Godzilla

Dass Gareth Edwards, der zuvor lediglich den günstigen, aber ungemein erfolgreichen Film Monsters vorzuweisen hatte, zum Regisseur der neusten amerikanischen Godzilla-Verfilmung erhoben wurde, war eine mittelschwere Überraschung. Auf den zweiten Blick aber erschien die Wahl alles andere als abwegig, denn Monsters hatte gewissermaßen all das, was Emmerchs Godzilla aus dem Jahre 1998 fehlte, um kein furchtbar schlechter Film zu sein.

You have no idea what’s coming!

Story

Joe Brody glaubt nicht, dass der Tod seiner Frau während einer Atomkraftwerkkatastrophe durch ein Erdbeben ausgelöst wurde. Er glaubt an etwas Anderes. Etwas Größeres. Fünfzehn Jahre später sucht er wie besessen in Japan nach den Antworten und gerät in Konflikt mit den Behörden.
Was gemeinsam mit seinem entfremdeten Sohn Ford in einem Sperrgebiet findet, übertrifft seine kühnsten Erwartungen. Ein prähistorisches Monster – Muto genannt – erwacht und hinterlässt eine Schneise der Zerstörung.

Kritik

Mit dem Independentfilm Monsters aus dem Jahr 2010 bewies Gareth Edwards, dass er verstanden hat, was einen Monsterfilm – was überhaupt einen Film – ausmacht. Der Film nimmt seine Figuren ernst, räumt ihnen den nötigen Platz ein, macht sie notwendig, lebendig, glaubhaft, leidensfähig und nachvollziehbar. Dieser Regel bleibt er auch in Godzilla treu. Ein Monster ist nur dann zum Fürchten, wenn das Bedrohte es nicht verdient. Die Welt mag den grünen Götterkoloss verdient haben, die Protagonisten des Filmes jedoch nicht. Es sind tragische Wesen, deren Schicksal eng mit dem Ungeheuer verwoben ist. Dies ist phasenweise eine Spur zu dramatisch inszeniert, ist aber fortwährend bewegend. Auch deshalb, weil die Charaktermomente ebenso brillant fotografiert sind wie die große Destruktion und sich klug eingesetzte Point-of-View-Perspektiven durch den ganzen Film ziehen, um das Geschehen drastisch zu intensivieren.
Bis zum Auftritt der Giganten vergeht einiges an Zeit – und bis Godzilla höchstselbst die Bildfläche betritt, dauert es umso länger. Die Zeit davor ist aber kein ungeduldiges Warten, kein sinnloses Hinhalten, sondern Spannungsaufbau par excellence, der genauso hübsch, relevant und unterhaltsam ist, wie der eigentlich zentrale Akt. Das alles ist nicht nur Vorbereiten, sondern Essenz. Nur deswegen sind die folgenden Bilder der Zerstörung auch nicht imponierend, sondern ergreifend, und nur auf diese Weise können Katastrophenszenarien mehr bedienen als die bloße Schaulust.
Wenn es dann aber so weit ist und die Ungetüme ansetzten, die Welt in Schutt zu verwandeln, erwartet einen keine Emmerich-Zerstörung wie in seinen sich zu Tode leiernden Katastrophenschinken, sondern ein durchkomponiertes, durchdacht aufgebautes Zusammenfallen. Godzilla ist wie eine Oper, nur wird nicht gesungen, sondern Dekonstruiert, und das in biblischen Bildern. Unterstrichen wird dies von den wunderschönen Designs der Kreaturen, das, brachial insektoid, unendlich fremd, ehrfurchtgebietend und furchteinflößend zugleich wirkt.
Mit Zunahme der Wuchtigkeit und Erhöhung der Monsterpräsenz rund um den Globus im zweiten Teil des Filmes geht der Fokus zwangsläufig zurück, vergrößert sich und kann nicht mehr dauerhaft auf seinen singulären Figuren verharren. Die Untergangsimpressionen gehören zu dem Besten, was das Kino zu bieten hat. Es wird nie so laut und dynamisch wie bei Pacific Rim, dafür speisen die gezeigten Bilder aber von ihrem eindringlichen Realismusanspruch. Somit bleibt die Intensität erhalten, die Spannung fällt aber etwas ab, weil die Protagonisten sich das Bild plötzlich mit der Geißel der Welt und dem von ihr verursachten Leid teilen müssen. Um sie nicht vollends aus den Augen zu verlieren, kreuzen sich die Wege von Hauptfiguren und prähistorischen Amoktieren öfter, als der Zufall es gestatten würde. Etwas weniger Willkür beziehungsweise raffiniertere Erzählweise wäre wünschenswert gewesen, doch stört dieser Umstand nur auf formaler Ebene, während das Sehvergnügen nur marginal berührt wird.
An einem Godzilla-Film zu bemängeln, er wirke an wenigen Stellen einen Deut zu überdramatisiert und konstruiert, ist fast schon lachhaft. Dass es hier dennoch angebracht ist, beweist nur, mit wieviel Geschick und Eleganz der ikonische Rüpel seinen Thron nach vielen Jahren wieder erklommen hat. Puristen könnten bemängeln, dass Godzilla zu wenig Raum in seinem eigenen Film bekäme. Doch was ist schon zu viel und zu wenig, wenn ein Werk so gut funktioniert wie dieser. Zudem gerade Puristen dank der vielen Anspielungen und Zitate früherer Auftritte des Wüterichs besonders zufriedengestellt sein dürften.
An Roland Emmerichs beinahe geglückten Versuch des Jahres 1998, den Godzilla-Mythos für immer zu Grabe zu tragen, sollte hier wie sonst irgendwo eigentlich nicht erinnert werden. Trotzdem sei hier gesagt, dass ein Godzilla-Film wohl sich wohl kaum besser in die Gegenwart übersetzen lässt, als es hier geschehen ist. Vergessen Emmerich. Vorhang auf für Edwards.

