Spacehunter: Jäger im All

Michael Ironside als orkischer Weltraumvampir mit Hang zu Lüsternheit und Wahnsinn? Braucht man mehr? Spacehunter: Abenteuer im All beweist: Nein, nicht viel.

I’m made of substances you never dreamed of, Earther.

Story

Ein Raumschiff geht in Flammen auf und in einer Rettungskapsel können sich drei ansehnliche Damen auf die nächstbeste Planetenoberfläche retten. Kaum angekommen, werden sie erst von Wüstenpiraten (samt Piratenkahn auf Schienen) gekidnappt, nur um im Anschluss von den Schergen des hungrigen und bösen Overlord geschnappt zu werden. Doch der verwegene Tunichtgut Wolff ist mit seiner Weltraum-Schaluppe ganz in der Nähe, hört den Notruf, wird von der Belohnung über 3.000 Mega-Credits überzeugt und landet schließlich auf dem Wüstenplaneten.

Kritik

Es gab eine Zeit, da hatten amerikanische Rip-Offs gegenüber ihren europäischen – sprich: primär italienischen – Pendants die Nase vorn, auch dann nicht immer, aber doch mit einer halbwegs zuverlässigen Regelmäßigkeit; eine Zeit, in der alle mehr Star Wars und mehr Mad Max wollten, sowohl auf der Produzenten wie auch auf der Konsumentenseite. Es war auch eine Zeit, in der diese beiden Seiten sich zunehmend zu vermischen begannen. In dieser Zeit also hatten die amerikanischen Produktionen aufgrund gutgläubiger Studios mehr Geld zur Verfügung, mehr Disziplin bei der Arbeit und beizeiten auch genügend Stolz und Reflexionsvermögen, um ihren schamlosen Plagiatismus sehr wohl zu wissen und die Filme daher mit entsprechend viel Selbstironie auszustatten.
Einer dieser Filme ist Spacehunter: Jäger im All und hier verspricht der schillernde Name bereits eine ganze Menge. So abgedreht wie der Titel verhoffen oder befürchten lässt, wird es zwar nie, trotzdem bemüht sich der Film aber, einiges an Schauwerten zu liefern. Auf dem Mad-Max-Planeten scheppert es immer wieder ordentlich, Dinge fliegen in die Luft, mal mehr mal weniger aufwendig kostümierte Freaks tummeln sich im Bild und einige wirklich beeindruckende Fahrzeugkonstrukte gibt es auch zu bestaunen. Am Ende macht sogar die Architektur großen Spaß und ein Herr-Der-Ringe-Ork-Oberschurke sowie ein an Takeshi’s Castle erinnernder Todesparcours bringen immer wieder frische Luft in den Film. All die optischen Spielereien erklären sich wohl vor allem dadurch, dass Spacehunter: Jäger im All zu der Welle an Früh-80er-Filme gehörte, die in und eben auch für 3D gedreht wurden, was den Streifen noch in einer weiteren Kategorie zum Trend-Schmarotzer macht.
Konterkariert werden die Schauwerte nicht nur durch die erwartbar maue Story, vor allem aber durch den Helden, der als unglaubwürdig auf „schmutzig“ getrimmter Saubermann, wie ihn etwas später Kevin Sorbo (Herkules, Andromeda) mit hölzerner Freude gemimt hat, über den Planeten stapft und die moralische Überlegenheit gepachtet hat, in seiner arroganten Überheblichkeit aber immer wieder sehr fragwürdige Seiten aufblitzen lässt, ohne dass der Film dies kommentiert oder überhaupt bemerkt. Somit ist er das Gegenteil des Han-Solo-Verschnitts, der die Figur gerne wäre. Ihre etwas kohärenter erscheinenden Begleiter verblassen angesichts dieser aufdringlichen Überpräsenz ein ums andere mal. Da der meiste Humor in Form von Witzen aus seinem Mundwerk kommt, lässt sich auch darüber leider nur wenig Gutes sagen: In ganz seltenen Fällen frisch, überwiegend uninspiriert und schal, manchmal richtiggehend ärgerlich.
Immerhin aber wechseln die Schauplätze sich so schnell ab, dass das Auge sich nicht am ewigen Sand der extraterrestrischen Postapokalypse sattsieht und man, selbiges zur Hälfte geschlossen und vielleicht ein Bier in der Hand, mit Spacehunter Adventures in the Forbidden Zone halb so viel Spaß haben kann wie mit seinem Namen – und das ist letztlich doch einiges.

