Mad Max II – Der Vollstrecker

War Mad Max noch ein – gutes – Drama, das die Postapokalypse, in der es spielt, nur andeutete, schuf George Miller mit dem zweiten Teil der Trilogie ein Werk, das ein ganzes Genre definierte und ganz nebenbei auch Kinostandards ins Wanken brachte. Jetzt, da der Trailer zum neusten Teil veröffentlicht wurde, ist es an der Zeit, einen Blick auf diesen Klassiker zu werfen.


Everybody is looking for something.

Story

Drei Jahre sind vergangen, seit Max Rockatansky Frau und Kind verlor. Seitdem rollt er mit seinem Ford Interceptor durch eine Welt, die mehr und mehr auseinanderfällt. Wasser und Benzin sind rarer dennje und das matte, damals schon ungesunde Grün wich ewiger Wüste. Max ist abgeklärter, aber auch gefasster.
Als er einen Tragschrauber inspiziert, wird er von dessen Besitzer überrumpelt, aber Max geht siegreich aus der Auseinandersetzung hervor. Um sein Leben zu retten, bietet der Pilot eine wertvolle Information im Austausch für seine Unversehrtheit an. Wenige Meilen entfernt soll eine zur Trutzburg umfunktionierte Raffinerie große Mengen an Treibstoff lagern.
Die Geschichte stellt sich als wahr heraus, doch befindet sich die kleine Siedlung in einem permanenten Belagerungszustand. Humungus und seine marodierenden Krieger wollen ebenso an das Benzin.

Kritik

Mad Max II – Der Vollstrecker ist ein rundes, ungemein unterhaltsames Stück Film. Das ist die Kritik in aller Kürze und das ist es, was unten im Fazit ein zweites Mal zu lesen sein wird.
Schon das clevere Intro, das aus entkontextualisierten Historienaufnahmen und – gleichwertig als Vergangenheit markiert – Sequenzen des ersten Mad Max verklebt ist, introduziert ohne Umschweife in die Diegese und gibt mit seiner scheinbar schwerelosen (was nicht bedeuten soll ‚unbekümmerten, im Gegenteil) Direktheit den Ton des ganzen Filmes an. Aus diesem Intro setzt sich der Werdegang der Welt und jener des Protagonisten zusammen, um dann direkt in eine Actionsequenz überzugehen, die alles bietet, was Ikonisch an der Mad-Max-Reihe ist. Nämlich aus Restfetzen der Zivilisation zusammengetrümmerte Selbstbauboliden, atemberaubende Verfolgungsjagden mit eben diesen, schrille Figuren mit grellen Irokesenschnitten und sandige Steam-Punk-Stimmung par excellence.
Es ist direkte, aber nie überladene, recht authentische Action, die – genau wie die schrägen Gestalten – von sämtlichen Figuren des Films ebenso wie von der Inszenierung selbst ernst und für voll genommen wird. All das vermag Dean Semler (der danach etwas auf Abwege geraten ist) mit einem angenehm beherrschten Kameraauge zu durchschweifen, angereichert mit gänzlich unverkranften Schnitten, die einen sonderbaren, aber perfekt sitzenden Kontrast zu dem Geschehen ergeben.
Die Action ist die ganze Laufzeit über einfach schlichtweg sehr gut und ganz besonders die perfekt eingebundenen Verfolgungssequenzen sind grandios inszeniert und bis heute einmalig unterhaltsam. Hier kommt auch der Soundtrack voll zur Geltung, der herrlich altmodisch aus den Boxen scheppert und den alles andere als altmodischen Szenen ein sehr spezielles Flair verpasst. Brian Mays (der ebenfalls im Anschluss keine Glanztaten mehr verbuchen konnte) Instrumentalisierung ist fast immer angemessen pompös, trägt in einer ganz bestimmten Szene dann aber doch merklich zu dick auf. In einer so kuriosen, nach außen hin abstrusen, nach innen hin durchgängig stimmigen Welt von „zu dick auftragen“ zu sprechen, ist eine sonderbare Formulierung. Doch genau das macht den Mittelteil der Trilogie aus. War Part 1 noch recht gediegen und klassisch – deswegen aber auch die intensivste Erfahrung von allen dreien – und trieb es Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel in allen Belangen zu weit, besetzt Mad Max II die goldene Mitte, in der alle Zutaten perfekt abgemischt und im korrekten Zeitabstand zusammengetragen wurden. Kleine Makel machen sich bemerkbar, können das Gesamtbild aber nicht verschlechtern.
Es tut dem Film auch gut, bei seinem Protagonisten einen Schritt zurückzuweichen und Max zu einem Helden nach klassischerem Vorbild werden zu lassen, fort von dem gebrochenen, von Schmerz halb zersetzten Max, hin zu Mad Max, dem besonnenen, durchaus charismatischen Überhelden, einem Fremden mit solidem Ehrenkodex, der Tragik mit Dynamik ersetzt, aber trotzdem nicht ganz befreit von seiner Vergangenheit ist.
Alle Figuren neben der Hauptperson sind ziemlich einseitig und sämtlich auf eine einzige überspitzte Eigenschaft reduzierbar, doch dafür sind sie zahlreich und das Geschehen ist derart abwechslungsreich, dass man eine tiefere Charakterzeichnung gar nicht zu vermissen beginnt; auch deswegen, weil die komischen Wesen in ihrer Einseitigkeit doch irgendwie für sich und miteinander funktionieren können. Ein formaler Fehler, der in der Praxis nicht mehr als solcher zu erkennen ist.

