10 Cloverfield Lane

Cloverfield von 2008, der dank der starken Präsenz von Bad Robot Productions einzig J. J. Abrams zugeschrieben wird, obwohl Matt Reeves inszenierte und Drew Goddard das Buch beisteuerte, war vor allem dank der großen viralen Kampagne ein enormer Erfolg.
Vom Sequel 10 Cloverfield Lane darf man endlich mal zurecht behaupten, dass es wirklich alles anders macht: Quasi keinerlei Werbung, eine Ankündigung kurz vor Filmstart, ein anderes Genre, kein Erfolg und besser als sein Vorgänger, der im Herzen eigentlich nur ein verwackelter Monsterfilm gewesen ist.

Santa Claus!

Story

Michelle nimmt Reißaus. Sie sitzt in ihrem Wagen, fährt davon von ihrem Freund Ben, ihrem alten Leben, vielleicht auch vor ihrer Verantwortung. Dann plötzlich bringt irgendwas das Fahrzeug ins Schleudern und Michelle verunfallt.
Als sie aufwacht, ist sie an ein Bett gekettet. Der kaum einzuschätzende Howard begrüßt sie und erwartet ihren Dank, weil er sie am Unfallort aufgefunden habe und in seinen Bunker brachte, kurz bevor draußen die große Katastrophe ausbrach. Aufgrund eines chemischen, biologischen oder atomaren Angriffs, erklärt er ihr geduldig, könne man den Bunker nicht verlassen, für mindestens zwei Jahre. Dritter im Bunde ist Emmett, ein etwas naiver junger Mann, der Howard damals bei der Konstruktion des Bunkers half und sich nun dankend einquartiert hat.
Doch vieles an Howard ist verdächtig. Ist er der Wohltäter, als den er sich ausgibt? Ist er einfach nur ein Spinner? Oder ist er ein gefährlicher Psychopath, der Wahnvorstellungen und üble Absichten vereint?

Kritik

Noch etwas ist besonders an 10 Cloverfield Lane: Es ist von Vorteil, wenn man den ersten Teil nicht gesehen hat. Denn ob und, falls ja, was da draußen vor sich geht, steht durch den Film von 2008 ja halbwegs fest. Wobei dem Team hinter dem Film zugutegehalten werden muss, dass es selbst ein Mysterium daraus macht, inwiefern die beiden Filme verknüpft sind. Ob das vorgebliche Sequel überhaupt im selben Universum spielt wie Cloverfield, wurde von den kreativen Hintermännern ähnlich oft bestätigt wie in Zweifel gestellt.
All dies ändert aber erst einmal nichts an der bedrohlichen Ambivalenz von Howard, gespielt von Schauspielschwergewicht John Goodman, den man hier endlich mal wieder in einer großen Hauptrolle bewundern darf und der auf so gekonnte Weise den unangenehmen Patriarch der unterirdischen Minifestung spielt, dass man schon nach der ersten Szene mit ihm sein Image als Schauspieler vergessen hat und nur noch Howard sieht, den bedrohlichen Howard mit der kurzen Lunte, dem negativen Charisma  und seiner Neigung  zu Verschwörungstheorien jeder Facion. Er ist das zementierte Zentrum des Filmes. Das weiß auch der Film, der primär die Geschichte erzählt, wie Michelle sich daran abarbeitet, sich dieser Naturgewalt anzupassen. Mary Elizabeth kann hier nun auch erstmals ein großes Zeichen, das es verdient hätte, in ihrer sehr bunten Filmographie zwischen Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben, Death Proof und Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt heraus zu leuchten. John Gallagher, Jr. als leicht einfältiger Emmett ist da eher das fünfte Rad am Wagen. Der Charakter wirkt in seinen Anlagen unentschlossen und teils fast widersprüchlich angelegt und vor allem neben den beiden starken Hauptfiguren blass und letztendlich verzichtbar. Abseits seiner Funktion als Informationsspender für Michelle hat er keine zwingende Daseinsberechtigung – und es darf gemutmaßt werden, dass 10 Cloverfield Lane ein noch einmal deutlich intensiverer Film geworden wäre, wenn das Duell zwischen Michelle und dem Bunkermonarchen ohne ein solches Anhängsel stattgefunden hätte.

