Star Wars: Das Erwachen der Macht

Es ist immer noch sehr schwer zu fassen, ja, skandalös. Da kommt ein junger New Yorker daher und haucht erst dem vor sich hin darbenden Star Trek neues Leben ein, um sich dann umzudrehen und in derselben Bewegung das untote Star Wars zu revitalisieren.
J. J. Abrams‘ Star Wars: Das Erwachen der Macht läuft heute in den Kinos an.

That’s not how the Force works!

Story

Nach der Zerstörung des Todessterns ist viel geschehen. Luke Skywalker verschwand in ein selbstgewähltes Exil und alle Welt sucht ihn vergebens. Das Imperium erstarkte erneut, die Splittergruppe Erste Ordnung ist radikaler und entschlossener unter der Führung eines mysteriösen Wesens namens Snoke.
Poe Dameron ist der beste Mann des Widerstands und gerade dabei, die vielleicht heißeste Spur zu Skywalker seit Dekaden zu verfolgen, als eine Division Stormtrooper unter dem Kommando des Anführers Kylo Ren angreift und Poe inhaftiert, der die wichtigen Informationen nur in letzter Sekunde seinem treuen Droiden BB-8 übergeben konnte.
Während Poe in der Zentrale der Ersten Ordnung auf einen desertierenden Stormtrooper trifft, der ihm zur Flucht verhelfen will, kugelt BB-8 der jungen Frau Rey über den Weg, die bald feststellen darf: Die Macht ist stark in ihr.

Kritik

Die Star Wars-Komponenten:

  1. Kleine Helden einer kleinen Widerstandsgruppe, die gerade erst damit beginnen, ihre „Macht“ zu entdecken, während sie ins Erwachsenenalter übergehen.
    Sie treten, moralisch gefestigt, ansonsten aber von großen Orientierungsschwierigkeiten geplagt, als Menschen aus einfachsten Verhältnissen gegen eine Technokratie an, die alles zu überwuchern droht und ihre Sporen aggressiv in alle Richtungen spuckt.
  2. Ihre Heldenreise führt sie zu Schauplätzen, die unvergleichlich reich sind an schillernden Figuren, skurrilen Details und exotisch-verspielten Nuancen. Schauplätze, die lebendig sind und keinen Zweifel daran lassen, nur ein kleines aber stellvertretendes Partikelchen einer großen Welt im großen Weltall voll mit weiteren großen Welten zu sein.
    Sie sind das Versprechen, dass das Abenteuer, das Fantastische, das zum Staunen Einladende nie aufgebraucht ist.
  3. Musik von John Williams, die nur Anlauf von wenigen Augenblicken benötigt, um einen tief in die dargestellte Welt zu saugen.
  4. Ein Schnitt im Einklang mit dieser Musik, der Establishing Shots für die Ewigkeit kredenzt. Es muss nicht Paul Hirsch sein. Aber wie von Paul Hirsch, das wäre in diesem Fall schon wichtig.
  5. Die Geschichte wird als Märchen erzählt. Das Märchenhafte: Ein Science-Fiction-Film, in dem die ‚Science‘ in ihrer Ausprägung nicht einfach nur Dystopie ist, sondern der komplette Gegenentwurf zum schwierigen, manchmal auch entbehrungsreichen, in jedem Fall bescheidenen, aber auch romantischen Leben in der Idylle. Die unterstützende Kraft ist etwas Fantastisches, eine Macht, die sich nicht erklären lässt – und wer etwas anderes behauptet, bezieht sich auf andere Star Wars-Filme -, aber das Substrat von allem ist. Die Technik der Guten ist morsch, überholt, zweckmäßig und spartanisch. Schrott, der aber eine Seele besitzt. Und selbst die Lichtschwerter sind Teil einer Tradition, mehr Symbol als Technik.
  6. Putzige Roboterflegel
  7. Laserschwertduelle

Star Wars ist nicht der Heilige Gral. Auch wenn das Franchise als Ausgangs- und Bündelungspunkt bizarr vieler popkultureller Phänomene als solcher behandelt wird. Es sind die aufgezählten Punkte, die in ihrer konkreten Kombination aber nicht einfach nur abgehakte Formalien sind, sondern von einer besonderen Leidenschaft für Filme zusammengehalten werden – die Magie, die der Filmreihe innewohnt. Und, aller Häme zum Trotz, wohl das, was George Lucas alleine zu verdanken ist.