Fazit

Inhaltlich karg, weiß Spacehunter: Jäger im All doch ästhetisch zu überzeuge – schmissige „nur ein paar Töne neben Star Wars“-Musik, viel Feuerwerk und sehr beschauliche Konstruktionen wissen die maue Story und vor allem den schier unerträglichen Protagonisten namens Wolff tatsächlich immer wieder verschmerzen.
Auch wenn der Film nie so zackig und vergnüglich ist, wie er gerne wäre – aber da, wie auch in anderen Belangen, nimmt er ironischerweise dann Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel vorwegnimmt.

Scanners – Ihre Gedanken können töten

Eigentlich sollen hier keine absolut gefeierten Klassiker besprochen werden, da sie schließlich jedem ein Begriff sind und so kaum Mehrwert für die Leser entsteht – trotzdem werden sie es immer wieder. Um sie wieder ins Gedächtnis zu rufen, um sie aus heutiger Perspektive in Augenschein zu nehmen, um bestimmte Gedanken zu äußern, die einfach zu stark sind, um unter Verschluss gehalten zu bleiben.
Und so hat auch David Cronenberg schon einige Einträge auf scififilme.net – Videodrome, Rabid, Shivers und nun eben auch Scanners – jener Film, der gleich zwei Fortsetzungen und eine kurzlebige Serie nach sich folgen ließ; beides selbstredend nicht mehr unter der Regie des Kanadiers.

You’re one of me?

Story

Cameron Vale ist ein Wrack. Ein Streuner, der scheinbar unter Schizophrenie leidet und am Rande der Gesellschaft lebt. Nach einem Zwischenfall aber wird er von dem dubiosen Wissenschaftler Professor Dr. Paul Ruth unter die Fittiche genommen und aufgeklärt, dass seine Probleme ganz woanders liegen. Cameron gehört zu den Scannern – Menschen, die ihr Nervensystem auf geheimnisvolle Weise mit denen Anderer verknüpfen können, um ihnen ihren Willen aufzuzwingen. Oder ihre Köpfe platzen zu lassen.
Und: Cameron soll als Agent eingesetzt werden, denn eine Untergrundorganisation um den teuflischen Darryl Revok herum versucht mit ihren Scanner-Fähigkeiten, die Welt zu unterjochen.

