizt die Spannung im Gegenteil an. Lucy ist einer der wenigen Filme, bei denen man sie nie sicher sein kann, was die nächst Szene bringen und wohin die Geschichte führen wird. Nicht einmal eine vage Ahnung gesteht der Science-Fiction-Film dem Zuschauer zu. Dieses ungemein präsente Potential, den Kinobesucher zu überraschen, bannt ihn in den Kinosessel – und gehört zugleich zu den erfreulichsten Dingen, die man einem Film nur attestieren kann.
Dass die einzelnen Sequenzen, in denen sich Lucy, die von einer klassischen Tussi mit schäbigem Nagellack und den hässlichsten Ohrringen der Welt zur transzendierenden Superheldin mutiert, mit ihren neuen Kräften gegen allerhand Widrigkeiten behaupten muss, zwar immer interessant und unterhaltsam, aber nicht durchweg wirklich gut sind, verkommt angesichts dessen zur Nichtigkeit. Genaugenommen wäre viel des Spektakels gar nicht nötig, weil sie sich aller Probleme auf die gleiche, deutlich subtilere Weise annehmen könnte, aber verzichten möchte man darauf auch nicht. Überhaupt schleichen sich derartige Gedanken erst nach dem Abspann ein, denn unterdessen ist der Film zu atemlos, um Raum für hinterfragende Zweifel zu lassen. Zudem sind es gar nicht die Actionszenen, die die größte Spannung bergen, sondern jene, in denen Lucy Erkenntnis begegnet und diese dann jenen Menschen zu vermitteln versucht, die ein um 98% geringeres Denkvermögen haben. Hinsichtlich philosophischer Exkurse bleibt der Film natürlich weitestgehend bei den Erwartungen, die man an einen Populärfilm hat, vollzieht den Spagat zwischen rabiater Action und dem Stellen existenzieller Fragen aber doch mit einer erstaunlichen Selbstsicherheit. Einen wichtigen Beitrag liefert natürlich Scarlett Johansson, die ein weiteres Mal mit ihrem Gespür für ungewöhnliche Rollen mit ungewöhnlichen Körperbildern überzeugt und hier kaum wiederzuerkennen ist.
Inhaltlich wie auch vom Tempo her gelingt es Lucy nicht zuletzt aufzuzeigen, wie kolossal andere Versuche in diese Richtung wie zuletzt erst Transcendence an ihrem eigenen Anspruch eigentlich scheitern. Auch wenn es für den einen oder anderen etwas zu viel des Guten sein könnte, dass ein Luc Besson-Film sich tief und unverkennbar vor Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum verneigt.

Fazit

Dass einiges unnötig und anderes zu überkandidelt inszeniert ist, hat kaum noch Relevanz, wenn ein Film es schafft, die Antizipation schon allein der nächsten Szene so schwierig zu gestalten, dass Überraschungen en masse garantiert sind.
Dass Lucy es nebenbei auch noch schafft, durch eine eindeutige Antiheldin zu fesseln, auf Konventionen zu pfeifen und dabei hervorragend zu unterhalten, lässt die eine oder andere Ungehörigkeit mit Freuden vergessen.
Es ist, als hätte Herr Besson mit vielen Jahren Verspätung nun doch das Versprechen eingelöst, das er einst mit seinen einflussreichen Frühwerken gab.

Ghettogangz 2: Ultimatum

Ghettogangz – Die Hölle vor Paris war trotz des jämmerlichen deutschen Namens eine nette Sache. Da das nicht nur scififilme.net, sondern auch überraschend viele zahlungswillige Kunden so sahen, kam, was kommen musste.

– Was geht denn da fürn Scheiß ab?
– Keine Ahnung. Film’s einfach.

Story

Ein paar Jahre nach den Geschehnissen des ersten Teils hat sich nichts getan. Die Versprechen der Polizei blieben unerfüllt. Statt eine Reintegration des gemiedenen, von Banden kontrollierten Distrikts B13 ist dieser weiterhin von einer hohen Mauer umgeben, während die Gewalt im Innern brodelt.
Captain Damien Tomaso fungiert weiterhin als Trumpf der Polizei und bringt im Alleingang ganze Banden hinter Schloss und Riegel. Leito streift wieder durch das abgeriegelte Ghetto, liebt die eigene Coolness und rennt spektakulär vor hausgemachten Problemen davon.
Als die Polizeieinheit DISS einen Mord inszeniert und es so aussehen lässt, als würden die Bewohner des selbstorganisierten Distrikts B13 Jagd auf Gesetzeshüter machen, schließen sich Leito und Damien wieder zusammen. Denn die Pariser Politiker beratschlagen sich bereits in ihren Sesseln, mit wie vielen Raketen man es den Eingepferchten heimzahlen sollte.

