The Gospel According to Philip K. Dick

Bei The Gospel According to Philip K. Dick handelt es sich, Findige Titelleser werden es enträtselt haben, nicht um einen Film, sondern um eine Dokumentation über den Titelgebenden Autoren. Daher landet die Rezension auch nicht in der normalen Filmrubrik, sondern darf sich rühmen, ein ‚Special‘ zu sein.

The Church of Phil Dick or something like that.

Inhalt

Philip K. Dick war der Restaurator der Science-Fiction, der Philosoph unter den Trivialliteraten, der H. G. Wells des 20. Jahrhunderts und zu Lebzeiten doch (aber dem Muster zu guter Menschen folgend) wenig erfolgreich –er verstarb kurz bevor der Film Blade Runner zu den Weihen kommen konnte, die er verdient. Doch war er nicht nur ein erstklassiger Autor von Science-Fiction-Geschichten, er partizipierte selbst auch an seiner ganz eigenen, geriet mit der Regierung in Konflikt und litt an rätselhaften Visionen.

Kritik

Der Informationsgehalt der Dokumentation ist nicht nennenswert größer als der der Wikipediaseite, die sich nicht ohne Grund wie ein spannender Groschenroman liest (im, ausnahmsweise, guten Sinne). Plastischer wird die Hymne auf den Autor dadurch, dass die Dokumentation nahezu ausschließlich aus Interviews von Freunden, Bekannten und mehr oder weniger Kundigen besteht. Die Wahl, die getroffen wurde, mutet dabei allerdings etwas seltsam an, sind doch auch mal zwei Jünglinge dabei, die Fanseiten im Internet betreiben und deren Existenz in der Produktion nur mit ein wenig Mühe als etwas anderes als reine Werbung gleichgesetzt werden kann.
Die Stammberichter sind aber durchweg angenehme Zeitgenossen, die häufig leicht voneinander abweichende Perspektiven haben und durch ihre Heterogenität vielleicht sogar erahnen lassen, mit wie vielen graduell verschiedenen Persönlichkeiten der Science-Fiction-Revoluzzer der Welt entgegentrat. Eine Identität als Schriftsteller, eine als Paranoiker, eine als Junkie, eine als Freund, eine als Unterhalter, eine als politischer Aktivist, eine als skeptischer Heiland, einer als überzeugter Prophet und eine als rationale Person mit dem fundamentalem Wunsch nach Erklärbarkeit.

