These Final Hours

Australien ist nicht unbedingt ein polternd-lautes Filmland. Wenn es auf sich aufmerksam macht, dann meist mit Genreproduktionen hohen Wiedererkennungswertes. Auch in jüngster Zeit reicht die Skala illustrer Science-Fiction-Filme von Mad Max: Fury Road bis Predestination. Und Zak Hilditchs These Final Hours fügt sich ohne allzu große Mühe in diese Reihe besonderer Filme ein.


We have 12 hours people. That’s all.

Story

Das Ende lässt die Flügel rascheln, dann breitet es sie aus. Ein Komet geht auf die Erde nieder, setzt eine todbringende Feuerwalze frei, die sich unaufhaltsam über alle Kontinente und Meere hinweg ausbreitet. Einen gewissen Teil der Welt hat sie bereits verschluckt und Australien beginnt von 12 abwärts zu zählen. Und jeder zählt auf seine eigene Weise. Die meisten mit Rausch, Sex und Blut. Ein paar andere begegnen ihrer Angst erzwungenem Alltag, Einsamkeit oder hochgeschraubter Radikalität.
James gehört zur ersten Sorte. Eine letzte Nacht mit der Affäre, dann soll die Welt mit einem gewaltigen Rave verabschiedet werden. Doch dann läuft ihm das Mädchen Rose über den Weg und will nicht nur aus dem Fingern schlimmer Burschen gerettet, sondern auch noch zu ihrem Vater gebracht werden.

Kritik

These final Hours schöpft thematisch das Naheliegende ab, den Exzess, die Grenzerfahrung, die Verzweiflung, die Rage der Ausweglosigkeit, der Rückfall auf Hobbes‘ Elementarstrukturen wölfischer Zwischenmenschlichkeit.
Dabei wirkt der Film eingangs selbst wie auf Koks, wie eine Indieversion von Running Scared, in der es nur darauf ankommt, was schneller zuneige geht – der Adrenalinspiegel des Protagonisten oder die verbleibenden Stunden der Menschheit. Die Antwort kommt überraschend früh, wenn mit dem Finden des Mädchens Tempo raus genommen wird und der Film vom Endzeit-Thriller zum Endzeitdrama mutiert.
Das Wahnsinnstempo vom Anfang wird nicht gehalten. These final Hours startet an seinem Höhepunkt und flaut dann langsam ab. Das soll nicht bedeuten, dass der Film fad oder träge würde, schade ist es trotzdem, dass das bunteste Feuerwerk bereits gleich zu Beginn in den Himmel gejagt wurde. So gibt es einen tollen Einstieg und eine entsprechend rasante Charaktereinführung, die etwas verspricht, dass so richtig nicht eingelöst wird. Dass James‘ Situation sich beruhigt, sobald das kleine Mädchen aufkreuzt und ihn in den letzten Stunden seines Lebens in Verantwortung schult, hat natürlich System, doch dass mit dem Herabsinken des Tempos auch die zündenden Ideen in immer größeren Abständen auftauchen, ist schade.
Letztlich ist die Reise von James und Rose ein abklappern einzelner Stationen unterschiedlichen Risikogrades – und längst nicht alle gleich gut gelungen, auch wenn keine tatsächlich unnütz ist. Gerade die zentrale Etappe, die eigentlich ersehnte Weltuntergangs-Party im XXL-Format wartet mit einem ganzen Konfliktkaktus auf, der der Narration wie auch den Figuren mehr schadet als nützt.
Dass die Reise als solche fast überhaupt keine Bewandtnis für den Film hat, ist schade, ist These final Hours doch eigentlich ein Road Movie, das es verdient hätte, auch dem Weg die verdiente Tiefe zuzusprechen. Dafür hätte man zu den knapp 80 Minuten Laufzeit auch gerne 20 weitere hinzuaddieren dürfen. Das Spiel der beiden Hauptdarsteller hätte nämlich ohne Frage das Potenzial für weitere Charakterentwicklung gehabt. Sowohl der stämmige Nathan Phillips als in letzter Sekunde zu läuternder James als auch und insbesondere Angourie Rice als Rose, die von der Kinderschauspielerin mit einem preisverdächtigen Bewusstsein für den Spurwechsel von Einfühlsamkeit, Verletzbarkeit und Frechheit dargestellt wird und sich damit so überdeutlich für Großes empfiehlt, dass man dieses Zeichen hoffentlich nicht übersehen wird.