Zur neuen Wüste kam die Westernausrichtung hinzu, die noch stärker als im ersten Teil zutage tritt. Mad Max II – Der Vollstrecker könnte auch als Town-Tamer-Geschichte im Italowestern-Gewand durchgehen. Fahrzeuge statt Pferde, Benzin statt Gold. Das sind die einzigen Elemente, mit denen das Genre verfremdet wurde. Der australische Outback als Kulisse, wodurch die postapokalyptische Welt nicht selten wie ein ganz anderer Planet wirkt, trägt seinen Teil dazu bei.
Wer zu lange draußen, jenseits der kargen Überbleibsel von Zivilisation, lebt, der wird Wahnsinnig – der endlos erscheinende Strom gieriger, barbarischer Punks und Wrestlern mit ihrem flatternden Blick und ihren wahnwitzigen Konstruktionen aus Rost und Nägeln, beweisen dies. Jene, die in der Stadt ausharren, sind noch halbwegs gefestigt, denn sie haben Strukturen und, wenn nicht eine Heimat, so doch einen Ort, für den es sich zu Kämpfen lohnt.
Bei den archaischen Glücksrittern des Ödlands regiert jener, der am skurrilsten, unberechenbarsten, mitleidslosesten und wunderlichsten ist. Zum Stammesanführer werden eingeölten Gladiatoren, die mit ihren Masken und mit ihren totalitären Neigungen wie besessen in die trockene Weite hineinbrüllen. Es gilt das Vorrecht der imposantesten Aura.
In der Siedlung waltet ein Anführer mit Verstand und einer absurd weißen Erscheinung, der seine Leute koordiniert zu administrieren weiß und sich mit Bedacht der Masse an Feinden zu widersetzen weiß. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Probleme auf ein Maß anschwellen, dem nur Mad Max gewachsen ist.
Während die Verstoßenen sich schon zu weit von der Zivilisation entfernt haben, um in einem zivilisierten System funktionieren zu können, sind Die Städter zu schreckhaft, naiv und regelverliebt, um den Gefahren der Wildnis zu trotzen. Fähig werden sie nur durch einen Helfer, der zu gleichen Teilen Wildnis und Zivilisation ist. Auch hier tritt wieder in aller Deutlichkeit der Western hervor, der eine Aufgabe zu erfüllen hat, zuvor und im Anschluss aber alleine mit der Feststellung bliebt, keiner der Fraktionen angehören zu können und deshalb ewig getrieben durch die Winde pilgern muss, unentwegt auf der Suche nach neuen Aufgaben.
Dass das einzige Kind im Film in der Siedlung lebt, zugleich auch das tierhafteste Wesen im gesamten Film ist, das nur aus purem, empathielosen Instinkt heraus zu handeln scheint, ergänzt dieses Bild um eine ungewöhnliche wie wertvolle Facette. Nicht mehr lange und auch die wenigen Reste der Kultur, die jetzt noch mühsam aneinandergehalten werden, werden vollkommen dekonstruiert und auf ein primitives Grundgerüst runtergebrochen sein.
In Anbetracht dieser Sichtweise hat es eine traurige Ironie, dass Max ein ehemaliger Polizist ist, bevor die Anarchie in ihrer nihilistischsten Form ihm alles entriss, was Wert für ihn besaß.

