The Prisoner

Patrick McGoohan schuf 1967 Nummer 6 – The Prisoner und nahm auch sogleich die Hauptrolle an sich. Die Serie war vorausschauend, mutig in der Themenwahl und bald schon gefeierter Kult.
Mehr als 40 Jahre später wagt sich der Sender AMC an ein Remake und schafft eine Mini-Serie, die mit dem Original so gut wie nichts gemein hat, aber gerade durch ihre Eigenständigkeit überzeugen könnte.

There is no New York. There is only the Village.

Story

Nummer 6, wie er bald heißen wird, steht in der Wüste. Weder weiß er, wer er eigentlich ist, noch ist ihm bekannt, wo er sich befindet. Nur an ein zufälliges Treffen mit einer seltsamen Frau und an die Kündigung seiner alten Arbeitsstelle erinnert er sich noch bruchstückhaft.
Nach einer Weile stößt er auf ‚Die Stadt‘. Ein Örtchen mitten im Nirgendwo, wo die Menschen vollkommen autark wohnen und nichts von einer Welt außerhalb ihrer Stadt wissen. Und Sechs muss bald schon feststellen, dass dies seinen Grund hat, denn die Wüste um die Stadt herum scheint unpassierbar und merkwürdige Phänomene sorgen immer wieder dafür, dass man zurück in der Siedlung landet.
Ihr von allen verehrter Regent ist Nummer 2. Ein älterer Herr, der sich an Nummer 6 ausgesprochen interessiert zeigt und offenbar mehr als nur ein kleines Geheimnis zu verwahren hat. Ebenso offensichtlich ist es aber, dass es sich bei ich m um einen äußerst gefährlichen Mann handelt.
Ehe Sechs sich umschauen kann, ist er in ein undurchsichtiges Vexierspiel aus Täuschungen, Doppel-, Dreifach, Anderthalb-Agenten und Identitätszweifeln verstrickt.
Gibt es eine Welt da draußen vielleicht wirklich nicht? Gehört er hierher? Will Nummer 2 nur das Beste für die lächelnden Bewohner?

Kritik

The Prisoner ist handwerklich tadellos gemacht, weiß mit Stimmungen umzugehen und hat eine nette Grundidee. Es sind andere Dinge, die der Sci-Fi-Serie ein Bein stellen. Vor allem das niemals nachvollziehbare Verhalten der Hauptfigur und die abgehackte, unentschlossen wirkende Erzählweise von The Prisoner.
Niemand, der sich in derselben Situation wie Nummer 6 befindet, würde sich so wie Nummer 6 verhalten. Nach knapp 25 Minuten weiß er mehr über die Stadt als jeder andere seit Jahrzehnten dort lebende. Vielleicht ist er einfach nur außergewöhnlich klug und mit einer unheimlichen Auffassungsgabe ausgestattet, aber würde er dann wirklich sofort zum Gegenspieler laufen und ihm seine nächsten Schritte über den Zaun herüber rufen, bevor er sie angeht? Die ganze Serie macht aus, dass Nummer 6 sich nicht mit Entscheidungsfindungen aufhält. Er leidet unter Entscheidungen, aber trotzdem trifft er sie immer so reflexartig und ad-hoc, dass sein Verhalten schon an Geisteskrankheit grenzt.  Diese sonderbaren Anwandlungen lassen sich mit viel gutem Willen und zielorientierter Interpretationsarbeit zwar im Ansatz erklären, doch so leicht und feige will man The Prisoner eigentlich nicht davonkommen lassen. Bei einer Serie, die nur 6 Episoden andauert und dabei eine solche Geschichte erzählen möchte, muss man Abstriche wohl in erster Linie bei der Charakterzeichnung hinnehmen. Doch so ungelenk, wie der Protagonist durch die Handlung gestoßen wird, muss es wirklich nicht sein.
Es fällt auch stark ins Gewicht, dass Jim Caviezel, der die Sechs verkörpert, ein Schauspieler mit eher limitiertem Talent ist. Auf Deutsch weiß sein gleichgültig klingender Synchronsprecher diesen Fakt noch zu untermauern. Mit fast schon teilnahmslosem Gesicht stolpert er durch die Stadt und reiht selten in sich schlüssige Handlungen aneinander. Vor allem neben Schauspielschwergewicht Ian McKellen fällt seine Durchschnittlichkeit deutlich auf. Daher ist es kaum verwunderlich, dass dessen Nummer 2 auch der heimliche Star der Serie ist deutlich mehr Screentime bekommt, als es einem Antagonisten eigentlich  zustehen würde.
Wem könnte man diese Entscheidung verübeln? Denn während Nummer 2 souverän und wunderbar diabolisch sein doppelbödiges Spiel nach eigenen Regeln spielt, prallt der eigentliche Hauptdarsteller von Ereignis zu Ereignis, ohne selbst wirklich was zu tun, und wird dennoch als Handelnder verkauft. Seine Gesichtsausdrücke beschränken sich auf Überraschung, Charme und Wut. Und nichts davon wirkt echt.