Kritik

Scanners – Ihre Gedanken können töten lautet der deutsche Verleihtitel, welcher eins zu eins von der amerikansichen Werbekampagne übernommen wurde, und beweist, wie viele deutsche Verleihtitel und Trailer generell, dass der Film nicht so recht verstanden wurde, weil es sich hier dezidiert nicht um Telepathie, sondern um etwas anderes handelt, etwas, das nicht passives Lesen, sondern aktives Grenzüberschreiten der fremden wie auch der eigenen Grenze ist. Aus Scanners stammt das wohl ikonischste Bild, das man bis heute mit dem Namen David Cronenberg verbindet – der hemmungslos in alle Richtungen platzende Schädel eines Scanners, die einen Kampf mit Darryl Revok verloren hat. Es ist nicht nur einer von Cronenbergs berühmtesten Filmen, sondern auch derjenige, mit dem er zum ersten Mal richtig Kasse machte und sich im Anschluss den wirklich großen Projekten zuwenden konnte. Und das ist aus so vielen Gründen merkwürdig. Denn Scanners entstand quasi im freien Fall. Plötzlich mussten aus Steuergründen Gelder verbraten werden – man drückte sie dem Filmemacher in die Hand, der von nun an ein paar Wimpernschläge Zeit hatte, sich einen Film aus den Rippen zu schneiden. Mit nur ein paar Sätzen als Script begann der Dreh, während Cronenberg die frühen Morgenstunden dafür nutzte, eilige Drehbuchideen für den folgenden Arbeitstag zusammenzuflicken. Jennifer O’Neill, die so etwas wie die Love Interest der Hauptfigur spielt, wusste bis zum Ende nicht, in was für einen Streifen sie sich da begibt, wurde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen am Se gehalten – und hätte auch nicht mitgewirkt, wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass es explodierende Köpfe gibt. Ihre Figur ist eine Frau mit wenig Eigeninitiative und einem falschen Instinkt in einer Welt, in der Frauen nur Werkzeuge machthungriger, manipulationssüchtiger Männer darstellen. Der große Erfolg ist irritierend, vielleicht aber auch dadurch erklärbar, dass es sich bei Scanners um einen relativ schlichten Agententhriller handelt. Natürlich gibt es auch hier viel zu entdecken, über die Einrichtungen, über Innen- und Außenverhältnisse, über Mannwerdung, und Identitätsbildung zu erzählen. Doch das wäre Detailarbeit an einem Film, der in seiner Gesamtheit schlicht nicht so richtig gut gealtert ist – das zeigt sich nicht zuletzt an der besagten Schädelexplosionsszene, die vielleicht weniger überzeugend aussieht, als alle anderen Effekte, die jemals in einem Cronenberg-Film aufgefahren wurde.
Das wirkliche Problem des Filmes ist aber sein Hauptdarsteller Cameron Vale, der einfach, und man kann es nicht anders sagen, ein ganz, ganz mieser Schauspieler ist. Egal, wie sehr man betonen möchte, dass der Scanner natürlich entfremdet, verfremdet, distanziert und kühl wirken muss, Vales Schauspiel ist eine Darbietung völliger Überforderung. Er stakst ausdruckslos durch die Szenen, wirft aufgesetzte leere Blicke durch die Räume und scheint jeden einzelnen Satz falsch und unnatürlich zu betonen. Cameron Vales zuzuschauen, wie er sich durch diesen Film stümpert ist, und ein solches Urteil wurde in dieser Schärfe noch nie hier gefällt, wirklich schwer zu ertragen. Besonders fällt dies auf im Kontrast zu Michael Ironside, der seinen Gegenpart mimt, und mit seiner wabernden Mimik und dem ausufernden Wahnsinn in seinem Spiel jede Szene im Handumdrehen für sich gewonnen hat. Auch Patrick McGoohan: als doppelgesichtiger Wissenschaftler Paul Ruth macht aus seiner Figur einen wunderbar exzentrischen, vor sich hin brummelnden Wunderling, der seine ganz eigene Aura mit sich herumträgt. Aber alle leiden sie an der schemenhaften Leistung Cameron Vales.
Am Bemerkenswertesten sind vielleicht noch die zahlreichen Parallelen, die sich zu Cronenbergs späterem Meisterwerk Crash ziehen lassen. Doch die machen den Film nur retrospektiv und theoretisch interessant, während er ansonsten kaum verbergen kann, dass es sich bei ihm um eine schwere, sich wehrende Zwangsgeburt handelte, deren wenige gute Szenen häufig Zusammenhang vermissenlassen. Nichtsdestotrotz gibt es diese Szenen und ihn ihnen schimmert das altvertraute Genie des kanadischen Auteurs hervor, die vielen kleinen Ideen in der Ausstattung, die Umsetzung mancher Räume und der Mut zu offenen Fragen machen Scanners natürlich trotzdem zu einem sehenswerten Film, von dem hier auf gar keinen Fall abgeraten werden soll.
Doch ist es eben auch ein Film Cronenbergs, der – ausgenommen Fast Company und zusammen mit Rabid – mit am wenigsten Freude bereitet und manchmal sogar etwas anstrengend daherkommt.

Scanners

Cronenbergs finanzieller Durchbruch ist, im Vergleich zu seinen sonstigen Filmen, nicht bestmöglich gealtert, nicht immer mit Freude zu schauen und nicht so ganz ausgeglichen in seinen vielen Elementen. Allem voran aber ärgert Hauptdarsteller Cameron Vale mit seinem unbeholfenen Spiel in den meisten Szenen und droht manchmal, die vorhandenen guten Ansätze zu übertünchen.

Synchronicity

The Signal war 2007 inmitten der unüberschaubaren Zombiewelle ein Ausreißer mit ungewöhnlicher Dramaturgie, ungewöhnlichen Figuren und nicht zuletzt auch ungewöhnlichem Humor. Nach ausgiebigen Komplettausflügen in die My Super Psycho Sweet 16-Reihe, eine Slasher-Trilogie aus dem Hause MTV, durfte man 2015 wieder ein komplettes Autorenwerk von Jacob Gentry erfahren: Synchronicity

You taste like ash.