Apropos intensiv. 10 Cloverfield Lane beginnt unerwartet kräftig mit dem wirkungsvollsten Anfang seit langem. Danach begeistert der Film für eine ganze Weile durch eine großartige Inszenierung. Scheinbar unwichtige Details kommen plötzlich in mehrfacher Weise sehr einfallsreich in den Fokus, indexikalische Zeichen werden kunstvoll als Mininarrationen in das Bild eingeflochten und was die Kamera aus mit Räumen macht, wie sie Winkel und Ecken nutzt, eigenständig Fluchten generiert oder die Enge mit betont nahen Einstellungen zugleich verstärkt und nimmt, ist auf einem Level mit den Monumenten der Kammerspielgeschichte – so muss man e sagen. Die Verunsicherung von Michelle, die Verunsicherung der gesamten Situation wird dadurch verstärkt, dass Komik und Terror in diesem Film Nachbarn sind, die sich gerne einmal besuchen. Mehrere Was-Wäre-Wenn-Gedankenspiele sorgen unterdessen dafür, dass die klaustrophobische Anspannung gehalten wird.
So klug, kunstvoll und ergreifend wie in der ersten Hälfte bleibt es aber nicht. Mit steigender Laufzeit nimmt die Dichte der zündenden Ideen und das Kunstvolle des Umgangs mit dem reduzierten Setting etwas ab. Zwar gibt es noch eine Handvoll Szenen, die dem irgendwann vorhersehbarem Fortgang Elan verleihen, dass das anfänglich außerordentlich hohe filmische Niveau im Fortlaufe stetig ein wenig abfällt, ist trotzdem nicht von der Hand zu weisen. Keinesfalls soll das aber heißen, der Film würde schlecht oder langweilig werden, er ist ab einem bestimmten Punkt einfach nur nicht mehr so perfekt und durchkomponiert. Was das gern gescholtene Ende anbelangt: Ja, hier findet ein erwartbarer Bruch statt, der an sich jedoch nicht wirklich schlecht ist, sondern der Geschichte wie auch der Charakterentwicklung eine logische Klimax verabreicht. Einzig einige konkrete Handlungen Michelles lassen stutzen, weil sie in ihrer Heftigkeit zum bisher etablierten Charakter wie auch Genre nicht passt – Entwicklung hin oder her.  Andererseits steht die sehr standardisierte Weise, wie dies passiert, aber auch fast schon bildlich dafür, dass der Film es am Ende eben nicht ehr mit seinem Anfang aufnehmen kann.

Fazit

10 Cloverfield Lane beginnt so stark, so mächtig, so eindrucks- und zugleich kunstvoll wie schon lange kein Genrefilm mehr. Narrativ und handwerklich spitzt sich die Situation weiter zu und John Goodman ist eine Naturgewalt. Die stimmige Dichte an Ideen kann leider nicht gehalten werden, weshalb der Film nach und nach in etwas durchschnittlichere Gefilde klettert – und in einem passend durchschnittlichen Schluss sein Ende findet. Bis dahin ist das unorthodoxe Sequel zum 8 Jahre alten Monsterfilm jedoch ein absolut sehenswertes Erlebnis, das sich auch im Ganzen nicht nur, aber fraglos auch wegen seines prächtigen Anfangs lohnt.

Extant

Seit der vollkommenen Annahme des Quality TVs warden immer häufiger Stars als Leitfiguren vielversprechender Serien gecastet, in der Hoffnung in Sachen Einspiel und Anerkennung ein neues Game of Thrones, The Walking Dead, House of Cards oder Akte X zu schaffen. In der CBS-Serie Extant ist es die Oscarpreisträgerin (aber auch zwei mal für die Goldene Himbeere nominierte) Halle Berry, die dort die Hauptrolle übernimmt.


Five dollars for the swear jar.

Story

Molly Woods verbrachte 13 Monate auf einer Raumstation. Zurück ließ sie ihren Ehemann John, der als führender Wissenschaftler auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, vor einiger Zeit dafür sorgte, dass das Paar trotz der Unfruchtbarkeit Mollys einen Sohn haben kann. Ethan ist der Name dieses Sohnes und er ist ein Prototyp, der erste humanoide, menschenähnliche und lernfähige Roboter der Welt.
Nach der Rückkehr Mollys muss sie sich nicht nur wieder in die ungewöhnliche Familienkonstellation eingliedern, sondern auch feststellen, dass bei ihrem Arbeitgeber offenbar einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Viel drastischer ist aber die bald eintretende Erkenntnis, dass Molly schwanger ist. Und diese Schwangerschaft in der Zeit eingetreten sein muss, als sie sich mutterseelenallein in den Weiten des Alls befand.