Kritik

Es ist schwer möglich, die Geschichte von Ghettogangz so nachzuerzählen, dass sie nicht holprig klingt. Das liegt daran, dass die Geschichte wirklich ziemlich holprig ist.

Fortsetzungen sind entweder geplant oder kalkuliert. Im ersteren Fall bedeutet das, es soll von vornherein eine größere Geschichte mit mehreren Filmen erzählt werden. Im anderen Fall wird ebenfalls meist die Ursprungsgeschichte weitergesponnen, nur dass dies nie geplant gewesen ist. Gerechtfertigt werden können Sequels durch ein Mehr an Qualität oder Quantität – oder natürlich auch beides, was erfahrungsgemäß aber nur selten eintritt. Das geplante Sequel versucht sich in der Regel an qualitativem Zuwachs, während das kalkulierte Pendant sich häufig auf ein „Mehr von allem“-Schema verlässt.
Wenn ein Parkour-Actionfilm 5 Jahre später aufgrund seines unerwarteten Erfolgs einen zweiten Teil spendiert bekommt, sind die Dinge für gewöhnlich offensichtlich. Verstärkt trifft das im Falle von Ghettogangz zu, bei dem „qualitativer Mehrwert“ nicht viel zu bedeuten hätte, da ja schon der erste Teil überwiegend durch Quantität von sich Reden machte. Dass das nichts per se Schlechtes ist, liegt auf der Hand. Immerhin handelte es sich bei dem Vorgänger um solides Actionkino, das zufriedenstellend vor sich hin pulsierte und im richtigen Augenblick den richtigen Stunt zeigte, woraus sich eine angenehm kurzweilige Mischung ergab.

Ghettogangz 2 zeigt die Symptome einer fatalen Krankheit, an der kalkulierte Sequels manchmal akut erkranken. Sie versuchen aller Wahrscheinlichkeit zu trotzen, indem sie ihren Vorgänger in Sachen Inhalt übertrumpfen wollen. Die Action muss dran glauben und was sie ersetzt, ist ein fadenscheiniges Ereigniskonstrukt, das weder glaubwürdig noch spannend ist.
Es dauert ganze 45 Minuten, bis die erste Parkour-Einlage kommt – und die beginnt auch noch mit eindeutigem Seil-Einsatz. Davor gibt es lediglich eine leidlich interessante Kampfsequenz und ansonsten die Bemühung, eine normale Thrillerhandlung aufzubauen, die natürlich wie zufällig genau bei den Partnern des ersten Teils zusammenläuft. Wenn die Action dann mal am Laufen ist, macht sie wieder Spaß. Immer noch spuckt die Welt aus dem Nichts Feinde aus, die nur dafür da sind, abgehängt oder niedergeknüppelt zu werden.
Wenn es sehenswert wird, kopiert der Film allerdings auch einfach nur den ersten Teil. Und damit es nicht 1:1 dasselbe ist, versucht er sich letztlich doch an der Größer-Weiter-Schneller-Formel. Die Folge: Gebäuderennerei findet nicht mehr auf Höhe des vierten, sondern auf Höhe des achtzehnten Stockwerks statt. Sprünge sind nicht mehr drei, sondern sieben Meter tief. Noch weiter, noch quatschiger, alles over the top. Das heißt: Die behauptete Akrobatik ist so unwahrscheinlich, dass sie an Intensität einbüßt, da sie nicht mehr glaubwürdig wirkt. Sie ist dennoch nett anzusehen und unterhält, doch schweißtreibende Stunts wie noch im ersten Teil sind hier Mangelware. Nicht, weil es an Spektakel fehlt, sondern weil das Spektakel, so selten es ist, zu stark ausufert.

Fazit

Die Stärke von Ghettogangz – Die Hölle von Paris war – Überraschung! – nicht die überzeugende Handlung, sondern das atemlose Spektakel. Weshalb sich das obligatorische Sequel nun ausgerechnet daran versucht, die Schwächen des ersten Teils auszubauen und das, was ihn groß machte, zu verringern, das weiß wohl nur Luc Besson.

