X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

Nicht jeder stimmte in den Jubel mit ein, als bekannt wurde, dass Bryan Singer wieder das Ruder im neuen X-Men übernehmen würde. Nicht etwa, weil X-Men und X-Men 2 schlechte Filme gewesen wären, sondern weil Matthew Vaughn sich als der kompetentere Geschichtenerzähler erwiesen hat, als er die Mutantentruppe mit seinem X-Men: Erste Entscheidung mit einem Schlag von dem Debakel X-Men: Der letzte Widerstand emanzipierte.
Für X-Men: Zukunft ist Vergangenheit kann aber Entwarnung gegeben werden.

Patience isn’t my strong suit.

Story

Wir schreiben das Jahr 2023, die Zivilisation hat sich in sich selbst verbissen und schließlich getötet, die wenigen verbliebenen Mutanten werden von Robotern, den sogenannten Sentinels, die sich auf jede nur denkbare Fähigkeit einstellen können, gejagt und niedergestreckt.
Der Kern der alten X-Men-Garde sucht eine Dame namens Shadowcat, die die Fähigkeit besitzt, das Bewusstsein einer Person in die Vergangenheit zu schicken, wo es in seinem jüngeren Körper landet. Eine Reise, die sich über mehr als einen Monat erstreckt, würde normale Wesen das Leben kosten. Da Logan mit seinen ausgeprägten Selbstheilungskräften aber keineswegs als normales Wesen durchgeht, sendet man ihn in das Jahr 1973, um dort die jungen und wenig einsichtigen Kontrahenten Charles Xavier und Erik Lensherr miteinander zu versöhnen und den katastrophischen Lauf der Zeit zu ändern. Unterdessen tickt die Uhr in der Gegenwart, denn die Sentinels sind den verbleibenden Widerständlern dicht auf den Fersen.

Kritik

Nach einem etwas ärgerlich-generischen Anfangsmonolog und dem klassisch semi-trashigen Vorspann in Metalloptik mit Klingengeräuschen und gediegenen Cube-Anleihen kommen prompt die ersten unbekannten Mutanten ins Spiel, die sämtlich einem Spezialeffekte-Film unseres Lieblingsfilmlandes Japan entsprungen sein könnten und zum Teil auch recht eilig das Zeitliche segnen. Ein paar Ekelbeben in Erinnerung an X-Men: Der letzte Widerstand können da natürlich nicht ausbleiben. Doch zu Glück erfährt diese Vision keine entsprechende Einlösung in der Praxis. Im Gegenteil, es kommt ganz anders. Es kommt weitaus besser.
Vor allem anderen fällt aber auf, wie unbeschwert und locker die neuste Auskopplung der Marvel-Serie geworden ist. X-Men: Zukunft ist Vergangenheit ist voll von ungezwungenem Humor. Das führt in manchen Szenen sogar so weit, dass sich der Film kurzzeitig zu einer ziemlich albernen Slapstick-Komödie wandelt. Doch da das ‚albern‘ eines dieser seltenen guten ‚albern‘ ist und das ‚ziemlich‘ ein ‚ziemlich‘ wie vor ‚ziemlich witzig‘ ist, kann man zwar die fehlende Ernsthaftigkeit bemängeln, aber zugleich nicht verleugnen, dabei Freude zu empfinden.
Funktionieren tut das Gesamtwerk vornehmlich deswegen, weil alte Tugenden und Thesen trotz des komödiantischen Übergewichts sinnvoll aufgenommen und weitergeführt werden. Dieser neue X-Men-Film beweist nicht trotz, sondern zusätzlich zu seiner Freude am Spaß die Fähigkeit, die guten Aspekte seiner Vorgängerfilme zu schultern und gekonnt in seine eigene Geschichte mit hineinzunehmen. Der Film wirkt frisch und jung, aber er trägt ein mittlerweile doch recht komplexes und vor allem sehr schweres Erbe mit sich herum. Der mediale Terror; die Belagerung und Verdinglichung aller fremden Geschöpfe durch die eingeschüchterten Menschen; die inneren Konflikte der Ausgestoßenen und Abgesonderten; die Macht der Angst und ihre verheerende Stärke. All das ist weiterhin Thema und wird sehr sinnig integriert.
Dies macht X-Men: Zukunft ist Vergangenheit nicht nur zum kurzweiligsten, sondern neben X-Men: Erste Entscheidung auch zum ernstzunehmendsten, zum relevantesten Teil der Serie. Der Dank hierfür gebührt der lobenswerten Tatsache, dass sich der Film nur scheinbar am außer Kontrolle geratenen Wettkampf der Comicverfilmungen anschließt, mit jeder bewältigten Herausforderung beim nächsten Schritt noch mehr Zerstörung und Epos sein zu müssen, beim nächsten Mal alles noch größer, lauter und bedrohlicher zu gestalten. Auf den ersten Blick mag es um die gesamte Zukunft der gesamten Erde gehen, eigentlich aber steht das Schicksal Weniger im Vordergrund. Man fiebert nicht um das Leben anonymer Bewohner irgendwelcher gesichtsloser Großstädte, sondern um alte Bekannte, die sich im Laufe ihrer bunten Abenteuer der vergangenen 14 Jahre Profil und eine eigene Filmbiographie erarbeitet haben.