Fazit

Mad Max II – Der Vollstrecker machte die staubige Postapokalypse erst so richtig salonfähig. Damals wie heute ist der Film ein Highlight des Genres, hat keine einzige Länge und ist trotz seines speziellen Settings fast immer ernst zu nehmen. Mel Gibson verleiht dem gebrochenen Max eine neue, gefestigtere Identität und lässt den wüsten Ausflug des Road Warriors unter Millers Regie zum vielleicht effizientesten Western der 80er werden.
Mad Max II – Der Vollstrecker ist ein rundes, ungemein unterhaltsames Stück Film, ist Abenteuerlust mit ganz viel detailversessener Einfallsreichtum, noch mehr Passion und gesalzen mit einer ordentlichen Prise Irrsinn.

Quintett

8 Jahre nach dem famosen McCabe & Mrs. Miller, dem einzigen Film, der die Bezeichnung ‚Antiwestern‘ mit Recht trägt, und 6 Jahre nach Der Tod kennt keine Wiederkehr, der besten Chandler-Verfilmung, die es gibt, drehte Robert Altman Quintett, einen heute fast vergessenen Endzeitfilm. Die Kritik erörtert, weshalb der Film dem Vergessen anheimfiel.

Trying to find a meaning where there is none?

Story

Essex kommt aus dem Süden, wo er die letzten lebenden Robben erlegt und verspeist hat. Er ist ein Mann in einer postapokalyptischen Welt, die nur noch aus Eis und Tod besteht. Als er nach über 10 Jahren zusammen mit seiner Begleiterin seine alte Heimatsiedlung betritt, begegnen ihm die Bewohner mit Argwohn.
Kurz nachdem er seinen Bruder ausfindig gemacht hat, wird eine Bombe in dessen Haus gezündet. Sein Bruder, dessen Familie und Essex‘ Begleiterin kommen um. Letztere war die einzige bekannte Frau, die noch schwanger werden konnte. Der Reisende findet eine Liste mit Namen bei den Opfern und stellt Nachforschungen an. Die erwähnten Personen verbindet eine ausgeprägte Leidenschaft zum frenetisch bejubelten Brettspiel Quintett, das der alleinige Lebensinhalt der überlebenden Menschen zu sein scheint.

Kritik

Altman ist dafür bekannt, dass seine Filme Genres dekonstruieren. Sei es der Western, sei es der Film Noir. Immer wieder zerpflückte der Regisseur analytisch die standardisierten Erzählstrukturen, hielt narrativen Konventionen den Spiegel vor und ließ sie so vor sich selbst erschrecken. Man darf, so man Quintett noch nicht kennt, sich also fragen, ob hier vielleicht Science-Fiction im Generellen oder Endzeitszenarien im Speziellen umgegraben werden.

Die Welt des Filmes ist eine betuliche, kalte Welt. Der Film ist ein betulicher, kalter Film. Alles ist grau und weiß, die wenigen dreckbelegten Glühbirnen bringen eine Farbe ins Spiel, die nicht warm und einladend, sondern kränklich und gefährlich wirkt. Die Handlung ist unterlegt mit klirrend frostigen Klängen, die unentwegt im Hintergrund raspeln und das Gehör mit der ein oder anderen fast schon kakophonischen Spitze auf die Probe stellen. Um das Bild liegt permanent ein verengender Raureifeffekt, der große Teile des Gezeigten milchig macht und inständig an sowjetische Märchenfilme erinnert.
Quintett wirkt insgesamt viel älter und inszenatorisch überholter als die zeitlosen Altman-Werke, die vor diesem Film entstanden sind.
Wer stirbt, den holen die Hunde, die in Rudeln offenbar herrenlos um die Häuser streifen und auf frische Kadaver warten. Gesellschaftstiere als Gegenpart einer Gemeinschaft ohne Werte und Zusammenhalt, die sich selbst zerfleischt. Hunde, die in ihrer Geschlossenheit und gegenseitigen Loyalität die größte Bedrohung darstellen für eine Spezies der Vereinzelung, bei der Missgunst und Korruptheit andere Werte aushöhlten.