Kritik

Es kann eigentlich nur ein Fluch sein, dass beinahe alle Science-Fiction-Serien am selben Problem leiden. Zu Beginn eine wahnsinnig fesselnde Inszenierung, geschickte Storyverwicklungen, eine spannende Geschichte und Charaktere mit großem Potenzial, das sich auch zügig zu entfalten scheint. Nach einer Weile wird die Story etwas dünner, die Inszenierung liebloser und die Figuren flachen ab. Denn irgendwann muss eine Erzählung, die bisher durch rätselhafte Andeutungen neugierig machte, die die Karten zeigen. Wenn sich dann herausstellt, dass sie über viele Episoden hinweg bluffte und eigentlich nur ein paar Vierten hat, fühlt man sich, anders als beim Poker, um seine Zeit und – noch schlimmer – um sein Vertrauen betrogen. Eines der besten Beispiele für einen solchen Verfall ist wohl The Event.
Und auch Extant verläuft nach diesem Muster, was aber nicht heißen soll, dass es sich nicht lohnen würde, die Serie zu schauen.
So beginnt es mehr als vielversprechend. Alle Elemente der Handlung sind zwar bereits hinlänglich vertraut, aber auf eine Weise miteinander verschaltet, die aufregend ist, zu dem es auch an allen Fronten brisant zu kriseln beginnt und wir nacheinander das Mysterium der Weltraumschwangeren erleben, um die Beziehung zu einem Androiden Bangen und eine klassische Regierungsverschwörung beobachten. Es brennt also an allen Orten des Science-Fiction-Campingplatzes. Da aber alle Stränge gut funktionieren und ebenbürtig fesselnd sind, ist diese Art von Schwerpunktvielfalt in eigentlich längst ausgeloteten Bereichen alles andere als verwerflich. Im Gegenteil, durch die diversen distinkten Merkmale aufgereihten Geschichten schafft die Serie clever arrangierte Konterpunkte für die jeweiligen Themen. Ja, es ist sogar stetig hochspannend, denn aufgrund der nebulösen Bedrohungssituation und der großen thematischen Abwechslung wirkt das sich zusammenbrauende Unheil auf sämtlichen Spielfeldern ausgesprochen gut in der ersten Handvoll Episoden.

Ganz ohne Klischees kommt die Geschichte bei solch altbekannter Themenwahl natürlich nicht aus. Gerade die tuschelnden, doppelzüngigen Regierungsbeamten aus der Chefetage entsprechen zu sehr dem Archetypen des konspirierenden Schlipsträgers. So ist die Serie interessant, weil es Geheimnisse gibt, doch nicht wegen ambivalenter Gegenspieler – diese werden von durchweg als skrupellose Widerlinge dargestellt. Und an der Plattitüde, dass Helden nur so gut und interessant wie ihre Widersacher sind, ist leider etwas dran. Auch die anderen Figuren sind kein Meisterstück in Sachen Schreibekunst, sondern alle so konstruiert, dass sie eindeutigen Lagern zugeordnet werden können. Hauptperson Molly hat es da anders, aber nicht besser getroffen. Sie ist das relativ blasse Zentrum der Geschichte. Während sich um sie herum zig übermenschliche Geheimnisse enttarnen lassen, bleibt sie eine genaugenommen sehr langweilige Person, bei der alle Vorhaben, die Initiative erfordern, entsprechend aufgesetzt wirken. Das liegt, wie gesagt, zuvorderst daran, dass die Figur einfach so konzipiert ist, aber eben auch daran, dass Frau Berry, Hand aufs Herz, einfach keine allzu begnadete Schauspielerin ist.
Neben den offensichtlichen Inhaltsmysterien lebt die Serie aber auch von der Frage, wie sich die beiden Stränge künstliche Intelligenz als Sohn, Weltraumembrio als Leibesfrucht – miteinander verbinden und ob es Extant gelingt, aus dieser Verbindung etwas Neues zu machen. Die Gefahr, dass sich die ganze Geheimniskrämerei und das lustvolle Spiel mit Verschwörungstheorien über anzugtragende Hintermänner in eine fade Staubwolke auflöst, ist natürlich gegeben, doch die Art und Weise, wie die Serie Spannung generiert und mit ihrem Personal umgeht, bewässert eine Hoffnung, die für einige Stunden hochkarätiger Unterhaltung sorgt. Skeptisch bleibt man dennoch, ist man doch von den Serien dieses Jahrzehnts oft eines Besseren belehrt worden, wenn es darum ging, große Versprechungen auf tolle Antworten zu machen. Extant hält sich aber lange sehr elegant über Wasser, auch wenn sich das Serienkonzept dazu entschließen muss, einige Wandlungen und Wendungen etwas zu abrupt darzustellen, um weiterhin ein hohes Entwicklungstempo zu garantieren.
Spätestens ab Episode 9 lässt sich ein spürbarer Regress nicht mehr übersehen und dann geht die Serie den Weg, den so viele Myster- und Science-Fiction-Serien der letzten Dekade gegangen sind. Nämlich jenen Weg, der bereits oben angekündigt wurde. Die Befürchtungen, dass sich alles nur aus faden Klischees zusammensetzt, bewahrheitet sich zusehends und in gleichem Maße sacken Potenzial und Hoffnung auf wagemutige Entwicklungen ab.
Peinliche Point-of-View-Einstellungen und generische Entwicklungen, dazu eine Überstrapazierung der alles andere als innovativen Halluzinationsevozierung des Alienbabies. Und plötzlich stellt man fest, dass die Serie, die anfangs noch so vielversprechend aussah und durch zackige Spannungskurven zur nächsten Folge drängte, in den letzten zwei Episoden qualitativ rapide abgesunken ist. Auch die anfangs noch so großzügig eingesetzten Twists lassen nach und wenn sie passieren, dann nur deshalb, weil Charaktere mit fadenscheinigen Motivationen einfach die Lager wechseln.

Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die 1. Staffel von Extant weit mehr als über die erste Hälfte sehr gut unterhält, bis sie dann leider nachlässt. So negativ der letzte Absatz sich vielleicht auch liest, so schlimm ist es dann doch nicht. Auch in den wenig attraktiven Entwicklungen des letzten Staffeldrittels profitiert die Serie noch von ihrem vielversprechenden Anfang. Und wer weiß, vielleicht erhebt sich die Geschichte in Staffel 2 auch wieder in die Höhen, die die Serie zu Beginn noch für möglich halten lässt.

Kritik

Nach mitreißendem Start und der gekonnten Verschaltung diverser Storystränge verliert Extant in der ersten Staffel entschieden an Überzeugungskraft, weil sich viele Probleme höchst unelegant lösen, viele Fragen unbefriedigend beantwortet werden, die Figurenentwicklungen stetig unglaubwürdiger werden und die Serie – auch hinsichtlich der Inszenierung – in erschreckendem Tempo plumper wird.
Trotzdem bietet die erste Hälfte bis dahin perfekte Unterhaltung, die lediglich an der etwas zu blassen Protagonistin leidet.

The Gospel According to Philip K. Dick

Bei The Gospel According to Philip K. Dick handelt es sich, Findige Titelleser werden es enträtselt haben, nicht um einen Film, sondern um eine Dokumentation über den Titelgebenden Autoren. Daher landet die Rezension auch nicht in der normalen Filmrubrik, sondern darf sich rühmen, ein ‚Special‘ zu sein.

The Church of Phil Dick or something like that.

Inhalt

Philip K. Dick war der Restaurator der Science-Fiction, der Philosoph unter den Trivialliteraten, der H. G. Wells des 20. Jahrhunderts und zu Lebzeiten doch (aber dem Muster zu guter Menschen folgend) wenig erfolgreich –er verstarb kurz bevor der Film Blade Runner zu den Weihen kommen konnte, die er verdient. Doch war er nicht nur ein erstklassiger Autor von Science-Fiction-Geschichten, er partizipierte selbst auch an seiner ganz eigenen, geriet mit der Regierung in Konflikt und litt an rätselhaften Visionen.

