Coherence

Nach dem 2007er Independent-Erfolg The Man from Earth war es fast schon überraschend, dass weitere dialoglastige Kammerspiele mit Sci-Fi-Anwandlungen nicht in Scharen auf dem Markt gekommen sind. Vielleicht liegt es daran, dass gute Drehbücher schwer nachzuahmen sind. Mit Coherence ergänzt James Ward Byrkit – Ideenhaber, Schreiber, Regisseur und Produzent in einem – nun dieses rar besetzte Untergenre um einen weiteren Beitrag.

No, we’re not splitting up. We’re just gonna go in two different groups.

Story

Die Gruppe von Freunden, die sich in Zeiten regelmäßig traf, die lange schon Vergangenheit sind, findet sich mittlerweile nur noch selten zusammen. Man zog in verschiedene Städte, erneuerte die Vorstellung von Leben, wurde erwachsen, fremder füreinander. Als sich Emily, Kevin, Beth, Ami, Amir, Laurie, Hugh und Lee in Mikes Haus treffen, liegt das letzte Beisammensein schon wieder eine ganze Weile zurück. Man trinkt, übt sich darin, ausgelassen zu sein, und versucht, all die Distanz, die mittlerweile zwischen einander besteht, vergessen zu machen.
Doch dieses Mal ist es anders. Die Displays von Smartphones zerbrechen scheinbar grundlos und nach kurzer Zeit fällt im ganzen Viertel der Strom aus. Beleuchtet bleibt nur ein einziges Haus in der Nachbarschaft. Als an sich entschließt, dort vorbeizuschauen, geschehen seltsame Dinge.
Ein Komet, der in dieser Nacht die Umlaufbahn der Erste streift, könnte verantwortlich hierfür sein.

Kritik

Coherence ist eine dieser – eigentlich sehr häufig vorkommenden – Seherfahrungen, bei der vieles davon abhängt, ob man zuvor etwas über den Film weiß oder nicht. Geht man ohne vorheriges Wissen an den Film, der damit beginnt, dass ein paar alte Freunde sich nach langer Zeit treffen, um sich von einer Handkamera gefilmt zu betrinken, ist man ob der fehlenden Voreingenommenheit natürlich leichter durch den nachfolgenden Twist zu beeindrucken und die Filmerfahrung als Ganzes deutlich verlangender. Aber das ist natürlich ein alter Hut. Allein das Wissen um die Tatsache, dass überhaupt so etwas wie ein Twist existiert, kanalisiert die Erwartungen eigentlich schon in zu hohem Maße. Von daher seien alle, die den Film zufällig schauten und erst durch nachträgliches Suchmaschinen-Beackern auf diese Filmbesprechung gestoßen sind, beglückwünscht. Ihr habt es richtig gemacht. Aber – um bei den Hüten zu bleiben – das ist eine Weisheit, die keine ist.

Der Fallstrick des Konzeptes, die ganze Zeit verschiedene Menschen auf engem Raum zu zeigen, ist (spätestens hier entlarvt sich diese Rezension als Text reiner Redundanzen) die anspruchsvolle Forderung nach lebendigen, glaubhaften Charakteren, deren Handeln der Vorstellung von komplexen Figuren wie auch der Situation angemessen ist. Und Coherence schafft es mit beeindruckender Leichtigkeit, seine Figuren lebensnah darzustellen. Man meint tatsächlich, einer Zusammenkunft alter Freunde beizuwohnen, die sich bemühen, nicht so zu wirken, als hätte man aufgrund der unmöglich zu überbrückenden Zeit des Abstands einander kaum was zu sagen. Die Merkwürdigkeit, die entsteht, wenn man auf Menschen trifft, deren gegenwärtige Existenz einem völlig fremd ist, während man einstmals mit ihrer vergangenen Erscheinung bestens vertraut war, wird unaufdringlich schön eingefangen. Man nippt häufig an seinem Glas, überspielt das Offensichtliche, wird albern und alte Geschichten werden an die Oberfläche gespült. Es ist die einmalige Art von Situation, die schön und furchtbar zu gleichen Teilen ist. Es ist der Prozess des Verklärens in seiner massiver Gegenwärtigkeit.
In diese Pattsituation gesellschaftlicher Zwänge bricht nun ein Strom des Sonderbaren. Ein Komet, unerklärliche Vorkommnisse – und weiterhin die obskure und vollkommen natürlich wirkende Anforderung, das Gesicht und die Fassung voreinander zu bewahren. So wie die Menschen verwandelt sich auch die räumliche Situation in ein Panoptikum vertrauter Fremde, das vor allem anderen Irritation hervorruft.
Oberflächlich ist Coherence eine Art Science-Fiction-Film, in erster Linie handelt es aber um eine Lupe auf ein soziales Experiment, selbstverständlich in Form eines Kammerspiels.
Daher ist die Handkamera hier auch das Mittel der Wahl und dieser Film einer von wenigen, wo dies absolut angebracht ist. Sie zuckt und zittert beizeiten stärker als in so manchem Actionfilm, transportiert aber exakt jene Unsicherheit und die Furcht vor Kontrollverlust, die es benötigt.
Dass dies so exzellent funktioniert, liegt vorrangig an den unprätentiös spielenden Darstellern, die ihren Figuren eine gewisse Tiefe verleihen, in ihrem Spiel nicht übertreiben und das Haltlose der Situation und ihrer Entwicklungen meist angebracht auf den Punkt bringen.
Da ist es fast ein wenig schade, dass die Geschichte ungeheuer clever tut, aber gerade das nicht ist. Jedenfalls nicht in dieser Form. Sie ist schon auf ihre Weise im Kleinen innovativ und die meiste Zeit über auch mit Interesse zu verfolgen, macht es sich an manchen Stellen aber auch zu leicht mit Erklärungen und Wendungskausalitäten, was den Fluss zwar begünstigt, die Stimmung jedoch beizeiten etwas drückt. Letztlich ist das Erzählte lange nicht so intelligent, wie es verkauft wird, aber natürlich immer noch um Längen klüger als das meiste andere, was man heutzutage zu sehen bekommt.

Fazit

Ein Science-Fiction-Kammerspiel, ähnlich wie der bekanntere The Man from Earth, das durch seine gelungenen Figuren und die intensive, aber nie aufdringliche Handkameraarbeit überzeugt. Die Prmämisse selbst ist ohne Frage nett, aber genau wie der Plot selbst kein Geniestreich. Für eine intensive Erfahrung mit eigenständiger Atmosphäre ist das aber auch gar nicht nötig. Coherence bietet genau das.

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

Nicht jeder stimmte in den Jubel mit ein, als bekannt wurde, dass Bryan Singer wieder das Ruder im neuen X-Men übernehmen würde. Nicht etwa, weil X-Men und X-Men 2 schlechte Filme gewesen wären, sondern weil Matthew Vaughn sich als der kompetentere Geschichtenerzähler erwiesen hat, als er die Mutantentruppe mit seinem X-Men: Erste Entscheidung mit einem Schlag von dem Debakel X-Men: Der letzte Widerstand emanzipierte.
Für X-Men: Zukunft ist Vergangenheit kann aber Entwarnung gegeben werden.

Patience isn’t my strong suit.

Story

Wir schreiben das Jahr 2023, die Zivilisation hat sich in sich selbst verbissen und schließlich getötet, die wenigen verbliebenen Mutanten werden von Robotern, den sogenannten Sentinels, die sich auf jede nur denkbare Fähigkeit einstellen können, gejagt und niedergestreckt.
Der Kern der alten X-Men-Garde sucht eine Dame namens Shadowcat, die die Fähigkeit besitzt, das Bewusstsein einer Person in die Vergangenheit zu schicken, wo es in seinem jüngeren Körper landet. Eine Reise, die sich über mehr als einen Monat erstreckt, würde normale Wesen das Leben kosten. Da Logan mit seinen ausgeprägten Selbstheilungskräften aber keineswegs als normales Wesen durchgeht, sendet man ihn in das Jahr 1973, um dort die jungen und wenig einsichtigen Kontrahenten Charles Xavier und Erik Lensherr miteinander zu versöhnen und den katastrophischen Lauf der Zeit zu ändern. Unterdessen tickt die Uhr in der Gegenwart, denn die Sentinels sind den verbleibenden Widerständlern dicht auf den Fersen.