Story

Jim Beale ist ein so besessener wie genialer Eierkopf, der dank der Finanzierung des dubiosen Unternehmers Klaus Meisners den Bau seiner Zeitmaschine abschließen konnte. Der erste Testdurchlauf läuft war nicht völlig vorfallfrei ab, weist aber trotzdem Anzeichen von Erfolg auf. Doch dann fällt der der zwielichtige Sponsor Beale und seinem Team in den Rücken – und dem Wissenschaftler bleibt nur, sich selbst in die Maschine zu begeben, um die vorgegebene Spanne von 5 Tagen zurückzureisen. Dort beziehungsweise dann trifft er nicht nur die mysteriöse Frau Abby, die irgendwie mit Klaus Meisner verbunden scheint, sondern schnell auch sich selbst und seine Kollegen.

Kritk

Zeitreisefilme sind in den letzten Jahren geradezu in Mode geraten – sie sind meist günstig und mit kleinem Personal umzusetzen und können rein auf der Behauptungsebene eine komplexe, spannende, stark verworrene Welten entfalten. Ihr Vorteil liegt auf der Hand: In einem stark eingeschränkten Setting, das jedoch überdurchschnittlich viel Tiefenpotenzial aufweist, kann dank vieler impliziter Regeln und spannender Ausgangssituation schnell eine Situation entworfen werden, in der fast alles möglich und absolut alles verdächtigt wird, die zum detektivischen Beobachten, Mitdenken und Theoretisieren einlädt.
Und auch narrativ ist es ein dankbares Feld – während die Zeit sich verändert, bleiben Räume und Figuren zwar auch, aber je nach Zeit(strahl) wandeln auch sie sich. Fix- und Orientierungspunkte werden zunehmend unsicherer, Grenzen von Erzählung weiten sich.
Eine Bühne mit vorgegebenen Rahmen lässt manchmal kreativer sein als ein großes Feld, auf dem alles möglich ist und aufgrund des Aufwands jeder Mut sofort die Gefahr der Ablehnung bedeutet. Trotz unendlicher Möglichkeiten der Story sind die meisten Science-Fiction- und Fantasy-Filme zahm und ordinär. In dem fast schon kammerspielartigen Rahmen eines kleinen Zeitreisefilmes aber erblühten schon die verschiedensten Abenteuer. Sei es ein Taschenformat-Krimi wie in Time Lapse, ein kleinerer Thriller wie Predestination ein etwas größerer Thriller wie Looper oder Komödien mit klassischer Struktur, wie sie Zurück in die Zukunft quasi vorgegeben hat.
Doch nun zu Synchronicity – denn das hier genutzte Genre (oder vielleicht besser: Strömung) ist der Film Noir. In Bildern, die an das Beste des Frühneunzigerkinos erinnern, lässt Gentrys Film sanft die Zeichen der Schwarzen Serie vorübertreiben. Der wahre Orientierungspunkt ist hierbei natürlich nicht der ursprüngliche Film Noir, sondern die Ästhetik eines Blade Runner. Selbst die Räumlichkeiten des Labors sind nicht vor nebelartigem Dampf befreit, der über den oden hin zur Decke wabert. Die Stadt wird ausgeleuchtet in einem trübem neon-bunt und ein permanenter Regen fällt auf sie nieder. Der Film deutet diese Ästhetik nicht an, er atmet sie. Und das trotzdem nicht aufdringlich plump, sondern erstaunlich stilbewusst und in bestmöglicher Kombination. Auch die Motivbausteine des Film Noir sind vertreten – die Dahlie, das Appartement,  die Bar, der kapitalistische Gauner, die ausufernden Gespräche im Fokus, undurchsichtige Rätsel, eine Femme fatale par excellence, selbst ein Chiaroscuro-Wandventilator und natürlich der heruntergekommene Ermittler wider Willen, gegen den sich das gesamte Umfeld verschworen zu haben scheint und der das undurchdringliche Dickicht mysteriöser Unstimmigkeiten um sich herum kaum aus eigener Kraft überschauen kann. Und am Ende eine Auflösung, bei der nicht ganz klar, ob sie ein Auflösung ist – bei der noch einige Bausteine fehlen, um sich ganz sicher sein zu können. Auch das ist Film Noir: Das Geheimnis ist stärker als die Wahrheit.
Möglich sind am Ende mehrere Dinge, welche davon nun wirklich stattfinden, darüber schweigt die Geschichte. Darüber nachzudenken, einzelne Theorien auf Plausibilität abzuklopfen und sie bei einer weiteren Sichtung auf Dichte zu überprüfen, das macht auch bei diesem Zeitreisefilm den Reiz aus. Bloß ist es hier eben nicht nur das, sondern eben auch das glaubhafte Noir-Blut, das durch den Film gepumpt wird und ihn zu einem ganz eigenen Leben erweckt und sehr besonders macht.
Dass aber auch dieser Zeitreisefilm kommt nicht mit intakter Logik davonkommt und sogar ziemlich offensichtliche Ungereimtheiten aufweist, die ebenso hätten vermieden können, lassen die Geschichte unsauber durchdachter wirken, als sie es tatsächlich ist. Denn auf der anderen Seite glänzt Synchronicity durch den geschickten Einsatz von Auslassungen und Pointen, sodass auch zwangsläufige Wiederholungen nicht langweilen, sondern immer wieder Neues eröffnen – nicht bloß dank wechselnden Perspektiven, wie es sonst der Fall ist.