Einige Figurenhandlungen sind kaum nachvollziehbar und wirken teils seltsam schlecht durchdacht. Hier merkt man: Es sind nun mal Comiccharaktere. Das ist keine Rechtfertigung, die funktionieren kann, denn mit der Kritik muss der Film einfach leben, aber belassen wir es bei der Erwähnung.
Das Aufeinandertreffen der Generationen, das Trailer und Synopsis erwarten lassen, ist übrigens kaum Thema des Filmes. Fast die ganze Geschichte gehört dem alterslosen Wolverine und den jungen Alter Egos von Professor X, Magneto, Beast und Raven. Einige alte Bekannte werden dafür wortwörtlich verschleudert. Tatsächlich kommen deutlich weniger Mutanten als in jedem anderen Film der Reihe vor, anders wäre die Geschichte in ihrer eleganten Schlankheit aber auch nicht zu verwirklichen gewesen.
Charmebolzen Peter Dinklage gibt den flachen Schurken Bolivar Traske seinem Profil entsprechend und macht eine bessere Figur, als jeder andere an seiner Stelle es wohl getan hätte, gegen die Einseitigkeit seines fanatischen Kittelträgers mit Nazi-Allüren kann er aber auch nicht anspielen.

Neben ein paar sehr rüden Nachlässigkeiten in Bezug auf die Konsistenz des Gesamtkanons lässt sich – natürlich – auch in der Zeitreiselogik Unstimmigkeit finden. Es wird viel Lärm darum gemacht, dass man nur diese eine Chance hätte und das Unterfangen auf jeden Fall glücken müsse, sonst gäbe es nur noch Ende. Aber wieso denn eigentlich? Genaugenommen spräche nur wenig dagegen, bei einem Misserfolg einfach wieder jemanden in die Vergangenheit zu katapultieren. Und wieder und wieder und wieder, bis eben alles im Lot ist. Die notwendige Reise müsste sich nicht über Jahrzehnte erstrecken, sondern nur bis zum Start der vorangegangenen Reise selbst gehen und diese verändern, was höchstens ein paar Tage sein dürften.

Fazit

Nach den mittelmäßigen Spin-Offs, dem desaströsen Trilogieabschluss und der überraschenden Kehrtwende des Prequels macht Bryan Singers dritter Ausflug in das Marvel-Universum eigentlich alles richtig.
X-Men: Zukunft ist Vergangenheit macht Spaß, ist selbstsicher und persönlich, ehrt beide Generationen und öffnet auf eine charmante Weise Türen.
Und damit schließt sich ein Kreis, wodurch die Zeitreisestory ungeachtet kleinerer Schnitzer, ihren Auftrag bestens erfüllt.

Wolverine: Weg des Kriegers

X-Men Origins: Wolverine berauschte nicht an der Kinokasse und auch nicht in Kritiker- und Fankreisen. Der Nachfolger sollte alles besser machen: Die X-Men-Schreiberlinge wurden an Bord geholt, Hugh Jackman vertilgte vor sechs Monate vor Drehbeginn stolze 6 Mahlzeiten am Tag, chattete mit Fans und schmiss mit Geld um sich.

I feel violated.

