Teenage Mutant Ninja Turtles (2014)

Am 11. August startet das Sequel Teenage Mutant Ninja Turtles: Out of the Shadows in den Lichtspielhäusern. Höchste Zeit, den ersten Teil, der unter der Regie des wenig geschätzten Jonathan Liebesmann entstanden ist, unter die Lupe zu nehmen.

Have you seen that video where the cat is playing Chopsticks with chopsticks?

Story

Die Schläger des Foot Clans machen seit Jahren schon die Straßen von New York unsicher und werden in letzter Zeit wachsend aggressiver. Die Reporterin April O’Neil, die genug davon hat, unwichtige Boulevard-Sendungen zu moderieren, startet auf eigene Faust eine Recherche und kreuzt prompt den Weg vierer mysteriöser Rächer, die der Verbrecherbande das Handwerk legen wollen.
Bei ihren Nachforschungen stellt sie nicht nur fest, dass diese ominösen Helden mit ihrer eigenen Vergangenheit zu tun haben, sondern auch, dass es sich um jugendliche Schildkröten-Ninjas handelt, die von einer Kampfsportratte aufgezogen wurden.

Kritik

Zugegeben, der Anfang hat was. Wie da in die Kamera durch nette, abstrakte Bilder fährt, die klassischen Ninja-Turtles-Waffen ihre Schatten auf Kanalwände werfen und Geräusche machen, wie Splinter mit bedeutungsschwangerem Tonfall prophezeit, dass die vier Schildkröten Außergewöhnliches erleben werden. Das ist eine Verbeugung vor den Ursprüngen, das ist… nett. Und dann, dann endet der Ausflug durchs gezeichnete Kanalisationssystem und wir starten mit einer Verbeugung vor dem Produzenten Michael Bay. Ein Stadtpanorama dieser speziellen Art, wie man es von seinem Stil kennt. Glatt, zugekleistert, aus einem Helikopter gefilmt und von hymnischer Musik unterlegt, als wolle man tatsächlich sagen: Diese trostlose Ansammlung trister Stahlbaracken dort unten, die ist doch wunder-, wunderschön, nicht wahr?
Direkt danach wähnt man sich in einem Found-Footage-Film der wirklich schlimmsten Sorte, während wir einer April O’Neil in gelber Jacke einem Arbeiter an den Docks hinterherlaufen sehen. Für einen unschuldigen Moment glaubt man noch, man sähe hier einfach das Bild des hinterherhechtenden Co-Reporters, der das Interview filmt. Die nächste Einstellung belehrt uns eines Besseren. Auch ansonsten schreit hier alles „Dies ist ein Film von Michael Bay!“, obwohl es keiner ist. Alles ist seltsam grün ausgeleuchtet und wirkt deshalb wie ein Traum von G.I. Joe, die Kamerafahrten sind ausnahmslos gelangweilt und kaum eine Einstellung dauert länger als 5 Sekunden. Und wir reden hier von normalen, handlungstragenden Szenen. In Action-Momenten werden diese Zahlen auf einen viel kleineren Zeitraum gepresst und in dieser stark komprimierten Form wirkt es so, als liefe der Film in einem schrecklich öden Zeitraffer ab.
Das ist kein Problem von Teenage Mutant Ninja Turtles alleine, das ist kein Problem von Filmen á la Michael Bay alleine, das ist nicht mal ein Problem des Actionkinos der Gegenwart alleine, sondern eines, das zunehmend auf die gesamte Filmlandschaft übergewandert ist. Sorgfältig geplante Einstellungen, „cineastische Gemälde“, montiert mit bedachten Schnitten, das macht Kino aus. Durch den inflationären Einsatz von Handkameras wird Planung aber obsolet, stattdessen kann eine Szene aus unzähligen Perspektiven gefilmt und im Schneideraum zusammengestückelt werden, ohne dass zuvor ein wirkliches Konzept existieren muss. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich aus Einzeleinstellungen, die zwar eine Geschichte, mitnichten aber ein stimmiges ästhetisches Erlebnis garantieren. Film mutiert zum chaotischen  Daumenkino. Sich darüber ausgerechnet bei Teenage Mutant Ninja Turtles auszulassen, ist etwas ungerecht, da es wahrlich schlimmere Vertreter dieser Gattung gibt, aber der Film ist auf der anderen Seite auch kein sonderlich schlechtes  Beispiel, um den geplatzten Kragen mal ein bisschen in der Öffentlichkeit auszuschütteln.