Kritik

Nach einem etwas ärgerlich-generischen Anfangsmonolog und dem klassisch semi-trashigen Vorspann in Metalloptik mit Klingengeräuschen und gediegenen Cube-Anleihen kommen prompt die ersten unbekannten Mutanten ins Spiel, die sämtlich einem Spezialeffekte-Film unseres Lieblingsfilmlandes Japan entsprungen sein könnten und zum Teil auch recht eilig das Zeitliche segnen. Ein paar Ekelbeben in Erinnerung an X-Men: Der letzte Widerstand können da natürlich nicht ausbleiben. Doch zu Glück erfährt diese Vision keine entsprechende Einlösung in der Praxis. Im Gegenteil, es kommt ganz anders. Es kommt weitaus besser.
Vor allem anderen fällt aber auf, wie unbeschwert und locker die neuste Auskopplung der Marvel-Serie geworden ist. X-Men: Zukunft ist Vergangenheit ist voll von ungezwungenem Humor. Das führt in manchen Szenen sogar so weit, dass sich der Film kurzzeitig zu einer ziemlich albernen Slapstick-Komödie wandelt. Doch da das ‚albern‘ eines dieser seltenen guten ‚albern‘ ist und das ‚ziemlich‘ ein ‚ziemlich‘ wie vor ‚ziemlich witzig‘ ist, kann man zwar die fehlende Ernsthaftigkeit bemängeln, aber zugleich nicht verleugnen, dabei Freude zu empfinden.
Funktionieren tut das Gesamtwerk vornehmlich deswegen, weil alte Tugenden und Thesen trotz des komödiantischen Übergewichts sinnvoll aufgenommen und weitergeführt werden. Dieser neue X-Men-Film beweist nicht trotz, sondern zusätzlich zu seiner Freude am Spaß die Fähigkeit, die guten Aspekte seiner Vorgängerfilme zu schultern und gekonnt in seine eigene Geschichte mit hineinzunehmen. Der Film wirkt frisch und jung, aber er trägt ein mittlerweile doch recht komplexes und vor allem sehr schweres Erbe mit sich herum. Der mediale Terror; die Belagerung und Verdinglichung aller fremden Geschöpfe durch die eingeschüchterten Menschen; die inneren Konflikte der Ausgestoßenen und Abgesonderten; die Macht der Angst und ihre verheerende Stärke. All das ist weiterhin Thema und wird sehr sinnig integriert.
Dies macht X-Men: Zukunft ist Vergangenheit nicht nur zum kurzweiligsten, sondern neben X-Men: Erste Entscheidung auch zum ernstzunehmendsten, zum relevantesten Teil der Serie. Der Dank hierfür gebührt der lobenswerten Tatsache, dass sich der Film nur scheinbar am außer Kontrolle geratenen Wettkampf der Comicverfilmungen anschließt, mit jeder bewältigten Herausforderung beim nächsten Schritt noch mehr Zerstörung und Epos sein zu müssen, beim nächsten Mal alles noch größer, lauter und bedrohlicher zu gestalten. Auf den ersten Blick mag es um die gesamte Zukunft der gesamten Erde gehen, eigentlich aber steht das Schicksal Weniger im Vordergrund. Man fiebert nicht um das Leben anonymer Bewohner irgendwelcher gesichtsloser Großstädte, sondern um alte Bekannte, die sich im Laufe ihrer bunten Abenteuer der vergangenen 14 Jahre Profil und eine eigene Filmbiographie erarbeitet haben.

Einige Figurenhandlungen sind kaum nachvollziehbar und wirken teils seltsam schlecht durchdacht. Hier merkt man: Es sind nun mal Comiccharaktere. Das ist keine Rechtfertigung, die funktionieren kann, denn mit der Kritik muss der Film einfach leben, aber belassen wir es bei der Erwähnung.
Das Aufeinandertreffen der Generationen, das Trailer und Synopsis erwarten lassen, ist übrigens kaum Thema des Filmes. Fast die ganze Geschichte gehört dem alterslosen Wolverine und den jungen Alter Egos von Professor X, Magneto, Beast und Raven. Einige alte Bekannte werden dafür wortwörtlich verschleudert. Tatsächlich kommen deutlich weniger Mutanten als in jedem anderen Film der Reihe vor, anders wäre die Geschichte in ihrer eleganten Schlankheit aber auch nicht zu verwirklichen gewesen.
Charmebolzen Peter Dinklage gibt den flachen Schurken Bolivar Traske seinem Profil entsprechend und macht eine bessere Figur, als jeder andere an seiner Stelle es wohl getan hätte, gegen die Einseitigkeit seines fanatischen Kittelträgers mit Nazi-Allüren kann er aber auch nicht anspielen.

Neben ein paar sehr rüden Nachlässigkeiten in Bezug auf die Konsistenz des Gesamtkanons lässt sich – natürlich – auch in der Zeitreiselogik Unstimmigkeit finden. Es wird viel Lärm darum gemacht, dass man nur diese eine Chance hätte und das Unterfangen auf jeden Fall glücken müsse, sonst gäbe es nur noch Ende. Aber wieso denn eigentlich? Genaugenommen spräche nur wenig dagegen, bei einem Misserfolg einfach wieder jemanden in die Vergangenheit zu katapultieren. Und wieder und wieder und wieder, bis eben alles im Lot ist. Die notwendige Reise müsste sich nicht über Jahrzehnte erstrecken, sondern nur bis zum Start der vorangegangenen Reise selbst gehen und diese verändern, was höchstens ein paar Tage sein dürften.

Fazit

Nach den mittelmäßigen Spin-Offs, dem desaströsen Trilogieabschluss und der überraschenden Kehrtwende des Prequels macht Bryan Singers dritter Ausflug in das Marvel-Universum eigentlich alles richtig.
X-Men: Zukunft ist Vergangenheit macht Spaß, ist selbstsicher und persönlich, ehrt beide Generationen und öffnet auf eine charmante Weise Türen.
Und damit schließt sich ein Kreis, wodurch die Zeitreisestory ungeachtet kleinerer Schnitzer, ihren Auftrag bestens erfüllt.

Steins;Gate

Mit dem Hintergrund zu Steins;Gate verhält es sich weit komplizierter als mit der erzählten Geschichte. 2008 erschien auf der XBOX 360 die visual novel Chaos;Head der beiden Entwickler 5pb. und Nitroplus. Aufgrund der Wahnvorstellung des Protagonisten entstand das Spin-Of Steins;Gate, ebenfalls ein Spiel, welches selbst drei Nachfolger bekam. Aus den beiden innovativen Titeln wurden später Mangas und Animes.
Der Erfolg scheint nicht abzunehmen, denn neben der TV- und Buch-Umsetzung gibt es von dem Titel außerdem noch CDs, ein Brettspiel, eine eigene Radioshow und einen den Spielfilm Steins;Gate: Fuka Ryōiki no Déjà vu.
Das wirkt so, als wolle man auf Basis eines Überraschungserfolgs mit immer neuen Auskopplungen den großen Reibach machen. Vermutlich ist das auch der Fall. Doch wichtig ist: Die Qualität stimmt, trotz Videospiel-Vorlage.

Könntest du noch einen Moment warten?

Story

Dem jungen und selbsterklärt wahnsinnigen Wissenschaftler Rintarō Okabe.und sein aus Freunden zusammengeleimtes Team gelingt nach einer folgenreichen Entdeckung Erstaunliches. Mittels eines umfunktionierten Mikrowellenherdes sind sie in der Lage, Textnachrichten eines Handys in die Vergangenheit zu senden. Es kommt, wie es kommen muss – mit jeder verschickten SMS verändert sich die Gegenwart in ungeahntem Ausmaß und darüber hinaus hat die wissenschaftliche Organisation SERN Wind von der Sache bekommen und scheint die Forschern mit drastischen Mitteln in ihre Schranken weisen zu wollen.