Das Wort „betulich“ am Anfang des vorigen Absatzes ist mit schwerer Betonung und in der langsamsten Artikulation zu lesen. Denn Quintett schleppt sich mühselig dahin und kommt selbst damit nicht vom Fleck.
Diese Langsamkeit ist nicht zwingend schlecht, zumindest nicht dann, wenn man Zugang findet. Dann ist der Film mit seinem vereisten Tempo fraglos atmosphärisch. Findet man den Zugang nicht, ist er in erster Linie wohl ganz unerträglich zäh. Die Gespräche sind seltsam komponiert, die Handlung seltsam strukturiert und die Figuren mit ihren lächerlichen Hüten und bedeutungsschwangeren Namen seltsam konzipiert. Dreh- und Angelpunkt ist das Brettspiel, das dem Film seinen Namen gibt und dessen Regeln für den Zuschauer wie auch für den Protagonisten undurchschaubar bleiben.
Da schimmert dann doch ein wenig der bekannte Stil des Filmemachers durch: Einen Endzeitfilm zu drehen, dessen Kern ein Gesellschaftsspiel ist, dafür bedarf es schon einen Querdenker wie ihn.
Aber auch dann, wenn man sich mit dem gemächlichen Tempo so sehr anfreunden kann, dass man bereit ist, es der Habenseite des Filmes zuzurechnen, kann man die offensichtlichen Fehler der Regie nicht sämtlich schönreden. Ebensowenig wie die Tatsache, dass die über 2 Stunden erzählte Geschichte eigentlich grässlich mager ist. Zudem die Verwicklungen innerhalb des Figurenkosmos nur leidlich interessanter Natur sind.
Zwar sorgen die hübsche Ausstattung mit den netten Ideen, die die Kultur dieser Gesellschaft charakterisieren, für ein spannendes Szenario, was sich in diesem dann an Filmhandlung abspielt, ist jedoch bestenfalls mit ‚seltsam‘ zu beschreiben. Es werden Handlungsstränge angestoßen, die dann niemals fortgeführt werden (so spielt es nach den ersten Minuten keine Rolle mehr, dass und warum keine Kinder mehr geboren werden können), Gespräche geführt, die nirgends hinführen und eine Spannung behauptet, die schlichtweg nicht existiert. Das alles ist derart kurios, in einem solchen Maße seltsam, dass man die Summe der schwer bekömmlichen und nicht zueinander passen wollenden Versatzstücke, aus denen der Film besteht, nur schwer als Versehen oder Unvermögen abtun kann. Jemand wir Robert Altman muss sich der Tatsache bewusst gewesen sein, was für einen großen Schmu er da produziert.

Man kann es dann auch so sehen, dass Altman hier nicht die Antithese zu einem bestimmten Genre formuliert, sondern gleich das letzte Level betritt und einen Anti-Film im Sinn hatte. Bewegungslos, ohne Fokus, zusammenhangslose Figurenkonstellationen und eine Geschichte, die nicht mal als Alibiplot durchgeht. So gesehen ist das nicht nur eine interessante, gegen den Strich gebürstete Seherfahrung, sondern kann dann sogar verstanden werden als Charakterisierung einer Welt,  die sich schlicht weigert, ihre Probleme anzuerkennen – vom Lösen ganz zu schweigen.
Das ist die Welt von Quintett. Eine Welt, wo es nicht zum guten Ton gehört, Türen zu verriegeln, weshalb es keine Schlüssel gibt, während Nacht für Nacht eingebrochen wird.
Und es geht irgendwie auf. Ein Spiel, dessen Regeln wohl nicht mal Altman kannte, eine Welt aus Nichts, ein Finale, das der Zuschauer nicht bekommt, und ein Ende, das das Ganze noch einmal mit Weiß unterstreicht. Ein törichter Film über eine törichte Welt. Ein experimentelles Kuriosum, das keinen Spaß macht und streckenweise fast schon quälend daherkommt, womöglich deswegen sein Ziel erreicht, jedoch auf keinen Fall Sehvergnügen im herkömmlich gemeinten Sinne bereitet.

Fazit

Selbst wenn man Quintett mit viel gutem Willen als ‚Anti-Film‘ betrachten kann, als welcher er durchaus funktioniert, hat man es schwer mit diesem Machwerk. Die zerfaserte, aus dem Nichts kommende und ins Nichts führende Handlung, die selbst nur eine abgewandelte Form von Nichts ist, vermag nur aufgrund ihrer Absonderlichkeit und des konsequenten Nihilismus zu fesseln. Im herkömmlichen Sinne zu loben sind Ausstattung und kleinere Ideen, während die weiteren Bestandteile im besten Fall Mittelmäßigkeit erreichen.
Selbst mit viel Toleranz, Offenheit und Liebe zum Anderssein lässt sich aus Quintett wohl nur Ratlosigkeit gewinnen. Experiment geglückt, vielleicht.