Elysium

Mit District 9 gelang Senkrechtstarter Neill Blomkamp ein mächtiger Achtungserfolg. Obwohl der Rezensent nie so ganz warm mit diesem Werk wurde (eine Kritik wird irgendwann folgen, wenn er sich traut), war er trotzdem sehr gespannt, wie der in der Science-Fiction beheimatete Südafrikaner sich weiterhin behaupten würde.
Elysium liefert – vorerst – die Antwort.

Don’t breathe on me. Cover your mouth.

Story

Als die Situation auf der Erde unerträglich wurde, warfen die Reichen aller Länder ihr Geld in einen Topf und bauten sich eine ringförmige Raumstation namens Elysium, um dort ein erdähnliches, dekadentes und vor allem sehr elitäres Leben zu führen. Jedes körperliche Leid, und sei es noch so schwerwiegend, kann in wenigen Sekunden kuriert werden und für allen Luxus ist gesorgt, während die Zurückgebliebenen auf der Erde in dreckigen Slums dreckiger Arbeit nachgehen und in aller Regel auf gleichfalls dreckige Weise zugrunde gehen.
Der vormalige Kleinkriminelle Max DeCosta ist einer dieser Zurückgebliebenen, der sich als Fabrikarbeiter verdingt, bis er durch einen Unfall unheilbar verstrahlt wird.
Nur ein (natürlich illegaler) Trip nach Elysium kann Abhilfe schaffen. Zusammen mit der Jugendliebe und deren schwerkranken Töchterlein startet Max eine explosive Flucht nach vorne ins gelobte Land.

Kritik

Die Erwartungen an Blompkamps Zweitwerk waren enorm, imposante Bilder von einem kahlköpfigen Matt Damon mit Exoskelett und entschlossenem blick heizten weiter an und die ersten Berichte aus Previews gossen dann gallonenweise Öl ins Feuer, da einige privilegierte Kritiker der USA mit Superlativen um sich warfen, lange bevor der Streifen dem pöbelhaften Rest der Weltbevölkerung vorgeführt wurde – ein wenig wie im Film selbst also.
Entsprechend ernüchternd fielen die ersten Urteile dieses Pöbels aus, als sich herausstellte, dass Elysium eigentlich überhaupt nichts Besonderes ist.
Der Film ist eine komische, eigentlich aber höchst gewöhnliche Mischung aus gegenwartsbezogener Gesellschaftskritik in einer überzeichneten Comicwelt, die sich durch zwei möglichst weit voneinander entfernte Fronten definiert.
Damons Rolle ist genauso wild zusammengewürfelt. Eine Mischung aus Racheengel, Robin Hood, ehemals schwerer Junge und Halbgott verklumpt in seiner Person zu reinem Standard.
Die Elysianer leben in ihrem Himmel ewig und feiern wie die Asen. Tatsächlich ist es die Abwandlung eines oft bemühten Sagenkonzepts. Ein übermenschlicher Mensch bietet selbstgerechten Gottwesen die Stirn. Es ist die Geschichte von Prometheus. Und natürlich kann der Held dies nicht alleine. Nein, er braucht die Hilfe der Oberen selbst, die sich in ihrer selbstvergessenen Dekadenz in den eigenen Reihen selbst bekriegen und nur deshalb ausreichend schwach werden. Aus sich heraus ist der Mensch nämlich nicht in der Lage, mit Erfolg aufzubegehren. Das System, gegen das er sich stemmt, muss bereits in sich faulen. Dass das eigene, aus dem er kommt, viel kaputter ist, reicht allein nicht als Berechtigung.
Dazu gibt es kitschige Rückblenden, einen bulliger Matt Damon, William Fichtner auf Comic-Relief-Autopilot und Jodie Foster als teuflische Märchenhexe mit eiskalter Visage.

