Tusk

Kevin Smith, der in jüngsten Jahren mit Komödien wie Clerks, Mallrats, Chasing Army und Dogma Weltruhm und Nerdliebe erlangte, lässt lässt seiner New-Jersey-Saga nun eine True-North-Trilogy folgen. Den Anfang macht ausgerechnet ein Horrorfilm, der auf den Spuren Hostels wandelt und sich mit einem wahnsinnigem Wissenschaftler schmückt.

I don’t wanna die in Canada!

Story

Wallace ist die Definition eines unausstehlichen Kerls, der sich schlecht kleidet, schlecht redet, schlecht ist. Ein Waschechter Unsympathant, der aus dem Leid anderer sein emotionales Kapital schlägt, indem er sich gemeinsam mit Kumpel Teddy er einen erfolgreichen Internetpodcast Pechvögel an den Pranger stellt.
Als er in Kanada eine von ihn zur Witzfigur gemachten Person live interviewen will, stellt er fest, dass diese sich aus Scham zwischenzeitlich das Leben genommen hat. Reue empfindet Wallace aber vornehmlich aufgrund der umsonst angetretenen Reise, weshalb er sich spontan auf die Suche nach anderem macht, über das sich berichten lassen könnte. An der Pinnwand einer Bar entdeckt er die Ausschreibung eines Herren, der alleine in seinem Anwesen altert, sich als Weltenbummler ausweist und damit lockt, zahlreiche Geschichten zu kennen.
Wallace wittert eine Quelle neuer Lächerlichkeit und macht sich auf dem Weg. Was ihn erwartet ist ein manierliches Herrenhaus, dessen Besitzer Howard Howe nicht nur zahlreiche Geschichten zum Besten geben kann, sondern als genialer, aber etwas wahnsinniger Wissenschaftler seine ganz eigenen Pläne mit dem Besucher hat.

Kritik

Anfangs ist das Aufeinandertreffen der beiden Ungleichen durchaus aufgeladen. Denn mit dem schleimigen Widerling Wallace und dem kultivierten, zuvorkommenden und zugleich ungezwungenen Howard in seinem vornehm Staub ansetzenden Herrenhaus kollidieren tatsächlich sehr effektiv zwei Welten; dass Wallace dem mehr oder weniger jungen Medium Podcast zuzurechnen ist, spielt eigentlich überhaupt keine Rolle. Der betagte Mann von Welt, welcher sich als sadistischer Psychopath herausstellt, wird wie zu erwarten bestens Michael Parks verkörpert, leidet aber an der generellen Dünnheit seines Charakters. Gleich wie irre seine Idee ist und wie herrlich unvorhersehbar sich die Landschaft seines Gesichts auch bewegen kann, wenn er sein Spiel mit Boshaftigkeiten treibt – sobald raus ist, dass sich hinter der interessanten Fassade nur eine flache Motivation steckt, verliert nicht nur er als Figur an Attraktivität, sondern der ganze Film.
Vielleicht ist genau dies das Konzept. Tusk ist strukturell zu 90% Horrorfilm: Der Protagonist landet in den Fängen des Bösen, muss Plagen erdulden und unterdessen suchen seine Mitmenschen ihn nach altbekanntem Muster. Sein Freund und Co-Podcaster Teddy wird gespielt von Haley Joel Osment, oscarnominiert für seine Rolle als tote Menschen sehendes Kind aus The Sixth Sense, mittlerweile etwas dicker, etwas älter und nicht mehr zu erkennen. Und nichts abliefernd, was eine weitere Nominierung rechtfertigen würde.
Dass als Auslöser der Masterplan eines irren Großväterchen dient, einen Menschen zum Walross zu transformieren, ist aber dermaßen skurril, dass man regelmäßig die für sich selbst überprüfen muss, ob man das, was man da sieht, als Witz versteht oder nicht. In erster Linie ist es grausam, widerwärtig und ehrlich gesagt auch ein bisschen langweilig – aber es geht verdammt noch mal darum, dass jemand alles daran setzt, einen Menschen in die seiner Meinung nach edelsten Kreatur auf Gottes Erde zu verwandeln: In ein Walross (nur um es noch mal zu sagen). Artikulierten Witz gibt es auf dieser Seite des Flusses aber keinen zu sehen, allein die implizite Übertreibung der Situation hat humoristische Züge.
Während die Wortäußerungen des Podcaststars nicht kess, sondern jämmerlich wirken sollen, lässt sich der einzig wirklich komödiantische Aspekt in einigen Kurzauftritten von kauzigen, völlig überzeichneten Figuren finden, die den Protagonisten die Richtung weisen und „normale Kanadier“ repräsentieren sollen. Diese Ausreißer sind durchweg gelungen, den Höhepunkt aber stellt das ausgedehnte Stelldichein eines wirklich großen Stars als Kriminalbeamter dar, den man in diesem Film unter keinen Umständen vermutet hätte. Wo der genau das macht, womit er im vergangen Jahrzehnt berühmt geworden ist, wenn er sich in gestellter Trotteligkeit übt und damit mit selbstgefälligen Improvisationen des immer wieder gleichen Typus die Kamera für sich einnimmt.