Fazit

Ob nun im stadtgrößten Kinosaal oder der besten Heimkinoanlage des Bekanntenkreises – Godzilla ist groß, das Monstrum wie der Film; und sie wollen groß genossen werden. Senkrechtstarter Edwards formte den unzählige Male wiederverwerteten Godzilla-Stoff zu etwas Ernstem, Düsterem, Frischem, das sich verflucht unverbraucht anfühlt. Dass die Figuren ab der zweiten Hälfte nicht mehr ganz im Fokus gehalten werden können, ist verschmerzbar und wohl kaum zu vermeiden. Das ändert nichts daran, dass mit Godzilla feines Atmosphärekino geschaffen wurde, dem es gelingt, große Zerstörung auf ein neues Level zu heben, ohne dabei nur plump die Quantität hochzuschrauben.

Total Recall

Es dachte sich Len Wiseman, das Genie hinter den glorreichen Underworld-Teilen, dass man die Kurzgeschichte Erinnerungen en gros von Sci-Fi-Spezi Philip K. Dick doch sicher angemessener auf die Leinwand bringen könnte als Pfuscher Paul Verhoeven (RoboCop, Starship Troopers) dies anno 1990 tat. Folglich holte er sich Drehbuchschreiber Kurz Wimmer an Bord, der in letzter Zeit Sachen wie Gesetz der Rache, Salt und Ultraviolet verbrach, und schuf mit ihm ein großes, leeres, 125.000.000 Dollar teures Nichts.
Wake up. Wake up. Wake up.

Story

Im Jahre 2084 ist es mal wieder so weit. Die ständigen Kriege haben dem Planeten den Atem genommen. Die Erdoberfläche ist unbewohnbar geworden.
Die ganze Erdoberfläche? Nein, Großbritannien und Australien haben es irgendwie geschafft, sich ein wenig saubere Luft zu bewahren. Die übriggebliebenen Menschen leben an diesen beiden Orten mehr schlecht als recht vor sich hin. Verbunden sind sie durch einen Tunnel, der einmal mitten durch die arme Erde führt. Douglas Quaid ist ein Minenarbeiter, der diese Tour täglich auf sich nimmt, um auf der anderen Seite der Welt robotische Gesetzeshüter herzustellen, die aussehen wie Stormtrooper für Arme.
Sein Leben besteht aus deprimierenden TV-Nachrichten über Terroranschläge und der nicht minder deprimierenden Arbeitsroutine.
Ein Unternehmen namens REKALL weckt seine Neugierde. Es offeriert künstliche Erinnerungen  – an was auch immer man sich erinnern möchte. Vollkommen glaubwürdig, eine Art komponierter Traum. Der perfekte Eskapismus und die Chance, dem leidigen Arbeitsalltag endlich zu entfliehen. Trotz Bedenken klopft Quaid an die Tür von REKALL, wo er mit offenen Armen empfangen wird. Nur wenige Minuten später sitzt er in einem Stuhl und kann sich ein beliebiges Erlebnis-Szenario auswählen. Einzige Voraussetzung: Die Fantasie muss ausschließlich Fantasie und darf keinesfalls realer Part seines Lebens sein. Sonst kommt es zu hässlichen Komplikationen auf Hirnexplosionsbasis.
Geheimer Doppelagent wäre der frustrierte Herr gerne, natürlich.
Bevor der Prozess eingeleitet werden kann, stürmen bewaffnete Truppen den Saal und machen Jagd auf den Fabrikarbeiter, der überrascht feststellen darf, dass er eigentlich ein sensationell guter Kämpfer ist.