Heute läuft Star Wars: Das Erwachen der Macht in den Kinos an. Das Embargo für Kritiken ist gefallen und die ganze Welt spuckt aus, was sie von einem der meisterwartetsten Werke aller Zeiten hält.
Der Film befindet sich in einer günstigen Position. Lucas‘ Prequel-Trilogie hatte es gleich doppelt schwer. Die Erwartungen waren aufgrund des Kults um die originalen Teile völlig überhöht und die Filme selbst missraten. Damit fiel das 99 angepeilte Sternenkrieg-Revival gleich zweimal rabiat aufs Gesicht.
Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass man heuer weitaus vorsichtiger an den neuesten Teil der Reihe geht. Und da J. J. Abrams das Erbe zu einem wirklich sehenswerten Film geballt bekommt, ist es gleich doppelt besser um Star Wars: Das Erwachen der Macht bestellt als seinerzeit bei Die Dunkle Bedrohung.

Abrams‘ Version hält sich dabei beinahe schon sklavisch an das Erfolgsrezept der alten Filme, verfällt aber nicht in einen selbstzweckhaften Zitaterausch und weiß im richtigen Maße eigene Akzente zu setzen und Inhalte neu auszurichten.
Wieder ist es ein Niemand aus ärmlichen Umständen, der sich irgendwie durchs Leben schlägt und viel tagträumt, bis er schicksalshaft darüber stolpert, für die Machtnutzung prädestiniert zu sein. Schicksalshaft drüber stolpern, heißt in diesem speziellen Fall, dass gerade zu Beginn sehr viele Zufälle akzeptiert werden müssen, bis sich alle relevanten Figuren gefunden haben. Man mag das als „Macht-Fügung“ billigend in Kauf nehmen, kann aber mit Fug und Recht ebenso sagen, dass das Drehbuch hier ein bisschen nachlässig ist. Trotzdem flutscht der Film von Anfang an und wird tatsächlich mit jeder Szene etwas besser, bis sich die Geschichte in einem würdigen Schlussbild auflöst.
Apropos Bilder: Es wird, wie es zu erwarten war, viel fürs Auge geboten. Die Schauplätze sind ohne Ausnahme schön gewählt und ebenso schön gestaltet, auch wenn man aus ihnen mehr rausholen könnte. Die meiste Schönheit ist leider nur Kulisse, obwohl sie mehrmals das Potenzial hätte, auch aktiv ins Geschehen eingebunden zu werden. Dass man sich in Sachen CGI bewusst zurückgehalten hat und Sets und Figuren häufig von Hand entstanden sind, ist dabei allerdings die größte Wohltat. Nur bei wenigen Figuren fiel die Entscheidung doch zugunsten von CGI aus. Das charakteristische Art Design von Star Wars konnte ohne Schäden übertragen werden, auf die charmante Pappigkeit der Ausführung wurde dabei aber natürlich verzichtet. Dafür werden aber Variationen beliebter Schauplätze besucht, was auf dem Papier vielleicht nach feigem Recycling klingt, in Aktion dafür aber eine wahre Freude ist. Von der dunstigen Alien-Kneipe bis hin zum labyrinthischen Stahldarm eines gigantischen Imperiumflaggschiffs ist alles dabei.
Getrübt wird das Sehvergnügen manchmal von einer etwas zu zackigen Kamera, die mit weniger Schwenks und Fahrten einen stimmigeren Eindruck der Welt geboten hätte. Die Szenerien waren schon damals immer dann am erfreulichsten, wenn die Bewegung in den Bildern selbst entsteht und nicht nur die Perspektive. Ein wenig fehlt es der sich eh sehr schnell entwickelnden Geschichte hier an einem Ruhepol.
Hier merkt man aber bereits, dass bei allem nur auf hohem Niveau gekrittelt werden kann. Die Action-Sequenzen sind dafür durchweg übersichtlich und angenehm geschnitten, sodass nie die Orientierung verloren geht.
Die Geschichte selbst klappert, wie erwähnt, mehrere Stationen ab, wo immer ein Abenteuer darauf wartet, erlebt zu werden. Das ist durchaus durch die Star Wars-Tradition legitimiert. Auch The Empire Strikes Back ist genaugenommen nur eine ausgedehnte Actioneinlage gewesen, die von etwas Sumpf unterbrochen wurde. Deswegen kann man Episode 7 wahrlich nicht vorwerfen, hier einen falschen Kurs einzuschlagen.
Etwas schade ist es, dass der Film dafür gerade in Sachen Humor ein bisschen steif in der Hüfte ist. Denn neben einer Handvoll wirklich gelungener Reminiszenzen an alte Tage wird sich sehr auf den neuen Droiden-Begleiter DD-8 verlassen, dessen humorige Seiten sich aber in der Regel darauf beschränken, ganz ungeheuer putzig in der Gegend rumzukugeln. Auch sonst kommt der Film dann und wann etwas arg albern daher – die geistreichen, ins Schwarze zielenden Sprüche des Originals findet man nur vereinzelnd.
Daisy Ridley als neue Protagonistin und Macht-Hoffnung Rey macht ihre Sache ausgesprochen gut, kann aber auch mit starkem Spiel nichts daran ändern, dass die Lernkurve ihrer Figur ein bisschen sehr zackig vonstattengeht. Zwischen „Ich sammele und verkaufe Schrott, während ich mich selbst belüge“ und „Ich bin selbst dem stärksten Krieger der Dunklen Seite überlegen“ ist der Weg nämlich sehr kurz und die Entwicklung nicht so ganz nachvollziehbar.
Aber das ist nur Kleinkram. Die neue Generation der Machtjünger macht ihre Sache mehr als gut, die Anknüpfungspunkte zur alten Trilogie sind logisch und mit gut dosierter Sentimentalität eingebaut und auch ansonsten ist die Angelegenheit schweineunterhaltsam. Und trotz aller Freude darüber, dass es eine Art Wiedersehen ist, mit den Figuren, mit der Welt, mit Star Wars, ist es auch etwas Neues.
Laserschwertduelle gibt es dafür überraschend wenig. Und das ist vielleicht eine verblüffend gute Nachricht. Denn wenige wuchtige Konfrontationen mit wuchtigen Schlägen dieser tödlichen Lichtsäbel sind ehrfurchtgebietender als ausufernde Choreographien, bei denen die Waffen zu Tanzstäben verkommen. So bekommt auch der ganze Ritter-Aspekt wieder mehr Gewicht.