Die ersten Bilder lassen die Befürchtung aufkommen, dass These final Hours in Sachen Technik lahmt, denn die kurzen Impressionen des Kometen muten so hölzern an, wie das Budget es erahnen lässt. Doch abseits von Special Effects beeindruckt Zak Hilditchs Film mit messerscharfer Regie der gleichsam einschneidenden Bildern, die oftmals gelungen die Stimmung pointieren und auch in folgenden Szenen noch nachwirken, während die Tonebene immer wieder mit harschen Akzenten und stimmungsvollen Effekten aufwartet, dabei aber nicht aufdringlich oder stumpf klingt. Von kleinen Anschlussfehlern abgesehen, ist These final Hours sauber und gekonnt inszeniert und wirkt damit wie aus einem Guss.
Manchmal fühlen sich die lauteren und leiseren Momente an wie ein Sägeblatt auf der Haut, manchmal wie das Geräusch, wenn die eigenen Zähne sich quietschend berühren und man fast zu spüren meint, wie der Zahnschmelz sich verabschiedet, manchmal aber auch befreiend und umzingelt von seiner hoffnungslosen Prämisse traurig-schön. Damit gelingt dem Film das, was er ausdrücken will. Und damit ist dies, neben den sehr ähnlich angelegten Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt gelegt, der bessere Film.

Fazit

These final Hours ist ein straff inszeniertes und manchmal zu straff erzähltes Endzeitdrama, das nicht nur durch seine kohärente Stimmung, sondern vor allem mit den beiden Hauptdarstellern überzeugen kann. An sah schon lange nicht mehr ein derart gut funktionierendes Gespann von Mann und Mädchen auf dem Bildschirm. Ein weiteres Beispiel für feines Genrekino von Down Under.

Mad Max: Fury Road

Mad Max ist ein Film über einen Polizisten, der nicht nur angesichts des Kollapses der Gesellschaft, sondern auch seines persönlichen Lebens Ohnmacht empfindet. Mad Max – Der Vollstrecker erzählt die Geschichte eines Ritters, der in einer anarchisch geprägten Wüste die Vorstellung für immer etabliert, die wir heute vom Genre ‚Endzeitfilm‘ haben. Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel ist dann ein notwendiger Anhang aus Trash mit Tina Turner.
In Teil 1 war das „Mad“ Ausdruck der Verzweiflung. 36 Jahre später steht es nun endgültig für den in Film gegossenen vollkommenen Wahnsinn.

There’s no going back!

Story

Nach dem Verlust seiner Familie und dem anschließenden Verlust von Regeln und Welt ist aus dem ehemaligen Straßenpolizisten Max Rockatansky ein derangiertes Wrack geworden, das, gemartert von den Bildern der Vergangenheit, nur noch durch rohen Überlebenswillen mit seiner Umwelt interagiert.
Eines Tages entführen ihnen die Anhänger des Diktators Immortan Joe, der mit seinem Wasser-Monopol eine degenerierte Gesellschaft unterjocht und sich als Gottkaiser feiern lässt.
Max soll als mobiler Blutspender dafür sorgen, dass die kränklichen Krieger des Despoten fit bleiben, während sie mit ihren Buggys die Lande unsicher machen. Als Imperator Furiosa sich gegen Immortan Joe stellt und einen Tanklaster mit wichtiger Ladung samt Harem entführt, schließt sich der zerrüttete Straßenkrieger der kleinen unfreiwillig Gruppe an.

Kritik

Erst kam der Krieg dazwischen, dann stieg Mel Gibson aus. Als dann schließlich, nach ewigem Garen in der Hölle der Vorproduktion, die Dreharbeiten gestarteten werden sollten, verwandelten plötzliche Regenfälle Brocken Hill in einen zweiten Garten Eden. Erst 12 Jahre nach der Idee zu einem vierten Mad Max konnte diese 2011 in Namibia als Filmdreh verwirklicht werden. Und, Jesus, es ist ein Biest geworden.