Bei der Wahl der Musik hätte man ruhig weniger aufdringlich und steuernd vorgehen können und der erbarmenswerte Cartoon-Philip K. Dick, der in unerträglicher Langsamkeit zu billigster Elektromusik und in albern großen Buchstaben eine Einleitung zwischen den Kapiteln auf seiner Schreibmaschine tippt und anschließend in die Kamera hält, ist eines der unnötigsten Tempo raubenden Ideen, die eine Dokumentation je hatte. Getoppt wird das nur noch davon, wie ebendieser Zeichentrick-Dick, auf Lippensynchronität einen feuchten Kehricht gebend, in seiner stummen Pose so tut, als kämen die zusammenhangslos ausgewählten Radioausschnitte, die kaum bis nichts mit dem aktuellen Thema zu tun haben, aus seinem Mund. Doch diese ernüchternden Intermezzi sind zum Glück nicht allzu präsent, lassen dafür aber tief blicken.
Das Bild ist leider analoges Material, das von Videos zu stammen scheint, und sieht entsprechend dürftig aus. Hätten die Interviews nicht immer nur an den Arbeitsplätzen der Befragten stattgefunden, sondern auch vor der einen oder anderen stimmungsvolleren Kulisse, wäre dies aber sicherlich zuträglicher für das Endergebnis gewesen. Auch watet der Film nicht mit visuellem Archivmaterial auf, was vielleicht auch, aber keineswegs nur der Disposition dieses Low-Budget-Berichts gelegen haben kann.
An diesem Punkt kommt die größte Schwachstelle des Filmes zum Vorschein, denn die Berichterstattung ist aufgrund der ausgewählten Interviewpartner sehr einseitig – das ein oder andere Experteninterview für eine ganz andere Einschätzung der Dinge wäre enorm gewesen. So wirkt der Film fast durchgehend wie eine Würdigung, aber nicht wie eine Dokumentation, die versucht, Dinge zu beleuchten. Freunde und Bekannte aktualisieren ihre Erinnerungen an Philip K. Dick.-Das ist alles, aber das ist bei einem Mann dieses Formats aber trotzdem auch sehr einnehmend. The Gospel According to Philip K. Dick, und das wird recht früh klar, ist keine Dokumentation über das Leben, Schaffen und Wirken eines der größten Science-Fiction-Schreibers aller Zeiten, es stehen nicht die Werke, ihre Rezeption und Wirkmacht im Vordergrund, keine literarischen Motive. Auch kein einziger Wissenschaftler kommt zu Wort. Dies ist einzig und allein eine Dokumentation über die mysteriösen Aspekte seines Lebens, mit denen sich Verschwörungstheorien füttern lassen. Das ist schade, erscheint der Protagonist dadurch nur in etwas unterkomplexen Zusammenhängen dargestellt, da ihm eine solch einseitige Behandlung gar nicht gerecht werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist es dann aber wunderlich, dass man ein paar sehr pikante Stellen aus seiner Biographie ganz unterschlagen hat, obwohl sie wunderbar zur Linie des Filmes gepasst hätten. Der Umstand, dass der Autor von sich sagte, nach den Erscheinungen ihm bis dato unbekannte Stellen der Bibel auswendig zu kennen, war nach allgemeiner Ansicht einer der wichtigsten Auslöser seiner besessenen Investigationsarbeit und Selbstinterpretation.
Seiner verstörenden Erlebnisse verarbeitete er in autobiographischen Geschichten – er schrieb seine eigene Exegese. Während A Scanner Darkly sich vornehmlich seiner in dieser Dokumentation nur am Rande erwähnten Zeit in der Drogenszene annimmt, thematisiert die VALIS-Trilogie seine unerklärlichen Erfahrungen mit Übernatürlichem. Beide Romane sind wenn nicht die, dann doch mit seine besten Schriften und zugleich in einem so starkem Maße direkt dem Lebenslauf des Autors entnommen, dass die Leseerfahrung umso intensiver ausfällt. Die jeweiligen Verfilmungen sind verlinkt.

Fazit

Der Titel des Filmes deutet es bereits an. Hier geht es nicht kritisch um das literarische Schaffen, das Genie oder das gesamte Leben von Philip K. Dick, sondern um eine Huldigung. Außerdem beschränkt sich die Information fast ausschließlich auf die dramatischen Erlebnisse in seinem späteren Leben. Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass nur Weggefährten aus dieser Zeit aufgetrieben werden konnten, doch schmälert das das Bild des Autors entscheidend.
Da die Dokumentation auch stilistisch nichts hergibt, eignet sie sich als kleine anekdotische Ergänzung, aber keinesfalls als verlässliche Hauptquelle für Wissen über den Science-Fiction-Autor.

 

Radio Free Albermuth

Der erste Teil der VALIS-Trilogie, dem Autobiographischsten und damit auch Intimsten, was Philip K. Dick vielleicht je zu Papier gebracht hat, erhält seine filmische Umsetzung. Nur A Scanner Darkly darf hier noch auf Erwähnung pochen. Letzerer bekam dann auch eine mehr als würdige Verfilmung spendiert, die so nah an einem K. Dick-Werk war, wie keine andere zuvor.

If I’m going down, I’m going down with people i love.

Story

Wir schreiben das Jahr 1985. Ein 1985, das nicht exakt so ist, wie das unserer Vergangenheit, aber ihm doch sehr ähnlich. Nick Brady, passionierter Plattenverkäufer mit eigenem Eckgeschäft, wird plötzlich von Visionen heimgesucht. Zuverlässig morgens um drei sendet ihm ein nicht von der Erde stammendes Artefakt namens VALIS kryptische Botschaften. Während sein engster Freund Philip Gefallen an der inspirierenden Sache findet und ihm glaubt, bleibt die Gattin skeptisch.
Doch die Befolgung der unerklärlichen Anweisungen bringt Gutes mit sich, rettet seinen Sohn, kurbelt die Karriere an.
Doch dann werden Regierungsagenten auf Nick aufmerksam.