Alles andere ist eine höchst zwiespältige Sache. Dass das alles stumpf, von hanebüchenen Zufällen beherrscht und teils sehr platt inszeniert ist, erkauft sich der Film natürlich damit, auf einer Comicserie für Teenager basieren. Und man darf dabei auch wirklich nicht aus den Augen verlieren, dass auch der Originalstoff kein Shakespeare ist, wenn auch man sich nicht mal dort die Blöße gab, den alten Hut vom seinen Plan offenbarenden Bösewicht vom Haken zu nehmen. Aber die drei Filme der frühen 90er waren charmant, und das nicht nur aufgrund der rein handgemachten Effekte. Die animierten Panzerninjas von 2014 sind das manchmal auch, wenn auch auf eine tölpelhaft-nervige Halbstarkenweise, die sich primär durch Herumalbern definiert, aber eben auch dann und wann passable Slapstick-Momente bietet. Bei den menschlichen Figuren sieht es ganz ähnlich aus. Manche Kabbeleien zwischen April und den New Yorkern, die ihre Schildkröten-Rächer-Story nicht glauben wollen, entbehren nicht einer gewissen Schnittigkeit, andere wiederum überschreiten die Grenze zur Albernheit mit weiten Schritten. Grundsätzlich ist der Film aber geprägt von einer Geschwätzigkeit, die so redundant und einfallslos sind wie die Schnitte zwischen den Sekundeneinstellungen. Schön ist hingegen, dass man sich mit der Einführung des Szenarios Zeit lässt, sich dabei aber nicht in einer Origin-Story verstrickt, sondern diese in wenigen Minuten retrospektive nachliefert.
Interessant ist, dass sich die gesamte Geschichte um die säbelrasselnden Rennaissance-Kröten einer ganz anderen Herausforderung stellen muss. Denn dadurch, dass sie nun einen ernsten Look bekommt und die Protagonisten dank moderner Tricktechnik halbwegs realistisch aussehen, muss der Film irgendwann auch thematisieren, was sie da mit ihren scharfen Klingen eigentlich anstellen. Denn während die Nunchakus  Michelangelos und der Bo Donatellos keine zwingend letalen Waffen sind, sieht es bei Leonardos Katanas und Raffaels Sai ganz anders aus. Von  Shuriken, Tekagi-Shuko und so fort ganz zu schweigen. Der Film stiehlt sich allerdings davon, indem er einfach nicht zeigt, was die Konsequenzen der direkten Auseinandersetzungen mit Waffengewalt sind.

Mehr kann man eigentlich nicht sagen. Irgendwo ist da noch Whoopi Goldberg, die ihre Hochzeit zur gleichen Zeit wie die originalen Teenage Mutant Ninja Turtles hatte, William Fichtner hingegen wurde wie so oft verschenkt und sorgt nur indirekt für so etwas wie markante Momente, weil die von ihm verkörperte Figur Eric Sacks ausgesprochen genau wie „Sex“ klingt, was für die denkwürdigsten Momente des ganzen Filmes sorgt.
Teenage Mutant Ninja Turtles als kurzweilig zu bezeichnen, könnte falsche Signale aussenden. Langweilig ist der Streifen aber nicht wirklich. Sondern auf eine gar nicht so grauenhafte Weise belanglos. Die fünffache Nominierung für die Goldene Himbeere darf dabei aber trotzdem als maßlose Übertreibung gesehen werden. Denn in der unterirdischen Liga eines Transformers-Filmes spielt das Schildkrötenabenteuer in keiner Minute. Vergessen werden darf auch nicht, dass die vier Liebhaber italienischen Traditionsessens bereits ganz andere Tiefpunkte wegstecken mussten. Man denke da nur an eine gewisse Fünfte im Bunde namens Venus de Milo in der „Power Ranger“-Ausführung 1997/98. Gleiches gilt übrigens auch für die häufigen Schmähworte über das Design der Turtles. Ja, sie sehen monströser und nicht mehr so lieblich aus wie einst. Doch das Aussehen ist mehr als angemessen und passt absolut zum Setting.
Andererseits erzählt der Film aber auch so wenig, dass seine Dauer von 100 Minuten einfach viel zu lang ist. 30 davon weniger und die Sache wäre deutlich runder und damit zum Ende hin weniger zäh geworden.

Fazit

Man mag es nicht glauben, aber das Reboot der Teenage Mutant Ninja Turtles gehört zu dem eindeutig Besseren, was Jonathan Liebesmann in seiner Karriere so verbrochen hat. Auch wenn das nichts zu bedeuten hat. Und auch wenn man die Fingerabdrücke des Seelenverschlingers Michael Bays ständig zu spüren meint, ist das hier kein Transformers-Debakel. Wäre das Spektakel nicht nach hinten hinaus zu lang geworden, wäre durchaus noch mehr drin gewesen. So werden ein paar sympathische Gags der Anarcho-Kröten, halbwegs gelungene Actioneinfälle und fast verbrämte Bezugnahmen zur eigenen Serienvergangenheit zwar von einer Menge an tumbem Geschnatter, erschütternd liebloser Charakterzeichnung und einer bemitleidenswert hilflosen Kamera in den Schatten gedrängt, aber trotzdem kann man sagen: Es hätte viel schlimmer kommen können.