Ghettogangz – Die Hölle vor Paris

Französische Zukunftsfantasie, Luc Besson als Produzent. Bisher keine Überraschung und kein Grund für gehobene Erwartungen. Ghettogangz – Die Hölle vor Paris oder Banlieue 13 – Anschlag auf Paris hat mit seiner satten Action aber etwas, das sich vom Durchschnitt scheidet.

Dann gehen wir mal auf Safari.

Story

Als die Kriminalitätsrate in dem verruchten Pariser Vorort nicht mehr zu senken war, schnappte sich die Stadt ein paar Steine und zog eine Mauer um den Brennpunkt. Banden führen dort nun ihr eigenes Regime und wer das Pech hat, im abgestoßenen Slum geboren zu werden, der, nun ja, hat Pech. Der fidele Leito ist Kind dieser Gegend, wird aber im Grenzbereich inhaftiert, als er sich gerade einen Kleinkrieg mit dem Anführer der schlimmsten aller Banden liefert. Leito landet im Kitchen und seine Schwester in den Fängen des grundbösen Anführers Taha. Als einige Jahre später eine Massenvernichtungswaffe in Tahas Besitz kommt, wird der alleskönnende Supercop Damien an die vorderste Front beordert. Und damit er sich da zurechtfindet, muss er sich mit Leito zusammentun.

Kritik

Eine Kamerafahrt mit einer Million versteckter Schnitte, ein zurrender Beat und Zeitlupenhagel. So wird das Paris der Zukunft vorgestellt und so stellt sich der Film selbst noch während seiner ersten Sekunden repräsentativ und ausreichend vor. Die graffitibeschmierten Stahlbetonwände, Obdachlosenstapel in den Gassen und finstere Gesichter eingefallener Kerle, die das gebrochene Paris einer sozial ausgebrannten Zeit präsentieren, tun dies in Hochglanz und mit adrenalintreibendem Schnitt.

Aber der Film ist nicht nur Oberfläche. Es ist eine düstere, dichte  Milieustudie, die in der alles deutlich überzogen ist, sich dabei aber selbst konsequent sehr ernst nimmt, was dem Film recht gut zu Gesicht steht. Parkour-Erfinder David Belle gibt einen charismatischen, aber undurchsichtigen Helden ab und bekommt mit dem wuchtigen K2 einem Feind ins Visier, der von Tony D’Amario mit wunderbarer Widerwärtigkeit, aber auch imponierender physischer Präsenz gespielt wird. Die Figuren sind markant, räudig, überzeichnet und bekommen zum Glück so zahl- wie einfallsreiche Dialoge in den Mund gelegt. Die glaubwürdige Sprache ist tatsächlich eines der Herzstücke des flinken Actionfilmes und trägt eine Menge zur Intensität seiner Welt bei. Das heißt freilich nicht, dass hier irgendwas plausibel wäre. So comichaft wie die Figuren sind, so verläuft auch die Geschichte und Logik muss hinter Geschwindigkeit zurückbleiben. In einer Welt, wo Straßenkampf wie Synchrontanzen funktioniert und hünenhafte Fettwanste mit Endboss-Charakter balroggleich in die Kamera grunzen, ist das vollkommen legitim. Ghettogangz will Spaß machen und das gelingt ihm. Das ist der einzige Anspruch des Filmes und er wird ihm mit Bravour gerecht, auch wenn das Ende sich mit seinen erzwungenen Bonus-Konflikten dann doch etwas zu viel rausnimmt.
Außerdem gilt hier in besonderem Maße: Finger weg von der Übersetzung. Auch wer kein Wort Französisch beherrscht, ist mit dem originalen Ton und Untertiteln besser aufgehoben. Die eingedeutschte Fassung ist eine Tortur für sich. Wer das nicht glaubt, der soll sich nur mal zum Vergleich den deutschen Trailer ansehen. Kern von Ghettogangz sind fraglos die atemberaubenden, aber etwas zu selten vorkommenden Parkour-Einlagen und die darin eingeflochtenen martialischen Prügeleien. Die Kämpfe sind so bretthart wie athletisch inszeniert, alles stets getrieben vom drückend-klaren Beat. Schläge, Tritte, Würfe, Sprünge, gefilmt in einer Musikvideoästhetik, die trotz allem nie glatt, sondern angenehm rau und dreckig ist.