Kritik

Alles beginnt mit einem manischen Junge, der sich für einen verrückten Wissenschaftler hält und damit gar nicht so verkehrt liegt. Ständig erfindet er Sachen mit zweifelhaftem Zweck und so tut, als wäre er der Kopf eines Aufstandes gegen die ominöse „Organisation“, welche er sich ebenso ausdenkt wie ihre undefinierten, aber definitiv teuflischen Ziele.
Anfangs ist Rintarō Okabe eine hektische Hauptfigur, die so schräg ist, dass sie für sich fasziniert und funktioniert. Vor allem deshalb, weil die Witze tatsächlich zu ihren Pointen finden, wenn auch nicht alle.
Wenn die Serie ihre ersten Schritte macht, befeuern sich Blödsinn und Spannungsbogen in bester Manier gegenseitig und erschaffen damit einen vorbildlichen Sog. Der Zuschauer wird nicht für dumm verkauft und es herrscht von Beginn an ein angenehm hohes Tempo vor, ohne dabei an jeder Ecke alles zu rekapitulieren und mehrmals zu erklären.
Dies ist ein Niveau, das Steins;Gate zu einer ungemein unterhaltsamen Angelegenheit macht, nach Behandlung des ersten Storydrittels aber nicht mehr gehalten werden kann. Ab einem bestimmten Punkt nimmt die Sci-Fi-Serie neue Wege und erhält ein in erster Linie erst mal fundamental anderes Stimmungsgefühl. Sowohl das empfundene als auch das tatsächliche Tempo nehmen ab, der turbulente Humor verliert merklich an Kraft, bis er schließlich so gut wie vollständig verschwindet, und damit verlagert sich auch das narrative Scheinwerferlicht. Bisher beachtete Elemente werden ad acta gelegt und einige wenige dafür vehementer aufgegriffen. Dies ist der Weg, auf dem sich die Geschichte plötzlich abnutzt. Von den vielleicht nicht großen, aber groß gestellten Fragen des Wahnsinns hin zu den persönlichen, aber gewöhnlicheren Fragen individueller Tragik. Steins;Gate gelingt das Kunststück dadurch uninteressanter zu werden, dass es anfängt, Tiefenschärfe zu entwickeln und seine Charaktere zunehmend ernster zu nehmen.
Schade ist es allemal, dass der hervorblitzende Wahnsinn und der vorlaute Witz, welche die ersten Episoden treu begleitet, im Laufe immer weiter abebbt, bis er sich irgendwann fast zur Gänze verabschiedet. Eine Verlagerung hin zum Ernsten wird von der Handlung natürlich gefordert, gerade die durchgängige Gegensätzlichkeit von Irrsinn und Tragik hätten der Serie aber eine wichtige Note verliehen, die im tatsächlichen Zustand leider nur noch andeutungsweise vorhanden ist.

Die Qualität der Zeichnungen ist den Animationen angemessen, insgesamt entsteht ein visuell stimmiger Stil, dem man lediglich etwas mehr Dynamik innerhalb der Bilder wünschen würde, denn die eigentlich hübschen Hintergründe sind oft etwas leblos und die passend abstrakten Figuren manchmal einen Tick zu starr. Dafür hat man sich einige atmosphärestiftende und sehr charakterstarke Stilelemente ausgedacht. Häufig werden bei Gesprächen nur die Ecken gezeigt hinter welchen diese stattfinden. Klingt unwichtig, verschafft der schrägen Grundstimmung aber den letzten Schliff.

Die letzten Folgen vor dem Finale sind durchweg sehr gefühlsbetont und treiben es mit der Sentimentalität auch gerne zu weit. Ein Gespür für die richtigen Bilder zu haben, das kann man den Machern aber nicht absprechen. So rührselig es teils auch ist, die Stimmung wird von Bild und Ton gewaltig aufgewertet, denn die über die ganzen 24 Folgen hinweg ist die Inszenierung nie reißerisch, sondern unaufdringlich, dafür aber umso gekonnter. Verstärkt wird der handwerklich hervorragende Eindruck von den sehr professionellen Sprechern im japanischen Originalton.

Pseudointellektuelle Episodennamen wie „Opfernekrose“ oder „Homeostase der Komplementäre„ sind sicher nicht jedermanns Fall, spiegeln den Ton der Serie aber auch nicht wieder.
Von Wichtigkeit ist natürlich die Frage, ob denn die Zeitreisegeschichte Sinn macht, in sich stimmig ist und ganz besonders, ob es Freude bereitet, sie zu verfolgen. Und all das kann mehr oder weniger bejahen – zumindest für einen großen Teil der Serie. Das Zeitreisekonzept ist ein höchst kurioses, das aber halbwegs glaubwürdig ist, da die Zeiträume, in die zurückgesprungen wird, meist nicht weit von der jeweiligen Gegenwart entfernt liegen. Dass sich nur kleine Dinge verändern, ist somit logisch. Dennoch lassen sich unzählige kleinere und größere Fehler finden, die nicht aufregen, aber auffallen.
Im Showdown selbst versöhnt man sich wieder etwas mit den Figuren und der eigentlichen Handlung, auch wenn man zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz sicher sein, ob das alles, was bisher geschehen ist, so tatsächlich nötig war und auch den Sinn ergibt, den die Serie behauptet. Vieles, das als selbstverständlich vorgestellt wird, ist tatsächlich ziemlich hochtrabende Vorgeblichkeit, vor allem, was kausale Zusammenhänge betrifft. Man mag hier einwerfen, dass das ein zu spitzfindiger Vorwurf des Erbsenzähler-Rezensenten sei, aber insbesondere Geschichten mit zentraler Zeitreisethematik müssen es sich einfach gefallen lassen, dass man Schlüssigkeit erwartet. Steins;Gate hat es sich schon leicht gemacht, indem die vielen Sonderregeln und Beschränkungen in Sachen Zeitenwanderung es gestatten, ebenso viele klassische Stolperfallen einfach zu ignorieren. Wenn es trotz dieser Vorkehrungen noch hapert, dann darf man das der Serie auch zum Vorwurf machen. Gerade am Ende wird dann leider einfach etwas ziemlich wichtiges ignoriert, weil die Geschichte andernfalls nicht auf dem gewünschten Wege zu Ende zu führen wäre. Und das ist dann einfach nur faul oder nachlässig seitens der Drehbuchschreiber.
Blöd oder unerträglich ärgerlich wird es aber nie. Dafür ist die Dynamik, mit der die eigentlich gar nicht so dynamische Geschichte erzählt wird, zu ausgereift.

Fazit

Ein wenig Achtung kann man schon zollen, denn die Geschichte des Videospiels wurde ohne große Abweichungen in eine Serie verpflanzt und funktioniert als solche mehr als nur anständig. Leider geht im späteren Verlauf die Rasanz des Anfangs immer weiter verloren, während die verstärkt eintretende Dramatik keinen vollends würdigen Ersatz abgibt. Trotz einiger Macken ist Steins;Gate eine sehr gut schaubare, die meiste Zeit sehr interessante Serie, die sich angenehm vor dem Sci-Fi-Allerlei der Animewelt abhebt.