Kritik

Der Informationsgehalt der Dokumentation ist nicht nennenswert größer als der der Wikipediaseite, die sich nicht ohne Grund wie ein spannender Groschenroman liest (im, ausnahmsweise, guten Sinne). Plastischer wird die Hymne auf den Autor dadurch, dass die Dokumentation nahezu ausschließlich aus Interviews von Freunden, Bekannten und mehr oder weniger Kundigen besteht. Die Wahl, die getroffen wurde, mutet dabei allerdings etwas seltsam an, sind doch auch mal zwei Jünglinge dabei, die Fanseiten im Internet betreiben und deren Existenz in der Produktion nur mit ein wenig Mühe als etwas anderes als reine Werbung gleichgesetzt werden kann.
Die Stammberichter sind aber durchweg angenehme Zeitgenossen, die häufig leicht voneinander abweichende Perspektiven haben und durch ihre Heterogenität vielleicht sogar erahnen lassen, mit wie vielen graduell verschiedenen Persönlichkeiten der Science-Fiction-Revoluzzer der Welt entgegentrat. Eine Identität als Schriftsteller, eine als Paranoiker, eine als Junkie, eine als Freund, eine als Unterhalter, eine als politischer Aktivist, eine als skeptischer Heiland, einer als überzeugter Prophet und eine als rationale Person mit dem fundamentalem Wunsch nach Erklärbarkeit.

Bei der Wahl der Musik hätte man ruhig weniger aufdringlich und steuernd vorgehen können und der erbarmenswerte Cartoon-Philip K. Dick, der in unerträglicher Langsamkeit zu billigster Elektromusik und in albern großen Buchstaben eine Einleitung zwischen den Kapiteln auf seiner Schreibmaschine tippt und anschließend in die Kamera hält, ist eines der unnötigsten Tempo raubenden Ideen, die eine Dokumentation je hatte. Getoppt wird das nur noch davon, wie ebendieser Zeichentrick-Dick, auf Lippensynchronität einen feuchten Kehricht gebend, in seiner stummen Pose so tut, als kämen die zusammenhangslos ausgewählten Radioausschnitte, die kaum bis nichts mit dem aktuellen Thema zu tun haben, aus seinem Mund. Doch diese ernüchternden Intermezzi sind zum Glück nicht allzu präsent, lassen dafür aber tief blicken.
Das Bild ist leider analoges Material, das von Videos zu stammen scheint, und sieht entsprechend dürftig aus. Hätten die Interviews nicht immer nur an den Arbeitsplätzen der Befragten stattgefunden, sondern auch vor der einen oder anderen stimmungsvolleren Kulisse, wäre dies aber sicherlich zuträglicher für das Endergebnis gewesen. Auch watet der Film nicht mit visuellem Archivmaterial auf, was vielleicht auch, aber keineswegs nur der Disposition dieses Low-Budget-Berichts gelegen haben kann.
An diesem Punkt kommt die größte Schwachstelle des Filmes zum Vorschein, denn die Berichterstattung ist aufgrund der ausgewählten Interviewpartner sehr einseitig – das ein oder andere Experteninterview für eine ganz andere Einschätzung der Dinge wäre enorm gewesen. So wirkt der Film fast durchgehend wie eine Würdigung, aber nicht wie eine Dokumentation, die versucht, Dinge zu beleuchten. Freunde und Bekannte aktualisieren ihre Erinnerungen an Philip K. Dick.-Das ist alles, aber das ist bei einem Mann dieses Formats aber trotzdem auch sehr einnehmend. The Gospel According to Philip K. Dick, und das wird recht früh klar, ist keine Dokumentation über das Leben, Schaffen und Wirken eines der größten Science-Fiction-Schreibers aller Zeiten, es stehen nicht die Werke, ihre Rezeption und Wirkmacht im Vordergrund, keine literarischen Motive. Auch kein einziger Wissenschaftler kommt zu Wort. Dies ist einzig und allein eine Dokumentation über die mysteriösen Aspekte seines Lebens, mit denen sich Verschwörungstheorien füttern lassen. Das ist schade, erscheint der Protagonist dadurch nur in etwas unterkomplexen Zusammenhängen dargestellt, da ihm eine solch einseitige Behandlung gar nicht gerecht werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist es dann aber wunderlich, dass man ein paar sehr pikante Stellen aus seiner Biographie ganz unterschlagen hat, obwohl sie wunderbar zur Linie des Filmes gepasst hätten. Der Umstand, dass der Autor von sich sagte, nach den Erscheinungen ihm bis dato unbekannte Stellen der Bibel auswendig zu kennen, war nach allgemeiner Ansicht einer der wichtigsten Auslöser seiner besessenen Investigationsarbeit und Selbstinterpretation.
Seiner verstörenden Erlebnisse verarbeitete er in autobiographischen Geschichten – er schrieb seine eigene Exegese. Während A Scanner Darkly sich vornehmlich seiner in dieser Dokumentation nur am Rande erwähnten Zeit in der Drogenszene annimmt, thematisiert die VALIS-Trilogie seine unerklärlichen Erfahrungen mit Übernatürlichem. Beide Romane sind wenn nicht die, dann doch mit seine besten Schriften und zugleich in einem so starkem Maße direkt dem Lebenslauf des Autors entnommen, dass die Leseerfahrung umso intensiver ausfällt. Die jeweiligen Verfilmungen sind verlinkt.