Die beiden Protagonisten zusammen sind testosterongeschwängerte Coolness, natürlich. Aber das ist es eben, was diese Welt braucht und womit diese dekadenten, diabolisch-engstirnigen Unterweltbosse mit ihrer Heerschar an böse geschminkten und zerbrechlichen Leibwächtern bekämpft werden müssen.  Ja, es ist ein Machofilm. Aber im Vergleich zu uninspirierten Kaffeekränzchen á la Lockout, welcher sich ja ebenso ins Klapperschlangen-Subgenre einordnen lässt, ist dies ein Machofilm, der eine ordentliche Portion Energie und eine weitere Portion Ideen mitbringt.
Mit Moral darf man hier selbstverständlich nicht kommen. Menschenleben werden gegeneinander abgewogen und die ungezählten Kriminellen, die Gliedmaßen und Leben lassen, bleiben unkommentierte Bauernopfer. Und das, obwohl Ghetto-Junge Leito selbst uns mit vor Überzeugung bebender Brust  berichtet, wie scheinheilig es doch sei, Personen zu verurteilen, die nichts dafür können, unter welchen Umständen sie wo auf die Welt gekommen sind. Aber dann kommt auch schon der nächste sich über mehrere Stockwerke ziehende Kampf und der Wunsch, pingelig nach Fehlern zu suchen, wird von Adrenalin fortgespült.

Fazit

Der Film strahlt ein gehöriges Maß an Selbstverliebtheit aus, hat sich das mit seiner schweißtreibenden Inszenierung, den aufregend choreographierten Kämpfen und kernigen Dialogen aber auch verdient. Natürlich spielt Ghettogangz – Die Hölle vor Paris nie in einer Liga mit Filmen wie The Raid, fühlt sich in seinen besten Momenten aber ganz ähnlich an.

2009 erhielt der Film die Fortsetzung und Regisseur Pierre Morel empfahl sich mit Ghettogangz für Hollywood. Er drehte als nächstes 96 Hours mit  Liam Neeson.


Lockout

Luc Besson ist schon ein ziemliches Phänomen des Gegenwartkinos. Mit Léon – Der Profi klopfte er aus einer eigentlich generischen Ausgangssituation einen Meilenstein des europäischen Kinos. Nur drei Jahre später lieferte er mit Das fünfte Element einen pulpigen Kassenschlager ab, der seinen Posten als französischer Filmzauberer zu festigen schien.
Dann wurde es verhältnismäßig ruhig um das Wunderkind. Seine wirklich eigenen Filme blieben unbeachtet, waren zu schräg und überdreht, aber oft auch unausgegoren und trotz häufigen Spektakels seltsam müde. Wirkungsmächtig blieben seine Finanzen und seine Drehbücher, die auf der ganzen Welt Newcomern eine Starthilfe boten und bieten. Die meisten namenhaften Filme französischer Herkunft der vergangenen 10 Jahren hängen irgendwie mit Besson zusammen.
Auch bei Lockout hat er wieder mal am Drehbuch rumgeschrieben, ein paar Scheine spendiert und damit zwei relativ unbekannten Regisseuren den Weg auf die Leinwand ermöglicht.

Story

80 Kilometer über der Erde befindet sich im Jahre 2079 ein Hochsicherheitsgefängnis, wo all die schlimmen Finger verwahrt werden, für die auf der Erde kein Platz ist. Mörder, Vergewaltiger, Psychopathen – wer es sich in der Zukunft im großen Stil mit dem Gesetz verscherzt, wird ins All geschossen und einfach für ein paar Jahrzehnte in Tiefschlaf versetzt.
Snow ist ein ehemaliger CIA-Agent, Opfer eines fiesen Komplotts und genau dieses Schicksal steht ihm bevor.
Doch dann geht oben im Orbit so einiges schief. Während die Präsidententochter Emilie sich höchst engagiert vergewissert, dass die Gefangenen ihre Haftstrafe unter humanen Umständen absitzen, erlangen genau diese die Kontrolle über die Station. Mit einer Hand voll Geiseln und der prominenten Emilie als Druckmittel sitzen die Schurken am längeren Hebel. Und weil eine großangelegte Offensive zu gefährlich wäre, wendet man sich an Snow. Diesem winkt Absolution, wenn er das Töchterchen des Regierungschefs befreit.
Also macht sich der Griesgram auf den Weg, denn wie der Zufall es will, bietet sich dort oben auch noch die Gelegenheit, die eigene Unschuld zu beweisen.