Und mit dem Nachfolger Out of the Shadows wechselt nicht nur Newcomer Dave Green (Earth to Echo) auf den Regiestuhl, auch werden allerhand coole Turtles-Schergen  die New Yorker Bühne betreten und mit etwas Glück den Comic-Charme entfesseln, der in diesem Film nur sehr unterdrückt zum Tragen kam.

 

Elysium

Mit District 9 gelang Senkrechtstarter Neill Blomkamp ein mächtiger Achtungserfolg. Obwohl der Rezensent nie so ganz warm mit diesem Werk wurde (eine Kritik wird irgendwann folgen, wenn er sich traut), war er trotzdem sehr gespannt, wie der in der Science-Fiction beheimatete Südafrikaner sich weiterhin behaupten würde.
Elysium liefert – vorerst – die Antwort.

Don’t breathe on me. Cover your mouth.

Story

Als die Situation auf der Erde unerträglich wurde, warfen die Reichen aller Länder ihr Geld in einen Topf und bauten sich eine ringförmige Raumstation namens Elysium, um dort ein erdähnliches, dekadentes und vor allem sehr elitäres Leben zu führen. Jedes körperliche Leid, und sei es noch so schwerwiegend, kann in wenigen Sekunden kuriert werden und für allen Luxus ist gesorgt, während die Zurückgebliebenen auf der Erde in dreckigen Slums dreckiger Arbeit nachgehen und in aller Regel auf gleichfalls dreckige Weise zugrunde gehen.
Der vormalige Kleinkriminelle Max DeCosta ist einer dieser Zurückgebliebenen, der sich als Fabrikarbeiter verdingt, bis er durch einen Unfall unheilbar verstrahlt wird.
Nur ein (natürlich illegaler) Trip nach Elysium kann Abhilfe schaffen. Zusammen mit der Jugendliebe und deren schwerkranken Töchterlein startet Max eine explosive Flucht nach vorne ins gelobte Land.

Kritik

Die Erwartungen an Blompkamps Zweitwerk waren enorm, imposante Bilder von einem kahlköpfigen Matt Damon mit Exoskelett und entschlossenem blick heizten weiter an und die ersten Berichte aus Previews gossen dann gallonenweise Öl ins Feuer, da einige privilegierte Kritiker der USA mit Superlativen um sich warfen, lange bevor der Streifen dem pöbelhaften Rest der Weltbevölkerung vorgeführt wurde – ein wenig wie im Film selbst also.
Entsprechend ernüchternd fielen die ersten Urteile dieses Pöbels aus, als sich herausstellte, dass Elysium eigentlich überhaupt nichts Besonderes ist.
Der Film ist eine komische, eigentlich aber höchst gewöhnliche Mischung aus gegenwartsbezogener Gesellschaftskritik in einer überzeichneten Comicwelt, die sich durch zwei möglichst weit voneinander entfernte Fronten definiert.
Damons Rolle ist genauso wild zusammengewürfelt. Eine Mischung aus Racheengel, Robin Hood, ehemals schwerer Junge und Halbgott verklumpt in seiner Person zu reinem Standard.
Die Elysianer leben in ihrem Himmel ewig und feiern wie die Asen. Tatsächlich ist es die Abwandlung eines oft bemühten Sagenkonzepts. Ein übermenschlicher Mensch bietet selbstgerechten Gottwesen die Stirn. Es ist die Geschichte von Prometheus. Und natürlich kann der Held dies nicht alleine. Nein, er braucht die Hilfe der Oberen selbst, die sich in ihrer selbstvergessenen Dekadenz in den eigenen Reihen selbst bekriegen und nur deshalb ausreichend schwach werden. Aus sich heraus ist der Mensch nämlich nicht in der Lage, mit Erfolg aufzubegehren. Das System, gegen das er sich stemmt, muss bereits in sich faulen. Dass das eigene, aus dem er kommt, viel kaputter ist, reicht allein nicht als Berechtigung.
Dazu gibt es kitschige Rückblenden, einen bulliger Matt Damon, William Fichtner auf Comic-Relief-Autopilot und Jodie Foster als teuflische Märchenhexe mit eiskalter Visage.