Das Mädchen, das durch die Zeit sprang

Ein modernes Zeitreisedrama, das auf dem schon vielfältig adaptierten 67er-Kultroman mit gleichem Namen stammt, der vom bis heute tätigen Sci-Fi-Urgestein Yasutaka Tsutsui (Paprika) verfasst wurde. Inszeniert wurde das Zauberwerk von Mamoru Hosoda, der einerseits Projekte wie Digimon-Filme verwirklichte, andererseits aber auch schon als Regisseur für das Meisterwerk Das wandelnde Schloss vorgesehen war. Er heimste dreimal in Folge den Preis für den besten Anime ein beim Sitges Festival Internacional de Cinema Fantàstic de Catalunya – das erste Mal für Das Mädchen, das durch die Zeit sprang, welcher von einem vielfältigen wie namenhaftem Künstlerteam realisiert wurde.
Und dazu deutlich vielschichtiger ist als man beim ersten Hinschauen vermutet.

Time Waits For No One.

Story

Die 17-jährige Makoto ist ein ganz gewöhnliches Mädchen, das verspätet in den Unterricht platzt und mit ihren besten Freunden von Herzen gerne Baseball spielt. Außerordentlich an ihr ist lediglich die Menge an Missgeschicken, die sie durch ihr tapsiges Verhalten magnetisch anzuziehen scheint.
Eine entscheidende Wendung bekommt ihr Leben, als sie über ein walnussförmiges Objekt stolpert, das ihr die Fähigkeit verleiht, über eine begrenzte Distanz in der Zeit zurückzureisen. Etwas, das nicht durch Willensstärke, sondern durch Stürze beziehungsweise große Sprünge vonstattengeht. Ein Umstand, der ihr frühzeitig das Leben retten wird.
Nach und nach lernt sie, diese Funktion bewusst einzusetzen und für die Revidierung kleinerer Alltagsfehler zu nutzen. Alsbald muss sie feststellen, wie unberechenbar Kausalität ist und dass ein vermeintlich vermiedener Fehler nicht selten viel größeres Unglück nach sich zieht.

Kritik

Das Mädchen, das durch die Zeit sprang gibt sich eingangs unverkennbar als beschwingtes Jugenddrama, das mit warmem Humor eine fantastische Komponente einführt und ein ganz normales Mädchen dadurch kleine Abenteuer durchleben lässt, die eine klassische, aber ungezwungen dargebotene Moral mit sich bringen.

Das alles in minimal gewöhnungsbedürftigen, aber passenden Zeichnungen, flüssig animiert und mit genau der richtigen Menge an Details, um einen ganz eigenen Stil zu ergeben. Die Figuren sind schön geschrieben, die Musik setzt mit einer Mischung aus Eigenkompositionen und Bach genau die richtigen Akzente und alles hält ein angenehm unaufgeregtes Tempo, ohne sich jemals auch nur im Ansatz zu ziehen. Ein Frühlingsfilm. Und etwas, das gehörig durchgeschüttelt wird, wenn man es mit wachem und analytischem Blick zu wenden beginnt. Dann stellt sich heraus, dass die oberflächlich süße Geschichte von einer gar nicht so süßen Über-Story ummantelt ist.

Der Anime provoziert Sehgewohnheiten in starkem Maßen, tut dies aber derart geschickt, dass es dem Zuschauer womöglich gar nicht auffällt, er die Provokation übersieht und den ganzen Film über nicht drauf eingeht. Es ist überraschend, wie schnell man der trickreichen Inszenierung auf den Leim geht. Der Madhouse-Anime funktioniert nämlich wie ein Zaubertrick, der derart gut ist, dass man nicht nur nicht sieht, wie er funktioniert, sondern im besten Fall übersieht, dass er überhaupt funktioniert, weil die Ablenkung so außerordentlich geraten ist, dass man nicht nur die im Ärmel versteckten Karten, sondern gleich den ganzen Magier übersieht.
Was ist gemeint und woran liegt das?
Inszeniert und aufgezogen ist Das Mädchen, das durch die Zeit sprang wie ein klassischer Chick Flick. Eine tollpatschige, aber ungemein liebenswerte Schülerin bekommt ein kleines, ganz persönliches Geheimnis und nutzt es, um im Auftrag von Kurzweil und Herzschmerz ein wenig Chaos anzurichten. Harmlos, süß und kindgerecht. Das sagen die Bilder, das sagen die Dialoge und das sagt auch die Musik. Deshalb achtet der Zuschauer ganz automatisch auf bestimmte Dinge mehr und auf andere weniger. Wir sind so trainiert, dass wir in einem bestimmten Genre nur Bestimmtes erwarten und anderes wiederum einfach hinnehmen, ohne es zu großartig hinterfragen. Das schließlich ist die Aufgabe von Genreunterteilungen – die Erschaffung und Erfüllung von Erwartungshaltungen, sodass bestimmte Kost zu bestimmtem Appetit gereicht wird. Wenn diese Erwartungen durchbrochen werden und doch eine Überraschung hinter der ersten Ebene lauert, muss diese entsprechend in Szene gesetzt werden, damit ihre Wirkung nicht verpufft und der Zuschauer in ausreichendem Maße verblüfft ist, anstatt mit Fragezeichen und Schulterzucken zurückzubleiben. Schwebt die Variation im Gewöhnlichen hingegen nur unscheinbar am Rande vorbei, trickst sie unseren Aufmerksamkeitsfokus allzu schnell aus und wird von unserer Wahrnehmung ganz einfach aussortiert. Da der Film auch funktioniert, wenn man ihn lediglich als unbeschwerte Zeitreiseromanze betrachtet, ist das nicht schlimm. Wer den Film so sehen möchte, kann ihn so sehen, wird eine gute Zeit haben und kaum etwas vermissen. Das ist die phänomenale Leistung von Das Mädchen, das durch die Zeit sprang: Es ist mehr Filme als nur einer.

Wenn man sich öffnet und zwingt, einmal die Genregrenzen auszublenden, wenn man versucht, alle Details von ihrer Inszenierung unabhängig zu betrachten und den Film in möglichst großer Distanz zu schauen, dann wird es interessant. Plötzlich tauchen Fragen auf, die dem Ganzen eine unheimliche, sehr unangenehme Note verleihen und den leichtfüßigen Gang ins Stolpern bringen. Manche Dinge, die nur am Rande Erwähnung bekommen, entpuppen sich als zentrale Motivierungen und andere wiederum verwandeln sich von einer guten Fee in eine verbitterte Hexe. Plötzlich erlaubt Das Mädchen, das durch die Zeit sprang nicht nur viele Lesarten – es fordert sie sogar ein. Auf einmal spielt die Romanvorlage von Yasutaka Tsutsui eine entscheidende Rolle, da sie vielleicht mehr als bloße Vorlage war. Denn es ist sicherlich kein Zufall, dass die dort geschilderten Geschehnisse sich 20 Jahre früher ereignen als die im Film.
Bestimmte Personen erscheinen in anderem Licht und allen voran die Perspektivierung der ganzen 100 Minuten sollte gründlich in Frage gestellt werden. Ist der Film etwa nur so naiv-heiter, weil er von der naiv-heiteren Makoto erzählt wird, die gar nicht so recht versteht, was ihr widerfährt? Es ist auf jeden Fall kein schlechter Rat, die angebotene Fokalisierung grundlegend zu problematisieren und darüber hinaus nicht jedes Wort aus einem scheinbar vertrauenswürdigen Mund für bare Münze zu nehmen, sondern alles Angebotene gründlich auf Plausibilität abzuklopfen.
Dies sollen Hilfestellungen und vage Hinweise, keineswegs aber Erklärungen sein. Man muss selbst hinter die Kulissen gelangen und das Gesehene aus eigener Motivation mit eigenen Mitteln verstehen. Die Beschäftigung mit dem Stoff bereitet dann die größte Freude, wenn man sich ohne fremde Hilfe in seinen Irrgarten wagt. Und wer weiß, vielleicht wartet in seinem Herzen ja ein Mindfuck hoher Güte.

