The First Avenger: Civil War

Captain America schwingt zum dritten Mal seinen Schild auf einem Solo-Abenteuer. Nur dass dieses eigentlich gar keines ist, sondern sich The First Avenger: Civil War genaugenommen wie ein etwas kleineres Abenteuer der Avengers gebärdet.
Aber handelt es sich bei dem zweiten Marvel-Film (und dritten Film überhaupt) der Brüder Anthony Russo und Joe Russo wirklich um den besten Film des Marvel Cinematic Universe, wie vielerorts beschworen wird?

Sometimes I wanna punch you in your perfect teeth.

Story

Bei einem Avenger-Einsatz in Lagos gegen den Söldner Crossbone kommt es zu Kollateralschäden, wieder einmal. Angesichts der Todesopfer, die die Einsätze der Heldentruppe bisher gefordert haben, fordern die Vereinten Nationen mit der Unterzeichnung des Sokovia Accords, dass die Avengers nicht mehr länger als Privatorganisation operieren dürfen, sondern nur noch auf Geheiß der UN aktiviert werden dürfen.
Während Tony Stark mit dieser Meinung konform geht, sieht Steve Rogers die Unabhängigkeit der Avengers gefährdet und stimmt gegen die Anordnung. Die Einheit der Helden ist gespalten. Black Widow und War Machine stehen Iron Man bei und auch der geheimnisvolle Black Panther ergänzt ihre Reihen, weil der Winter Soldier den Vater des Prinzen des afrikanischen Staates Wakanda getötet hat. Der Winter Soldier selbst stärkt zusammen mit Falcon, Hawkey, Scarlet Witch und Ant-Man den Rücken von Captain America.
Unterdessen scheint ein Unbekannter im Hintergrund seinen ganz eigenen Plan auszuhecken.

Kritik

Bereits im unerwartet tollen The Return of the First Avenger konnte man nicht anders, als zu konstatieren, dass die Russo-Brüder ganz ohne Zweifel eine Art Magierteam sein müssen. Wie sonst kann man aus dem Nichts kommen und mal eben das ganze, um sich selbst kreisende Superhelden-Szenario in ein völlig neues Genre, den Agentenfilm, versetzen und dabei auch noch brillieren?
Auch in The First Avenger: Civil War beweisen die Regisseure, dass sie das Salz liefern können, das dem Marvel-Universum so langsam auzugehen drohte.
So leistet der Film sinnvolle Reflexionen und gelangt mit ihnen auch zu klugen und notwendigen Schlüssen, die unabdingbar sind, damit das Heldenuniversum auch weiterhin auf Dauer als Erwachsenenunterhaltung ernst genommen werden kann. So gut die Sache in der Regel auch sein mag, für die derartige Übermenschen eintreten, ihre Gegenreaktion auf das Handeln eines wie auch immer gearteten Antagonisten muss so nachdrücklich ausfallen wie dessen aggressive Initiativhandlung. Im Umkehrschluss muss auch das Kontern der Helden Opfer fordern. Die in den bisherigen Filmen eingestürzten Stadtteile, die fehlgeleiteten Raketen, Hulk-Fäuste und Mjölnirflüge töteten Unbeteiligte. In gewisser Weise verändert dieses Eingeständnis nicht nur die Helden und ihr Selbstbild, sondern auch die Filme und das Bild, das der Zuschauer von ihnen haben wird und sollte. Der Film ist außerdem auch mutig genug, den wunderlichen Fakt zur Sprache zu bringen, dass böse Übermächte nicht viel früher oder viel später, sondern quasi stets zeitgleich mit den Geburten der Protagonisten den Schauplatz der Erde betraten. Die Erklärungsnot, in der so gut wie jede Heroenreise gerät, zu benennen, zeugt von Selbstbewusstsein, auch wenn das Drehbuch sie natürlich nicht ausschalten kann. Das alles klappt deshalb so gut, weil die Schreiberfähigkeiten von Autor Christoph Markus mit jedem Film zu wachsen scheinen. The First Avenger: Civil War ist ein für sein Genre stark dialoglastiger Streifen, der in dieser Position aber zu keinem Zeitpunkt spröde oder unbeholfen wirkt. Man traut sich nicht nur, den Film Film politisch und gesprächig zu machen, man kann es auch.