Schon die vorfreudig brodelnde Entführungssequenz, bevor überhaupt die Titeleinblendung ihre Verheißung aussprechen kann, gibt eine Stoßrichtung vor, die so laut, durchchoreographiert, übertaktet und sich ständig aus sich selbst neu herausreißend ist, dass man nicht glauben möchte, dass der Film dies einlösen kann. Was folgt, ist in der Tat keine schlappe Einlösung, sondern ein gnadenloses Auftrumpfen von Mehr, Besser, Tiefer, Heißer.
Beschreiben lässt sich der Film in gewohntem Maße nur beschränkt. Man könnte sagen, er ist ein Tanz, eine Choreographie, bei der ein Höhepunkt den nächsten jagt, die keine Verschnaufpause lässt und mit immer Neuem das überbietet, was den Zuschauer zuvor noch mit offenem Mund und trockenen Augen staunen ließ. Man könnte aber auch sagen, Mad Max: Fury Road ist ein zweistündiges Finale Extravaganza, das unentwegt pulsiert und die Schleusen des Irrsinns weiter geöffnet hat, als es in dieser Form jemals jemand gewagt hat. Mad Max: Fury Road ist laufend am Explodieren und in seiner zelebrierten Verrücktheit grenzenlos kreativ; ein Film, der den Zeitraffer dort einsetzt, wo zur Zeitlupe griffen. Mad Max: Fury Road platzt 120 Minuten lang aus allen Nähten und ist dabei so besessen von Details, dass man beim Betrachten in diesem Sturm des Kinos jedes Gefühl für Zeit verliert. Mad Max: Fury Road ist ein artistisches Ungetüm, das in seinem Treiben völlig schamlos ist und jede gängige Erzählkonvention in seiner Rage ignoriert, ein Spiel mit Tabus, die dann gebrochen werden. Mad Max: Fury Road ist ein Walkürenritt und mit seinen glühenden Bildern und der hämmernden Symbolik das mit Abstand ästhetischste Erlebnis, das man im Kino für lange, lange Zeit haben können wird. Mad Max: Fury Road ist vor allem aber eine wortgetreue Umsetzung jedes einzelnen Wortes seines Titels.
Dass etwas so Unfassbares so unfassbar gut funktioniert, liegt zum einen natürlich an dem ineinandergreifenden Spiel zwischen seinen technischen Vermittlern. Der Film ist ein wahres Wunderwerk des Schnitts und hat ein atemberaubendes Gespür für Aufnahmen jeder Art – Nahaufnahmen wechseln sich mit Panorama Shots ab und münden dann in einer Totalen. Das ist auf der einen Seite eine perfekt getimte Bilddramaturgie, auf der anderen sind alle Einstellungen für sich aber bereits Gemälde, die vor präziser Wuchtigkeit nur so strotzen. Dann wäre da die Musik, die häufig nur kurz, aber absolut treffsicher angespielt wird, ehe sie wieder im Getöse des Hintergrunds verschwindet, sich über den Film hinweg aber immer weiter steigert, und zwischendurch auch nicht davor zurückscheut, in orchestraler Fiebrigkeit aus sämtlichen Boxen zu wummern. Vorhanden ist dieses Zusammenspiel in erster Linie, um das perfektionierte Endzeit-Design in Szene zu setzen, das seit Teil 2 und 3 seine absolute Mitte gefunden hat und selbstsicher das Kunststück meistert, kulturelles Flickwerk, abstoßende Krankhaftigkeit, Westernflair und planlose Improvisation auf einem Zentimeter zu vereinen, was in den wunderlichsten Selbstbauboliden und den abgedrehtesten Charakteren resultiert.
Die Action selbst ist in all ihrer verblüffenden Wahnhaftigkeit zugleich die ehrlichste, bodenständigste, die man in einem Spektakelfilm seit langem gesehen hat. Kaum CGI, so gut wie vollständig von Hand gestaltet. Ein gewaltiger Aufwand, der der Natur des Drehorts wohl auch einiges abverlangt hat, aber dafür auch ein Fest allererster Güte ist, das so ziemlich alles, was es tut, für den Rest der Welt neudefiniert.
Es gibt auch Augenblicke, in denen es der Koloss zu weit treibt. Nicht in der gnadenlosen Action, sondern wenn im letzten Drittel ein absehbarer Twist dazu führt, dass jemand in Platoon-Pose seiner Gram Ausdruck verleiht und ihn sämtliche filmischen Mittel dabei unterstützen. Von solchen Ausrutschern im Schlamm des Pathos gibt es nur sehr wenige und sie ändern nicht viel am Gesamtbild, erwähnt werden müssen sie aber.