Vielleicht kann man in nerdiger Eingeschworenheit munkeln, dass man das Fehlen von George Lucas nichtsdestoweniger spürt. Denn der Flair, diese Quäntchen Magie, die halsstarrige Leidenschaft des Exzentrikers, die vermisst man an manchen Ecken dieses Abenteuers. Doch auch, wenn dies ketzerisch klingen mag – dass dies allein nicht reicht, sah man insbesondere bei Die Dunkle Bedrohung und Angriff der Klonkrieger.

Fazit

Star Wars. Neue Lieder, die nach alten Klingen, alte Gesichter, die mit der Zeit gingen, neue Helden, neue Abenteuer, eine neue Order. J. J. Abrams hat eine Saga wiederbelebt und dabei mit Bedacht alle Zutaten, die schon in der Vergangenheit funktionierten, wiederverwendet. Dass dabei Wiederholungen mehr Grund zur Freude als zur Klage sind, ist wohl das beste Zeichen, dass Star Wars: Das Erwachen der Macht eine würdige Fortsetzung ist. So wie die Originale ist auch der neueste Film nicht fehlerfrei. Eine Wiederholung des elektrisierenden Gefühls, das man damals beim ersten Star Wars-Kontakt hatte, ist weder zu erwarten noch zu leisten. Stattdessen ist auch Das Erwachen der Macht ein durch und durch unterhaltsames Sci-Fi-Märchen mit tollen Schauwerten und dem nötigen Respekt seinen Vorfahren gegenüber. Und das ist alles, was es sein muss.

Attack the Block

Joe Cornish war das, was gefühlt die Hälfte aller US-Bürger ist, Comedian. Neben unbedeutenden Rollen in Filmen, die ihn in Kontakt mit Nick Frost brachten, schrieb er Drehbücher fürs TV und brachte auch ein paar Belanglosigkeiten in Eigenregie auf die Mattscheibe.
Kein heller Stern also. Doch seine nächsten Projekte lauten Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn und Ant-Man, als Autor bzw. Co-Autor.
Und dazwischen? Dazwischen kam Attack the Blog, wo er sowohl für die Geschichte als auch für deren Umsetzung verantwortlich war.

This is too much madness to explain in one text!

Story

Ein sozialer Brennpunkt in London, wo Gang-Rivalitäten – meist wegen Drogen – nicht selten bis zu Schießereien hochkochen, wird Schauplatz einer kleinen Alieninvasion mittels Meteoritenschauer. Klein, weil eigentlich nur ein paar struppige Biester in der englischen Hauptstadt aufprallen. Klein, das denken sich auch Moses und seine Gang aus kleinkriminellen Jugendlichen, die prompt zur Treibjagd blasen – schließlich kann niemand einfach so in ihren Block eindringen und Unheil stiften. Aauch keine Außerirdischen.
Nicht nur ist die von den schwarzen Space-Hunden ausgehende Bedrohung weitaus größer, als kalkuliert, plötzlich tauchen auch noch die Polizei und der wütende Drogenzar des Viertels auf und alle wollen sie dem Fünfköpfigen Freundeskreis an den Kragen. Zusammen mit der sich unfreiwillig anschließenden Krankenschwester Sam flüchten sie zurück ins das Reich ihrer Sozialwohnungen, um einen Gegenangriff zu planen.