Wo es dann hingegen schwächelt, das ist die eigene Prämisse. Dass Tony Stark zum kontrollbesessenen Egomanen mutiert, ist auf dem Papier wenig überraschend, genaugenommen eigentlich nicht einmal eine wirkliche Entwicklung. In der Praxis funktioniert dies aber nicht ganz so gut und selbstverständlich, denn seine Gründe sind fadenscheinig und noch viel fadenscheiniger erklärt. Dass er und sein Team sich nun gegen die andere Hälfte des Kämpferensembles stellen, führt dazu, dass die ganze Avengers-Truppe sich aufführt wie eine verzankte Horde dickköpfiger Kinder. Auch die zentrale Schlacht am Leipziger Flughafen wirkt, kleinlich ausgedrückt, wie eine aufgeplusterte Schulhofschlägerei. Eigentlich sind sie ja alle Freunde, eigentlich meinen sie es gar nicht so. Dass man sich dann und wann trotzdem Hangarteile an den Kopf schleudert oder eine Boing auf den besten Freund stürzen lässt, wirkt in der Rückichts- und Gedankenlosigkeit so unbegründet und albern, dass es der gesamten Marvelmannschaft prospektiv Zurechnungsfähigkeit, Charakterstärke und Konsistenz abspricht. Und das ist insbesondere deshalb eine bedauernswerte Fehlentwicklung, weil die Figuren ja gerade aufgrund ihrer charakterlichen Stärke so attraktiv sind.
Verstärkt tritt dies dann im Finale hervor, wo Iron Man und Captain America wie die Tiere aufeinander losgehen, obwohl sie nicht nur eigentlich keinerlei zulässige Gründe dafür haben, sondern vor allem auch genau wissen, dass dies von ihrem eigentlichen Feind geplant wurde und sie damit zu seinen Erfüllungsgehilfen werden. Spätestens hier muss man dem Drehbuch, das im Kleinen so ambitioniert daherkommt, eine schmerzhafte Nachlässigkeit attestieren, die mit etwas mehr Feinarbeit zumindest entschieden verringert hätte werden können.
Das Falcon immer noch aussieht wie jemand, der sich zu Fasching als Blade verkleidet fällt angesichts dessen ebenso wenig ins Gewicht wie Kuriositäten wie tickende Handgranaten.

Eine andere große Wende, die mit dem Film vorgenommen wird, ist die Eingliederung von Ant-Man und Spiderman in das stetig anwachsende Team. Mit diesen beiden wird die Welt mit einem Schlag deutlich klamaukiger, was aller Wahrscheinlichkeit viel am zukünftigen Grundton der Filmereihe ändern wird. Ob das gut oder schlecht ist, wird die Zukunft zeigen. (Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erdenhelden mit dem chaotischen Trupp der Guardians of the Galaxy harmoniert, steigt dadurch natürlich deutlich)
Die Action ist im Prinzip gelungen, da sich stets und erfolgreich um Kreativität und abwechselnde Schauwerte bemüht wird. Nur leider ist so gut wie jede Auseinandersetzung ein wenig zu hastig geschnitten und ein wenig zu nah am Geschehen gefilmt. Die Übersicht geht hierbei nicht verloren, doch vermisst man inszenatorische Ruhe, um das, was da geschiecht, und was im Grunde genommen toll ist, auch wirklich wahrnehmen zu können.

Story

The First Avenger: Civil War ist ein guter Film, der große Dinge in Bewegung setzt und die immer größer werdende Herausforderung meistert, (fast) alle Charaktere des Avenger-Universums zu vereinen, ohne dass der Film zerfällt, aus allen Nähten platzt oder Figuren untergehen. Auch dank der gut geschriebenen und inszenierten Dialoge funktioniert dies.
Dafür krankt das Universum erstmals deutlich an seinen Figuren, die von der Geschichte gezwungen werden, ungewohnt ignorant, kurzsichtig und nur allzu oft auch sehr dumm zu handeln. Das Drehbuch schafft es nicht, die notwendigen Schritte zu machen, solche Handlungsextreme hinreichend zu plausibilisieren, weshalb nach den zweieinhalb Stunden guter Unterhaltung trotzdem ein Nachgeschmack des Bedauerns bleibt.

