Coherence

Nach dem 2007er Independent-Erfolg The Man from Earth war es fast schon überraschend, dass weitere dialoglastige Kammerspiele mit Sci-Fi-Anwandlungen nicht in Scharen auf dem Markt gekommen sind. Vielleicht liegt es daran, dass gute Drehbücher schwer nachzuahmen sind. Mit Coherence ergänzt James Ward Byrkit – Ideenhaber, Schreiber, Regisseur und Produzent in einem – nun dieses rar besetzte Untergenre um einen weiteren Beitrag.

No, we’re not splitting up. We’re just gonna go in two different groups.

Story

Die Gruppe von Freunden, die sich in Zeiten regelmäßig traf, die lange schon Vergangenheit sind, findet sich mittlerweile nur noch selten zusammen. Man zog in verschiedene Städte, erneuerte die Vorstellung von Leben, wurde erwachsen, fremder füreinander. Als sich Emily, Kevin, Beth, Ami, Amir, Laurie, Hugh und Lee in Mikes Haus treffen, liegt das letzte Beisammensein schon wieder eine ganze Weile zurück. Man trinkt, übt sich darin, ausgelassen zu sein, und versucht, all die Distanz, die mittlerweile zwischen einander besteht, vergessen zu machen.
Doch dieses Mal ist es anders. Die Displays von Smartphones zerbrechen scheinbar grundlos und nach kurzer Zeit fällt im ganzen Viertel der Strom aus. Beleuchtet bleibt nur ein einziges Haus in der Nachbarschaft. Als an sich entschließt, dort vorbeizuschauen, geschehen seltsame Dinge.
Ein Komet, der in dieser Nacht die Umlaufbahn der Erste streift, könnte verantwortlich hierfür sein.

Kritik

Coherence ist eine dieser – eigentlich sehr häufig vorkommenden – Seherfahrungen, bei der vieles davon abhängt, ob man zuvor etwas über den Film weiß oder nicht. Geht man ohne vorheriges Wissen an den Film, der damit beginnt, dass ein paar alte Freunde sich nach langer Zeit treffen, um sich von einer Handkamera gefilmt zu betrinken, ist man ob der fehlenden Voreingenommenheit natürlich leichter durch den nachfolgenden Twist zu beeindrucken und die Filmerfahrung als Ganzes deutlich verlangender. Aber das ist natürlich ein alter Hut. Allein das Wissen um die Tatsache, dass überhaupt so etwas wie ein Twist existiert, kanalisiert die Erwartungen eigentlich schon in zu hohem Maße. Von daher seien alle, die den Film zufällig schauten und erst durch nachträgliches Suchmaschinen-Beackern auf diese Filmbesprechung gestoßen sind, beglückwünscht. Ihr habt es richtig gemacht. Aber – um bei den Hüten zu bleiben – das ist eine Weisheit, die keine ist.

Der Fallstrick des Konzeptes, die ganze Zeit verschiedene Menschen auf engem Raum zu zeigen, ist (spätestens hier entlarvt sich diese Rezension als Text reiner Redundanzen) die anspruchsvolle Forderung nach lebendigen, glaubhaften Charakteren, deren Handeln der Vorstellung von komplexen Figuren wie auch der Situation angemessen ist. Und Coherence schafft es mit beeindruckender Leichtigkeit, seine Figuren lebensnah darzustellen. Man meint tatsächlich, einer Zusammenkunft alter Freunde beizuwohnen, die sich bemühen, nicht so zu wirken, als hätte man aufgrund der unmöglich zu überbrückenden Zeit des Abstands einander kaum was zu sagen. Die Merkwürdigkeit, die entsteht, wenn man auf Menschen trifft, deren gegenwärtige Existenz einem völlig fremd ist, während man einstmals mit ihrer vergangenen Erscheinung bestens vertraut war, wird unaufdringlich schön eingefangen. Man nippt häufig an seinem Glas, überspielt das Offensichtliche, wird albern und alte Geschichten werden an die Oberfläche gespült. Es ist die einmalige Art von Situation, die schön und furchtbar zu gleichen Teilen ist. Es ist der Prozess des Verklärens in seiner massiver Gegenwärtigkeit.
In diese Pattsituation gesellschaftlicher Zwänge bricht nun ein Strom des Sonderbaren. Ein Komet, unerklärliche Vorkommnisse – und weiterhin die obskure und vollkommen natürlich wirkende Anforderung, das Gesicht und die Fassung voreinander zu bewahren. So wie die Menschen verwandelt sich auch die räumliche Situation in ein Panoptikum vertrauter Fremde, das vor allem anderen Irritation hervorruft.
Oberflächlich ist Coherence eine Art Science-Fiction-Film, in erster Linie handelt es aber um eine Lupe auf ein soziales Experiment, selbstverständlich in Form eines Kammerspiels.
Daher ist die Handkamera hier auch das Mittel der Wahl und dieser Film einer von wenigen, wo dies absolut angebracht ist. Sie zuckt und zittert beizeiten stärker als in so manchem Actionfilm, transportiert aber exakt jene Unsicherheit und die Furcht vor Kontrollverlust, die es benötigt.
Dass dies so exzellent funktioniert, liegt vorrangig an den unprätentiös spielenden Darstellern, die ihren Figuren eine gewisse Tiefe verleihen, in ihrem Spiel nicht übertreiben und das Haltlose der Situation und ihrer Entwicklungen meist angebracht auf den Punkt bringen.
Da ist es fast ein wenig schade, dass die Geschichte ungeheuer clever tut, aber gerade das nicht ist. Jedenfalls nicht in dieser Form. Sie ist schon auf ihre Weise im Kleinen innovativ und die meiste Zeit über auch mit Interesse zu verfolgen, macht es sich an manchen Stellen aber auch zu leicht mit Erklärungen und Wendungskausalitäten, was den Fluss zwar begünstigt, die Stimmung jedoch beizeiten etwas drückt. Letztlich ist das Erzählte lange nicht so intelligent, wie es verkauft wird, aber natürlich immer noch um Längen klüger als das meiste andere, was man heutzutage zu sehen bekommt.

Fazit

Ein Science-Fiction-Kammerspiel, ähnlich wie der bekanntere The Man from Earth, das durch seine gelungenen Figuren und die intensive, aber nie aufdringliche Handkameraarbeit überzeugt. Die Prmämisse selbst ist ohne Frage nett, aber genau wie der Plot selbst kein Geniestreich. Für eine intensive Erfahrung mit eigenständiger Atmosphäre ist das aber auch gar nicht nötig. Coherence bietet genau das.