Ärgerlich ist, dass der Film viele Dinge tut, er nicht nötig hätte. Es genügt nicht, etwas zu zeigen und Sachverhalte anzusprechen. Elysium drückt einem alles mit Nachdruck auf. In Umsetzung heißt das dann, dass man sich nicht zu zeigen scheut, wie ein totkrankes Mädchen, das einen Teddybären hält, mit traurigem Gesicht eine Fabel aufsagt, um auch ganz sicher zu gehen, dass der Zuschauer rallt, welche Art von Gefühl er gerade empfinden zu empfinden hat.
Unterm Strich ist das alles nur schade und nicht furchtbar, weil die Inszenierung glücklicherweise nicht so plump wie das ist, was inszeniert werden soll. Trotzdem, ein wenig mehr Subtilität und Würdigung des Zuschauerintellekts hätten dem Film gut zu Gesicht gestanden.

Ansonsten gibt es schneidige Action in hübsch gefilmten Zeitlupeneffekten und ein schön staubiges Setting, wobei vor allem die agilen Androiden für den nötigen Pepp im Gefecht sorgen. Es ist, sagen wir, das District 9-Syndrom. Der Look von Elysium macht ganz ohne Zweifel ordentlich was her und da wir nun im Vergleich zu Blomkamps Erstling nicht nur eine klare Identifikationsfigur, sondern auch eine sehr konventionelle Plotstruktur haben, fällt es nicht schwer, den Film als gute Unterhaltung wahrzunehmen. Lange nachwirken werden die 109 Minuten nicht, aber das sollte von Blomkamp auch zukünftig einfach nicht erwartet werden. Seine Filmwelten sind Dystopien nach klassischem Muster, die mit einer ebenso klassischen Hollywood-Wende konfrontiert werden. Und wie viele Hollywoodgeburten plustert auch dieser Film sich mit simpler Botschaft zu etwas auf, das er sein möchte, aber nicht ist. Ganz wie der Mensch.
Tatsächlich ist jeder einzelne Charakter ein schlafwandelndes Klischee. Der vollbärtige, mit Wahnsinn infizierte Söldner mit Hang zu Kontrollverlust, die egomanische Oberziege ohne Gewissen, der kalkulierende, fast schon robotisch agierende Anzugträger, der äußerlich schmutzige, innerlich funkelnde Held und dessen große Liebe aus Kindertagen. Et cetera.
Einzig Wagner Moura als der Untergrundkämpfer Spider wirkt zumindest in den ersten Augenblicken nicht ganz so durchschaubar.
Aber auch hier gilt: Das alles klingt auf dem Papier schier ungenießbar, die wohltemperierte Inszenierung lässt diese Fehler aber kaum bemerken.
Zwischen grundklassischer Heldengeschichte, Großbudget und Matt Damon erwartet man nun eines nicht unbedingt: Ansätze von Splatter. Diese sind in Elysium zwar nur vereinzelnd anzutreffen, aber doch vorhanden und wirken entsprechend auch wie ein Fremdkörper inmitten des reinen Rests.
Zum Ende hin verliert der Film dann leider seinen Faden aus den Fingern und selbst der stets einseitige, aber zumindest mit bedrohlicher Unberechenbarkeit ausgestattete M. Kruger (Sharlto Copley, Hauptdarsteller in District 9) wird zunehmend zum platten Dampfwalzengegner mit zerstörerischem Größenwahn als einzige Motivation. Und damit schafft der Film es tatsächlich, am Schluss noch deutlich belangloser zu sein als am Anfang. Bemerkenswert ist es zudem, dass die Wolkenstadt kaum Sicherheitskräfte zu haben scheint. Denn die finale Schlacht findet in einem scheinbar entvölkerten Elysium statt.

Fazit

Elysium ist keine ernstzunehmende Abhandlung über die Kluft zwischen Arm und Reich, das amerikanische Gesundheitssystem oder die Relevanz des Einzelnen. Elysium ist ein ganz normaler Science-Fiction-Film, der sich mit der richtigen Dosis aus Action und Heldenmär auf ebenso normale Weise in die Gunst des nach Zerstreuung suchenden Zuschauers bringt. Und das ist vollkommen okay.
Einer dieser Filme, denen man nicht vorwerfen kann, was sie sind, aber vorwerfen könnte, was sie nicht sind.

Ultraviolet

Ultraviolet ist eine britische TV-Serie aus den 90ern, die niemand kennt. Genau wie in Kurt Wimmers Spielfilm von 2006 geht es um modernisierte Vampire. Hier enden die Gemeinsamkeiten.


What?