Avengers: Age of Ultron

Da ist er nun. Begleitet von einem Kinoboykott startet Avengers: Age of Ultron immer noch weiter über dem sich träge reckenden DC-Konkurrenten und stellt damit zwischen Guardians of Galaxy und den im Juli schrumpfenden Ant-Man den (irdischen) Höhepunkt von Marvels Phase 2 dar.
Dass sich die zweite Teamarbeit der heterogenen Heldenkumpel mit dem großartigen Vorgänger schmücken kann, ist für das Ergebnis erwartungsgemäß Fluch und Segen gleichermaßen.

No matter who wins or loses, trouble always comes around.

Story

Als Lokis Zepter aus den Händen Hydras entwendet werden konnte, sieht Tony Stark endlich die Gelegenheit gekommen, seine ganz persönliche Vision einer ‚sicheren Erde‘ in die Praxis umzusetzen. Mit einem mysteriösen Stein, der sich im eroberten Artefakt befindet, kann er Ultron erschaffen, eine künstliche Intelligenz, die dazu dienen soll, Krieg – vornehmlich durch außerirdische Invasoren – von der Menschenheimat fernzuhalten. Da das Zeitfenster, das zur Forschung offensteht, sehr knapp bemessen ist, überredet er Bruce Banner zur Komplizenschaft und lässt den Rest des Teams über sein Vorhaben im Dunkeln; Zeit für Diskussionen über Ethik sei nicht gegeben, findet der Playboy.
Als Ultron dann aber seine ersten Gehversuche wagt, manifestiert sich der Verdacht, dass der ein oder andere Disput der Sache vielleicht doch gut getan hätte. Die forsche KI schlussfolgert etwas übereifrig, dass eine befriedete Erde nur dann möglich ist, wenn die kriegslüsterne Spezies Mensch von ihr verschwunden ist.
Als Handlanger des amoklaufenden Programms fungieren ausgerechnet die von Hydra ausgebildeten Geschwister Pietro aka Quicksilver, flinker als das Auge (als Figur bekannt aus X-Men: Zukunft ist Vergangenheit), und  Wanda Maximoff aka Scarlet Witch, eine Adeptin der Chaos-Magie.