Kritik

Total Recall ist eine Schönheit. Das müssen Remakes natürlich per se von sich behaupten können, um ihre Existenz zu rechtfertigen, aber Len Wisemans  Philip K. Dick-Interpretation sticht hier gesondert hervor. Die Zukunft gehört den wuchtigen, geschmeidigen Maschinen, den industrialisierten Hoffnungen und dem Neonröhren-Regen. Zwar gewinnt der Film ganz gewiss keine Design-Preise, doch auch futuristische Standardoptik kann eine kurze nerdige Glückseligkeit induzieren, wenn sie nur detailliert, stilsicher und oft genug ins Bild gehalten wird. Das Schöne ist, dass sich im großen Durchschnitt immer wieder ein paar kleine eigene Ideen bemerkbar machen und sich diese ganzen Kleinigkeiten in seltenen Momenten tatsächlich perfekt zu einem düsteren Cyberpunk-Szenario zusammenfügen, das trauriger, schattiger und klammer kaum sein könnte. Zumindest hier wird man den dystopischen Ausführungen eines Philip K. Dick tatsächlich gerecht. Irgendjemand wird also mal ein Buch von ihm gelesen haben, bevor er sich dem Film zuwandte. Oder aber – und das ist wohl wahrscheinlicher – man hat sich einfach eine andere Dick-Verfilmung zu Gemüte geführt, Blade Runner zum Beispiel, und sich auf nichts anderes als auf die triste Bildstimmung und die schummrigen Sets konzentriert. Eine Schönheit ist der Film, aber keine Grazie. Denn hätte man sich auch ein Beispiel an der Filmhandlung  – oder gar an Dicks Vorlage selbst – genommen, wäre man höchstwahrscheinlich über den Umstand gestolpert, dass der gute Herr stets eine Geschichte zu erzählen hatte. In der Regel eine verzwickte, in sich verschachtelte Geschichte voller Wendungen und mit einem philosophischen Anstrich, der regelmäßig und immer wieder glaubwürdig die Frage aufkommen lässt, was uns eigentlich so sicher sein lässt, dass unsere gelebte Realität tatsächlich real und objektiv ist. Nach der kurz anhaltenden Freude über die stimmigen Sets finden der Stil des Filmes und der Stil Dicks nämlich erst ganz zum Schluss wieder zueinander – beim offenen Ende. Während man im Anschluss an eine Lektüre des Sci-Fi-Meisters meist erst einmal schwindelig das Buch aus den Händen legt und das Gelesene fast schon automatisch weiterspinnt, ist man am Ende der 2012er Version von Total Recall in erster Linie sehr genervt. Zudem das Ende zwar in gewisser Weise nicht geschlossen, aber auch nicht gänzlich offen und dazu vollkommen vorhersehbar ist. Auch wer nicht mit der literarischen Vorlage und Paul Verhoevens filmischer Erstinterpretation Die totale Erinnerung – Total Recall mit Arnold Schwarzenegger vertraut ist, dürfte keinesfalls überrascht vom aufgesetzten Schluss-Twist sein.
Der Vorgänger aus dem letzten Jahrtausend hat gleich zwei Dinge entschieden besser gemacht. Zum einen hat er durchaus den Anspruch, eine Geschichte zu erzählen, die Unerwartetes bereithält. Zum anderen ist er selbstreflexiv genug, seine trashige Arnie-Atmosphäre nicht zu verleugnen und besitzt den Mut, mit charmantem Zynismus darauf zu reagieren.
Im Jahre 2012 ist Total Recall die meiste Zeit über seelenlose Austausch-Action. Die vielen Design-Details, die den Wegesrand säumen, sind schmuck, doch im Zentrum stehen eindeutig die viel zu generischen Verfolgungsjagden und höhepunktlose Schlägereien, die sich träge aneinanderreihen. Deswegen ist der Film auch dann am interessantesten, so lange die Geschichte noch nicht am Laufen ist. Nach dem vielversprechenden ersten Drittel nehmen die Actionszenen im Galopp die Überhand und der hübsche Film entpuppt sich furchtbar schnell als ein biederer und sehr kurzatmiger Langweiler.
Deswegen kann man sich zu Recht fragen, wieso Golden Globe-Gewinner Colin Farrell  sich in das Machwerk verirrt hat. Ohne seinen Namen hätte der Sci-Fi-Film womöglich nicht mehr Beachtung gefunden als die anderen Werke von Len Wiseman. Underworld 1 – 4, von denen er auch gleich Ehefrau Kate Beckinsale mit rüber genommen hat, die als fiese Killer-Ex nach jedem gescheiterten Angriff der Synthetikpolente verbissen dreinschauend um die Ecke stolziert, dass man die Uhr nach ihr stellen könnte. Nun gut. Stirb langsam 4.0 hat der Regisseur auch zu verantworten. Und der ist ja gar nicht so übel. Aber es scheint bei diesem Ausrutscher zu bleiben.

Fazit

Ganz egal ob man Total Recall an seiner literarischen und/oder filmischen Vorlage misst oder ob man das Werk gänzlich unabhängig betrachtet: Nach der unterhaltsamen ersten halben Stunde hört der Sci-Fi-Film einfach auf, eine Story zu haben, und missbraucht die eigentlich vielversprechenden Ansätze für den Rest der langen Laufzeit, um sich in völlig belanglosen Schießereien zu verlieren. Obwohl das Remake unverschämt gut aussieht und allerhand zu Bruch geht, schafft es der Film spielend, bereits nach kürzester Zeit vollkommen zu langweilen.