The Adventures of Bellring Girls Heart Across the 6th Dimension

Japan-Filmfest Hamburg 2015 Special 6

Andalusian Style

Story

Êigentlich will die aufstrebende Idol-Popband namens Bellring Girls Heart nur brav ihre Auftritte absolvieren. Als ihr liebenswerter Manager Butch jedoch von der Alienkönigin Remone in die 6. Dimension entführt wird, von wo aus die machtgierige Tyrannin sich der Erde bemächtigen will (und zwar mit einem interessanten Nachbau eben jener), können die aufgeweckten Mädels nicht einfach tatenlos rumsitzen.

Kritik

Manchen Filmen wird selbst eine Rezension von tausenden Wörtern nicht gerecht. Bei The Adventures of Bellring Girls Heart Across the 6th Dimension hingegen würde es fast schon genügen, den Titel für sich sprechen zu lassen.
Weil dies der Angelegenheit gegenüber dann aber doch nicht ganz fair wäre, soll an dieser Stelle der Versuch gestartet werden, dem Leser nahezubringen, wieso ein gutes Drehbuch, ein halbwegs dickes Budget und talentierte Darsteller keine unentbehrlichen Notwendigkeiten sind, um einen guten Film zu produzieren.
Es reichen stattdessen auch eine Idol-Group mit Mut zur Selbstzersetzung, ein paar weitere Darsteller, deren Schamgrenze nicht überdurchschnittlich niedrig angesetzt ist und die Dreistigkeit, in wenig mehr als einer Stunde Zeit alles unterzubringen, was einer Gruppe drogenaffiner Kreativer an Unvernünftigkeiten in den Sinn kommt.
So verbinden sich ewig lange Songs mit herrlich schiefem Gesang und von einer unbeholfenen Performance der Idol-Sängerinnen in Schulmädchenuniform in einem kargen Kämmerlein mit abgedrehten Invasionsfantasien, denen man liebevoll aus den simpelsten Alltagsgegenständen und etwas Kleber ein wundervoll albernes Gesicht verlieh . The Adventures of Bellring Girls Heart Across the 6th Dimension zelebriert das Dilettantische, feiert die Liebe zur idealistischen, auf alle fremden Urteile pfeifenden Billigproduktion und wirft dem Zuschauer massenweise in voller Absicht „schlecht“ gebastelte Kostüme und Requisiten vor die Augen. In Verbindung mit dem schrillen Humor und den abgedrehten Charakteren, die sich auch nicht zu schade sind, völlig sinnlos zu agieren, entsteht ein knallbuntes Schaulaufen wirrer und noch wirrerer Ideen, die sich spätestens dann zu sich selbst ins Quadrat setzen, wenn die draufgängerischen Mädels jeweils eine Handvoll Aliendrogen (als Platzhalter bedient sich der Film Jelly Beans) schlucken und damit das Tor zur 6. Dimension öffnen, die mit Modellbauten, Spielzeugfiguren und kreischend grellen Kinderzimmereffekten den gesamten Film sprengt und eine flotte Irrfahrt sondergleichen einleitet, die in ihren schillerndsten Momenten den besten Tripfilmen in nichts nachsteht.
So ist der Film eine ganze Weile ein herber Schwank, der lustig und unbeschwert bestens zu unterhalten weiß und viele losgelöste Lacher zu verantworten hat, weil seine gespielte Naivität am laufenden Band Kurioses produziert und man sich ganz nebenbei auch noch mit kolibrihaftem Augenzwinkern über sein eigenes Medium lustig macht, indem man eine ganze Handvoll selbstreflexiver Ebenen betanzt.
Nach dieser Verkettung von wahnsinnigen Höhepunkten werden Tempo und Verrücktheitsgrad gedrosselt, um gut 15 Minuten auf Sparflamme weiterzumachen. In dieser Zeit breitet sich Ermüdung wie eine Krankheit aus und die kurze Laufzeit wird tatsächlich von einer subjektiv empfundenen Länge verunreinigt. Wenn der Film dann endlich wieder fast zu alter Form zurückkehrt, um ins Finale zu purzeln, lässt sich dieser Eindruck nicht zur Gänze vertreiben.

Fazit

The Adventures of Bellring Girls Heart Across the 6th Dimension ist ein mit Heiterkeit behangener, von Anspielungen beschwipster Schalk, filmgewordene Selbstironie, die mit unzähligen verrückten Einfällen brilliert und durch die intendiert ärmliche Ausstattung eine außergewöhnliche Wachsmalstiftewelt auf die Leinwand kritzelt.
Wenn die knallbunte in der zweiten Hälfte für eine Weile verschossen scheint, macht sich eine Leere breit, die auch eine anschließende Wiederauferstehung der Tugenden nicht ganz vertreiben kann.

Ghettogangz – Die Hölle vor Paris

Französische Zukunftsfantasie, Luc Besson als Produzent. Bisher keine Überraschung und kein Grund für gehobene Erwartungen. Ghettogangz – Die Hölle vor Paris oder Banlieue 13 – Anschlag auf Paris hat mit seiner satten Action aber etwas, das sich vom Durchschnitt scheidet.

Dann gehen wir mal auf Safari.