Fazit

Oberflächlich ein vergnüglicher Film über Mädchen, Mädchenprobleme und ein bisschen Fantastik. Und so funktioniert der Sci-Fi-Anime durchgehend und durchgehend gut. Daher wird er auch gerne als Kinderfilm begriffen und kann Kindern auch gefahrlos vorgesetzt werden. Gibt man sich aber Mühe, ein paar Vorhänge beiseite zu ziehen und das Gezeigte nicht nur hinzunehmen, sondern unablässig zu drehen und zu wenden, offenbart sich, dass der Würfel weit mehr als nur die einem zugewandte Seite besitzt.
Ein schönes, toll inszeniertes und clever aufgezogenes Spiel mit nicht nur doppeltem Boden, das gleich als mehrere Filme funktioniert. Selten hat sich hinter scheinbar ungefährlichem Charme eine solche Tragik aufgehalten.

Doctor Who – Staffel 1

Der Doktor ist zurück! Mittlerweile in der neunten Reinkarnation und der sage und schreibe siebenundzwanzigsten Serienstaffel. 16 Jahre lang lag die erfolgreichste Sci-Fi-Serie der Welt auf Eis und wurde in anderen Medien fortgeführt, bis es 2005 endlich im klassischen Format weiterging. Moderner ist die Serie natürlich geworden, viel hat sich getan. Doch trägt sie das Herz immer noch am rechten Fleck.

Stand back, boys. Surf’s up!

Story

Zwar ist der Doktor wieder da, doch warum er in neuem Körper auftritt, bleibt unbeantwortet. Ist aber auch nicht so wichtig, denn schließlich – nun ja, der Doktor eben.
Als er ins graue London der Gegenwart reist, um ein paar beunruhigend lebendigen Schaufensterpuppen und ihrem wabernden Meister das Handwerk zu legen, flieht ihm Rose Tyler über den Weg. Und weil der Doktor eine Schwäche für Menschlein hat, macht er die neunzehnjährige Blondine auch gleich zu seiner neuen Gefährtin. Gemeinsam rauschen sie durch Raum und  Zeit und tauchen zufällig immer dort und dann auf, wo und wenn sich schwerwiegendes Unheil zusammenbraut.
Zwischendurch hat Rose ein paar Beziehungsprobleme in ihrem alten Leben zu lösen, der Doktor trifft auf eine verhasste Nemesis und ein paar verkleidungsfreudige Aliens sorgen immer mal wieder dafür, dass die Welt im Allgemeinen und London im Speziellen vor dem Untergang bewahrt werden muss.

Kritik

Allem voran muss sich der Rezensent an dieser Stelle als Frevler outen. Seine Dr. Who-Kenntnis war bis zu dieser Staffel tatsächlich nur rudimentär vorhanden. Manch einer mag nun anmerken, dass ihm damit automatisch die Kompetenz fehle, eine Sci-Fi-Seite zu leiten. Und vielleicht stimmt das. Aber es wird emsig daran gearbeitet, diesem Zustand abzuhelfen.
Sollten dem Schreiber die gewitztesten Anspielungen und Running Gags daher entgangen sein, so möge er in den Kommentaren mit der Härte eines Dalek gerügt werden.

Zuallererst muss gesagt werden, dass der Doktor bereits in der ersten Folge einen gelungen Auftritt hinlegt und ein paar sehr kernige Charakterzüge von Christopher Eccleston spendiert bekommt. Das enorme Grinsen, die abstehenden Ohren und der immer etwas abgewetzte Aufzug verpassen der Figur eine aufregende Mischung aus Kindlichkeit, Getriebenheit und verdrängter Melancholie. Besonders dann, wenn seine nicht ganz so edlen und teils überraschend impulsiv auftretenden Attribute sich bemerkbar machen, wird der Doktor zu einer ziemich spannenden Gestalt.
Selbiges lässt sich über seine Gefährtin Rose leider nicht sagen. Das mag zum Teil am begrenzten Talent von Billie Piper liegen, vor allem aber ist der blonde Sidekick einfach viel zu uninteressant. Ihre jugendliche Spontaneität soll vermutlich süß und sympathisch sein, während ihre einfach gestrickte Mutter und der bodenständige Freund die nötige Portion Familientragik und Entscheidungsdrama einbringen sollen. Bis auf wenige Momente wirkt beides aber immer etwas etwas befremdlich und aufgesetzt.
Captain Jack Harkness sorgt da in den letzten 5 Folgen für deutlich mehr Pepp und Dynamik und schafft Erwartungen an weitere Auftritte und natürlich sein Torchwood-Spin-off.
Wie das Gespann in der zum Wahrzeichen gewordenen Notrufzelle durch Raum und Zeit trudelt, um in guter alter Akte X-Manier immer dort aufzutauchen, wo gerade die Welt, das Universum oder sonst irgendwas aus den Fugen gerät, ist meist recht nett und spaßig anzusehen. Durchhänger existieren zwar, werden vom Charme der Serie aber in fast allen Fällen abgefedert. Einzig eine zwar klassische, aber auch viel zu triviale Geistergeschichte und ausgerechnet die erste wirkliche Doppelfolge haben fühlbare Längen. Bei den zahlreichen Ausflügen ins All kann Dr. Who hingegen seine Muskeln spielen lassen. Unterschiedliche Planeten gibt es aus Budgetgründen zwar nicht zu bestaunen, doch auch die diversen Raumstationen und ihre fremdartigen Bewohner machen in ihrer großen Vielfalt Spaß und überraschen immer wieder mit vergnüglichen Details.
Dass die Serie aus ihrem trashigen Look kein Geheimnis macht ihn mit Vorliebe selbstironisch betont, ist allseits bekannt. Besonders gelungen sind Referenzen an die eigene Vergangenheit, die auch mit entsprechend antiquierter Optik gewürdigt werden. Trotzdem, oder gerade deswegen, wäre in einigen Szenen mehr Handgemachtes und weniger Computertrickserei angenehm gewesen. Auf der anderen Seite hat die Serie ein paar toll designte Kreaturen zu bieten, wie z.B. die Leiterin der Gamestation im Staffelfinale.

Es bleibt ein unentschlossener Eindruck. Gerade die Hauptgegner dieses Neustarts entpuppen sich als schwach und zu unergiebig, um über drei Episoden hinweg zu unterhalten. Auch ansonsten strotzt keiner der Miniplots vor Einfallsreichtum. Sie verlaufen meist nach bekanntem Muster und werden zu selten durch Variationen aufgelockert.
Aber irgendwie kann man Dr. Who auch eine kleine Absolution erteilen, nach hunderten von Folgen nicht mehr die allerfrischesten Ideen in der Hinterhand zu haben. Außerdem stimmt das Gesamtbild: Die Serie trabt leichtfüßig entlang ihrer Linie und krümelt dabei schelmisch mit ihren harmlosen Späßchen. In einem Rutsch geguckt, ist sie deswegen nicht sehr bekömmlich, schaut man die Folgen mit einem gewissen Abstand zueinander, funktioniert das Konzept aber überwiegend gut.
Der Humor sitzt meistens und hat vor allem eine eigene Note, ernüchtert ab und an aber auch mit zu platten Gags der Marke Körpergeräusch.
Neben dem ambivalenten Charakter des Doktors ist es aber gerade dieser beschwingte Grundton, der die Serie so angenehm und sympathisch macht. Trotz einiger mittelschwerer Mängel kehrt man daher immer wieder gerne in die TARDIS zurück und fängt sogar an, sich nach einer Weile ein bisschen heimisch in diesem großen kleinen blauen Kasten zu fühlen.
Bis zum nächsten Doktor in Staffel 28.

Fazit

BBC hat den Doktor wiederbelebt und der Doktor macht Spaß. Zwar macht die britische Erfolgsserie nicht alles gut, versprüht aber so viel Esprit, dass man ihr Schönheitsfehler und auch allzu generische Erzählmuster gerne verzeiht.

Mr. Nobody

Nach Toto der Held und Am achten Tag folgte 13 Jahre lang kein Film mehr vom belgischen Ausnahmeregisseur Jaco Van Dormael, der sich in der Zeit ganz dem Theater widmete. Mit Mr. Nobody lieferte er 2009 ein unerwartet mächtiges Comeback. Wieder handelt sein Film von Außenseitern und einschneidenden Erlebnissen. Trotzdem ist die in sich verschlungene Mischung aus Sci-Fi, Tragödie und Liebesfilm ganz anders als die oben genannten Arbeiten.