Story

Nach den wenig erfreulichen Ereignissen des wenig erfreulichen X-Men: Der letzte Widerstand hat Logan die Nase voll Mensch wie Mutant und verkriecht sich tief im kanadischen Gehölz, um mit der Vergangenheit zu hadern und sich einen stattlichen Bart zu züchten.
Doch wie das mit Superhelden und ihrem Wunsch nach Einsamkeit nun mal so ist, steht irgendwann ein kesses Mädchen in Leder vor ihm und macht ein Angebot, dass der ehemalige Held kaum ausschlagen kann.
Offizier Yashida, dem er 1945 beim Atombombenabwurf in Nagasaki das Leben rettete, liegt im Sterben und ruft nach seinem alterslosen Retter.
Wolverine setzt also nach Japan über und stellt fest, dass sein damaliger Schützling nicht nur ein einflussreicher Unternehmer ist, sondern auch das Schicksal aller einflussreichen Unternehmer in Japan teilt: Er befindet sich im Fadenkreuz der Yakuza. Viel interessanter ist aber eine fantastisch klingende Forderung des Alten. Er kann Logans Selbstheilungskräfte auf sich übertragen und ihn somit wieder sterblich machen.
Ehe sich Logan die Sache ein zweites Mal durch den Kopf gehen lassen kann, befindet er sich mit der Tochter Yashidas auf einem Spießroutenlauf durch die japanische Unterwelt.

Kritik

Dass die Drehbuchautoren des ersten X-Men-Teils über diesem Film meditierten, ist nicht der Glücksfall, nach dem es eingangs vielleicht klingt. Denn auch die Geschichte des Erstlings war keine Glanzleistung. Wie spannend wäre es gewesen, wenn stattdessen der kurze Zeit in Verhandlung gestanden habende Simon Beaufoy, der für Boyle 127 Hours und Slumdog Millionär verschriftlich hat, und Regisseur Guillermo del Toro, dem die Drehzeit letztlich zu lang war und der deshalb Pacific Rim aus dem Ärmel schüttelte, sich der Sache mit dem Krallenmann angenommen hätten. So sind die inneren Werte von Wolverine: Weg des Kriegers nahezu identisch mit denen seines Vorgängers geworden.
Doch Hand aufs Herz, so schlecht war X-Men Origins: Wolverine gar nicht. Gute Unterhaltung mit dem prominentesten Mitglied der gelbgekleideten Heldentruppe unter Charles ‚Racer‘ Xavier. Doch trotz geringerer Erwartungen ist der Nachfolger sogar noch etwas weniger gut als der erste Soloausflug von Wolverine.

Die Action ist wieder sauber und schnittig inszeniert, leider aber genauso höhepunk- wie bluttarm. Wenn der Film bemüht ist, diesen Missstand gezielt zu bereinigen, wirken die angestrebten Highlights zu sehr over the top und aufgesetzt. Dafür hat der Film in den ersten zwei Dritteln ein angenehm straffes Tempo. Immer passiert irgendwas, das zudem angenehm rhythmisch gefilmt ist, und unterm Strich geht der Streifen runter wie Öl. Bis dann im letzten Drittel plötzlich Ideenarmut die Oberhand gewinnt.
Das Hauptproblem ist wie so oft ein schrecklich einfaches: Nicht so richtig in die Pötte kommt der Film, was in erster Linie daran liegt, dass er keine nennenswerte Geschichte zu erzählen hat.
Was für vieles entschädigt, ist der gewaltige Jackman-Bonus. Der Mann ist bereits seit 13 Jahren der grantige Wolverine und gibt sich hier das sechste Mal die Ehre, den wölfischen Außenseiter fürs Kino zu verkörpern. Das erhoffte Wolverine-Stillleben ist auch das zweite Soloabenteuer nicht geworden, sondern „nur“ ein solider Actionfilm mit großem Figurenbonus. Wenn man genau das erwartet und in erster Linie auf eine deftige Portion Logan aus ist, wird man sicher auf seine Kosten kommen. Einziger Wehrmutstropfen sind die penetranten Visionen von seiner verstorbenen Herzensdame, die vom Prinzip her zur Figur passen, doch denkbar unpassend in Szene gesetzt sind. Auch die erquickliche Kongruenz von Hugh Jackman und Wolverine in Sachen Physis täuscht kaum darüber hinweg, dass der adamantiumbewährte Mutant noch einmal ein Stück weichherziger und menschlicher geworden ist. Von dem triebergebenen Wüstling aus dem Comics ist kaum etwas zu sehen. Dazu ist diese Interpretation einfach zu domestiziert.

Ebenfalls recht ärgerlich ist der Umstand, dass Japan als frischer und exotischer Handlungsort überhaupt nicht genutzt wird. Stattdessen verkommen die Japaner teils fast schon zur Karikatur und das Land mit seinen reichhaltigen Möglichkeiten (vor allem in Sachen kultureller Differenz zum Rest der Welt) wird für den Westen in faden Häppchen ohne Würze auf dem plumpen Klischee-Löffel präsentiert. Das geht so weit, dass Japan entweder rückständig, schräg, böse oder alles zusammen ist. Nur nicht so aufregend und anders, wie dieses Fleckchen Welt und damit die Geschichte hätte sein können. Nicht nur Logan, der ganze Film verhält sich hier wie die Axt im Walde. Jammerschade, weil der zugrundliegende Comic (mit dem der Film sowieso wenig mehr als Protagonisten und Schauplatz gemein hat) hier mit deutlich mehr Substanz aufwartet.