Kritik

Wir schreiben das Jahr 2012, Marvel’s The Avengers kommt in die Kinos und die Welt ist skeptisch. Der Konzern kann sich doch nur übernommen haben, denn dass man die rebellischen Charakterköpfe Thor, Hulk, Iron Man und Captain America mit all ihren Side-Kicks und noch zu etablierenden Zusatzfiguren in einer einzigen Geschichte vernünftig unter einen Hut bekommt, wo doch schon die Soloauftritte relativ knapp bemessen schienen für derartige Schwergewichte der Comickultur, schien einfach zu schön, um wahr zu sein – und damit schlicht nicht praktikabel. Dann kam Joss Whedon und hat sein feines Drehbuch mit seiner pointierten Regie zu etwas gemacht, was ohne Übertreibung die gigantischste Blockbuster-Überraschung des vergangenen Jahrzehnts war.
Drei Jahre später läuft der zweite Teil in den Kinos an, wieder ist Joss Whedon Kapitän und Steuermann in Personalunion und als jemand, in dem immer noch das drei Jahre zurückliegende Kinoereignis nachwirkt, wünscht sich der Zuschauer einfach nur mehr vom Gleichen.
Doch das „Gleiche“, nach welchem man sich sehnt, ist nicht eine inhaltliche Erweiterung oder gar Erweiterung – tatsächlich sehnt man sich nach einer Wiederholung des psychologischen Effekts, den die Rächer mit ihrem ersten Ensemble-Abenteuer bewirkten. Die unerwartete Neuheit, die freche Leichtigkeit, mit der Undenkbares geschaffen wird und vier Figuren, die für sich nicht immer isoliert funktionierten, plötzlich eine Allianz schmieden, die besser, unterhaltsamer und bisweilen sogar cleverer ist, als es die einzelnen Recken in ihren Solofilmen je waren. Das ist natürlich etwas, dass der Film nicht zu leisten vermag, denn das – überaus gelungene – Experiment, das Marvel mit seinem Cinematic Universe wagte, hatte seinen phänomenalen Moment naturgemäß am Tag seines Aufkommens.
Nun kann erst einmal nur mehr vom Gleichen auf Inhaltsebene geliefert werden, was ja keineswegs Schlechtes bedeutet. Doch leider wirkt die liebgewonnene Heldentruppe in Avengers: Age of Ultron ein wenig steif in der Hüfte, als wüssten sie genau, dass ihr erstes Abenteuer einen Maßstab generierte, dem gerecht zu werden ist. Der Humor, der im ersten Film in seltener Lockerheit und wie natürlich funktionierte, wirkt nun fahrig und bemüht. Der mehr als maue Running Gag, dass Captain America keine Schimpfworte mag, aber selbst mal ein loses Mundwerk hat, ist symptomatisch dafür. Auch die Schauspieler wirken müder – oder einfach nur weniger inspiriert, weil auch der Film als Ganzes weniger inspiriert wirkt und gerade am Anfang etwas orientierungslos wirkend Szenen aneinanderreiht, ohne dass diese mit natürlich-dramaturgischer Konsequenz auseinanderhervorgehen würden. Gerade die Kampfsequenzen wirken somit einige Male wie arg selbstzweckhaftes Geschepper und darüber hinaus nur mit zweitklassigen Ideen umgesetzt. Auch so etwas gab es in Teil 1 noch nicht. Dessen ungeachtet lässt sich eine gewisse betörende Dynamik aber keiner Szene absprechen und auch der grundsätzliche Charme dieser selbstironischen Heldenarmee ist immer spürbar, das lodernde Feuer jedoch, das den Motor von Teil 1 fast 2 ½ Stunden auf Hochtouren laufen ließ, ist längst nicht mehr so majestätisch.
Genau deshalb ist es an der Zeit, Avengers: Age of Ultron aus dem Schatten seines Vorgängers herauszuziehen. Denn für sich genommen ist die Comicverfilmung natürlich immer noch mustergütiges Unterhaltungskino, das keine merklichen Längen aufweist, bildhübsch daher geritten kommt, stets bei Laune hält und vor allem die gute alte Truppe wieder zusammenführt. Gerade an diesem, dem wohl wichtigsten Punkt, wiederholt sich einer der zentralsten Errungenschaften des ersten Teils. In der Zwischenzeit ist die Mannschaft weitergewachsen und stellt mittlerweile eine Anzahl an Figuren in die erste Reihe, die andere, menschenähnlichere Regisseure als Joss Whedon nie harmonisch in einen Film bekommen hätten. Ganz unbeirrt davon gewährt das Drehbuch sämtlichen Charakteren genügend Raum, ohne dies je unnatürlich wirken zu lassen (nun gut, über Hawkeyes zusätzliche Figurendimension kann man sicher verschiedener Meinung sein).  Jeder hat seine Funktion und Aufgabe, jeder stellt ein bestimmtes Teil dar, ohne das das Gesamtteam spürbar ärmer wäre. Und das ist für sich genommen ein kleines Wunder. Dass Bruce Banners innere Zerrissenheit eingehender zum Thema wird, ist ein dankenswerter Bonus, weil der Hulk als einzige Figur keinen Film im Kanon für sich beanspruchen kann. Weitere solcher Momente, die über die kurze Andeutung von Romanzen hinausgehen, wären wünschenswert und wohl auch eine bessere Wahl als so manche Actionminute gewesen.