Fazit

Der Titel des Filmes deutet es bereits an. Hier geht es nicht kritisch um das literarische Schaffen, das Genie oder das gesamte Leben von Philip K. Dick, sondern um eine Huldigung. Außerdem beschränkt sich die Information fast ausschließlich auf die dramatischen Erlebnisse in seinem späteren Leben. Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass nur Weggefährten aus dieser Zeit aufgetrieben werden konnten, doch schmälert das das Bild des Autors entscheidend.
Da die Dokumentation auch stilistisch nichts hergibt, eignet sie sich als kleine anekdotische Ergänzung, aber keinesfalls als verlässliche Hauptquelle für Wissen über den Science-Fiction-Autor.

 

Radio Free Albermuth

Der erste Teil der VALIS-Trilogie, dem Autobiographischsten und damit auch Intimsten, was Philip K. Dick vielleicht je zu Papier gebracht hat, erhält seine filmische Umsetzung. Nur A Scanner Darkly darf hier noch auf Erwähnung pochen. Letzerer bekam dann auch eine mehr als würdige Verfilmung spendiert, die so nah an einem K. Dick-Werk war, wie keine andere zuvor.

If I’m going down, I’m going down with people i love.

Story

Wir schreiben das Jahr 1985. Ein 1985, das nicht exakt so ist, wie das unserer Vergangenheit, aber ihm doch sehr ähnlich. Nick Brady, passionierter Plattenverkäufer mit eigenem Eckgeschäft, wird plötzlich von Visionen heimgesucht. Zuverlässig morgens um drei sendet ihm ein nicht von der Erde stammendes Artefakt namens VALIS kryptische Botschaften. Während sein engster Freund Philip Gefallen an der inspirierenden Sache findet und ihm glaubt, bleibt die Gattin skeptisch.
Doch die Befolgung der unerklärlichen Anweisungen bringt Gutes mit sich, rettet seinen Sohn, kurbelt die Karriere an.
Doch dann werden Regierungsagenten auf Nick aufmerksam.

Kritik

Nun ist sie also da, die Verfilmung von VALIS – oder Radio Free Albermuth, wie der Film sich nennt, da das Werk vor seiner Eingliederung in die Trilogie so hieß. Und er hinterlässt einen so gespaltenen Eindruck, dass eine Bewertung schwerfällt.
Zuallererst fallen dann auch gleich die bemitleidenswerten Produktionswerte auf. Sowohl optisch als auch formal sieht der Film aus wie eine Serienfolge aus den 90ern.
Häufig eindimensionale Hintergrundgeräusche, dilettantische Keyboardsounds oder unpassende, schlecht abgestimmte und auch in sich schlechte Musikuntermalung lassen den ganzen Film in Verbindung mit seiner viel zu aufdringlichen Farbästhetik durchgehend billig wirken. Mehr als nur einmal vermutet man irgendein klingelndes Elektronikgerät in der eigenen Realität, weil das aktuelle Stück, das sich im Hintergrund penetrant hervortut, will so gar nicht mit dem Gezeigten übereinstimmen.
Die Visionen sind dafür aber auf eine nicht uninteressante Weise umgesetzt und das Setting hat ein gelungenes Mode-Upgrade enthalten, dessen 80er-Lemente mit Liebe zur Sache eingebaut wurden.

