Ultraviolet

Ultraviolet ist eine britische TV-Serie aus den 90ern, die niemand kennt. Genau wie in Kurt Wimmers Spielfilm von 2006 geht es um modernisierte Vampire. Hier enden die Gemeinsamkeiten.


What?

Story

Irgendwann in der Zukunft entdecken irgendwelche Forscher ein uraltes Virus, das die Menschen zu vampirartigen Monstern macht. Es beginnt ein Krieg und die Partei mit den Fangzähnen wird fast ausgerottet. Violet gehört zu den Überlebenden und ist im Kampf gegen die Menschen ganz vorne mit dabei.
Als eine vermeintliche Superwaffe gegen die Vampire von ihr entwendet wird, steht sie plötzlich zwischen den Fronten und muss mit einem unerträglich passivem Balg ganz viele Leute töten. Außerdem kann sie an der Decke laufen, weil sie ein Schwerkraft-irgendwas-Gerät hat, das sie nach 20 Minuten aber einfach nicht mehr benutzt. Sie kämpft in Stöckelschuhen.

Kritik

Ultraviolet hat einen eigentlich vielversprechenden Start. Der Vorspann besteht aus den Covern von Comics der nicht existierenden Vorlage zum Film. Teile der Titelblätter entpuppen sich als Namen der Beteiligten. Das clever zu nennen, wäre ein Affront gegen wirklich clevere Filme, aber nett ist es irgendwie. Dann enden die Opening-Credits und am Anfang ist das Wort von Violet. Und diese Violet spricht zu dem Zuschauer, erklärt ihm, dass er ihre Welt vielleicht nicht verstünde. Das ist schräg. Es ist schräg, wenn die Hauptfigur einer Geschichte, welche in einer anderen, zukünftigen Realität spielt, vom Zuschauer und seiner Realität weiß. Das ist verstörend. Wieso spricht sie zu der Vergangenheit? Wie macht sie das? Ist sie irre? Wenn sie es nicht ist, sind dann Zeitreisen möglich? Wen dem so ist, liebe Violet, nutze diese Technik doch, um dein Problem zu lösen. DU MUSST NICHT ALLE TÖTEN und dein Leben riskieren. DU KANNST NÄMLICH DURCH DIE ZEIT REISEN!
Was? Nein, kannst du nicht? Steht davon nichts im Drehbuch? WIESO SPRICHST DU DANN ZUM ZUSCHAUER UND ERZÄHLST VON DEINER FREMDEN WELT?
Ok, viele Großbuchstaben. Aber ja, Violet, du hast schon Recht. Deine Welt ist tatsächlich nicht zu verstehen. Verstehst du sie?