Die wenigen Momente, in denen etwas Ruhe einkehrt, köcheln im Vergleich immer noch energischer, als die Finali vieler anderer Filme. Dennoch gelingt es, in ihnen viele Andeutungen über den Zustand der Welt, die Geschichte der Figuren und den Aufbau der Gesellschaft zu vermitteln. Dazu gehört auch das Wesen von Max, dessen Rolle fast überall als zu unterpräsent kritisiert wird. Doch ist gerade die Entscheidung, ihn als zurückhaltendes, innerlich zerfleischtes Tier zu zeigen, bei dem sich die Menschlichkeit verwundet soweit zurückgezogen hat, wie es nur möglich war, eine bemerkenswerte. Der Protagonist ist nicht mehr derselbe wie bei seinen ersten drei Auftritten, sondern deren Resultat. Ohne Glauben, ohne Hoffnung. Ein Sack aus Knochen, dem die Dämonen der Vergangenheit in jeder Zelle sitzen und von dort aus die versteckten Reste seines demontierten Wesens suchen. An einer so ikonischen Figur wie Mad Max die erschreckende Genese von Qual mit solcher Konsequenz aufzuzeigen und ihn damit folgerichtig zu einem Anderen werden zu lassen, ist ein Schritt, der großen Mut gekostet haben muss.
Aber auch sonst ist der Film unter der Oberfläche kein graues Gerippe, wie es den meisten Actionfilmen eigen ist.
Um nicht zu viel vorwegzunehmen, sei nur ein einziges Beispiel aus der oben schon kurz angerissenen Symbolik angerissen, mit der Mad Max: Fury Road unterschwellig spielt. Er hat die Filmreihe nun endgültig zu einer über Flüssigkeiten gemacht. Nach Wasser und Öl sind es nun Blut und Milch als liquide Träger von Hoffnung und Glauben, die als Symbol dafür sorgen, dass so etwas wie Zivilisation zumindest als Potenzial erhalten bleibt. Abhängig ist ihre Qualität nicht von ihrem Vorhandensein, denn das sind sie, sondern vom Umgang mit ihnen. Öl kann verbrennen, Wasser verdunsten, vereisen oder aber sinnlos in der Wüste versickern, Blut gerinnen und Milch, vielleicht die Königin der Flüssigkeiten, verderben – vor allem dann, wenn sie ohne Kühlung in einem Laster durch die Wüste kutschiert wird.

Fazit

Vor ein paar Tagen wurde George Miller 70 Jahre alt. Seinen Oscar erhielt er 2006 für den Animationsfilm Happy Feet. Nun hat er eine Formwerdung des Unfassbaren auf Leinwand gebannt. Mad Max: Fury Road ist eine einzige Choreographie, die in manchen Szenen sogar sehr offen an einen Tanz erinnert. Es ist ein Tanz, der Wahnsinn in bizarrer Formation zum Thema hat und mit seiner unglaublichen Energie, seiner Kreativität und Zügellosigkeit etwas geworden ist, an dem sich fortan alle Actionfilme messen lassen müssen.
Doch Mad Max: Fury Road ist vor allem auch eines: Ein Stück Filmgeschichte, das man sich auf gar keinen Fall im Kino entgehen lassen sollte. Denn dies ist sein angestammter Ort.