Fazit

Es ist gar nicht so einfach, Synchronicity zu bewerten. Ästhetisch – und hier scheiden sich durchaus die Geister – ist der Film ein gelungener Wurf. Die Art und Durchführung der Geschichte ist durchaus speziell, ist aber auch absichtlich – und manch einer mag bemängeln unnötig – konfus erzählt. Spannend und interessant ist dieser Film aber ohne Zweifel – und ein weiterer Beweis dafür, dass Zeitreisefilme sich noch lange nicht totgelaufen haben.

Turbo Kid

Der so großartige wie großartig benannte Kurzfilm T for Turbo schlug verdient Wellen. Und so strickten die Macher prompt einen abendfüllenden Spielfilm aus dem Stoff.

For Christ’s sake! Will you just the fuck up and let’s fight!

Story

1997, Endzeit. Die Welt ist Wüste. Ein raffgieriger Baron tyrannisiert die wenigen Überlebenden, Wasser ist knapp. In dieser Zeit lebt ein Teenager, der davon träumt ein Superheld zu sein. Als eines Tages plötzlich das seltsam aufgedrehte Mädchen Apple in seinem Leben auftaucht, schließt er zum ersten Mal seit langem Freundschaft.
Als der Tyrann Zeus und seine Handlager Apple entführen, kann der junge Held sich nur behaupten, weil er einen Anzug mit mächtigen Kräften findet.

Fazit

Turbo Kid ist ein Film, der eine Verbeugung vor den 80er-Jahre-Science-Fiction-Filmen sein möchte, welche sich die 90er – also die Zeit zwischen damals und heute – als eine Zukunft gelöster Sozialstrukturen, entwurzelter Sicherheiten, jeder Menge pervertierten Anarchismus und von totaler Desertifikation verschlungener Architektur vorstellten. Diese Vorstellung wiederum adaptierten unzählige vornehmlich italienische Filmemacher im Anschluss an den Erfolg von Mad Max, um eben diesen Film mit Etwas vom immer noch zu wenig beachteten A Boy and his Dog zu mixen. Turbo Kid will all dem huldigen, zugleich Ehrerbietung und Persiflage sein, Liebevoll und spöttisch zurückschauend, ironisch distanziert und zugleich originell. Eine Mischung aus Scott Pilgrim vs. The World, Mad Max: Fury Road, Kung Fury und, seien wir ehrlich, mindestens 22 weiteren listbaren Namen.
Darüber hinaus spielt ein radelnder Teenager die Hauptrolle, was aber keineswegs ausschließen soll, dass Turbo Kid ein Splatterfilm ist. Weil das alles ganz schön viel ist, gibt es gleich 3 Regisseure – allesamt blutjung, allesamt unerfahren. Kann das gut gehen? Nein. Tut es aber. Jedenfalls so halb.
Zwar merkt man immer mal wieder, dass hier eben Amateure am Werk sind und die Inszenierung dann und wann ein bisschen ratlos wirkt und offensichtliche Schnittfehler sich die Klinke in die Hand geben, doch hält sich dies nicht nur in absolut vertretbaren Grenzen, sondern wird vor allem von einer immensen Liebe zum Detail wettgemacht. Dass die Macher ihre Endzeitfilme gesehen haben, merkt man ihrem Werk an seinen zahlreichen Reminiszenzen in jeder Szene an. Bei all dem darf auch nicht vergessen werden, dass hier eine kleine Gruppe von Leuten etwas für Fans gemacht hat. Gerade für solch ein semiprofessionelles Kleinstprojekt (als Vergleichsgröße könnte vielleicht Six-String Samurai fungieren) ist die Angelegenheit sehr rund geworden.
Die 80er werden mit all ihren poppig-obszönen Geschmacklosigkeiten portraitiert, ohne dass der Film zu überladen oder selbstzweckhaft wirkte. Er ist schelmisch-verspielt, während er vom Rubik’s Cube bis hin zum knöcheltiefen Disco-Soundtrack in den Relikten dieser Vergangenheit wühlt, dabei aber nie boshaft oder völlig selbstvergessen.
Der durch Knie- und Ellenbogenschützer wie einen Helm gegen die Umwelt gewappnete Held wird ebenfalls lächerlich dargestellt. Genau wie die vielen auf BMX-Rädern für Kinder stattfindenden Verfolgungsjagden schafft es Turbo Kid auch im Ganzen, das notwendige Verhältnis zwischen Ernst und Augenzwinkern zu wahren.