Violet, nun gut. Violet. Aber wieso Ultra? Ist UV-Licht gemeint? Nein, das ergibt keinen Sinn. Fügt man ein „n“ hinzu, wird vielleicht ein Schuh draus. Ultra Violent. Oho! Aha! Doch schon die Einführung lässt die Stirn in Falten legen, denn da sind zwar coole Kugel-Ninjas, die während eines Synchrontanzes mit ihren Säbeln Forscher niederstrecken, doch wirkt das Ganze mehr wie Kegeln als ein martialischer Kampf. Die Opfer klappen einfach so in sich zusammen, wenn eine Waffe ihnen den Garaus gemacht hat, verlieren aber keinen Tropfen Blut – geschweige denn noch größere und festere Teile ihres Körpers. Ihr strahlend weißer Anzug bleibt über ihr eigentlich grausames Ableben hinaus ohne Makel. Das ist der Film. Ein strahlend weißes, fast schon blendendes Stück Designerkleidung. Dies in einer Story, die nicht nur „Ultraviolence“ minus ’n‘ heißt, sondern deren in mehrfacher Hinsicht zentrales Thema zudem auch noch Blut ist. Und das, liebe Violet, ist ähnlich bescheuert wie eine in der Zukunft verankerte Protagonistin, die zum Zuschauer in der Vergangenheit spricht.
Die Bösewichter sitzen auf Plexiglasstühlen, tragen Siegelringe über ihren Gummihandschuhen und besabbern sich mit hohlen Phrasen. Milla Jovovich als besagte Meta-Zeitreisende Violet hat lila Haare, ein großes Mundwerk und hautenge Latexkleidung an ihrem Körper kleben, die von voyeuristischen Kameras abgetastet und in Nahaufnahme auf den Bildschirm des Zuschauers übertragen wird.
Formuliert man es freundlich, dann ist Ultraviolet wie ein Musikvideo. Die Dinge, die dort geschehen, haben keinen Sinn, der über sie selbst hinausweist. Ihr Zweck ist rhythmischer Natur, ganz tief im Jetzt versunken und ohne Bezug zur vorherigen oder folgenden Minute. Das, was man sieht, ist nicht mal Oberfläche, denn unter ihr ist nichts, das sie bedecken könnte. Es ist nur zwecklose, blendende Sinnesdekadenz. Formuliert man es weniger freundlich, dann ist Ultraviolet wie ein Porno, dem es nur darum geht, seine knapp umhüllte Hauptdarstellerin in aufregende Posen zu bringen.
Das ist nun irgendwie verwerflich, verheißt aber nicht automatisch einen schlechten Film. Dass solche Rechnungen aufgehen können, sieht man ja zum Beispiel an Filmen wie 300. Nur ist Frau Jovovich nun mal in erster Linie ein Ex-Model und dann irgendwann Schauspielerin. Eine Martial Arts-Expertin ist sie nicht, weshalb die Kämpfe nur dadurch ein Spektakel werden können, dass viele Schnitte und Kameraschwenks so tun, als würde tatsächlich flüssig gekämpft werden. Hinzukommt, dass – wie bei gewissen altehrwürdigen Klamauk-Prüglern – die (angeblich bis zur Perfektion gestählten) Gegnerscharen nur aus stupiden Taugenichtsen bestehen, die brav in Reih und Glied darauf warten, von der zarten Handkanten Violets aus dem Verkehr geknockt zu werden, anstatt effektiv und vor allem kämpfend in der Gruppe aufzutreten und den Film nach 8 Minuten zu beenden. Deswegen beschränkt sich Violet recht früh auch darauf, mit zwei MPs in alle Richtungen zu zielen, dabei teilnahmslos-lasziv zu gucken und nur ab und mit einem offensichtlichen Seil ein paar Meter tiefe Abgründe runterzugleiten. Gut, dass ihr ein Schwerkraft-Irgendwas erlaubt, auch an Decken und Wänden zu joggen oder Motorrad zu fahren. Das verspräche ein paar hübsche Perspektiven, wären die Computereffekte nicht so schrecklich durchschnittlich und lieblos. Trotzdem sind einige der Sequenzen ganz pfiffig komponiert. Wäre auch schade wenn nicht, denn das ist das einzige, was der Film hat. Wummernde Beats und eine arrogante Killer-Amazone, die zu ihnen tanzt.
Recht schnell wird das Ganze so bescheuert, dass man gar nicht weiß, wie man es bewerten soll. Ernstgenommen werden will dieser Film ganz offensichtlich nicht. Spannung erzeugen auch nicht, weil die alles niedermähende Power-Misanthropin selbst Gott in Stücke zucken könnte, ohne dabei eine Mine zu verziehen. Dass wirklich nicht mehr da ist, als das, merkt man immer dann, wenn für einen Augenblick mal kein Mündungsfeuer im Bild flackert und sich mit einem Schlag totale Langeweile einstellt. Etwas, das dann noch vor der Hälfte zum Dauerzustand wird. Die immer gleichen Kloppereien werden seltener und an ihre Stelle rückt eine andere Art von Nichts, die sich dadurch auszeichnet, die wahrgenommene Zeit während des Filmschauens zu verdreifachen.

Es ist tatsächlich nur Tanz um das Plastik, tatsächlich nur Porno. Bemüht schön gefilmte Intermezzi ohne Handlung, die dann irgendwann in einem unvermeidlichen Höhepunkt mit galliger Erlöser-Symbolik, die ebenfalls nur zum Selbstzweck besteht, enden. Nur: Wer braucht schon 90 Minuten Porno? Wer will ein 90-Minütiges Hochglanzmusikvideo auf MTV von irgendeinem völlig bedeutungslosen Elektroact sehen? Eben.
Genau deswegen wird hier auch kein Wort über die fragwürdigen Dialoge und den Schund, der hier anstatt einer Geschichte angeboten wird, verloren. Übrigens auch nicht über William Fichtner, ewig gezwungen, in den Feuern der B-Produktionen zu braten, der wie immer einen kleinen Lichtblick bedeuten würden, wenn da nicht sein viel zu riesiges Vampirgebiss wäre, das ihm kaum das Sprechen geschweige denn das Schließen seines Mundes erlaubt.

Dass das Drehbuch mehr dem Malbuch eines Dreijährigen gleicht, ist beileibe keine Überraschung, denn Regisseur und Autor ist Kurt Wimmer, seines Zeichens Vater der filmgewordenen Depression Salt (mit dem es neben der bescheuerten Art noch weitere schlimme Dinge teilt) und der heillos überschätzten Spiegelfechterei Gesetz der Rache, aber auch verantwortlich für den trashigen Semi-Kult um Equilibrium und das schmierige Total Recall-Remake.