Kritik

Nun ist sie also da, die Verfilmung von VALIS – oder Radio Free Albermuth, wie der Film sich nennt, da das Werk vor seiner Eingliederung in die Trilogie so hieß. Und er hinterlässt einen so gespaltenen Eindruck, dass eine Bewertung schwerfällt.
Zuallererst fallen dann auch gleich die bemitleidenswerten Produktionswerte auf. Sowohl optisch als auch formal sieht der Film aus wie eine Serienfolge aus den 90ern.
Häufig eindimensionale Hintergrundgeräusche, dilettantische Keyboardsounds oder unpassende, schlecht abgestimmte und auch in sich schlechte Musikuntermalung lassen den ganzen Film in Verbindung mit seiner viel zu aufdringlichen Farbästhetik durchgehend billig wirken. Mehr als nur einmal vermutet man irgendein klingelndes Elektronikgerät in der eigenen Realität, weil das aktuelle Stück, das sich im Hintergrund penetrant hervortut, will so gar nicht mit dem Gezeigten übereinstimmen.
Die Visionen sind dafür aber auf eine nicht uninteressante Weise umgesetzt und das Setting hat ein gelungenes Mode-Upgrade enthalten, dessen 80er-Lemente mit Liebe zur Sache eingebaut wurden.

Kennt man das Ausgangsmaterial, weiß man, warum die Figuren so handeln, wie sie handeln, und ergänzt Intentionen. Kennt man es nicht, wird man mit ein paar Leuten konfrontiert, die zugleich wahnsinnig und dumm sind. Radio Free Albermuth krankt an einem Umstand, der die Krätze vieler Literaturverfilmungen ist – die Gedanken der Figuren sind dem Zuschauer verborgen, bestenfalls durch plumpe innere Monologe in Ausschnitten zugänglich gemacht. Damit aber bleiben auch die Motive der Figuren in all ihren wichtigen Feinheiten im Nebel der Behauptung. Dass das Medium Film sich für gewöhnlich gezwungen sieht, jede Geschichte, gleich welcher Art, in einem zeitlichen Rahmen von maximal 130 Minuten zu erzählen, komplettiert das Debakel. In unter zwei Stunden hastet man durch die verworrene Geschichte der verlorenen Seelen, die ihre Vorstellung von Realität von den Grundfesten an in Frage stellen müssen, begleitet sie auf ihren Reisen und baut in dieser Zeit keinerlei Beziehungen zu ihnen auf, weil der Film ihre Innenansichten unterschlägt und nicht weiß, wo er beschleunigen und wo kurz innehalten sollte, um die Geschichte für das neu, so viel reichere Format der bewegten Bilder angemessen um zu modellieren. So jedenfalls präsentiert sich der lange Anfang des Filmes.