Ärgerlich ist, dass der Film viele Dinge tut, er nicht nötig hätte. Es genügt nicht, etwas zu zeigen und Sachverhalte anzusprechen. Elysium drückt einem alles mit Nachdruck auf. In Umsetzung heißt das dann, dass man sich nicht zu zeigen scheut, wie ein totkrankes Mädchen, das einen Teddybären hält, mit traurigem Gesicht eine Fabel aufsagt, um auch ganz sicher zu gehen, dass der Zuschauer rallt, welche Art von Gefühl er gerade empfinden zu empfinden hat.
Unterm Strich ist das alles nur schade und nicht furchtbar, weil die Inszenierung glücklicherweise nicht so plump wie das ist, was inszeniert werden soll. Trotzdem, ein wenig mehr Subtilität und Würdigung des Zuschauerintellekts hätten dem Film gut zu Gesicht gestanden.

Ansonsten gibt es schneidige Action in hübsch gefilmten Zeitlupeneffekten und ein schön staubiges Setting, wobei vor allem die agilen Androiden für den nötigen Pepp im Gefecht sorgen. Es ist, sagen wir, das District 9-Syndrom. Der Look von Elysium macht ganz ohne Zweifel ordentlich was her und da wir nun im Vergleich zu Blomkamps Erstling nicht nur eine klare Identifikationsfigur, sondern auch eine sehr konventionelle Plotstruktur haben, fällt es nicht schwer, den Film als gute Unterhaltung wahrzunehmen. Lange nachwirken werden die 109 Minuten nicht, aber das sollte von Blomkamp auch zukünftig einfach nicht erwartet werden. Seine Filmwelten sind Dystopien nach klassischem Muster, die mit einer ebenso klassischen Hollywood-Wende konfrontiert werden. Und wie viele Hollywoodgeburten plustert auch dieser Film sich mit simpler Botschaft zu etwas auf, das er sein möchte, aber nicht ist. Ganz wie der Mensch.
Tatsächlich ist jeder einzelne Charakter ein schlafwandelndes Klischee. Der vollbärtige, mit Wahnsinn infizierte Söldner mit Hang zu Kontrollverlust, die egomanische Oberziege ohne Gewissen, der kalkulierende, fast schon robotisch agierende Anzugträger, der äußerlich schmutzige, innerlich funkelnde Held und dessen große Liebe aus Kindertagen. Et cetera.
Einzig Wagner Moura als der Untergrundkämpfer Spider wirkt zumindest in den ersten Augenblicken nicht ganz so durchschaubar.
Aber auch hier gilt: Das alles klingt auf dem Papier schier ungenießbar, die wohltemperierte Inszenierung lässt diese Fehler aber kaum bemerken.
Zwischen grundklassischer Heldengeschichte, Großbudget und Matt Damon erwartet man nun eines nicht unbedingt: Ansätze von Splatter. Diese sind in Elysium zwar nur vereinzelnd anzutreffen, aber doch vorhanden und wirken entsprechend auch wie ein Fremdkörper inmitten des reinen Rests.
Zum Ende hin verliert der Film dann leider seinen Faden aus den Fingern und selbst der stets einseitige, aber zumindest mit bedrohlicher Unberechenbarkeit ausgestattete M. Kruger (Sharlto Copley, Hauptdarsteller in District 9) wird zunehmend zum platten Dampfwalzengegner mit zerstörerischem Größenwahn als einzige Motivation. Und damit schafft der Film es tatsächlich, am Schluss noch deutlich belangloser zu sein als am Anfang. Bemerkenswert ist es zudem, dass die Wolkenstadt kaum Sicherheitskräfte zu haben scheint. Denn die finale Schlacht findet in einem scheinbar entvölkerten Elysium statt.

Fazit

Elysium ist keine ernstzunehmende Abhandlung über die Kluft zwischen Arm und Reich, das amerikanische Gesundheitssystem oder die Relevanz des Einzelnen. Elysium ist ein ganz normaler Science-Fiction-Film, der sich mit der richtigen Dosis aus Action und Heldenmär auf ebenso normale Weise in die Gunst des nach Zerstreuung suchenden Zuschauers bringt. Und das ist vollkommen okay.
Einer dieser Filme, denen man nicht vorwerfen kann, was sie sind, aber vorwerfen könnte, was sie nicht sind.