The Gospel According to Philip K. Dick

Bei The Gospel According to Philip K. Dick handelt es sich, Findige Titelleser werden es enträtselt haben, nicht um einen Film, sondern um eine Dokumentation über den Titelgebenden Autoren. Daher landet die Rezension auch nicht in der normalen Filmrubrik, sondern darf sich rühmen, ein ‚Special‘ zu sein.

The Church of Phil Dick or something like that.

Inhalt

Philip K. Dick war der Restaurator der Science-Fiction, der Philosoph unter den Trivialliteraten, der H. G. Wells des 20. Jahrhunderts und zu Lebzeiten doch (aber dem Muster zu guter Menschen folgend) wenig erfolgreich –er verstarb kurz bevor der Film Blade Runner zu den Weihen kommen konnte, die er verdient. Doch war er nicht nur ein erstklassiger Autor von Science-Fiction-Geschichten, er partizipierte selbst auch an seiner ganz eigenen, geriet mit der Regierung in Konflikt und litt an rätselhaften Visionen.

Kritik

Der Informationsgehalt der Dokumentation ist nicht nennenswert größer als der der Wikipediaseite, die sich nicht ohne Grund wie ein spannender Groschenroman liest (im, ausnahmsweise, guten Sinne). Plastischer wird die Hymne auf den Autor dadurch, dass die Dokumentation nahezu ausschließlich aus Interviews von Freunden, Bekannten und mehr oder weniger Kundigen besteht. Die Wahl, die getroffen wurde, mutet dabei allerdings etwas seltsam an, sind doch auch mal zwei Jünglinge dabei, die Fanseiten im Internet betreiben und deren Existenz in der Produktion nur mit ein wenig Mühe als etwas anderes als reine Werbung gleichgesetzt werden kann.
Die Stammberichter sind aber durchweg angenehme Zeitgenossen, die häufig leicht voneinander abweichende Perspektiven haben und durch ihre Heterogenität vielleicht sogar erahnen lassen, mit wie vielen graduell verschiedenen Persönlichkeiten der Science-Fiction-Revoluzzer der Welt entgegentrat. Eine Identität als Schriftsteller, eine als Paranoiker, eine als Junkie, eine als Freund, eine als Unterhalter, eine als politischer Aktivist, eine als skeptischer Heiland, einer als überzeugter Prophet und eine als rationale Person mit dem fundamentalem Wunsch nach Erklärbarkeit.

Bei der Wahl der Musik hätte man ruhig weniger aufdringlich und steuernd vorgehen können und der erbarmenswerte Cartoon-Philip K. Dick, der in unerträglicher Langsamkeit zu billigster Elektromusik und in albern großen Buchstaben eine Einleitung zwischen den Kapiteln auf seiner Schreibmaschine tippt und anschließend in die Kamera hält, ist eines der unnötigsten Tempo raubenden Ideen, die eine Dokumentation je hatte. Getoppt wird das nur noch davon, wie ebendieser Zeichentrick-Dick, auf Lippensynchronität einen feuchten Kehricht gebend, in seiner stummen Pose so tut, als kämen die zusammenhangslos ausgewählten Radioausschnitte, die kaum bis nichts mit dem aktuellen Thema zu tun haben, aus seinem Mund. Doch diese ernüchternden Intermezzi sind zum Glück nicht allzu präsent, lassen dafür aber tief blicken.
Das Bild ist leider analoges Material, das von Videos zu stammen scheint, und sieht entsprechend dürftig aus. Hätten die Interviews nicht immer nur an den Arbeitsplätzen der Befragten stattgefunden, sondern auch vor der einen oder anderen stimmungsvolleren Kulisse, wäre dies aber sicherlich zuträglicher für das Endergebnis gewesen. Auch watet der Film nicht mit visuellem Archivmaterial auf, was vielleicht auch, aber keineswegs nur der Disposition dieses Low-Budget-Berichts gelegen haben kann.
An diesem Punkt kommt die größte Schwachstelle des Filmes zum Vorschein, denn die Berichterstattung ist aufgrund der ausgewählten Interviewpartner sehr einseitig – das ein oder andere Experteninterview für eine ganz andere Einschätzung der Dinge wäre enorm gewesen. So wirkt der Film fast durchgehend wie eine Würdigung, aber nicht wie eine Dokumentation, die versucht, Dinge zu beleuchten. Freunde und Bekannte aktualisieren ihre Erinnerungen an Philip K. Dick.-Das ist alles, aber das ist bei einem Mann dieses Formats aber trotzdem auch sehr einnehmend. The Gospel According to Philip K. Dick, und das wird recht früh klar, ist keine Dokumentation über das Leben, Schaffen und Wirken eines der größten Science-Fiction-Schreibers aller Zeiten, es stehen nicht die Werke, ihre Rezeption und Wirkmacht im Vordergrund, keine literarischen Motive. Auch kein einziger Wissenschaftler kommt zu Wort. Dies ist einzig und allein eine Dokumentation über die mysteriösen Aspekte seines Lebens, mit denen sich Verschwörungstheorien füttern lassen. Das ist schade, erscheint der Protagonist dadurch nur in etwas unterkomplexen Zusammenhängen dargestellt, da ihm eine solch einseitige Behandlung gar nicht gerecht werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist es dann aber wunderlich, dass man ein paar sehr pikante Stellen aus seiner Biographie ganz unterschlagen hat, obwohl sie wunderbar zur Linie des Filmes gepasst hätten. Der Umstand, dass der Autor von sich sagte, nach den Erscheinungen ihm bis dato unbekannte Stellen der Bibel auswendig zu kennen, war nach allgemeiner Ansicht einer der wichtigsten Auslöser seiner besessenen Investigationsarbeit und Selbstinterpretation.
Seiner verstörenden Erlebnisse verarbeitete er in autobiographischen Geschichten – er schrieb seine eigene Exegese. Während A Scanner Darkly sich vornehmlich seiner in dieser Dokumentation nur am Rande erwähnten Zeit in der Drogenszene annimmt, thematisiert die VALIS-Trilogie seine unerklärlichen Erfahrungen mit Übernatürlichem. Beide Romane sind wenn nicht die, dann doch mit seine besten Schriften und zugleich in einem so starkem Maße direkt dem Lebenslauf des Autors entnommen, dass die Leseerfahrung umso intensiver ausfällt. Die jeweiligen Verfilmungen sind verlinkt.

Fazit

Der Titel des Filmes deutet es bereits an. Hier geht es nicht kritisch um das literarische Schaffen, das Genie oder das gesamte Leben von Philip K. Dick, sondern um eine Huldigung. Außerdem beschränkt sich die Information fast ausschließlich auf die dramatischen Erlebnisse in seinem späteren Leben. Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass nur Weggefährten aus dieser Zeit aufgetrieben werden konnten, doch schmälert das das Bild des Autors entscheidend.
Da die Dokumentation auch stilistisch nichts hergibt, eignet sie sich als kleine anekdotische Ergänzung, aber keinesfalls als verlässliche Hauptquelle für Wissen über den Science-Fiction-Autor.