Der wirkliche Dämpfer, den der Film neben seinem leider etwas bemühten Witz hat, ist daher nicht die banale Nichteinlösung der bizarren Forderung, noch einmal eine so plötzliche Revolution wie sein Vorgänger darzubieten. Das, was dem Film viel von seinen Möglichkeiten abzwackt, ist viel mehr die Geschichte, die er erzählt.
Dass sich der Rächerhaufen aus reinem Hochmut heraus die eigene Nemesis vor die Haustür setzt, ist fraglos eine attraktive Ausgangssituation, doch schon in der Comicvorlage bot die Geschichte um Handlung nur wenig Bemerkenswertes. Die Künstliche Intelligenz ist nicht etwa überlegen, weil sie dank ihrer bestechenden Logik entwaffnende Argumente anführt – tatsächlich verhält sich das Programm wie ein Dreijähriger –, sondern schlicht aus dem Grund, dass sie stark und, Internet sei Dank, allgegenwärtig ist. Weder der Antagonist noch der Weg, ihm das Handwerk zu legen, kann irgendwie überraschen. So unterbeleuchtet Loki seinerzeit war, hatte er doch einen großen Batzen Charisma und darüber hinaus ein fantastisches Reich in seinem Rücken. Ultron hat nichts davon und ist nur eine kurzsichtige Maschine mit im O-Ton eindrucksvoller Stimme.
Und nach den bisher bestandenen Prüfungen gönnt man den Helden eigentlich eine etwas angemessenere Herausforderung.
Zudem wirkt das Ende sonderbar gehetzt. Nach der Finalschlacht, die selbst etwas fragwürdiger Natur ist, werden alle offenen Enden innerhalb weniger Minuten provisorisch miteinander verknotet und dann zusammen in Richtung „Fortsetzung folgt“ geworfen. Gerade bei einem Film, der so viel Wert auf seine Figuren legt, ist das eine recht glanzlose Maßnahme. So zeigt sich dann zum Schluss in aller Deutlichkeit, dass die so oft verlachte Forderung, etwas vom Actiongewitter einzusparen und dafür mehr Raum für das Drama im Kleinen zu lassen, hier nicht ganz fehl am Platze ist.

Fazit

Avengers: Age of Ultron ist ein guter Film, der zu den fraglos besseren Marvel-Werken gehört, aber spürbar hinter The Avengers und vielleicht soger etwas hinter The Return of the First Avenger zurückbleibt.
Zwar sind Kämpfe dynamisch, das WG-Gefühl der Helden bleibt erhalten und beim Abspann drängt sich die Frage auf, ob der Film nicht viel kürzer war, als es die Laufzeitangabe prophezeite, aber man vermisst auch die unbekümmerte Ausgelassenheit des Vorgängers, seinen szenischen Einfallsreichtum und eine Einlösung des Versprechens, dass es in Sachen Größe und Wichtigkeit nun erst so richtig losgeht. Stattdessen macht Avengers: Age of Ultron einen zaghaften Schritt zurück und präsentiert eine Geschichte, die eher das Format eines Einzelabenteuers trägt, der geschichtsträchtigen Wiedervereinigung der Avengers aber nicht ganz gerecht werden kann. So scheitert der Film zwar am Unmöglichen, bietet aber immer noch Sommerkino der oberen Liga.

Außerdem: Die Sterne stehen gut, denn 2018 und 2019 steht mit dem Doppelabenteuer Avengers – Infinity Wars ein Projekt ins Haus, das viele Versprechen endlich einlösen kann.

Transcendence

Aus irgendwelchen Gründen sorgt es immer noch für kurze Furore, wenn Johnny Depp in einem Film mitspielt. Wenn Wally Pfister, lang erprobter Kameramann Christopher Nolans, mit ihm in der Hauptrolle sein Regiedebut gibt, ist das diesem Effekt durchaus förderlich, wie man im letzten Jahr im Internet erleben durfte.
Und wie so oft, wenn es um Johnny Depp, Regiedebütanten aus fremden Fächern und ganz generell um Erwartungshaltungen geht, ist die Sturzgefahr groß.


I spent my life trying to reduce the brain to a series of electrical impulses. I failed.

Story

Dr. Will Caster ist ein Pionier der Künstlichen Intelligenz. Er selbst behauptet von sich, die Welt nicht verändern, sondern sie verstehen zu wollen. Das ist etwas, das sich radikal ändert, als ein Anschlag auf ihn verübt wird und seine verbleibende Lebenszeit sich eine recht übersichtliche Spanne verkürzt. Seiner verzweifelte Gattin Evelyn gelingt das bisher Unmögliche. Sie kann das Gehirn des sterbenden Mannes direkt kopieren und in einen Computer übersetzen.
Während sie das Ereignis vor radikalen Technikskeptikern und der breiten Öffentlichkeit verheimlicht, breitet sich der digitalisierte Geist Casters über das Internet aus und verfolgt ganz eigene Pläne.