Fazit

Die Chance, das zweite Mal alles besser zu machen, bieb sträflich ungenutzt. Eine lasche Story in einem Land, das viele Möglichkeiten geboten hätte, von denen kaum eine genutzt wird. Trotzdem ist es auch dieses Mal eine Freude zu betrachten, wie Wolverine durch Hugh Jackman Leben eingehaucht wird.
Hoffentlich darf der Krallenmann eines Tages in einer angemessenen Geschichte über die Leinwand huschen.
Wolverine: Weg des Kriegers ist leider nur ein gewöhnlicher Actionfilm, dessen interessantester Aspekt die Vorschau nach dem Abspann ist.

The Prisoner

Patrick McGoohan schuf 1967 Nummer 6 – The Prisoner und nahm auch sogleich die Hauptrolle an sich. Die Serie war vorausschauend, mutig in der Themenwahl und bald schon gefeierter Kult.
Mehr als 40 Jahre später wagt sich der Sender AMC an ein Remake und schafft eine Mini-Serie, die mit dem Original so gut wie nichts gemein hat, aber gerade durch ihre Eigenständigkeit überzeugen könnte.

There is no New York. There is only the Village.

Story

Nummer 6, wie er bald heißen wird, steht in der Wüste. Weder weiß er, wer er eigentlich ist, noch ist ihm bekannt, wo er sich befindet. Nur an ein zufälliges Treffen mit einer seltsamen Frau und an die Kündigung seiner alten Arbeitsstelle erinnert er sich noch bruchstückhaft.
Nach einer Weile stößt er auf ‚Die Stadt‘. Ein Örtchen mitten im Nirgendwo, wo die Menschen vollkommen autark wohnen und nichts von einer Welt außerhalb ihrer Stadt wissen. Und Sechs muss bald schon feststellen, dass dies seinen Grund hat, denn die Wüste um die Stadt herum scheint unpassierbar und merkwürdige Phänomene sorgen immer wieder dafür, dass man zurück in der Siedlung landet.
Ihr von allen verehrter Regent ist Nummer 2. Ein älterer Herr, der sich an Nummer 6 ausgesprochen interessiert zeigt und offenbar mehr als nur ein kleines Geheimnis zu verwahren hat. Ebenso offensichtlich ist es aber, dass es sich bei ich m um einen äußerst gefährlichen Mann handelt.
Ehe Sechs sich umschauen kann, ist er in ein undurchsichtiges Vexierspiel aus Täuschungen, Doppel-, Dreifach, Anderthalb-Agenten und Identitätszweifeln verstrickt.
Gibt es eine Welt da draußen vielleicht wirklich nicht? Gehört er hierher? Will Nummer 2 nur das Beste für die lächelnden Bewohner?