Story

Irgendwann in der Zukunft entdecken irgendwelche Forscher ein uraltes Virus, das die Menschen zu vampirartigen Monstern macht. Es beginnt ein Krieg und die Partei mit den Fangzähnen wird fast ausgerottet. Violet gehört zu den Überlebenden und ist im Kampf gegen die Menschen ganz vorne mit dabei.
Als eine vermeintliche Superwaffe gegen die Vampire von ihr entwendet wird, steht sie plötzlich zwischen den Fronten und muss mit einem unerträglich passivem Balg ganz viele Leute töten. Außerdem kann sie an der Decke laufen, weil sie ein Schwerkraft-irgendwas-Gerät hat, das sie nach 20 Minuten aber einfach nicht mehr benutzt. Sie kämpft in Stöckelschuhen.

Kritik

Ultraviolet hat einen eigentlich vielversprechenden Start. Der Vorspann besteht aus den Covern von Comics der nicht existierenden Vorlage zum Film. Teile der Titelblätter entpuppen sich als Namen der Beteiligten. Das clever zu nennen, wäre ein Affront gegen wirklich clevere Filme, aber nett ist es irgendwie. Dann enden die Opening-Credits und am Anfang ist das Wort von Violet. Und diese Violet spricht zu dem Zuschauer, erklärt ihm, dass er ihre Welt vielleicht nicht verstünde. Das ist schräg. Es ist schräg, wenn die Hauptfigur einer Geschichte, welche in einer anderen, zukünftigen Realität spielt, vom Zuschauer und seiner Realität weiß. Das ist verstörend. Wieso spricht sie zu der Vergangenheit? Wie macht sie das? Ist sie irre? Wenn sie es nicht ist, sind dann Zeitreisen möglich? Wen dem so ist, liebe Violet, nutze diese Technik doch, um dein Problem zu lösen. DU MUSST NICHT ALLE TÖTEN und dein Leben riskieren. DU KANNST NÄMLICH DURCH DIE ZEIT REISEN!
Was? Nein, kannst du nicht? Steht davon nichts im Drehbuch? WIESO SPRICHST DU DANN ZUM ZUSCHAUER UND ERZÄHLST VON DEINER FREMDEN WELT?
Ok, viele Großbuchstaben. Aber ja, Violet, du hast schon Recht. Deine Welt ist tatsächlich nicht zu verstehen. Verstehst du sie?