Story

Als die Kriminalitätsrate in dem verruchten Pariser Vorort nicht mehr zu senken war, schnappte sich die Stadt ein paar Steine und zog eine Mauer um den Brennpunkt. Banden führen dort nun ihr eigenes Regime und wer das Pech hat, im abgestoßenen Slum geboren zu werden, der, nun ja, hat Pech. Der fidele Leito ist Kind dieser Gegend, wird aber im Grenzbereich inhaftiert, als er sich gerade einen Kleinkrieg mit dem Anführer der schlimmsten aller Banden liefert. Leito landet im Kitchen und seine Schwester in den Fängen des grundbösen Anführers Taha. Als einige Jahre später eine Massenvernichtungswaffe in Tahas Besitz kommt, wird der alleskönnende Supercop Damien an die vorderste Front beordert. Und damit er sich da zurechtfindet, muss er sich mit Leito zusammentun.

Kritik

Eine Kamerafahrt mit einer Million versteckter Schnitte, ein zurrender Beat und Zeitlupenhagel. So wird das Paris der Zukunft vorgestellt und so stellt sich der Film selbst noch während seiner ersten Sekunden repräsentativ und ausreichend vor. Die graffitibeschmierten Stahlbetonwände, Obdachlosenstapel in den Gassen und finstere Gesichter eingefallener Kerle, die das gebrochene Paris einer sozial ausgebrannten Zeit präsentieren, tun dies in Hochglanz und mit adrenalintreibendem Schnitt.

Aber der Film ist nicht nur Oberfläche. Es ist eine düstere, dichte  Milieustudie, die in der alles deutlich überzogen ist, sich dabei aber selbst konsequent sehr ernst nimmt, was dem Film recht gut zu Gesicht steht. Parkour-Erfinder David Belle gibt einen charismatischen, aber undurchsichtigen Helden ab und bekommt mit dem wuchtigen K2 einem Feind ins Visier, der von Tony D’Amario mit wunderbarer Widerwärtigkeit, aber auch imponierender physischer Präsenz gespielt wird. Die Figuren sind markant, räudig, überzeichnet und bekommen zum Glück so zahl- wie einfallsreiche Dialoge in den Mund gelegt. Die glaubwürdige Sprache ist tatsächlich eines der Herzstücke des flinken Actionfilmes und trägt eine Menge zur Intensität seiner Welt bei. Das heißt freilich nicht, dass hier irgendwas plausibel wäre. So comichaft wie die Figuren sind, so verläuft auch die Geschichte und Logik muss hinter Geschwindigkeit zurückbleiben. In einer Welt, wo Straßenkampf wie Synchrontanzen funktioniert und hünenhafte Fettwanste mit Endboss-Charakter balroggleich in die Kamera grunzen, ist das vollkommen legitim. Ghettogangz will Spaß machen und das gelingt ihm. Das ist der einzige Anspruch des Filmes und er wird ihm mit Bravour gerecht, auch wenn das Ende sich mit seinen erzwungenen Bonus-Konflikten dann doch etwas zu viel rausnimmt.
Außerdem gilt hier in besonderem Maße: Finger weg von der Übersetzung. Auch wer kein Wort Französisch beherrscht, ist mit dem originalen Ton und Untertiteln besser aufgehoben. Die eingedeutschte Fassung ist eine Tortur für sich. Wer das nicht glaubt, der soll sich nur mal zum Vergleich den deutschen Trailer ansehen. Kern von Ghettogangz sind fraglos die atemberaubenden, aber etwas zu selten vorkommenden Parkour-Einlagen und die darin eingeflochtenen martialischen Prügeleien. Die Kämpfe sind so bretthart wie athletisch inszeniert, alles stets getrieben vom drückend-klaren Beat. Schläge, Tritte, Würfe, Sprünge, gefilmt in einer Musikvideoästhetik, die trotz allem nie glatt, sondern angenehm rau und dreckig ist.

Die beiden Protagonisten zusammen sind testosterongeschwängerte Coolness, natürlich. Aber das ist es eben, was diese Welt braucht und womit diese dekadenten, diabolisch-engstirnigen Unterweltbosse mit ihrer Heerschar an böse geschminkten und zerbrechlichen Leibwächtern bekämpft werden müssen.  Ja, es ist ein Machofilm. Aber im Vergleich zu uninspirierten Kaffeekränzchen á la Lockout, welcher sich ja ebenso ins Klapperschlangen-Subgenre einordnen lässt, ist dies ein Machofilm, der eine ordentliche Portion Energie und eine weitere Portion Ideen mitbringt.
Mit Moral darf man hier selbstverständlich nicht kommen. Menschenleben werden gegeneinander abgewogen und die ungezählten Kriminellen, die Gliedmaßen und Leben lassen, bleiben unkommentierte Bauernopfer. Und das, obwohl Ghetto-Junge Leito selbst uns mit vor Überzeugung bebender Brust  berichtet, wie scheinheilig es doch sei, Personen zu verurteilen, die nichts dafür können, unter welchen Umständen sie wo auf die Welt gekommen sind. Aber dann kommt auch schon der nächste sich über mehrere Stockwerke ziehende Kampf und der Wunsch, pingelig nach Fehlern zu suchen, wird von Adrenalin fortgespült.

Fazit

Der Film strahlt ein gehöriges Maß an Selbstverliebtheit aus, hat sich das mit seiner schweißtreibenden Inszenierung, den aufregend choreographierten Kämpfen und kernigen Dialogen aber auch verdient. Natürlich spielt Ghettogangz – Die Hölle vor Paris nie in einer Liga mit Filmen wie The Raid, fühlt sich in seinen besten Momenten aber ganz ähnlich an.

2009 erhielt der Film die Fortsetzung und Regisseur Pierre Morel empfahl sich mit Ghettogangz für Hollywood. Er drehte als nächstes 96 Hours mit  Liam Neeson.