Auch wirkt in dieser Zeitspanne die Entscheidung etwas wahllos, welche Vorgänge detailliert aus dem Grundstoff übernommen und welche gerafft oder übergangen werden. Viel im Film Redundantes kommt direkt aus der Vorlage, dafür spart man wichtige Elemente aus. Trotzdem wollte man aber auch möglichst viel aus dem Roman übernehmen und griff sich sogar ein paar Versatzstücke aus den Nachfolgern. In der Konsequenz passiert nun recht viel in kurzer Zeit – und da die Ideen immer noch von Philip k. Dick stammen, sind es durchweg Interessante Sachen, die passieren, weshalb es der etwas untalentierten Umsetzung zum Trotz nie langweilig wird. Die selbstverständliche Aneinanderreihung von anziehenden Verschwörungstheorien aus Mündern, die vielleicht irrig, aber eloquent tiefer in die undurchsichtige Paranoia-Welt Philip K Dicks dringen, entwickelt mit der Zeit eine eigene Logik und funktioniert nach einem ausgedehnten Befremdungssmoment auf seine eigene Weise ganz anständig.
Ab etwas mehr als der Hälfte entfernt sich die Geschichte immer weiter von der des Romans, um eine klassische Klimax zu gewährleisten, was jedoch erstaunlich gut funktioniert. Trotz des zunehmenden Anteils an Fremderzählung bleibt die Sache eine sich fast ausschließlich in Dialogen entwickelnde, es gibt einen gute gesetzten Überraschungsmoment, einen klugen Twist am Ende und sogar weitere sauber eingeflochtene Anspielungen auf Philip K. Dicks Biographie, während die Geschichte zu einem überraschend runden Ende gelangt. Auch die Veränderung Hauptperson macht im Rahmen des Filmes durchaus Sinn. Wie sicher das Drehbuch an nicht wenigen Stellen ist, ist überraschend und mit einer professionelleren Regie hätte etwas wirklich Gutes aus Radio Free Albermuth werden können.
Aber interessant ist die Adaption trotzdem allemal – man braucht nur Geduld, dann hat man sich auch mit der dilettantischen Musikuntermalung angefreundet und die gewöhnungsbedürftigen Kameraufnahmen notgedrungen in Atmosphäre umgesetzt.

Fazit

Radio Free Albermuth macht es dem Zuschauer keineswegs leicht. Kennt man die Vorlage nicht, wird man mit Idioten konfrontiert, deren Handlungen nachzuvollziehen ein ordentliches Stück Arbeit ist. Ist man mit dem Roman vertraut, lässt sich einiges leichter erschließen, man ärgert sich aber am Umgang mit dem Stoff. In beiden Fällen führt ein wenig Geduld und Nachsicht aber dazu, dass die Geschichte sich nach einer Weile doch noch entfalten kann und auf ihre Weise funktioniert. Auch deshalb, weil man sich nicht sklavisch an das Buch hält, sondern viel Eigenes einbaut, das für Kenner Überraschung bedeutet und dem Film im Allgemeinen gut tut. Am billigen Look, den mittelmäßigen Schauspielern und dem völlig irrigen Design auf akustischer Ebene ändert das aber nichts.

Bei Erfolg sollte übrigens eine Filmreihe folgen, die sich dem Rest des VALIS-Universum widment. Davon ist aber wohl nicht mehr auszugehen.

A Scanner Darkly – Der Dunkle Schirm

Philip K Dick-teilte sich mit Tolkien das „Unverfilmbar!“-Prädikat, das beiden lange Zeit anhaftete. Natürlich ist Blade Runner ein famoser Film, doch kann man den Roman Do Androids Dream of Electric Sheep? bestenfalls als Inspirationsquelle bezeichnen, so frei geht der Ridley Scott-Film mit der literarischen Grundlage um. Gleiches gilt für Total Recall und Minority Report.
Ausgerechnet eines seiner besten, untypischsten und irgendwie auch unverfilmbarsten Bücher bekam dann eine Adaption, die vorlagentreu und gut ist. A Scanner Darkly.

What does a scanner see? Into the head? Into the heart? Does it see into me? Clearly? Or darkly?

Story

Fred ist bei der Drogenfahndung und ermittelt undercover als Junkie Bob Actor in der Szene, um irgendwie und irgendwann an die großen Fische im Milieu zu kommen. Sein Alter Ego wohnt mit ein paar abgehalfterten Tunichtguten in einem verlotterten Haus. Die ein- und ausgehenden Freunde hängen rum und werfen sich Substanz T ein, eine hochgradig süchtig machende Droge. Auch Fred/Bob ist ihr verfallen, damit sein Doppelleben möglichst authentisch auf sein Umfeld wirkt. Da das Dezernat ständig fürchten muss, von Kriminellen unterwandert zu werden, tragen sämtliche Ermittler, wenn sie die Zentrale betreten, einen Jedermann-Anzug,  mit dem sie nicht zu identifizieren sind. Auf diesem Weg weiß nur Fred selbst, dass er als Bob Actor ermittelt, weil niemand bei der Behörde sein wahres Aussehen kennt.
Die Lage spitzt sich zu, als Fred die Order erhält, für die Verwanzung und Überwachung seines respektive Bobs Hauses zu sorgen. Plötzlich muss er sich selbst und seine alltäglichen Begleiter observieren und regelmäßige Berichte über den Bespitzelungsvorgang anfertigen, während seine Sucht immer größere Ausmaße annimmt, ihm beide Parteien auf die Schliche zu kommen scheinen und sich zu über allem Überfluss eine Identitätskrise, die sich wahrlich gewaschen hat, ihrer Vollendung nähert.