Violet, nun gut. Violet. Aber wieso Ultra? Ist UV-Licht gemeint? Nein, das ergibt keinen Sinn. Fügt man ein „n“ hinzu, wird vielleicht ein Schuh draus. Ultra Violent. Oho! Aha! Doch schon die Einführung lässt die Stirn in Falten legen, denn da sind zwar coole Kugel-Ninjas, die während eines Synchrontanzes mit ihren Säbeln Forscher niederstrecken, doch wirkt das Ganze mehr wie Kegeln als ein martialischer Kampf. Die Opfer klappen einfach so in sich zusammen, wenn eine Waffe ihnen den Garaus gemacht hat, verlieren aber keinen Tropfen Blut – geschweige denn noch größere und festere Teile ihres Körpers. Ihr strahlend weißer Anzug bleibt über ihr eigentlich grausames Ableben hinaus ohne Makel. Das ist der Film. Ein strahlend weißes, fast schon blendendes Stück Designerkleidung. Dies in einer Story, die nicht nur „Ultraviolence“ minus ’n‘ heißt, sondern deren in mehrfacher Hinsicht zentrales Thema zudem auch noch Blut ist. Und das, liebe Violet, ist ähnlich bescheuert wie eine in der Zukunft verankerte Protagonistin, die zum Zuschauer in der Vergangenheit spricht.
Die Bösewichter sitzen auf Plexiglasstühlen, tragen Siegelringe über ihren Gummihandschuhen und besabbern sich mit hohlen Phrasen. Milla Jovovich als besagte Meta-Zeitreisende Violet hat lila Haare, ein großes Mundwerk und hautenge Latexkleidung an ihrem Körper kleben, die von voyeuristischen Kameras abgetastet und in Nahaufnahme auf den Bildschirm des Zuschauers übertragen wird.
Formuliert man es freundlich, dann ist Ultraviolet wie ein Musikvideo. Die Dinge, die dort geschehen, haben keinen Sinn, der über sie selbst hinausweist. Ihr Zweck ist rhythmischer Natur, ganz tief im Jetzt versunken und ohne Bezug zur vorherigen oder folgenden Minute. Das, was man sieht, ist nicht mal Oberfläche, denn unter ihr ist nichts, das sie bedecken könnte. Es ist nur zwecklose, blendende Sinnesdekadenz. Formuliert man es weniger freundlich, dann ist Ultraviolet wie ein Porno, dem es nur darum geht, seine knapp umhüllte Hauptdarstellerin in aufregende Posen zu bringen.
Das ist nun irgendwie verwerflich, verheißt aber nicht automatisch einen schlechten Film. Dass solche Rechnungen aufgehen können, sieht man ja zum Beispiel an Filmen wie 300. Nur ist Frau Jovovich nun mal in erster Linie ein Ex-Model und dann irgendwann Schauspielerin. Eine Martial Arts-Expertin ist sie nicht, weshalb die Kämpfe nur dadurch ein Spektakel werden können, dass viele Schnitte und Kameraschwenks so tun, als würde tatsächlich flüssig gekämpft werden. Hinzukommt, dass – wie bei gewissen altehrwürdigen Klamauk-Prüglern – die (angeblich bis zur Perfektion gestählten) Gegnerscharen nur aus stupiden Taugenichtsen bestehen, die brav in Reih und Glied darauf warten, von der zarten Handkanten Violets aus dem Verkehr geknockt zu werden, anstatt effektiv und vor allem kämpfend in der Gruppe aufzutreten und den Film nach 8 Minuten zu beenden. Deswegen beschränkt sich Violet recht früh auch darauf, mit zwei MPs in alle Richtungen zu zielen, dabei teilnahmslos-lasziv zu gucken und nur ab und mit einem offensichtlichen Seil ein paar Meter tiefe Abgründe runterzugleiten. Gut, dass ihr ein Schwerkraft-Irgendwas erlaubt, auch an Decken und Wänden zu joggen oder Motorrad zu fahren. Das verspräche ein paar hübsche Perspektiven, wären die Computereffekte nicht so schrecklich durchschnittlich und lieblos. Trotzdem sind einige der Sequenzen ganz pfiffig komponiert. Wäre auch schade wenn nicht, denn das ist das einzige, was der Film hat. Wummernde Beats und eine arrogante Killer-Amazone, die zu ihnen tanzt.
Recht schnell wird das Ganze so bescheuert, dass man gar nicht weiß, wie man es bewerten soll. Ernstgenommen werden will dieser Film ganz offensichtlich nicht. Spannung erzeugen auch nicht, weil die alles niedermähende Power-Misanthropin selbst Gott in Stücke zucken könnte, ohne dabei eine Mine zu verziehen. Dass wirklich nicht mehr da ist, als das, merkt man immer dann, wenn für einen Augenblick mal kein Mündungsfeuer im Bild flackert und sich mit einem Schlag totale Langeweile einstellt. Etwas, das dann noch vor der Hälfte zum Dauerzustand wird. Die immer gleichen Kloppereien werden seltener und an ihre Stelle rückt eine andere Art von Nichts, die sich dadurch auszeichnet, die wahrgenommene Zeit während des Filmschauens zu verdreifachen.

Es ist tatsächlich nur Tanz um das Plastik, tatsächlich nur Porno. Bemüht schön gefilmte Intermezzi ohne Handlung, die dann irgendwann in einem unvermeidlichen Höhepunkt mit galliger Erlöser-Symbolik, die ebenfalls nur zum Selbstzweck besteht, enden. Nur: Wer braucht schon 90 Minuten Porno? Wer will ein 90-Minütiges Hochglanzmusikvideo auf MTV von irgendeinem völlig bedeutungslosen Elektroact sehen? Eben.
Genau deswegen wird hier auch kein Wort über die fragwürdigen Dialoge und den Schund, der hier anstatt einer Geschichte angeboten wird, verloren. Übrigens auch nicht über William Fichtner, ewig gezwungen, in den Feuern der B-Produktionen zu braten, der wie immer einen kleinen Lichtblick bedeuten würden, wenn da nicht sein viel zu riesiges Vampirgebiss wäre, das ihm kaum das Sprechen geschweige denn das Schließen seines Mundes erlaubt.

Dass das Drehbuch mehr dem Malbuch eines Dreijährigen gleicht, ist beileibe keine Überraschung, denn Regisseur und Autor ist Kurt Wimmer, seines Zeichens Vater der filmgewordenen Depression Salt (mit dem es neben der bescheuerten Art noch weitere schlimme Dinge teilt) und der heillos überschätzten Spiegelfechterei Gesetz der Rache, aber auch verantwortlich für den trashigen Semi-Kult um Equilibrium und das schmierige Total Recall-Remake.