Kritik

Anfangs darf man skeptisch sein. Schon wieder irgendwelche animalischen Aliens, die keine Ziele haben, außer ihre Zähne in Fleisch zu tauchen. Schon wieder eine Gruppe von Leuten, die über sich hinauszuwachsen hat. Schon wieder  in irgendeinem englischen Ghetto.
Gut, ein „schon wieder“ zu viel, denn das Ghetto ist neu. Oder, um es etwas kategorischer auszudrücken, die Verbindung von Science-Fiction-Film und Milieustudie ist neu und ein ziemlich schräger Einfall dazu.
Damit schafft sich Attack the Block gleich jede Menge Probleme, die insbesondere für einen mit Produktionen dieser Größe recht unerfahrenen Mann wie Herrn Cornish kein Zuckerschlecken gewesen sein dürften. Allen voran: Wie gelingt es, dass die 15-jährigen Kinder unterster Schicht mit ihrer Attitüde und dem Hip-Hop-Humor nicht nerven, sondern im Gegenteil als taugliche Hauptfiguren funktionieren – ohne dabei an Authentizität einzubüßen?

Normalerweise ist die kleine Gang aus vorlauten Kindern in Horrorfilmen dafür geeignet, sich für den Schrecken der Exposition zu opfern und dann nie wieder erwähnt zu werden. Hier wird die Einleitung aber überlebt und man schlägt sich durch die ganze Geschichte. Und das auf eine ganz eigene Weise.
Tatsächlich meistert der Film diese Probleme sehr geschickt und beschert einen Culture-Clash der ultimativen Sorte, der der Invasionsthematik frischen Drive gibt.
Das beginnt schon damit, dass die Halbstarken ihr erstes Alien, das sie mit einer Silvesterrakete erlegt haben, stolz und randvoll mit empfundener Coolness einmal quer durch die Stadt schleifen, in erster Linie aber Fifa spielen wollen. Dass die Neuankömmlinge vielleicht gar nicht so böse sein könnten (oder aber zu böse), wird in keinem Augenblick erwägt. In Folge haben sie, als sie auf das erste Geschöpf mit wirklichem Biss stoßen, nur noch Verbarrikadieren im Sinn.
In Sachen Witz pendelt man irgendwo zwischen semi-authentischem Block-Geblubber und einer schillernden Ladung kultureller Anspielungen auf Film und Vorurteil. Manches davon geht ins Leere bzw. ist einfach etwas zu gewollt, im Schnitt macht Attack the Blog aber mächtig Laune.

Durch die neue Genrewürzung ist nicht nur das Verhalten der Figuren ungleich mit dem normaler Sci-Fi-Heroen, auch die Art, wie das Ganze gefilmt wurde, unterscheidet sich immens vom Durchschnitts-ET. Alles ist etwas kleiner, näher am Charakter und unaufgeregter, nicht aber weniger intensiv.

Nick Frost als für sein Wesen viel zu alter Verlierer mit schulterlangen, fettigen Haaren, ist eine nette Dreingabe mit mikroskopisch kurzer Screentime, die für den Film mehr Werbung denn Plotbereichung ist. Aber lieber wenige kurze Szenen mit Nick Frost als Marihuanagärtner als gar keine.
Gleiches mit dem menschlichen Bösewicht. Er wirkt in seinem ganzen Tun etwas müde konzipiert, funktioniert im Gesamtbild der Stimmung ganz gut, hat aber eigentlich überhaupt keine wirkliche Funktion, sondern ist nur ein fauler Versuch, ein zusätzliches Suspense-Element miteinzubauen.
Beim Design der außerirdischen Kreaturen orientiert man sich gerne an Bekanntem, dafür sind die eigenen Ideen ein bisschen halbgar geworden. Trotzdem muss man hier Loben, was auch in vielen anderen Bereichen des Filmes hervorzuheben ist: Lieber klein, wenig und dafür richtig, als groß, zu dick aufgetragen und am Ende zu sperrig, um mit der Dramaturgie vereinbar zu sein.

Fazit

Aber wenn nicht alle Einzelheiten frisch sind, das Gesamtpaket ist es umso mehr. Die Verschnürung der beiden einander doch sehr unähnlichen Genres sorgt für ein kurzweiliges Spektakel, das gut gefilmt und gut gespielt ist, launige Momente hat, frech daherkommt und zum Schluss seinen jugendlichen Nachwuchsgangstern einen Gefallen erweist, indem das Finale einfach schweinecool ist.