Fazit

Wer Sachen wie „Symptom des kulturellen Niedergangs“ sagt, ist normalerweise ein Spinner. Hat derjenige aber Ultraviolet gesehen, besitzt er eine gewisse Legitimierung für seinen Satz. Ein Film, der auf alles verzichtet, was Geschichtenerzählen ausmacht, und sich stattdessen auf eine einzelne Disziplin spezialisiert hat, die er nicht beherrscht.
Das Schlechteste aus den Genres Porno und Musikvideo kommt in Ultraviolet mit einer Beliebigkeit und Inspirationsarmut zusammen, die einen tatsächlich daran zweifeln lässt, dass der Mensch noch zu retten ist.

Total Recall

Es dachte sich Len Wiseman, das Genie hinter den glorreichen Underworld-Teilen, dass man die Kurzgeschichte Erinnerungen en gros von Sci-Fi-Spezi Philip K. Dick doch sicher angemessener auf die Leinwand bringen könnte als Pfuscher Paul Verhoeven (RoboCop, Starship Troopers) dies anno 1990 tat. Folglich holte er sich Drehbuchschreiber Kurz Wimmer an Bord, der in letzter Zeit Sachen wie Gesetz der Rache, Salt und Ultraviolet verbrach, und schuf mit ihm ein großes, leeres, 125.000.000 Dollar teures Nichts.
Wake up. Wake up. Wake up.

Story

Im Jahre 2084 ist es mal wieder so weit. Die ständigen Kriege haben dem Planeten den Atem genommen. Die Erdoberfläche ist unbewohnbar geworden.
Die ganze Erdoberfläche? Nein, Großbritannien und Australien haben es irgendwie geschafft, sich ein wenig saubere Luft zu bewahren. Die übriggebliebenen Menschen leben an diesen beiden Orten mehr schlecht als recht vor sich hin. Verbunden sind sie durch einen Tunnel, der einmal mitten durch die arme Erde führt. Douglas Quaid ist ein Minenarbeiter, der diese Tour täglich auf sich nimmt, um auf der anderen Seite der Welt robotische Gesetzeshüter herzustellen, die aussehen wie Stormtrooper für Arme.
Sein Leben besteht aus deprimierenden TV-Nachrichten über Terroranschläge und der nicht minder deprimierenden Arbeitsroutine.
Ein Unternehmen namens REKALL weckt seine Neugierde. Es offeriert künstliche Erinnerungen  – an was auch immer man sich erinnern möchte. Vollkommen glaubwürdig, eine Art komponierter Traum. Der perfekte Eskapismus und die Chance, dem leidigen Arbeitsalltag endlich zu entfliehen. Trotz Bedenken klopft Quaid an die Tür von REKALL, wo er mit offenen Armen empfangen wird. Nur wenige Minuten später sitzt er in einem Stuhl und kann sich ein beliebiges Erlebnis-Szenario auswählen. Einzige Voraussetzung: Die Fantasie muss ausschließlich Fantasie und darf keinesfalls realer Part seines Lebens sein. Sonst kommt es zu hässlichen Komplikationen auf Hirnexplosionsbasis.
Geheimer Doppelagent wäre der frustrierte Herr gerne, natürlich.
Bevor der Prozess eingeleitet werden kann, stürmen bewaffnete Truppen den Saal und machen Jagd auf den Fabrikarbeiter, der überrascht feststellen darf, dass er eigentlich ein sensationell guter Kämpfer ist.