Kritik

Die ersten Bilder sagen eigentlich schon fast alles, was zu sagen ist. Ein bemüht lässiger Guy Pearce lässt bemüht lässige Sprüche vom Stapel, kaut aufsässig Kaugummi und kriegt ordentlich eins auf die Zwölf. Natürlich ist er bärenstark, super stur und kann jeden Schlag locker wegstecken, ohne den bemüht lässigen Blick nur für eine Sekunde zu variieren. Dass Lockout Geschichte und Figuren nicht ernst nimmt, ist absolut legitim. Dass Figuren und Geschichte weitestgehend langweilig geraten sind, ist nicht ganz so einfach zu verschmerzen.
Natürlich sind die rund 500 Schwerverbrecher allesamt das personifizierte Böse und verdienen den kollektiven Tot.
Drehbuch und Synchronisation arbeiten besonders im ersten Filmdrittel gekonnt zusammen, um den Hauptdarsteller als nervigen Rüpel bar jedes Identifikationspotentials einzuführen. So versucht der Film nicht nur, dem Plot von Carpenters dystopischem Sci-Fi-Klassiker Die Klapperschlange nachzueifern, sondern auch noch seinen Protagonisten Snake Plissken zu imitieren. Und auch, wenn Guy Pearce so manches Mal eindrücklich beweisen konnte, dass ein guter Akteur in ihm steckt; an Kurt Russels kultige 80er Jahre-Darbietung wäre er auch mit besserem Script nicht herangekommen.
In Sachen Charakterdesign und wohlgeformter Worte geben sich die Figuren aber allesamt nichts. Beinahe jeder Witz – und die Dialoge sind einzig darauf ausgelegt, Onliner am Band zu produzieren – zischt meterweit am Schwarzen vorbei. Die einzige Person, die ihren Job glaubwürdig macht und außerdem nicht versucht, auf Teufel komm raus burschikos zu sein, wird vom Drehbuch ganze 3 Minuten am Leben gelassen.
Das ist schade, denn würde die Geschichte sich selbst etwas mehr zutrauen und nicht versuchen, ihre Fehler mit ideenlosen Frotzelein zu kaschieren, wäre man ein paar Stufen näher an die finstere Stimmung des großen Vorbildes gelangt.
Nach der unsauberen Introduktion taut der Film zur Mitte hin aber immer mehr auf. Weg von der leidigen Story und in der Höhle des Löwen erhält Lockout endlich den Rhythmus, den er von Anfang an verdient hätte. Als leicht selbstironischer, absolut harmloser B-Movie im Weltraum funktioniert der französische Actionfilm nämlich ganz gut. Auch die Präsidententochter, die über weite Strecken nicht mehr als nörgeln und kreischen durfte, sammelt später ein paar Sympathiepunkte und entwickelt gemeinsam mit dem Protagonisten tatsächlich so etwas wie eine Chemie, die fernab von mitreßend ist, aber durchaus in Ordnung geht. Kamera und Schnitt täuschen außerdem gekonnt darüber hinweg, dass eigentlich gar nicht so viel passiert und auch die Musik vermag es durch die ein oder andere schräge Einlage, klaustrophobische Akzente zu setzen, während sie sich sonst bescheiden im Hintergrund hält. Die unübersichtliche Verfolgungsjagd zu Beginn beleidigt das Auge mit Effekten, die stark nach Computerspiel aussehen, die Bilder im All und auch die Action befinden sich im weiteren Verlauf aber im Mittelmaß und lassen den Fauxpas vom Beginn vergessen. Gegen Ende kommt sogar richtiges Tempo auf, ehe die Rahmenhandlung um die unrechtmäßige Beschuldigung Snows wieder einsetzt und dann beinahe schon verwegen mit etwas endet, das man als Anknüpfungspunkt für einen zweiten Teil betrachten könnte.

Fazit

Trotz der recht holprigen ersten Filmhälfte kann Lockout insgesamt unterhalten. Aus dem Science-Fiction-Setting wird leider nur wenig rausgeholt, während der gesamte Rest brav am Durchschnitt haftet. Das aufgesetzte Machogebaren der Hauptfigur wird von der Dynamik am Ende aufgewogen. Trotzdem bleibt unterm Strich nicht mehr als Stangenware aus dem Hause Luc Besson, die keinem wehtut, aber eben auch herzlich wenig aufbietet, das wirklich für sie spricht.
Besser als Dante 01, mit dem er sich Szenario und Produktionsland teilt, ist Lockout aber allemal.