Fazit

Wer Sachen wie „Symptom des kulturellen Niedergangs“ sagt, ist normalerweise ein Spinner. Hat derjenige aber Ultraviolet gesehen, besitzt er eine gewisse Legitimierung für seinen Satz. Ein Film, der auf alles verzichtet, was Geschichtenerzählen ausmacht, und sich stattdessen auf eine einzelne Disziplin spezialisiert hat, die er nicht beherrscht.
Das Schlechteste aus den Genres Porno und Musikvideo kommt in Ultraviolet mit einer Beliebigkeit und Inspirationsarmut zusammen, die einen tatsächlich daran zweifeln lässt, dass der Mensch noch zu retten ist.

Strange Days

Wieder einmal muss die Jahrtausendwende als Schreckgespenst herhalten. 1995 malte Kathryn Bigelow in Strange Days die vier Jahre in der Zukunft liegende Welt in tristen Farben – nach einem Drehbuch ihres Ex-Mannes James Cameron.

Story

Wir befinden uns am Tage vor der Millennium-Wende in einem Los Angeles, das im Begriff ist, unrettbar im Chaos zu versinken. Propheten verkünden die nahende Apokalypse, jedwede Moral scheint der Vergesslichkeit anheimgefallen zu sein, die MiniDisc konnte sich durchsetzen und die ganze Stadt gleicht einem Kriegsgebiet. Die Plätze sind Schauplatz einer permanenten Schlacht, Horden von Polizisten kämpfen ohne Unterlasse gegen randalierende Aufständische, Gummigeschosse schnellen durch die Luft und der Dunst von Rauch- und Tränengasgranaten wabert durch die heruntergekommenen Straßenzüge. Der Bevölkerung der Stadt der Engel ist dieser Ausnahmezustand längst zum Alltag geworden.
Eine neue Droge hat sich etabliert und bietet sich all jenen an, die sich auf der Suche nach einem Gegenpol zur unerträglich gewordenen Realität befinden: Eine ursprünglich für das FBI entwickelte Technik erlaubt es, die vollständige Wahrnehmung eines Menschen aufzuzeichnen, welche dann auf Abruf von Dritten nacherlebt werden kann. Ein Simpler Kopfaufsatz, der die Impressionen direkt aus der Hirnrinde extrahiert, und ein handlicher Rekorder genügen, um das privateste Empfinden eines Menschen auf einen Datenträger zu bannen. Schnell entsteht ein florierender Schwarzmarkt: Personen werden dafür bezahlt, dass sie ihre außergewöhnlichen Erlebnisse aufzeichnen. Sex, extravagante Freizeitaktivitäten, Raubüberfälle – für jede Neigung, egal ob banal oder absonderlich, lässt sich das passende Erlebnis in Form sogenannter „Clips“ erwerben.

Nach einer grandiosen Anfangssequenz, die die Prämisse des Filmes gleich zu Beginn gekonnt auf den Punkt zu bringen weiß, begegnen wir unserem Protagonisten Lenny Nero. Er ist Dealer dieser verbotenen Früchte und selbst schon lange abhängig von ihnen. Bis spät in die Nacht fährt er von Kunde zu Kunde, bewirbt allerorts seine exklusive Ware und findet für jeden Abnehmer die passenden Worte und das passende Produkt. Er hat ein Auge für die ganz besonderen Herzenswünsche seiner Klienten und vermag es, auch die anstößigsten Clips stilvoll an den Mann zu bringen.
Lenny ist der Antiheld dieser Geschichte – eine Mischung aus eiskalt kalkulierendem Geschäftsmann und windigem Gauner, dessen Waffen verbitterter Zynismus und Verschlagenheit sind. Er flucht wie ein Kesselflicker und als vom Dienst suspendierter und lasterhafter Ex-Polizist hat er deutliche Züge des klassischen Hardboiled Detectives. Sein ständig von einem Schweißfilm bedecktes Gesicht trägt einen gequälten Ausdruck zur Schau. Die strähnigen Haare nach hinten geworfen, stolpert er als gebrochener Mann durch die Geschichte und verdient sich die Brötchen damit, die Welt jeden Tag ein Stückchen schlechter zu machen.
Nach getaner Arbeit gibt er sich in seinem Appartement selbst der Droge hin. Wieder und wieder durchlebt er seine eigenen Erinnerungen, die wenigen schönen Stunden, die er mit seiner verflossenen Liebe, die den klangvollen Namen Faith trägt, durchleben durfte. Dass auch sie mittlerweile kaum mehr ein Schatten ihrer selbst ist, nimmt Lenny nicht wahr. Sie erstrahlt für ihn immer noch in ungetrübtem Glanz, wenn er sie regelmäßig nachts besucht und jedes Mal abgewiesen wird, bevor die Schläger des schmierigen Ganoven, in dessen Diensten sie nun steht,  ihn unsanft vor die Tür befördern. Eine der rührendsten Szenen ist es, wie er sich vor einem solchen Türsteher befindet und mit unterwürfiger Geschwätzigkeit dafür argumentiert, die ihm bevorstehende Tracht Prügel doch ein wenig sanfter ausfallen zu lassen.
Lennys einzige Freundin ist die Leibwächterin Mace, die zugleich als letzter moralischer Anker fungiert. Doch auch diese Bande droht zu zerbrechen, weil er sich immer tiefer in den zwielichtigen Machenschaften verliert und Gefahr läuft, vollends die Kontrolle über sein Leben zu abzugeben.
Plötzlich werden ihm Umschläge zugespielt, deren brisanter Inhalt Clips mit den Aufzeichnungen perfide inszenierter Morde sind. Lenny und Mace machen sich unter Zeitdruck auf die Suche nach dem Urheber dieser Verbrechen. Es beginnt eine unheilvolle Schnitzeljagd, während die ganze Welt gebannt auf das in wenigen Stunden anbrechende neue Jahrtausend wartet.