Kritik

Total Recall ist eine Schönheit. Das müssen Remakes natürlich per se von sich behaupten können, um ihre Existenz zu rechtfertigen, aber Len Wisemans  Philip K. Dick-Interpretation sticht hier gesondert hervor. Die Zukunft gehört den wuchtigen, geschmeidigen Maschinen, den industrialisierten Hoffnungen und dem Neonröhren-Regen. Zwar gewinnt der Film ganz gewiss keine Design-Preise, doch auch futuristische Standardoptik kann eine kurze nerdige Glückseligkeit induzieren, wenn sie nur detailliert, stilsicher und oft genug ins Bild gehalten wird. Das Schöne ist, dass sich im großen Durchschnitt immer wieder ein paar kleine eigene Ideen bemerkbar machen und sich diese ganzen Kleinigkeiten in seltenen Momenten tatsächlich perfekt zu einem düsteren Cyberpunk-Szenario zusammenfügen, das trauriger, schattiger und klammer kaum sein könnte. Zumindest hier wird man den dystopischen Ausführungen eines Philip K. Dick tatsächlich gerecht. Irgendjemand wird also mal ein Buch von ihm gelesen haben, bevor er sich dem Film zuwandte. Oder aber – und das ist wohl wahrscheinlicher – man hat sich einfach eine andere Dick-Verfilmung zu Gemüte geführt, Blade Runner zum Beispiel, und sich auf nichts anderes als auf die triste Bildstimmung und die schummrigen Sets konzentriert. Eine Schönheit ist der Film, aber keine Grazie. Denn hätte man sich auch ein Beispiel an der Filmhandlung  – oder gar an Dicks Vorlage selbst – genommen, wäre man höchstwahrscheinlich über den Umstand gestolpert, dass der gute Herr stets eine Geschichte zu erzählen hatte. In der Regel eine verzwickte, in sich verschachtelte Geschichte voller Wendungen und mit einem philosophischen Anstrich, der regelmäßig und immer wieder glaubwürdig die Frage aufkommen lässt, was uns eigentlich so sicher sein lässt, dass unsere gelebte Realität tatsächlich real und objektiv ist. Nach der kurz anhaltenden Freude über die stimmigen Sets finden der Stil des Filmes und der Stil Dicks nämlich erst ganz zum Schluss wieder zueinander – beim offenen Ende. Während man im Anschluss an eine Lektüre des Sci-Fi-Meisters meist erst einmal schwindelig das Buch aus den Händen legt und das Gelesene fast schon automatisch weiterspinnt, ist man am Ende der 2012er Version von Total Recall in erster Linie sehr genervt. Zudem das Ende zwar in gewisser Weise nicht geschlossen, aber auch nicht gänzlich offen und dazu vollkommen vorhersehbar ist. Auch wer nicht mit der literarischen Vorlage und Paul Verhoevens filmischer Erstinterpretation Die totale Erinnerung – Total Recall mit Arnold Schwarzenegger vertraut ist, dürfte keinesfalls überrascht vom aufgesetzten Schluss-Twist sein.
Der Vorgänger aus dem letzten Jahrtausend hat gleich zwei Dinge entschieden besser gemacht. Zum einen hat er durchaus den Anspruch, eine Geschichte zu erzählen, die Unerwartetes bereithält. Zum anderen ist er selbstreflexiv genug, seine trashige Arnie-Atmosphäre nicht zu verleugnen und besitzt den Mut, mit charmantem Zynismus darauf zu reagieren.
Im Jahre 2012 ist Total Recall die meiste Zeit über seelenlose Austausch-Action. Die vielen Design-Details, die den Wegesrand säumen, sind schmuck, doch im Zentrum stehen eindeutig die viel zu generischen Verfolgungsjagden und höhepunktlose Schlägereien, die sich träge aneinanderreihen. Deswegen ist der Film auch dann am interessantesten, so lange die Geschichte noch nicht am Laufen ist. Nach dem vielversprechenden ersten Drittel nehmen die Actionszenen im Galopp die Überhand und der hübsche Film entpuppt sich furchtbar schnell als ein biederer und sehr kurzatmiger Langweiler.
Deswegen kann man sich zu Recht fragen, wieso Golden Globe-Gewinner Colin Farrell  sich in das Machwerk verirrt hat. Ohne seinen Namen hätte der Sci-Fi-Film womöglich nicht mehr Beachtung gefunden als die anderen Werke von Len Wiseman. Underworld 1 – 4, von denen er auch gleich Ehefrau Kate Beckinsale mit rüber genommen hat, die als fiese Killer-Ex nach jedem gescheiterten Angriff der Synthetikpolente verbissen dreinschauend um die Ecke stolziert, dass man die Uhr nach ihr stellen könnte. Nun gut. Stirb langsam 4.0 hat der Regisseur auch zu verantworten. Und der ist ja gar nicht so übel. Aber es scheint bei diesem Ausrutscher zu bleiben.

Fazit

Ganz egal ob man Total Recall an seiner literarischen und/oder filmischen Vorlage misst oder ob man das Werk gänzlich unabhängig betrachtet: Nach der unterhaltsamen ersten halben Stunde hört der Sci-Fi-Film einfach auf, eine Story zu haben, und missbraucht die eigentlich vielversprechenden Ansätze für den Rest der langen Laufzeit, um sich in völlig belanglosen Schießereien zu verlieren. Obwohl das Remake unverschämt gut aussieht und allerhand zu Bruch geht, schafft es der Film spielend, bereits nach kürzester Zeit vollkommen zu langweilen.