Kritik

Schöne Bilder und eine schrecklich hohle Phrase. Das ist der Einstig in Pfisters Transcendence und damit wird dem Zuschauer gleich eine strapazierfähige Vorausschau auf das Kommende geboten; mit der Ausnahme, dass die Bilder weniger schön sind, als man es bei einem passionierten Kameramann im Regiesessel erwartet. Im Gegenteil, die Aufnahmen sind nüchtern, unaufdringlich, fast schon unsicher in ihren kalten Farben und bieder-konventionellen Einstellungen. Auf die Bildsprache trifft das aber nicht zu. Inhaltlich wie optisch beliefert Transcendence den Zuschauer regelmäßig mit Plattitüden. Während letzteres noch zu verkraften ist, sind die inhaltlichen Kerben schon deutlich tiefer.
Johnny Depp als Hemdsärmelphilosoph Caster kippt nach dem 1. Akt von der Bühne und hinterlässt wenig mehr als seine ab und an aus einem Lautsprecher quakende Stimme, wobei der Film immer wieder frappant an Brett Leonards Virtuosity aus dem Jahre 1995 erinnert, in dem Russell Crowe als KI in ähnlich komischer Weise von Bildschirmen starrte. Eigentliche Hauptperson ist seine Ehefrau und Helfershelferin Evelyn, gespielt von Rebecca Hall, die ihre Sache auch ganz anständig macht, gegen das ideenfreie Drehbuch aber vollkommen machtlos ist. Der Rest des Casts schlafwandelt sich irgendwie durch den Film. In diesem passiert im Grunde eine Menge:Große Zeitsprünge, die große Ereignisse und Entwicklungen erlauben, führen dazu, dass Transcendence nie langweilig wird, auch wenn einige Kritiker nicht müde werden, dem Film genau dies vorzuwerfen. Das, was passiert, ist aber nicht nur frei von Innovationen, sondern nur allzu oft auch selten stupide. Man möchte nicht mosern über das jahrzehntelange Scheitern der Filmschaffenden rund um die Welt, eine adäquate Technikdarstellung auf seriöse Weise in die Diegese zu bekommen. Transcendence ist zweifelsohne ein neuer König in der Disziplin, derlei Vorgänge auf größtmöglich lächerliche Weise und zwanghaft dämlich zu visualisieren. Vom Klassiker der grünen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund über das stümperhafte 3D-Modell von Johnny Depps Visage bis hin zu den bizarren Effekten im letzten Teil der Geschichte, wo Story und Darstellungsweise sich noch einmal mit aller Kraft blamieren. Nein, beklagen möchte man diese völlig inspirationslose Geschichte, die zwar mühsam mit viel lärmendem Tand aufzupeppen versucht wurde, im Kern aber einfach nur schrecklich gehaltlos ist. Nichts ist neu, nichts überrascht, alles wirkt irgendwie mühsam zusammengeklebt. Dass die erste Szene des Filmes bereits den Ausgang der Geschichte vorwegnimmt, ohne dass es den Film irgendwie bereichert, ist dann schon gar nicht mehr so wichtig.

Wer sich mal ein wenig mit dem populären Post- und Transhumanismus auseinandergesetzt hat, der weiß, dass Nick Bostrom und Konsorten nicht unendlich viel klüger an der Materie kratzen, als es diese Erzählung von einer amoklaufenden Singularität tut, eine Rechtfertigung für den Film ist das
aber nicht.
Dazu gibt es eine zweifelhafte Botschaft, dass die fanatischen Techonophobiker, die im Film als Spinner mit grauenhaftem Tattoo-Geschmack dargestellt werden, letztendlich goldrichtig liegen. Das ist legitim, weil Kunst per se dafür da ist, Position zu beziehen. Gefallen muss einem eine solche Botschaft aber nicht, auch wenn die auf ihren Kern reduzierte Aussage natürlich ebenso banal und altbekannt ist, wie die restlichen Elemente des Machwerks: Gebt einem Einzelnen nicht zu viel Macht.

Zwischendrin gibt es immer mal wieder nette und unterhaltsame Ideen, das soll keineswegs verschwiegen werden, doch unterm Strich ist dieser Science-Fiction-Film vor allem anderen erst einmal Blödsinn. Nur dank des gefälligen Tempos fallen die unausgegorenen Ideen respektive deren Ausführungen nicht dramatisch schwer ins Gewicht und man fühlt sich um seine Zeit nicht betrogen. Denn richtig langweilig wird es zu keinem Augenblick. Und das muss man dem Film dann doch zugutehalten.