Kritik

Philip K. Dicks A Scanner Darkly ist ein Meisterwerk und eine Lektüre jedem wärmstens ans Herz zu legen. Großartige Sprache, eine durchkomponierte und – besonders die Verhältnisse des Autors – stringente Geschichte, eine Heerschar umwerfender Ideen und ein Verwirrspiel, das gleichzeitig klug und höchst unterhaltsam geraten ist. Darüber hinaus ist es K Dicks wohl persönlichstes, aufrichtigstes Werk mit unverhohlen autobiografischsten Zügen. Die meisten Figuren wurden Personen nachempfunden, mit denen der Autor sich umgab, als er Erfahrungen mit Amphetaminen und LSD machte und nur noch unter Einfluss von Aufputschmitteln schrieb. Es ist ein Mikrokosmos voll mit spleenigen Charakteren, bei dem es Stilmittel und Aussage zugleich ist, dass eigentlich sehr wenig passiert. Das Leben dieser Gestalten ist ein einförmiges, das nur sie selbst als aufregend wahrnehmen, weil sich um ihre Psychosen herum schillernde Paranoia rankt, die sich mit den Angstzuständen der anderen verschränkt und die entlegensten Wahnvorstellungen plötzlich zur realen Bedrohung werden lässt. Die Ernsthaftigkeit in der Absurdität und die strenge interne Fokalisierung sind es, die den Zuschauer selbst in die verworrene Gedankenwelt der Spinner hineinversetzt und alles rationale Wissen und die Kalkulierbarkeit von Wahrscheinlichkeiten plötzlich drastisch reduziert. Denn Paranoia ist ansteckend.

Wie soll man aber ein Werk verfilmen, das hauptsächlich aus repetitiven Abläufen und den realitätsentzogenen Bandwurmmonologen schrecklich kaputter Menschen besteht? Ein Werk, dessen Reiz wie so oft in der Sprache zu finden ist. Die Antwort von Autor und Regisseur Richard Linklater ist verblüffend klar: In erster Linie verfilmt man den Stoff genau so, wie er ist.
Tatsächlich überrascht A Scanner Darkly mit etwas, was keine andere Verfilmung des Sci-Fi-Gurus von sich behaupten kann: Akkuratesse. Viele Dialoge wurden eins zu eins aus der Vorlage übertragen, die Reihenfolge der Geschehnisse ist meist identisch, die Figuren kaum variiert und das Buch von allen Beteiligten wohl ziemlich oft und ziemlich gründlich gelesen worden. Um auszugleichen, was durch den Mangel an filmisch darstellbarem Schreibstil fehlt, wurde ein neuartiger visueller Stil entworfen: Auf jede gedrehte Szene wurde mittels eines vektorbasierten Verfahrens drüber gezeichnet – sprichwörtlich. Das Ergebnis ist eine einmalige Gleichzeitigkeit von Real- und Zeichentrickfilm. Und tatsächlich, die Rechnung geht auf. Genau wie in der Romanvorlage erhält der Zuschauer die Ahnung eines Gefühls, wie es sein muss, selbst inmitten dieser von Drogen und totaler Überwachung verstopften Endstationswelt zu stecken – und all das mitzuerleben; aktiv, weil ebenso beeinflusst und anfällig für die abstrusen Gedankenspinnereien der Protagonisten, passiv, weil unfähig zu intervenieren, während die Situation sich mitsamt ihrer Akteure unweigerlich der Eskalation nähert.
Die totale Paranoia wird verstärkt durch subtilen Einsatz psychedelischer Klänge.