Positiv zu vermerken ist, dass Tusk sich nicht in endlosen Operations- und Folterszenen ergeht, sondern diese höchstens andeutet und dafür größeren Wert auf finale Zustände legt. Bei diesen finalen Zuständen greift auch schon wieder das scheinbare Leitmotiv des Filmes, denn es ist unmöglich, sich zu entscheiden, ob die Schöpfung des nun mehr bemitleidenswert und grausam aussieht, oder ob der Film nicht doch durch ihre überzogene Darstellung gar nicht so ernst genommen werden will.

Fazit

Ein Hinweis auf die Dumpfheit der Ecke, in die sich das Horror-Genre verfahren hat? Ein psychologisches Experiment, was passiert, wenn die klassische Horrornervensäge noch unerträglicher als normalerweise schon ist?
Was auch immer die Antwort sein mag, ist gar nicht so wichtig, denn der Film als solcher ist aller Provokations- und Aufheiterungsversuche zum Trotz schlicht nicht gut. Die zwar bizarre, aber nach 5 Minuten doch sehr dünn wirkende Prämisse bleibt unerweitert und so bietet Tusk Stoff für einen passablen Kurzfilm, erschöpft sich in seiner abendfüllenden Form aber schnell.
Als außergewöhnlich in Erinnerung bleibt daher nur die seltene Tatsache, dass auch nach dem Abspann nicht abzuschätzen ist, wie ernst das gerade Gesehene sich selber nimmt. Und natürlich eine sehenswerte Show von altmeister Michael Parks als gruseliger Mann.
So erbärmlich, wie die Nutzerreviews auf IMDB – „I hate you Kevin Smith!“ – erwarten lassen, ist Tusk aber keinesfalls.

Die beiden geplanten anderen Teile der Trilogie sollen übrigens ein rasanter Abenteuerfilm namens Yoga Hosers und Moose Jaws… ein Film mit Haien und Elchen… werden. Auch hier sollen bereits eingeführte Figuren wiederholte Auftritte haben.

Steins;Gate

Mit dem Hintergrund zu Steins;Gate verhält es sich weit komplizierter als mit der erzählten Geschichte. 2008 erschien auf der XBOX 360 die visual novel Chaos;Head der beiden Entwickler 5pb. und Nitroplus. Aufgrund der Wahnvorstellung des Protagonisten entstand das Spin-Of Steins;Gate, ebenfalls ein Spiel, welches selbst drei Nachfolger bekam. Aus den beiden innovativen Titeln wurden später Mangas und Animes.
Der Erfolg scheint nicht abzunehmen, denn neben der TV- und Buch-Umsetzung gibt es von dem Titel außerdem noch CDs, ein Brettspiel, eine eigene Radioshow und einen den Spielfilm Steins;Gate: Fuka Ryōiki no Déjà vu.
Das wirkt so, als wolle man auf Basis eines Überraschungserfolgs mit immer neuen Auskopplungen den großen Reibach machen. Vermutlich ist das auch der Fall. Doch wichtig ist: Die Qualität stimmt, trotz Videospiel-Vorlage.