Fazit

Transcendence ist genau das, was die Trailer versprechen, nur etwas spannender. Hanebüchen, ärgerlich und dumm, aber bis zum Schluss trotz Ideenarmut und schrecklich missglückter Bilder nicht öde. Dennoch erweckt der Film vornehmlich den Wunsch, dass sich endlich doch mal ein Fähigerer mit mutigen Einfällen dieser Thematik zuwenden sollte. Denn ob Thesenfilm oder Knabberbegleitung, Kunst kann nie wirklich erfolgreich sein, wenn es ihr an Relevanz fehlt.

Priest

Scott Charles Stewart hat sich einige Jahre um visuelle Effekte, die während der Postproduktion eingefügt werden, gekümmert. Er hatte seine Finger unter anderem bei Mars Attacks!, Sin City, dem Final Cut von Blade Runner, Vergessene Welt: Jurassic Park, Iron Man und The Host im Spiel. 2009 gab er mit dem desaströsen Legion sein Langfilmdebut. Zwei Jahre später folgte, ebenfalls mit  Paul Bettany in der Hauptrolle, Priest, der sich vage auf die gleichnamige koreanische Comicserie bezieht, aber stark von Geschichte und Szenario abweicht, um es schlechter zu machen als die Vorlage.


I have questions and doubts.

Story

Den Priestern hat es die Menschheit zu verdanken, dass die dunkle Vampirbrut eingedämmt werden konnte. Die katholische Kirche hat diese Kriegerkaste ins Leben berufen und die Anwärter zu reinen Vampirjägern abgerichtet. Jetzt, da der Jahrhunderte andauernde Krieg zwischen den Spezies beendet ist und die Vampire nahezu ausgerottet und ihre jämmerlichen Überbleibsel in Reservaten zusammengekehrt wurden, gibt es keine Verwendung mehr für die klerikalen Van Helsings. Sie geraten in Vergessenheit, werden verleugnet und erfüllen niedere Aufgaben in den abgeschotteten Metropolen, in welche sich die Menschen zurückgezogen haben.
Eines Tages wird die Hauptperson, die wie seinesgleichen schlicht „Priester“ heißt, darüber informiert, dass Vampire über die im Außengebiet liegende Behausung seines Bruders hergefallen sind.
Obwohl die Kirche ihm eindeutig verbietet, die Jagd wieder aufzunehmen, und die Existenz frei marodierender Blutsauger rigoros abstreitet, begibt sich der Priester auf die Suche den Ungeheuern.
Und natürlich wird er fündig.

Kritik

Nach einer gänzlich nutzlosen ersten Szene startet der eigentliche Prolog und zeigt in stilvollen Zeichentrickbildern, was die Welt war, was aus ihr wurde und was sie nun ist. Priest ist nicht nur ein endzeitlicher Science-Fiction-Film, sondern spielt in einer gänzlich anderen Realität, in der die Existenz von Vampiren schon immer normal war.
Die Welt von Priest ist schön konzipiert und wird in teils imposanten Bildern vorgestellt. Das Land vor den Siedlungen ist eine leere und grenzenlose Einöde, die ganz aus Sand besteht. Selbst große Metropolen wirken inmitten der alles verschlingenden Wüste nichtig und unbedeutend. Die Städte sind ein Geflecht aus schmutzigen Ecken und wer sündigt, begibt sich in einen Beichtstuhl, der ähnlich einladend wirkt wie die Exemplare in THX 1138.
In der kahlen Leere jenseits der Städte ragen gewaltige Statuen empor, die zeigen, was die Menschen aufgaben, indem sie von Zeiten zeugen, an die sich niemand mehr erinnern kann. Abgebrochene Reste einstiger Wolkenkratzer sind das einzige, was daran erinnert, wie die Menschen einst gelebt haben.
Die Welt wirkt spannend und stimmig. Die Idee, Kampfpriester in eine theokratische Steampunkwelt zu stecken und gegen grässliche Halsknabberer kämpfen zu lassen, ist so trashig wie superb.
Nur leider nützt die schönste Bühne nicht, wenn Figuren und Geschichte zum Verzweifeln sind und dem tollen Szenario nicht mal im Ansatz gerecht werden.