Die Schauspieler durchliefen diese Transformation gleichfalls und entpuppen sich als frappierend gute Besetzung für das kaputte Figurenensemble der Geschichte. Einzig Woody Harrelson als Ernie Luckman wirkt an einigen Stellen etwas deplatziert, was jedoch kaum weiter ins Gewicht fällt. Er, Keanu Reeves, Robert Downey Jr., Rory Cochrane und Winona Ryder zappeln, nuscheln und brabbeln was das Zeug hält, und das mit einem Affenzahn.
„Affenzahn“ ist etwas, das auch auf den Film als Ganzes zutrifft. Da man der Buchhandlung gerecht werden wollte, wurde nur wenig gekürzt. In Folge passiert in den 100 Minuten Film sehr viel sehr schnell sehr hintereinander. Das hysterische Tempo der Gespräche im eh sehr geschwätzigen Film ist maßgeblich für das ganze Geschehen. Gerade der Fakt, dass die Gleichförmigkeit des Daseins mit einem derartigen Tempo vermittelt wird, verstärkt den Drogeneffekt enorm. Das führt dazu, dass A Scanner Darkly eine sehr authentische, sehr spannende und recht experimentelle, dafür aber auch eine etwas sperrige, die eigenen Sehgewohnheiten hinterfragende Filmerfahrung ist.
Trotz des teils exakt übernommenen Wortlauts und dem Bemühen, alles Relevante miteinzubinden, muss die Geschichte natürlich mit so eklatanten wie notwendigen Auslassungen leben, damit Substanz und Atmosphäre des Filmes nicht verklumpen. Dadurch verliert die Story aber auch etwas von ihrer herrlich verkruppten Redundanz. Ebenfalls die Ereignischronologie wurde hier und da aus denselben Gründen etwas durcheinandergeschüttelt, was in dieser Geschichte aber kein allzu schwerwiegendes Vergehen darstellt.
Einige Elemente wie den Jedermannsanzug und die vielfältigen Drogenphantasien ließen sich natürlich gar nicht oder nur unzureichend visualisieren. Der abgedrehte Stil entschädigt aber nicht nur für vieles, sondern liefert auch Ersatz – im Falle des Anzuges sogar in symbolischer Form. Die Tatsache, dass auch Philip K. Dicks Konterfei kurz auf diesem zu entdecken ist, eröffnet, nebenbei gesagt, eine Deutungsebene, die sogar über das im Buch offensichtlich angebotene Interpretationsmaterial hinausweist.

Zwangsläufig muss die Story auf viele der wunderbaren Gedankenmonologe verzichten, die jede Tat wie  ein bizarres Badehandtuch unterlegen und der Geschichte erst ihren unverwechselbaren, genialen Drive geben. Trotzdem kann man Linklater nur reines Lob aussprechen. Er hat gemacht, was man überhaupt machen konnte. Höchstens eine Serie hätte es vermocht, näher an die Vorlage zu gelangen. Für die Möglichkeiten eines Spielfilmes ist A Scanner Darkly ein ist mehr als respektables Ergebnis mit eigenen Ideen und der notwendigen Achtung gegenüber der Vorlage.
Gerade diejenigen, welche mit den zugrundeliegenden Stoff nicht vertraut sind, dürften an einigen Stellen aber mit mittelschweren Verständnisproblemen zu kämpfen haben, weil Manches nur andeutungshalber vermittelt wird.

Fazit

Tatsächlich ist Richard Linklater das Kunstwerk gelungen, die unverfilmbare Geschichte des Großmeisters adäquat auf die Leinwand zu bringen. Das Ergebnis ist nichts, was sich unter Standard-Filmerfahrung verbuchen ließe, und gerade deswegen besonders sehenswert. Visuell und inhaltlich bemerkenswert, darstellerisch gewieft ausgelegt und unter Garantie nicht langweilig.