Könntest du noch einen Moment warten?

Story

Dem jungen und selbsterklärt wahnsinnigen Wissenschaftler Rintarō Okabe.und sein aus Freunden zusammengeleimtes Team gelingt nach einer folgenreichen Entdeckung Erstaunliches. Mittels eines umfunktionierten Mikrowellenherdes sind sie in der Lage, Textnachrichten eines Handys in die Vergangenheit zu senden. Es kommt, wie es kommen muss – mit jeder verschickten SMS verändert sich die Gegenwart in ungeahntem Ausmaß und darüber hinaus hat die wissenschaftliche Organisation SERN Wind von der Sache bekommen und scheint die Forschern mit drastischen Mitteln in ihre Schranken weisen zu wollen.

Kritik

Alles beginnt mit einem manischen Junge, der sich für einen verrückten Wissenschaftler hält und damit gar nicht so verkehrt liegt. Ständig erfindet er Sachen mit zweifelhaftem Zweck und so tut, als wäre er der Kopf eines Aufstandes gegen die ominöse „Organisation“, welche er sich ebenso ausdenkt wie ihre undefinierten, aber definitiv teuflischen Ziele.
Anfangs ist Rintarō Okabe eine hektische Hauptfigur, die so schräg ist, dass sie für sich fasziniert und funktioniert. Vor allem deshalb, weil die Witze tatsächlich zu ihren Pointen finden, wenn auch nicht alle.
Wenn die Serie ihre ersten Schritte macht, befeuern sich Blödsinn und Spannungsbogen in bester Manier gegenseitig und erschaffen damit einen vorbildlichen Sog. Der Zuschauer wird nicht für dumm verkauft und es herrscht von Beginn an ein angenehm hohes Tempo vor, ohne dabei an jeder Ecke alles zu rekapitulieren und mehrmals zu erklären.
Dies ist ein Niveau, das Steins;Gate zu einer ungemein unterhaltsamen Angelegenheit macht, nach Behandlung des ersten Storydrittels aber nicht mehr gehalten werden kann. Ab einem bestimmten Punkt nimmt die Sci-Fi-Serie neue Wege und erhält ein in erster Linie erst mal fundamental anderes Stimmungsgefühl. Sowohl das empfundene als auch das tatsächliche Tempo nehmen ab, der turbulente Humor verliert merklich an Kraft, bis er schließlich so gut wie vollständig verschwindet, und damit verlagert sich auch das narrative Scheinwerferlicht. Bisher beachtete Elemente werden ad acta gelegt und einige wenige dafür vehementer aufgegriffen. Dies ist der Weg, auf dem sich die Geschichte plötzlich abnutzt. Von den vielleicht nicht großen, aber groß gestellten Fragen des Wahnsinns hin zu den persönlichen, aber gewöhnlicheren Fragen individueller Tragik. Steins;Gate gelingt das Kunststück dadurch uninteressanter zu werden, dass es anfängt, Tiefenschärfe zu entwickeln und seine Charaktere zunehmend ernster zu nehmen.
Schade ist es allemal, dass der hervorblitzende Wahnsinn und der vorlaute Witz, welche die ersten Episoden treu begleitet, im Laufe immer weiter abebbt, bis er sich irgendwann fast zur Gänze verabschiedet. Eine Verlagerung hin zum Ernsten wird von der Handlung natürlich gefordert, gerade die durchgängige Gegensätzlichkeit von Irrsinn und Tragik hätten der Serie aber eine wichtige Note verliehen, die im tatsächlichen Zustand leider nur noch andeutungsweise vorhanden ist.

Die Qualität der Zeichnungen ist den Animationen angemessen, insgesamt entsteht ein visuell stimmiger Stil, dem man lediglich etwas mehr Dynamik innerhalb der Bilder wünschen würde, denn die eigentlich hübschen Hintergründe sind oft etwas leblos und die passend abstrakten Figuren manchmal einen Tick zu starr. Dafür hat man sich einige atmosphärestiftende und sehr charakterstarke Stilelemente ausgedacht. Häufig werden bei Gesprächen nur die Ecken gezeigt hinter welchen diese stattfinden. Klingt unwichtig, verschafft der schrägen Grundstimmung aber den letzten Schliff.