Jede Figur ist ein wandelnder Stereotyp, jeder spukt große Töne und Gut und Böse sind von vornherein klar definiert. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Priest gar nicht so sehr von der Kirche, die im Film so schlecht wegkommt. Die Schauspieler machen ihre Sache eher mittelprächtig, werden ihren Abziehbilder-Figuren dabei aber gerecht. Paul Bettany, der den Priester im Zentrum spielt, leistet allerdings gute Arbeit und setzt sich von den typischen mystifizierten, eiskalten und zugleich lässigen Antihelden ein wenig ab. Sein Blick ist stets mehr kritisch als abgebrüht und manchmal scheint tatsächlich so etwas wie Priesterlichkeit durch.
Nur nützt das alles herzlich wenig, wenn jedes gesprochene Wort das nette Spiel sofort zunichtemacht.
Es  wundert kaum, dass die Figuren genau die Fehler machen, die man laut Klischee in einem Horrorfilm erwartet: Sich in Gefahrensituationen trennen, bei unheilvollem Lärm ans Fenster watscheln und die alles entscheidenden Pläne nicht im Vorhinein, sondern erst mitten in der Hektik ihrer Ausführung erläutern.
Natürlich: Einfach gestrickte Charaktere sind nicht zwangsläufig schlimm, wenn der Rest stimmig ist.

Viel schwerwiegender ist, dass es eigentlich gar keine Geschichte zu erzählen gibt. Zwei Kämpfer suchen ein Mädchen, das von Vampiren verschleppt wurde. Am Ende treffen sie den Oberbösewicht. Das war’s und der Abspann läuft. Man fühlt sich ein wenig so, als fiele nach dem ersten Akt eines Theaterstückes einfach der Vorhang. Der Science-Fiction-Film ist klar daraufhin ausgerichtet, Fortsetzungen nach sich zu ziehen. Der Film tischt in 87 Minuten das auf, was andere Filme in 20 Minuten verspeisen.
Dass als Lösung für alle Probleme der Priest-Welt simpler Sprengstoff genügt, steht stellvertretend für den Einfallsreichtum dieses Endzeitstreifens.
Natürlich: Selbst dann, wenn man sich bei Charakteren und Geschichte keine Mühe gibt, kann dank des coolen Szenarios noch ein brauchbarer Film herauskommen, solange die Action stimmt.

Doch auch die Konfrontationen mit den postapokalyptischen Spitzzähnen, die als hässliche Bestien mit unappetitlichem Glanz dargestellt werden und wie ein kleine Brüder von Spider-mans Venom wirken, sind kaum der Rede wert. Trotz zahlreicher Zeitlupen und einiger hilfreicher Gadgets, die der Priester aus seiner Kutte hervorzaubert, verlaufen die Kämpfe genauso uninspiriert und höhepunktlos ab wie der Rest des Filmes.

War The Book of Eli noch ärgerlich mit seiner sehr affirmativ christlichen Botschaft, ärgert Priest, weil die Kirche in ein so einseitig schlechtes Licht getaucht wird. Sie ist eine drakonische, durch und durch mittelalterliche Institution der Unterdrückung, die jeden Unsinn absegnet, solange er einem höheren Zweck dient. Eine solche Darstellung mag vor vielen Jahrzehnten noch aufregend und schockierend gewesen sein, in einem Werk des Jahres 2011 ist sie lediglich plump.
Plump ist nur folgerichtig auch die kirchliche Symbolik, wenn im Bildzentrum große Kreuze in ihre Einzelteile zerfallen.
Aber Dezenz ist in Priest eh nicht zu erwarten. Stattdessen wird jedes noch so offensichtliche Detail entweder deutlich buchstabiert oder aufdringlich mit Nahaufnahmen bedacht.

Fazit

Originell ist das adaptierte Szenario, abgeschmackt der ganze Rest. Flache Figuren, müde Kämpfe und eine schematische und eigentlich nonexistente Geschichte, die frei von Selbstironie erzählt wird. Das einzig interessante an Priest ist die Frage, was Paul Bettany, der früher selbst gläubiger Katholik war, dazu bewegte, in einem weiteren Film von Scott Stewart mitzuwirken.

Wer ein postapokalyptisches, in sich stimmiges und lange nachwirkendes Vampirmärchen sucht, der erweise sich selbst einen Gefallen und schaue stattdessen Stake Land.