Total Recall

Es dachte sich Len Wiseman, das Genie hinter den glorreichen Underworld-Teilen, dass man die Kurzgeschichte Erinnerungen en gros von Sci-Fi-Spezi Philip K. Dick doch sicher angemessener auf die Leinwand bringen könnte als Pfuscher Paul Verhoeven (RoboCop, Starship Troopers) dies anno 1990 tat. Folglich holte er sich Drehbuchschreiber Kurz Wimmer an Bord, der in letzter Zeit Sachen wie Gesetz der Rache, Salt und Ultraviolet verbrach, und schuf mit ihm ein großes, leeres, 125.000.000 Dollar teures Nichts.
Wake up. Wake up. Wake up.

Story

Im Jahre 2084 ist es mal wieder so weit. Die ständigen Kriege haben dem Planeten den Atem genommen. Die Erdoberfläche ist unbewohnbar geworden.
Die ganze Erdoberfläche? Nein, Großbritannien und Australien haben es irgendwie geschafft, sich ein wenig saubere Luft zu bewahren. Die übriggebliebenen Menschen leben an diesen beiden Orten mehr schlecht als recht vor sich hin. Verbunden sind sie durch einen Tunnel, der einmal mitten durch die arme Erde führt. Douglas Quaid ist ein Minenarbeiter, der diese Tour täglich auf sich nimmt, um auf der anderen Seite der Welt robotische Gesetzeshüter herzustellen, die aussehen wie Stormtrooper für Arme.
Sein Leben besteht aus deprimierenden TV-Nachrichten über Terroranschläge und der nicht minder deprimierenden Arbeitsroutine.
Ein Unternehmen namens REKALL weckt seine Neugierde. Es offeriert künstliche Erinnerungen  – an was auch immer man sich erinnern möchte. Vollkommen glaubwürdig, eine Art komponierter Traum. Der perfekte Eskapismus und die Chance, dem leidigen Arbeitsalltag endlich zu entfliehen. Trotz Bedenken klopft Quaid an die Tür von REKALL, wo er mit offenen Armen empfangen wird. Nur wenige Minuten später sitzt er in einem Stuhl und kann sich ein beliebiges Erlebnis-Szenario auswählen. Einzige Voraussetzung: Die Fantasie muss ausschließlich Fantasie und darf keinesfalls realer Part seines Lebens sein. Sonst kommt es zu hässlichen Komplikationen auf Hirnexplosionsbasis.
Geheimer Doppelagent wäre der frustrierte Herr gerne, natürlich.
Bevor der Prozess eingeleitet werden kann, stürmen bewaffnete Truppen den Saal und machen Jagd auf den Fabrikarbeiter, der überrascht feststellen darf, dass er eigentlich ein sensationell guter Kämpfer ist.