Die letzten Folgen vor dem Finale sind durchweg sehr gefühlsbetont und treiben es mit der Sentimentalität auch gerne zu weit. Ein Gespür für die richtigen Bilder zu haben, das kann man den Machern aber nicht absprechen. So rührselig es teils auch ist, die Stimmung wird von Bild und Ton gewaltig aufgewertet, denn die über die ganzen 24 Folgen hinweg ist die Inszenierung nie reißerisch, sondern unaufdringlich, dafür aber umso gekonnter. Verstärkt wird der handwerklich hervorragende Eindruck von den sehr professionellen Sprechern im japanischen Originalton.

Pseudointellektuelle Episodennamen wie „Opfernekrose“ oder „Homeostase der Komplementäre„ sind sicher nicht jedermanns Fall, spiegeln den Ton der Serie aber auch nicht wieder.
Von Wichtigkeit ist natürlich die Frage, ob denn die Zeitreisegeschichte Sinn macht, in sich stimmig ist und ganz besonders, ob es Freude bereitet, sie zu verfolgen. Und all das kann mehr oder weniger bejahen – zumindest für einen großen Teil der Serie. Das Zeitreisekonzept ist ein höchst kurioses, das aber halbwegs glaubwürdig ist, da die Zeiträume, in die zurückgesprungen wird, meist nicht weit von der jeweiligen Gegenwart entfernt liegen. Dass sich nur kleine Dinge verändern, ist somit logisch. Dennoch lassen sich unzählige kleinere und größere Fehler finden, die nicht aufregen, aber auffallen.
Im Showdown selbst versöhnt man sich wieder etwas mit den Figuren und der eigentlichen Handlung, auch wenn man zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz sicher sein, ob das alles, was bisher geschehen ist, so tatsächlich nötig war und auch den Sinn ergibt, den die Serie behauptet. Vieles, das als selbstverständlich vorgestellt wird, ist tatsächlich ziemlich hochtrabende Vorgeblichkeit, vor allem, was kausale Zusammenhänge betrifft. Man mag hier einwerfen, dass das ein zu spitzfindiger Vorwurf des Erbsenzähler-Rezensenten sei, aber insbesondere Geschichten mit zentraler Zeitreisethematik müssen es sich einfach gefallen lassen, dass man Schlüssigkeit erwartet. Steins;Gate hat es sich schon leicht gemacht, indem die vielen Sonderregeln und Beschränkungen in Sachen Zeitenwanderung es gestatten, ebenso viele klassische Stolperfallen einfach zu ignorieren. Wenn es trotz dieser Vorkehrungen noch hapert, dann darf man das der Serie auch zum Vorwurf machen. Gerade am Ende wird dann leider einfach etwas ziemlich wichtiges ignoriert, weil die Geschichte andernfalls nicht auf dem gewünschten Wege zu Ende zu führen wäre. Und das ist dann einfach nur faul oder nachlässig seitens der Drehbuchschreiber.
Blöd oder unerträglich ärgerlich wird es aber nie. Dafür ist die Dynamik, mit der die eigentlich gar nicht so dynamische Geschichte erzählt wird, zu ausgereift.

Fazit

Ein wenig Achtung kann man schon zollen, denn die Geschichte des Videospiels wurde ohne große Abweichungen in eine Serie verpflanzt und funktioniert als solche mehr als nur anständig. Leider geht im späteren Verlauf die Rasanz des Anfangs immer weiter verloren, während die verstärkt eintretende Dramatik keinen vollends würdigen Ersatz abgibt. Trotz einiger Macken ist Steins;Gate eine sehr gut schaubare, die meiste Zeit sehr interessante Serie, die sich angenehm vor dem Sci-Fi-Allerlei der Animewelt abhebt.