Jurassic World

Jurassic World führt unbeirrt die Charts an und wehrt auch Wochen nach seinem Kinostart selbst Neueinsteiger ab. Der Film, der 208,8 Millionen US.Dollar am Startwochenende einfuhr, will Michael Chrichtons und Steven Spielbergs Vision vom Familienblockbuster mit imposanten Echsen fort. Und das zum ersten Mal ohne eine Figur aus dem Cast des ersten Teils und mit einem nahezu unerfahrenen Regisseur: Colin Trevorrow.

They’re dinosaurs. ‚Wow‘ enough.

Story

22 Jahre sind seit der Katastrophe Islar Nublar vergangen und John Hammonds Erbe wurde weiterentwickelt. Aus Jurassic Park wurde Jurassic World, wo sich eine noch größere Artenvielfalt an Dinosauriern den aufgerissenen Augen gebannter Zuschauer präsentieren.
Als Parkleiterin Claire Dearing für ein paar Tage Besuch von ihren Neffen Zach und Gray erhält, fehlt es ihr an Zeit, sich um sie zu kümmern. Da eine vollkommen neue Züchtung, der Indominus Rex, alsbald den Zuschauer als neue Attraktion vorgeführt werden soll. Diese Laborschöpfung ist das Resultat davon, dass die Besucher nach immer größeren, ehrfurchtgebietenden Kreaturen lechzen.

Derweil sich Zach und Gray von ihrer Park-Nanny absetzen, hat der Velociraptor-Dompteur Owen Grady mit den Begehren des ehemaligen Soldaten Vic Hoskins zu kämpfen, welcher abgerichtet Saurier für das Militär einsetzen will.
Als der Indominus Rex mit ungeahnter List aus seinem Gehege ausbricht und eine Schneise der Verwüstung im Park hinterlässt, verstricken sich die Schicksale aller.

Kritik

22 Jahre ist es her, dass das Jurassic Park-Unterfangen im größten anzunehmenden Desaster endete. Folglich dürfte der neue Park höchstens 10 Jahre auf dem Buckel haben. Dass nicht auch nur mit einem Wort erwähnt wird, wieso man sich aller Vernunft zuwider dafür entschloss wieder ins Business der Kreidezeit-Vergnügung einzusteigen, ist schon fahrlässig genug. Es aber ernsthaft als gesetzt hinzunehmen, dass diese einmalige Wunderinsel, zu der sich offenkundig jeder Mensch den Eintritt leisten kann, niemanden mehr interessiert, weil man sich an den normalen Dinosauriern sattgesehen hätte, ist eine derart abstruse Behauptung, dass man vom Drehbuch von Jurassic World vernünftigerweise schon früh nichts mehr erwarten sollte. Und daran tut man gut.

Dabei könnte alles so gut werden. Traditionsgemäß steht anfangs eine Familie im Mittelpunkt, deren zwei Sprösslinge ins Wunderland geschickt werden sollen. Während der Jüngere sich als nervtötender Klugscheißer herausstellt, der wie ein Frettchen von einem Geräusch zum nächsten sprintet, ist der Ältere ein unausstehlicher Teenager, dessen Desinteresse wohl von keinem anderen Filmcharakter der Geschichte getoppt werden könnte. Gut, sympathische Kinderfiguren konnten die Jurassic Park-Filme noch nie. Doch gab es immer wenigstens einen Charakter, der sich als Sympathieträger anbot. In Jurassic World trifft das auf niemanden zu. Die Menschen sind so plump wie die Geschichte, allesamt eindimensional, teils unausstehlich und durchweg keinen Deut witzig, sondern aufgesetzt albern. Der klar als Held konstruierte, smarte Dinoversteher Vic macht da keine Ausnahme. Bedenkt man, wie charismatisch und cool Chris Pratt kürzlich noch in Guardians of Galaxy auftrat, ist das schon bemerkenswert. Weder der raffgierige Ex-Navy-Soldat noch die bis zum Filmende auf Stöckelschuhen umherlaufende Tante haben eine irgendwie reizvoll geratene Eigenschaft. Die Kinder, welche zu Beginn noch als Hauptfiguren vorgestellt werden, verlieren ab der ersten Hälfte stetig an Bedeutung, bis sie nur noch Beiwerk sind, das von den Erwachsenen von A nach B geschoben wird.