Kritik

Total Recall ist eine Schönheit. Das müssen Remakes natürlich per se von sich behaupten können, um ihre Existenz zu rechtfertigen, aber Len Wisemans  Philip K. Dick-Interpretation sticht hier gesondert hervor. Die Zukunft gehört den wuchtigen, geschmeidigen Maschinen, den industrialisierten Hoffnungen und dem Neonröhren-Regen. Zwar gewinnt der Film ganz gewiss keine Design-Preise, doch auch futuristische Standardoptik kann eine kurze nerdige Glückseligkeit induzieren, wenn sie nur detailliert, stilsicher und oft genug ins Bild gehalten wird. Das Schöne ist, dass sich im großen Durchschnitt immer wieder ein paar kleine eigene Ideen bemerkbar machen und sich diese ganzen Kleinigkeiten in seltenen Momenten tatsächlich perfekt zu einem düsteren Cyberpunk-Szenario zusammenfügen, das trauriger, schattiger und klammer kaum sein könnte. Zumindest hier wird man den dystopischen Ausführungen eines Philip K. Dick tatsächlich gerecht. Irgendjemand wird also mal ein Buch von ihm gelesen haben, bevor er sich dem Film zuwandte. Oder aber – und das ist wohl wahrscheinlicher – man hat sich einfach eine andere Dick-Verfilmung zu Gemüte geführt, Blade Runner zum Beispiel, und sich auf nichts anderes als auf die triste Bildstimmung und die schummrigen Sets konzentriert. Eine Schönheit ist der Film, aber keine Grazie. Denn hätte man sich auch ein Beispiel an der Filmhandlung  – oder gar an Dicks Vorlage selbst – genommen, wäre man höchstwahrscheinlich über den Umstand gestolpert, dass der gute Herr stets eine Geschichte zu erzählen hatte. In der Regel eine verzwickte, in sich verschachtelte Geschichte voller Wendungen und mit einem philosophischen Anstrich, der regelmäßig und immer wieder glaubwürdig die Frage aufkommen lässt, was uns eigentlich so sicher sein lässt, dass unsere gelebte Realität tatsächlich real und objektiv ist. Nach der kurz anhaltenden Freude über die stimmigen Sets finden der Stil des Filmes und der Stil Dicks nämlich erst ganz zum Schluss wieder zueinander – beim offenen Ende. Während man im Anschluss an eine Lektüre des Sci-Fi-Meisters meist erst einmal schwindelig das Buch aus den Händen legt und das Gelesene fast schon automatisch weiterspinnt, ist man am Ende der 2012er Version von Total Recall in erster Linie sehr genervt. Zudem das Ende zwar in gewisser Weise nicht geschlossen, aber auch nicht gänzlich offen und dazu vollkommen vorhersehbar ist. Auch wer nicht mit der literarischen Vorlage und Paul Verhoevens filmischer Erstinterpretation Die totale Erinnerung – Total Recall mit Arnold Schwarzenegger vertraut ist, dürfte keinesfalls überrascht vom aufgesetzten Schluss-Twist sein.
Der Vorgänger aus dem letzten Jahrtausend hat gleich zwei Dinge entschieden besser gemacht. Zum einen hat er durchaus den Anspruch, eine Geschichte zu erzählen, die Unerwartetes bereithält. Zum anderen ist er selbstreflexiv genug, seine trashige Arnie-Atmosphäre nicht zu verleugnen und besitzt den Mut, mit charmantem Zynismus darauf zu reagieren.
Im Jahre 2012 ist Total Recall die meiste Zeit über seelenlose Austausch-Action. Die vielen Design-Details, die den Wegesrand säumen, sind schmuck, doch im Zentrum stehen eindeutig die viel zu generischen Verfolgungsjagden und höhepunktlose Schlägereien, die sich träge aneinanderreihen. Deswegen ist der Film auch dann am interessantesten, so lange die Geschichte noch nicht am Laufen ist. Nach dem vielversprechenden ersten Drittel nehmen die Actionszenen im Galopp die Überhand und der hübsche Film entpuppt sich furchtbar schnell als ein biederer und sehr kurzatmiger Langweiler.
Deswegen kann man sich zu Recht fragen, wieso Golden Globe-Gewinner Colin Farrell  sich in das Machwerk verirrt hat. Ohne seinen Namen hätte der Sci-Fi-Film womöglich nicht mehr Beachtung gefunden als die anderen Werke von Len Wiseman. Underworld 1 – 4, von denen er auch gleich Ehefrau Kate Beckinsale mit rüber genommen hat, die als fiese Killer-Ex nach jedem gescheiterten Angriff der Synthetikpolente verbissen dreinschauend um die Ecke stolziert, dass man die Uhr nach ihr stellen könnte. Nun gut. Stirb langsam 4.0 hat der Regisseur auch zu verantworten. Und der ist ja gar nicht so übel. Aber es scheint bei diesem Ausrutscher zu bleiben.

Fazit

Ganz egal ob man Total Recall an seiner literarischen und/oder filmischen Vorlage misst oder ob man das Werk gänzlich unabhängig betrachtet: Nach der unterhaltsamen ersten halben Stunde hört der Sci-Fi-Film einfach auf, eine Story zu haben, und missbraucht die eigentlich vielversprechenden Ansätze für den Rest der langen Laufzeit, um sich in völlig belanglosen Schießereien zu verlieren. Obwohl das Remake unverschämt gut aussieht und allerhand zu Bruch geht, schafft es der Film spielend, bereits nach kürzester Zeit vollkommen zu langweilen.