Es heißt, wenn man etwas langsamer atmet, vergeht die Zeit langsamer.

Story

Im Jahre 2092 ist der Tod besiegt und jeder hält sich ein possierliches Hausschwein. Ein 118 Jahre alter Mann ist der Letzte in einem sterblichen Körper und seine finalen Tage werden als große Reality-Show inszeniert. Während die Welt darüber abstimmt, ob man ihn eines natürlichen Todes sterben lassen oder sein Leben künstlich verlängern sollte, versucht sich der demente Herr seines Werdeganges zu entsinnen. Ein Hypnotiseur und ein Journalist wollen unabhängig voneinander zu seinen Erinnerungen durchdringen.
Er erzählt ihnen die Lebensgeschichte von Nemo Nobody. Doch eigentlich sind es viele Geschichten, viele Entwürfe eines Lebens, die vielleicht aber allesamt gelebt wurden. Er erzählt von einem Jungen, der die Gabe hat, in die Zukunft zu sehen. Er erzählt von Scheitern, Lieben, Verzweifeln, Reue und einer Mission auf dem Mars. Vor allem aber erzählt er von Entscheidungen und wie diese den Weg aller bestimmen. Er erzählt vom Schmetterlingseffekt.
Welches der Leben das tatsächliche von Nemo war oder ob er womöglich doch jede dieser parallelen Realitäten durchlebt hat und welchen Grund die scheinbar paradoxen Ausführungen des Greises haben, erschließt sich nur zaghaft im Verlauf seiner Retrospektiven.

Kritik

Nemo Nobody wird von zwei Darstellern verkörpert. Als 15-jähriger spielt ihn Toby Regbo, der das Leiden eines Kindes, das vor der vielleicht schwierigsten Entscheidung seines Lebens steht und dann mit deren Konsequenzen hadert, jederzeit kompetent begreiflich macht. Von diesem Punkt an entfalten sich drei Lebenskonzepte, die sich selbst an bestimmten Weichen wieder teilen und parallel zueinander weiterfahren. Die meiste Zeit begleitet der Film einen Nemo, der die 30 überschritten hat und von Jared Leto gespielt wird.
Egal, ob als brav frisierter Bewohner eines Vorort-Puppenhäuschens mit manisch depressiver Ehefrau, als lethargischer Neureicher im Villenviertel oder als zerschlissener Reisender – Leto schafft es, die drei unterschiedlichen Identitäten durch subtile Differenzierung und individuelle Feinheiten glaubwürdig darzustellen und wirkt dabei nur selten bemüht. Bedenkt man, dass er außerdem Nemo im Greisenalter mimt, lässt sich freiheraus behaupten, dass der Schauspieler hier seine bis dato herausforderndste und zugleich beste Rolle meistert. Das ausgefeilte Drehbuch sorgt indes dafür, dass jeder der möglichen Nemos auch seine Daseinsberechtigung hat. Alle tragen sie etwas Wichtiges bei, jeder ist ein weiterer notwendiger Baustein im Vexierbild Nemo Nobody, das sich in den 157 Minuten des Director’s Cuts nach und nach zusammensetzt.
Nicht ausschließlich perfekt, aber auch niemals störend werden Nemos drei Lebenspartnerinnen dargestellt. Einzig Diane Krugers Stimme wirkt sowohl auf der englischen wie auch auf der deutschen Tonspur häufig etwas fehl am Platz.
Das Aus- und Ineinandergleiten der zahlreichen Handlungsfäden wirkt immer flüssig und in sich kohärent, in einzelnen Fällen aber auch ein wenig zu beliebig. Hier macht es sich die Geschichte etwas zu einfach, da ihr durch die Prämisse des Filmes keinerlei Grenzen gesetzt sind und sie daher – ausreichend inszenatorisches Können vorausgesetzt – eigentlich gar nichts falsch machen kann.

Inszenatorisches Können ist hier aber auch das maßgebliche Stichwort. Mit welchem Einfallsreichtum hier Kleinigkeiten ins Bild gebracht werden, wie phantasievoll die Zerstreuung der Charaktere visualisiert und die Grenzen der Demenz inmitten der präsentierten Erinnerung eingebunden werden, ist unterhaltsam und bewundernswert zugleich. Bedeutungsstiftender Einsatz von Unschärfeeffekten, kunstvollen Parallelmontagen, dezenten Zeitlupen, einer Vielzahl unsichtbarer Schnitte, der wiederkehrenden Verwendung cleverer Match Cuts und fast schon ätherischen Szenenwechseln – Jaco Van Dormael schöpft nicht bloß gierig aus dem Repertoire filmischer Finessen, sondern schafft es auch, diese Werkzeuge sinnvoll und stilbewusst zu gebrauchen. Das Ergebnis ist ein Film, der trotz seiner komplexen Handlung und des hohen Anspruchs an sich selbst stets leichtfüßig und bekömmlich bleibt, da er nicht nur auf inhaltlicher, sondern auch auf audiovisueller Ebene permanent zum Staunen einlädt. Da stört es keineswegs, dass man sich an jeder Ecke an die besten Werke Michel Gondrys erinnert fühlt.
Auch hier mag manch einer kritisieren wollen, dass die spielerische Art der Darstellung an vielen Stellen zu viel des Guten sei. Eigentlich bietet das Werk für diese Art der Anschuldigung aber zu wenig Angriffsfläche. Nicht nur, weil das Gesamtbild einfach formvollendet richtig wirkt, sondern auch, weil die Auflösung des Filmes seine Machart schlussendlich auf einleuchtende Weise rechtfertigt.
Bemerkenswert ist, wie das Gleichgewicht zwischen latenter Science-Fiction, verträumter Fantasy und Drama durchgängig beibehalten wird. Selbst der esoterische Optimismus, der immer wieder anklingt und kurz vor dem Abschluss einen größeren Auftritt hat, wirkt niemals störend oder krampfhaft dazu gepanscht.

Fazit

Mit seinem dritten Spielfilm liefert Jaco Van Dormael ein schillerndes Spiel mit Realitäten und Identitäten, das in kindlich-unschuldiger Weise existenzielle Fragen stellt und diese sogar mit entwaffnender Leichtigkeit zu beantworten weiß.
Mr. Nobody ist verspielt, romantisch, poetisch, kunterbunt und manchmal sympathisch naiv. Dass die Geschichte am Ende nicht in jedem Detail perfekt aufgeht und Van Dormael gelegentlich zu dick aufträgt, verzeiht man dem ambitionierten Epos mit Freuden.
Wie eine Kreuzung aus Forrest Gump und Michel Gondrys Science of Sleep, nur eben in einem beinahe durchsichtigen Sci-Fi-Gewand mit Platz für Raumschiffe und die Stringtheorie.

Primeval – Rückkehr der Urzeitmonster – Staffel 2

Die Britten von Impossible Pictures schicken ihre erste eigene Serie abseits der Wissensvermittlung in die zweite Runde.  Keine Selbstverständlichkeit, aber ITV und Pro 7, für die direkt produziert wurde, zeigten sich mit dem Quotenschnitt zufrieden.
Weiter geht’s also mit Bewährtem. Diesmal sogar mit einer Folge mehr als noch in Staffel 1.

– Wo laufen wir hin?
– Ich bin dir nur nachgerannt!