Die Geschichte ist, wie erwähnt, eine hakenschlagende Angelegenheit.  Anfangs freut man sich noch, dass es wohl doch nicht so plump wird, wie man es als leiderprobter TV-Schauer befürchten könnte. Stattdessen steigert sich die Science-Fiction-Serie nach dem ordentlichen Anfang erst einmal kontinuierlich. Geschickt spielt The Prisoner in den ersten Episoden mit den Erwartungen und Sehgewohnheiten des Zuschauers, wiegt ihn immer wieder für ein Weilchen in Sicherheit, um dann mit einer guten Wendung einen Teil der Karten doch wieder neuzumischen. Die Hintergrundgeschichte über den einzigen Abend, an den Sechs sich noch erinnert, ist geschickt eingeflochten und ergibt mit jeder Momentaufnahme, die von ihr preisgegeben wird, ein bisschen mehr Sinn. Tatsächlich gibt es wenig Effekthascherei und dafür relativ viel Substanz. Zwischendrin immer wieder atemberaubende Aufnahmen des Wüstenmeeres, in dem die Figuren unentwegt nach Rettung irren.
Schade nur, dass so viele Dinge einfach fallengelassen werden. In Folge 3 ist plötzlich jeder ein Agent, Doppelagent, Dreifachagent und womöglich noch mehr. Sechs wird in diesem Zuge Lehrer und gibt seiner Klasse einen interessanten Auftrag. Und der Zuschauer freut sich über diese unerwartete Wendung und die tolle Idee. In Folge 4 ist aber keine Spur mehr hiervon und die Serie macht einfach in anderer Richtung weiter. Furchtbar Enttäuschend.
Und auch Folge 5 und 6 machen den Aufstieg nicht mehr mit. Bis zum Ende der vorletzten Episode werden in einem Mordstempo nur teilweise interessante Fragen geschichtet. Die Antworten selbst sind schlussendlich deutlich banaler und welker als die Fragen es waren. Dann stellt sich heraus, dass The Prisoner doch gar nicht so viel zu sagen und zu verstecken hat, wie er über weite Strecken weismachen möchte. Davon abgesehen gibt es zwar eine gerade so befriedigende Erklärung für alles, doch leider weist diese wiederum eine Vielzahl an Logiklöchern auf, die von der Serie dann aber geflissentlich ignoriert werden.

Fazit

Ein zweischneidiges Schwert ist diese Serie. Zum einen die wohlige Dosis Mystery, ein erstklassig gemimter Antagonist und ein ziemlich merkwürdiger, sich stark im Hintergrund haltender Humor. Zum anderen der schwache Hauptdarsteller mit seiner ebenso schwachen Figur, die stockend erzählte Geschichte und der letztendliche Mangel an wirklich zufriedenstellenden Antworten.
Gut gemacht wurde sie aber, und auch dass man hier viel Schweiß und Liebe investiert hat, lässt die Serie spüren. Aufgrund dieser Attribute kann man sich die sechs Folgen schmerzlos zu Gemüte führen.
Lässt man es, verpasst man auch nicht allzu viel.

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