Kennt man das Ausgangsmaterial, weiß man, warum die Figuren so handeln, wie sie handeln, und ergänzt Intentionen. Kennt man es nicht, wird man mit ein paar Leuten konfrontiert, die zugleich wahnsinnig und dumm sind. Radio Free Albermuth krankt an einem Umstand, der die Krätze vieler Literaturverfilmungen ist – die Gedanken der Figuren sind dem Zuschauer verborgen, bestenfalls durch plumpe innere Monologe in Ausschnitten zugänglich gemacht. Damit aber bleiben auch die Motive der Figuren in all ihren wichtigen Feinheiten im Nebel der Behauptung. Dass das Medium Film sich für gewöhnlich gezwungen sieht, jede Geschichte, gleich welcher Art, in einem zeitlichen Rahmen von maximal 130 Minuten zu erzählen, komplettiert das Debakel. In unter zwei Stunden hastet man durch die verworrene Geschichte der verlorenen Seelen, die ihre Vorstellung von Realität von den Grundfesten an in Frage stellen müssen, begleitet sie auf ihren Reisen und baut in dieser Zeit keinerlei Beziehungen zu ihnen auf, weil der Film ihre Innenansichten unterschlägt und nicht weiß, wo er beschleunigen und wo kurz innehalten sollte, um die Geschichte für das neu, so viel reichere Format der bewegten Bilder angemessen um zu modellieren. So jedenfalls präsentiert sich der lange Anfang des Filmes.

Auch wirkt in dieser Zeitspanne die Entscheidung etwas wahllos, welche Vorgänge detailliert aus dem Grundstoff übernommen und welche gerafft oder übergangen werden. Viel im Film Redundantes kommt direkt aus der Vorlage, dafür spart man wichtige Elemente aus. Trotzdem wollte man aber auch möglichst viel aus dem Roman übernehmen und griff sich sogar ein paar Versatzstücke aus den Nachfolgern. In der Konsequenz passiert nun recht viel in kurzer Zeit – und da die Ideen immer noch von Philip k. Dick stammen, sind es durchweg Interessante Sachen, die passieren, weshalb es der etwas untalentierten Umsetzung zum Trotz nie langweilig wird. Die selbstverständliche Aneinanderreihung von anziehenden Verschwörungstheorien aus Mündern, die vielleicht irrig, aber eloquent tiefer in die undurchsichtige Paranoia-Welt Philip K Dicks dringen, entwickelt mit der Zeit eine eigene Logik und funktioniert nach einem ausgedehnten Befremdungssmoment auf seine eigene Weise ganz anständig.
Ab etwas mehr als der Hälfte entfernt sich die Geschichte immer weiter von der des Romans, um eine klassische Klimax zu gewährleisten, was jedoch erstaunlich gut funktioniert. Trotz des zunehmenden Anteils an Fremderzählung bleibt die Sache eine sich fast ausschließlich in Dialogen entwickelnde, es gibt einen gute gesetzten Überraschungsmoment, einen klugen Twist am Ende und sogar weitere sauber eingeflochtene Anspielungen auf Philip K. Dicks Biographie, während die Geschichte zu einem überraschend runden Ende gelangt. Auch die Veränderung Hauptperson macht im Rahmen des Filmes durchaus Sinn. Wie sicher das Drehbuch an nicht wenigen Stellen ist, ist überraschend und mit einer professionelleren Regie hätte etwas wirklich Gutes aus Radio Free Albermuth werden können.
Aber interessant ist die Adaption trotzdem allemal – man braucht nur Geduld, dann hat man sich auch mit der dilettantischen Musikuntermalung angefreundet und die gewöhnungsbedürftigen Kameraufnahmen notgedrungen in Atmosphäre umgesetzt.

Fazit

Radio Free Albermuth macht es dem Zuschauer keineswegs leicht. Kennt man die Vorlage nicht, wird man mit Idioten konfrontiert, deren Handlungen nachzuvollziehen ein ordentliches Stück Arbeit ist. Ist man mit dem Roman vertraut, lässt sich einiges leichter erschließen, man ärgert sich aber am Umgang mit dem Stoff. In beiden Fällen führt ein wenig Geduld und Nachsicht aber dazu, dass die Geschichte sich nach einer Weile doch noch entfalten kann und auf ihre Weise funktioniert. Auch deshalb, weil man sich nicht sklavisch an das Buch hält, sondern viel Eigenes einbaut, das für Kenner Überraschung bedeutet und dem Film im Allgemeinen gut tut. Am billigen Look, den mittelmäßigen Schauspielern und dem völlig irrigen Design auf akustischer Ebene ändert das aber nichts.

Bei Erfolg sollte übrigens eine Filmreihe folgen, die sich dem Rest des VALIS-Universum widment. Davon ist aber wohl nicht mehr auszugehen.