Story

Immer noch klaffen Zeitlöcher auf, immer noch hasten Eigenbrötler Cutter und sein Flickwerk-Team umher, um alles, was aus ihnen purzelt, wieder zurückzustopfen und immer noch wundert sich keiner, dass das Anomalien-Phänomen außerhalb Londons kein Thema zu sein scheint.
Zwar erhält die Einheit nun eine flotte Zentrale und auch ein Anomalien-Detektor wird entwickelt, eigentlich geht es aber so unkoordiniert und planlos zu wie eh und je.
Außerdem muss sich Cutter nach dem letzten Staffelfinale damit abfinden, dass er sich in einer veränderten Gegenwart befindet.
Chef Lester bekommen einen an Mr. Bean erinnernden Adjutanten zur Seite gestellt und unser Einsatzteam wird von einem vertrauten Gesicht um einen Pressesprecher respektive Vertuschungsgehilfen bereichert, während ein paar verdächtige Gestalten die täglichen Operationen der Dinojäger zu überwachen scheinen.
Selbstverständlich sorgt Wildfang Helen weiterhin für gruppeninternen Zündstoff und hat überall da ihre Griffel im Spiel, wo es konspirativ zugeht.

Kritik

Wie die Story, so der Rest: Eigentlich ist alles beim Alten geblieben. Dabei fällt der Anfang interessanter aus, als die gesamte erste Staffel es jemals war. Endlich wird die Dinosuppe um ein paar Zeitreiseparadoxien angereichert, endlich ist der Grundstein gelegt, die ganze Thematik angemessen interessant auszuschmücken. Leider bleibt es bei diesem Ansatz und der akzeptable Einstieg entpuppt sich für Staffel 2 als leeres Versprechen.
Außerdem wird in der Wiedereinstiegsfolge auch gleichzeitig der bisherige Zenit an Ärgerlichkeit erreicht. Die Figuren verhalten sich in einem so unfassbarem Maße irrational, dass man es dem Drehbuch beinahe übelnimmt, dass das Zeitriss-Getier nicht schon vor Beginn der ersten Staffel den Trupp überrumpelt und die moderne Welt unterjocht hat. Am Ende der Episode nimmt das himmelschreiend Dumme mit einer abstrusen Selbstverständlichkeit überhand, während die eh schon magere Eigenlogik der Serie sich zeitgleich selbst durch den Mixer jagt. Hier kann einem nur der Gedanke kommen, dass man nicht nur den Zuschauer, sondern auch sich selbst veräppeln wollte, ist Primeval doch bereits in Folge 1 eine Karikatur seiner selbst. Eigentlich will man dem flachen Unterhaltungskonzept so viel Selbstreflexivität gar nicht zutrauen, doch eine andere Möglichkeit kann es schlichtweg nicht geben. Ohne noch weiter ins Detail gehen zu wollen: Das muss man schon gesehen haben, um es zu glauben.

Ansonsten bleibt Primeval seiner Linie treu: Da schalten Raptoren systematisch Überwachungskameras durch Zubeißen aus, Zeitreisepazifist Cutter verpönt Schusswaffen, bevorzugt aber die Axt und neuerdings werden die Bestien auch gerne mit Karate bearbeitet.
Man schämt sich nicht, längst zum Klischee gewordene Standardsituationen mit indolenter Regelmäßigkeit heraufzubeschwören. Es ist kaum zählbar, wie oft ein Charakter auf der Flucht im letzten Augenblick unter einem langsam sinkenden Tor hindurch rutscht inmitten der lebensbedrohlichen Gefahr die Gruppe verlässt, um sich sorgenfrei am ungeschützten Getränkeautomaten zu bedienen.
Weitere Figuren werden meist eingeführt, um die begriffsstutzigen Protagonisten besser dastehen zu lassen. Wenn in Folge 5 beispielsweise ein kleines Mädchen seinem Hund ohne mit der Wimper zu zucken durch eine Anomalie nachläuft, das Ganze mit „cool“ quittiert und weiter der Töle sucht, ist das fraglos außerordentlich.
Solche Situationen sind bei Primeval Staffel 2 an der Tagesordnung. Werden dem Team aus der Ferne panische Warnungen zugerufen, bleibt es natürlich erst einmal stehen und unterhält sich darüber, wie schlecht doch die Akustik sei. Dass eine gewisse Caroline quasi permanent alleine in Abbys Wohnung rumlungern kann, obwohl sie gar keinen Schlüssel besitzen dürfte, wird ebenso hingenommen wie die spontane Heilung eines verstauchten Knöchels.
Ganz zu schweigen von den Logiklücken in der großen Serienphilosophie. Primeval scheint sich auf der verbreiteten Meinung, Unstimmigkeiten wären bei Zeitreisegeschichten generell unvermeidlich, auszuruhen. So ist es sicherlich nachvollziehbar, dass man aus Furcht vor deterministischen Konsequenzen den Viechern aus der Vergangenheit ihren Hals nicht umdrehen will. Dass man sich hingegen nicht scheut, sie bewusstlos in ihrer Zeit auf einem Felsen zu platzieren, mutet in dieser Beziehung  aber reichlich inkonsequent an. Auch die Problematik, dass die Ereignisse der Vergangenheit alleine dadurch geändert werden, dass ständig Geschöpfe für ein Weilchen ihren Platz in Raum und Zeit verlassen, bleibt unausgesprochen. Es wäre nicht weiter schlimm, wenn sich die Serie durch hanebüchene Erklärungsversuche aus der Affäre ziehen wollen würde. Dass sie sich um derartige Detailfragen aber gar nicht erst kümmert, zeugt hingegen von großer Ideenarmut. Oder der Annahme eines denkfaulen Publikums.
Überhaupt wird die „Wir töten nichts!“-Devise von Folge zu Folge neu ausgelegt und bei Bedarf einfach ignoriert. Da wird dann auch mal unnötigerweise zum Maschinengewehr gegriffen, wenn Impossible Pictures der Meinung ist, ein bisschen Action wäre guter Quotendünger.

Zwischendurch lockern private Scherereien den Heldenalltag auf, ohne jemals notwendig zu wirken. Besonders die Beziehung zwischen Abby und dem hippen Nerd Conner, der seine Verwandlung zum Haarmodel zwischenzeitlich abgeschlossen hat, wird von der Sci-Fi-Serie fortwährend ungeschickt in Szene gesetzt. Eins der vielen Beispiele in Primeval, die von gutem Willen zeugen, während die passenden Ideen zur Verwirklichung ausgeblieben sind.

Unterm Strich klingt das alles aber deutlich schlimmer, als es tatsächlich ist. Trotz und sicher auch wegen der unzähligen Fehltritte ist das Treiben durchaus nett anzusehen. Ein harmloses Intermezzo als Alternative zu schlechtem Wetter, das man sofort wieder vergessen hat, ebenso wenig aber ernstlich bereut.
Der größte Gewinn gegenüber Staffel 1 ist fraglos die Tatsache, dass langweilige Momente nun meistens vermieden werden. Das Tempo funktioniert etwas besser, die Schauspieler wirken in ihren Rollen heimischer und einen Deut interessanter ist die Angelegenheit auch geworden. Die musikalische Untermalung ist belanglos, leistet sich aber immerhin keine wirklich peinlichen Ausrutscher mehr und auch die Urzeitschlingel sehen einen Tick besser aus, obwohl wenn man sich manchmal immer noch in einer The Asylum-Produktion wähnt. Immer dann, wenn die animierten Kreaturen sich zu schnell bewegen, kränkelt auch die Qualität der Effekte. Auf der anderen Seite lassen sich diesbezüglich aber ebenso ein paar positive Ausschläge verzeichnen.
Leider verscheucht man auch hier Potential, indem man jeden banalen Gang um die Ecke, jeden Blick über die Schulter mit furchtbar viel Pathos in Szene setzt. Im Umkehrschluss wird so das gefährliche Zukunftsraubtier nicht interessanter als der Besuch einer Frittenbude.
Was die Serie aus dem kritischen Bereich holt, sind die mittelmäßigen, aber trotzdem charismatischen britischen Gesichter. Und weil die Faustregel mit dem blinden Huhn und seinem Körnerglück auch auf Serien anwendbar ist, existieren ebenfalls Episoden mit kleinen Lichtblicken. Die vorletzte Folge zum Beispiel weiß mit ein paar netten inszenatorischen Ideen zu gefallen, die verloren geglaubtes Interesse wieder ins Leben rufen können.
Die finale Episode ist dann in mancher Hinsicht besser als alle vorherigen Geschichten und in vielerlei Hinsicht noch alberner.