Das Drumherum stimmt also. Die Geschichte kommt zügig voran, die Figuren machen miteinander Sinn, die ganze Struktur macht Spaß. Im Detail hapert es dafür an gleich mehreren Punkten. Manchmal ist Turbo Kid bei seiner Gratwanderung zwischen spitzbübischem Humor und Albernheit wahnsinnig sympathisch, dann aber auch einfallslos, weil einer von vier Witzen dann doch zu unoriginell und vorhersehbar ist. Während Munro Chambers als Held wider Willen den nerdig-verträumten Heranwachsenden glaubwürdig und charmant verkörpert, neigt seine Partnerin Apple mit ihrer grenzdebilen, aufgesetzt wahnsinnigen Art schnell zum Nerven – auch wenn der Charakter dieses Verhalten in Maßen rechtfertigt. So liebeswürdig, wie sie trotzdem sein soll, ist sie nicht – was hauptsächlich die Schuld von Darstellerin Laurence Leboeuf ist, die deutlich mehr als nur eine Spur zu viel an Overacting in den Film bringt.
Punkten kann dafür der unverkennbar an Dennis Hopper angelegte Bösewicht, der der facettenreichen Stimme Michael Ironsides (Total Recall, Starship Troopers) und dem ausgewogenen Spiel aus Wahnsinn, Kalkül und Brutalität einen Ödlandherrscher zum Niederknien abgibt. Dass Er wie auch viele andere des Ensembles – und damit ganz im Gegensatz zu den Strippenziehern – kein unbeschriebenes Blatt ist, tut dem Film in Form von ein wenig Professionalität mehr als gut.
Doch leider erschöpft sich die Grundidee irgendwann. Der Plot ist in einem halben Satz gesagt, die Charakterentwicklung ist so knapp wie vorhersehbar und trotz erkennbarer Bemühungen ist auf Dauer leider nicht für große Abwechslung gesorgt. Langeweile macht sich keine breit, das Gefühl von Frische, das Turbo Kid in seinen ersten Zügen noch abgibt, ermattet nach der Hälfte aber zusehends.

Bezeichnenderweise hat Turbo Kid seine stärksten Augenblicke in den Szenen, wo sich der stets einfallsreiche Splatter auf dem Synthesizerteppich abspielt, Körper in rote Wolken zerplatzen, Kunstblutfontänen sprudeln und anorganische Dinge organische Dinge durchbohren. Etwas pointierter formuliert: Es ist immer dann am besten, wenn jemand stirbt. Ob das gegen den Film oder gegen den Geschmack des Rezensenten oder gegen alles andere oder gegen alles zusammen spricht, soll jeder für sich eruieren.

Fazit

Was in 5 Minuten begeistern kann, kann in 18-facher Länge schnell ermüden. So schlimm ist es nicht, doch wie zu erwarten, transportiert Turbo Kid nicht die Energie des zugrundeliegenden Kurzfilmes. Sehenswert ist diese Hommage an Kindheitsfantasien aber allemal, zumal die eigentümliche Mischung aus anachronistischem Schabernack, 80er-Soundtrack, Fun-Splatter und Comig-of-Age-Story alles andere als alltäglich ist.