Kritik

All diese Zutaten hätten womöglich nicht für mehr als ein kurzweiliges B-Movie gereicht, wenn eine andere Person auf dem Regiestuhl gesessen hätte. Frau Bigelow allerdings, die schon 8 Jahre zuvor mit Near Dark bewies, dass sie ein Händchen für düstere Stoffe hat, lässt eine glaubwürdige Dystopie entstehen, die bis heute kaum Konkurrenz zu fürchten hat. Auch hier macht sich ihr hervorragendes Gespür für das richtige Timing bemerkbar, das von der wackligen, aber stets präzisen Kameraführung zusätzlich betont wird.
Strange Days trumpft auf mit perfekt arrangierten Bildern, die mit ihrer Nähe zum Cyberpunk betören. Es herrscht dauernde Nacht in L.A., die Stadt ist ein Sündenpfuhl par excellence, der mit viel Aufwand und noch mehr Liebe zum Detail in Szene gesetzt wurde und von einem passenden Soundtrack untermalt wird. Vergessene Weihnachtsbeleuchtung ist genauso omnipräsent wie die glimmenden Reklametafeln und flackernden Neonröhren, sodass die Charaktere fast immer in ein schummriges Spiel von Licht und Schatten getaucht werden, welches einen ganz eigenen Kommentar zu dem Wesen der hier portraitierten Gesellschaft darstellt. Eine Gesellschaft, die alles gesehen und erlebt zu haben glaubt und nun nach immer extremeren Kicks giert, um dem Dasein einen Sinn zu schaffen.
Ralph Fiennes spielt sich die Seele aus dem Leib und liefert unzweifelhaft eine der größten Leistungen seiner Karriere ab, indem er es schafft, mit seiner verrohten Figur trotz allem Sympathien auf Zuschauerseite zu sammeln. Angela Bassett wurde  für ihre Darstellung der Mace völlig zurecht mit dem Saturn Award ausgezeichnet und William Fichtner ist in einer frühen Nebenrolle als (natürlich im Anzug steckender) Prügelbulle zu bewundern.
Neben der ausgiebigen Bestandsaufnahme und der sorgfältigen Charakterstudie rückt die eigentliche Geschichte etwas in den Hintergrund. Aber jene ist eh kaum mehr als die notwendige Klammer, die sich um die Bebilderung dieses Horrorszenarios schließt. Strange Days will eine Menge und schafft das meiste davon.
Ein paar Mal schlägt der Streifen ein wenig über die Stränge, wenn zum Beispiel die sonst so vernünftige Mace völlig unvermittelt zu einer prügelnden Furie mutiert. Doch dies ist Nörgelei auf wirklich hohem Niveau.
Den einzig richtigen Patzer leistet sich das fast zweieinhalbstündige Werk ausgerechnet am Ende. Nach dem schicken Showdown läuft der Film nämlich einfach weiter – für geschlagene 15 Minuten. In diesen ereignet sich ein merkwürdiges zweites Finale, das der sonst so stilvoll zurückhaltenden Darbietung nicht so ganz gerecht werden kann und mit überraschend platter Symbolik aufwartet.

Fazit

Doch auch dies vermag nichts daran zu ändern, dass es sich bei Strange Days um eine düstere, gekonnt inszenierte Zukunftsvision handelt, die durch ihre Detailversessenheit und die pessimistische Grundstimmung zu fesseln weiß. Der Streifen vereint all die Eigenschaften, die Bigelow so groß gemacht haben und ihr vor zwei Jahren den redlich verdienten Oscar einbrachten.