Fazit

Grundsätzlich hat sich wenig geändert. Einiges ist besser geworden, das meiste geblieben und in ein paar Punkten schafft es Staffel 2 sogar, den Vorgänger zu unterbieten.
Wer über dramaturgische Schwächen hinwegsehen und über alle anderen Schwächen lachen kann, findet hier aber vielleicht sein Guilty Pleasure.
Absichtlich funktionierender Witz und eine deutlich bodenständigere Selbstwahrnehmung, das ist mein Wunsch für Staffel 3. Dann klappt’s auch mit dem Durchschnitt.

Demolition Man

Steven Seagal, Jean-Claude Van Damme und Jackie Chan verabschiedeten sich allesamt von diesem Projekt, fürchteten sie doch um ihren guten Schauspielerruf, da ihnen nach und nach nur die Rolle des Antagonisten angeboten wurde. Schließlich wurden zwei Männer ins Boot geholt, die sich definitiv für nichts zu schade sind. Sylvester Stallone und Wesley Snipes bekriegen sich in dieser futuristischen Actionkomödie, die in gleich mehrfacher Hinsicht ein ziemliches Kuriosum ist.

Story

Detective John Spartan ist ein Mann der Tat, ein kompromissloser Haudrauf, wie er im Buche steht und außerdem erklärter Erzfeind des wahnsinnigen Kriminellen Simon Phoenix. Nach Jahren des Katz-und-Maus-Spielens hat Spartan seinen Widersacher 1996 endlich aus der Reserve gelockt. Doch ein kurzer Moment der Unbedachtheit verursacht den Tod vieler Zivilisten inmitten des großen Showdowns. Bösewicht Phoenix ist zwar gefangen, doch Spartan landet neben ihm auf der Anklagebank, da der tödliche Ausgang des Unterfangens seiner fahrlässigen Vorgehensweise zugeschrieben wird. Wie es 1996 nun mal Brauch ist, werden beide zu einer langen Haftstrafe im Kälteschlaf verdonnert, während derer sie mit mentalen Botschaften berieselt werden, die ihre Resozialisierung fördern sollen.
Im weit entfernten Jahre 2023 wird Phoenix aufgetaut, das Resozialisierungsprogramm gilt als geglückt. Keine 10 Sekunden später sind die Wärter ermordet und Phoenix befindet sich mit der fixen Idee auf freiem Fuße, sein kriminelles Regime schnell wieder instand zu setzen.
Die geordnete Welt der Zukunft weiß sich nicht gegen diesen anarchistischen Anachronismus zu behaupten und so wird auch Raubein John Spartan aus dem Eis gekratzt, um Feuer mit Feuer zu bekämpfen.
Dieser muss sich aber erst einmal in einer Stadt zurechtfinden, die mit seinem L.A. kaum noch was gemein hat. Dass fast alle, die er kannte, mittlerweile verblichen sind, ist eine Sache. Dass restlos alles, was Spaß macht, unter Strafe verboten ist und selbst harmlose Kraftausdrücke mit Geldbußen geahndet werden, ist eine ganz andere.

Kritik

Trügerisch deutet der Filmstart an, dass nun ein ganz normales Actionfilmchen anrolle, das rasch geschnitten ist, Testosteron versprüht und in jeder Einstellung den Geist der 80er inhaliert. Die Startsequenz zeigt Sly Stallone tatsächlich auch so, wie man ihn kennt. Rücksichtslos walzt er gleich einer Naturgewalt durch das zu infiltrierende Lagerhaus, um sich den schurkischen Phoenix vorzuknöpfen.
Erst nach diesem Vorgeplänkel beginnt der wahre Film und wirft auf den humorlos erscheinenden Anfang schließlich ein ganz anderes Licht. Denn sobald die Handlung knappe 3 Dekaden in die Zukunft springt, wird klar, dass Demolition Man eigentlich kein routinemäßiger Actionfilm, sondern in erster Linie eine sehr vergnügliche Variante von Generationskonflikt ist. Der alte Knochen Spartan findet sich in einer durch und durch pazifistischen Gesellschaft wieder, die den großen Traum vom großen Frieden derart radikal umsetzt, dass jeder ihrer Auswüchse hochgradig irrational wirkt. Alles, was irgendwie Aufregung verspricht, wird der Öffentlichkeit vorenthalten. Körperkontakt ist ebenso tabu wie Gewürze und kritisches Denken. Primär wird der Reiz des Filmes daher aus der enormen Diskrepanz zwischen der ungehobelten Lebenseinstellung des Protagonisten und den Zuständen der überdrehten Dystopie gewonnen. Glücklicherweise beinhaltet das Drehbuch viele große und kleine Ideen, dieses komödiantische Potential optimal auszuschöpfen, sodass Demolition Man in seinen besten Momenten eine gut funktionierende Komödie mit vielen absurden und denkwürdigen Momenten ist.
Das Ensemble ist sich dessen voll bewusst und spielt dem Umstand permanent in die Hände. Sowohl Wesley Snipes als schriller Psychopath als auch Silvester Stallone als mürrischer Neandertaler trumpfen mit deftig überzogenem Overacting auf. Gleichauf damit ist das Schauspiel Sandra Bullocks, die in der schönen neuen Welt ein naives Küken im Polizeidienst mit Sehnsucht nach brachialer Abwechslung verkörpert und über die gesamte Lauflänge ein sagenhaft debiles Grinsen zur Schau trägt, das der klebrigen Süffisanz ihrer biederen Gesellschaft ein ständiger Spiegel ist. Dass sie hierfür (nicht zum letzten Mal) mit der Goldenen Himbeere geadelt werden sollte, kann nur mit einer fatalen Fehlinterpretation der Foundation zu erklären sein. Trotzdem ist es genau dieser Streifen gewesen, dem sie all ihren anknüpfenden Erfolg zu verdanken hat.

Anerkennenswert ist außerdem die Fülle an Details, die sich auf den ersten und zweiten Blick entdecken lassen. Mehr oder minder offensichtliche Anspielungen auf andere Filme, ein hämischer Seitenhieb Richtung Schwarzenegger, womit sich Stallone für einen Witz auf seine Kosten in Last Action Hero revanchiert, und omnipräsente Parallelen zu Aldous Huxleys Brave New World lassen erahnen, dass Demolition Man für die Beteiligten beileibe keine Fließbandarbeit gewesen ist.

Leider besinnt sich der Film nicht in ausreichendem Maße auf seine Stärken. Immer dann, wenn die komischen und sehr selbstironischen Gefilde verlassen werden und es zu einer Konfrontation kommt, sinkt die Qualität rapide ab. Die Handgreiflichkeiten zwischen Spartan und Phoenix kommen in ihrer eintönigen Banalität nie über unteren Genredurchschnitt hinaus und führen dazu, dass jene Passagen sich redundant und überlang anfühlen, obwohl rein objektiv nur selten zur Waffe gegriffen wird. Dies kommt immer wieder im Film – oben erwähnte Anfangssequenz ausgenommen – und ganz besonders beim Finale zum Tragen, welches den Zuschauer mit einem Geschmack von Überflüssigkeit in den Abspann entlässt, der dem Gesamtwerk im Grunde nicht gerecht wird.

Fazit

Bei Demolition Man handelt es sich um eine so amüsante wie harmlose Science-Fiction-Satire, die sich letztlich von ihrem eigenen uninspirierten Actionanteil sabotieren lässt. Die Action ausgerechnet bei einem Stallone-Werk als Schwäche anzuführen, mag im ersten Moment etwas wunderlich erscheinen, zeigt aber auch auf, wie ideenreich und unbeschwert der zwanglose Science-Fiction-Film auf inhaltlicher Ebene daherkommt.