Kritik

The Prisoner ist handwerklich tadellos gemacht, weiß mit Stimmungen umzugehen und hat eine nette Grundidee. Es sind andere Dinge, die der Sci-Fi-Serie ein Bein stellen. Vor allem das niemals nachvollziehbare Verhalten der Hauptfigur und die abgehackte, unentschlossen wirkende Erzählweise von The Prisoner.
Niemand, der sich in derselben Situation wie Nummer 6 befindet, würde sich so wie Nummer 6 verhalten. Nach knapp 25 Minuten weiß er mehr über die Stadt als jeder andere seit Jahrzehnten dort lebende. Vielleicht ist er einfach nur außergewöhnlich klug und mit einer unheimlichen Auffassungsgabe ausgestattet, aber würde er dann wirklich sofort zum Gegenspieler laufen und ihm seine nächsten Schritte über den Zaun herüber rufen, bevor er sie angeht? Die ganze Serie macht aus, dass Nummer 6 sich nicht mit Entscheidungsfindungen aufhält. Er leidet unter Entscheidungen, aber trotzdem trifft er sie immer so reflexartig und ad-hoc, dass sein Verhalten schon an Geisteskrankheit grenzt.  Diese sonderbaren Anwandlungen lassen sich mit viel gutem Willen und zielorientierter Interpretationsarbeit zwar im Ansatz erklären, doch so leicht und feige will man The Prisoner eigentlich nicht davonkommen lassen. Bei einer Serie, die nur 6 Episoden andauert und dabei eine solche Geschichte erzählen möchte, muss man Abstriche wohl in erster Linie bei der Charakterzeichnung hinnehmen. Doch so ungelenk, wie der Protagonist durch die Handlung gestoßen wird, muss es wirklich nicht sein.
Es fällt auch stark ins Gewicht, dass Jim Caviezel, der die Sechs verkörpert, ein Schauspieler mit eher limitiertem Talent ist. Auf Deutsch weiß sein gleichgültig klingender Synchronsprecher diesen Fakt noch zu untermauern. Mit fast schon teilnahmslosem Gesicht stolpert er durch die Stadt und reiht selten in sich schlüssige Handlungen aneinander. Vor allem neben Schauspielschwergewicht Ian McKellen fällt seine Durchschnittlichkeit deutlich auf. Daher ist es kaum verwunderlich, dass dessen Nummer 2 auch der heimliche Star der Serie ist deutlich mehr Screentime bekommt, als es einem Antagonisten eigentlich  zustehen würde.
Wem könnte man diese Entscheidung verübeln? Denn während Nummer 2 souverän und wunderbar diabolisch sein doppelbödiges Spiel nach eigenen Regeln spielt, prallt der eigentliche Hauptdarsteller von Ereignis zu Ereignis, ohne selbst wirklich was zu tun, und wird dennoch als Handelnder verkauft. Seine Gesichtsausdrücke beschränken sich auf Überraschung, Charme und Wut. Und nichts davon wirkt echt.

Die Geschichte ist, wie erwähnt, eine hakenschlagende Angelegenheit.  Anfangs freut man sich noch, dass es wohl doch nicht so plump wird, wie man es als leiderprobter TV-Schauer befürchten könnte. Stattdessen steigert sich die Science-Fiction-Serie nach dem ordentlichen Anfang erst einmal kontinuierlich. Geschickt spielt The Prisoner in den ersten Episoden mit den Erwartungen und Sehgewohnheiten des Zuschauers, wiegt ihn immer wieder für ein Weilchen in Sicherheit, um dann mit einer guten Wendung einen Teil der Karten doch wieder neuzumischen. Die Hintergrundgeschichte über den einzigen Abend, an den Sechs sich noch erinnert, ist geschickt eingeflochten und ergibt mit jeder Momentaufnahme, die von ihr preisgegeben wird, ein bisschen mehr Sinn. Tatsächlich gibt es wenig Effekthascherei und dafür relativ viel Substanz. Zwischendrin immer wieder atemberaubende Aufnahmen des Wüstenmeeres, in dem die Figuren unentwegt nach Rettung irren.
Schade nur, dass so viele Dinge einfach fallengelassen werden. In Folge 3 ist plötzlich jeder ein Agent, Doppelagent, Dreifachagent und womöglich noch mehr. Sechs wird in diesem Zuge Lehrer und gibt seiner Klasse einen interessanten Auftrag. Und der Zuschauer freut sich über diese unerwartete Wendung und die tolle Idee. In Folge 4 ist aber keine Spur mehr hiervon und die Serie macht einfach in anderer Richtung weiter. Furchtbar Enttäuschend.
Und auch Folge 5 und 6 machen den Aufstieg nicht mehr mit. Bis zum Ende der vorletzten Episode werden in einem Mordstempo nur teilweise interessante Fragen geschichtet. Die Antworten selbst sind schlussendlich deutlich banaler und welker als die Fragen es waren. Dann stellt sich heraus, dass The Prisoner doch gar nicht so viel zu sagen und zu verstecken hat, wie er über weite Strecken weismachen möchte. Davon abgesehen gibt es zwar eine gerade so befriedigende Erklärung für alles, doch leider weist diese wiederum eine Vielzahl an Logiklöchern auf, die von der Serie dann aber geflissentlich ignoriert werden.

Fazit

Ein zweischneidiges Schwert ist diese Serie. Zum einen die wohlige Dosis Mystery, ein erstklassig gemimter Antagonist und ein ziemlich merkwürdiger, sich stark im Hintergrund haltender Humor. Zum anderen der schwache Hauptdarsteller mit seiner ebenso schwachen Figur, die stockend erzählte Geschichte und der letztendliche Mangel an wirklich zufriedenstellenden Antworten.
Gut gemacht wurde sie aber, und auch dass man hier viel Schweiß und Liebe investiert hat, lässt die Serie spüren. Aufgrund dieser Attribute kann man sich die sechs Folgen schmerzlos zu Gemüte führen.
Lässt man es, verpasst man auch nicht allzu viel.