Das Konzept von Jurassic Park war ein so einfaches wie effektives. Eine Märchenwelt wird mit langen, idyllischen Einstellungen etabliert. Fantastische Tiere grasen friedlich auf sattgrünen Plateaus und streifen zufrieden dröhnend durch dichte, exotische Dschungel. Zwar spürte man auch damals – gewollt – in jedem Bild, dass man sich in einem Freizeitpark befand, dem Gefühl von Größe und imposanter Schönheit tat dies aber keinen Abbruch. Dass sich genau diese Schauplätze im weiteren Verlauf in bedrohliche Todesfallen verwandeln, in der der Mensch zur Beute wird, war das Rezept, das Steven Spielbergs Popkornfilm so gelungen werden ließ.
Jurassic World spart sich die Momente erhabener Wunder und inszeniert die Insel als durchkalkulierten Freizeitpark, in dem die Dinos in winzigen Gehegen als Attraktionen zur Schau gestellt werden – gleich einem Zoo. Jurassic World ist im Film damit auch deutlich weniger „World“ als der Park es gewesen ist. Wenn der Indominus Rex schließlich seinen Amoklauf beginnt, ist die Fallhöhe keine allzu große. Nicht wird aus schön plötzlich tödlich, sondern wir sehen dabei zu, wie eine von vornherein als unangenehm inszenierte kapitalistische Maschinerie durchgeschüttelt wird. Diese Botschaft hatte der Ur-Film natürlich auch, doch wusste er sie trotz Spielberg-Regie unaufdringlicher zu vermitteln.

Und dann wären da die Logikfehler. Jurassic World wirkt an so vielen Stellen lieblos erdacht und kurzsichtig geschrieben, dass man sich einfach nur wundern kann, wie gerade dieser Film es schafft, so beispiellos erfolgreich zu werden. Mehrmals etabliert der Film Regeln, nach denen er nun funktionieren wird, und bricht sie zwei Szenen weiter völlig rücksichtslos – ungeachtet der Tatsache, dass die Geschichte dadurch nicht mehr funktioniert. Es gibt Bestandteile des Parks, die auf den zweiten Blick überhaupt keinen Sinn machen, Wendungen, die jeder Figurenlogik widersprechen, und Geschichten, die angefangen, aber einfach nicht weitererzählt werden. Und dann wäre da noch der superschlaue, allen überlegene, durch und durch bösartige Indominus Rex, mit dem der Film dem Zuschauer exakt dasselbe unterstellt wie den Besuchern des Parks: Die normalen Dinos genügen nicht mehr, wir brauchen etwas Neues, das größer ist, lauter brüllt und mehr Zähne hat, um die Leute zu überzeugen. Doch geht genau diesem Monstrum die Faszination ab, die die tatsächlichen, jedem seit der Kindheit bekannten Tieren anhaftet.
Begleitet wird all das von einem Klangteppich aus zügellosen Fanfaren, die unentwegt pompös vor sich hin tröten. Michael Giacchino bemühte sich hörbar darum, dem alten Jurassic Park-Thema von John Williams Tribut zu zollen, hat aber nie das richtige Feingespür, das für den treffsicheren Einsatz vonnöten ist.

Ein paar nette Erweiterungen wurden der Grundidee hinzugefügt, doch kommen auf jede davon drei weitere Ideen, die so wenig durchdacht sind, dass sie Ärger evozieren. Der große Erfolg lässt sich, naheliegender Weise, damit erklären, dass Dinos nun mal Dinos sind und es einfach Spaß macht, die faszinierenden Riesen auf der Leinwand zu sehen. Dass mit großem Budget und neuester Technik gerade auf die Echsen Wert gelegt wird, war zu erwarten, und diese Erwartung wird enttäuscht. Tatsächlich ist die Screentime der Dinos enttäuschend gering, während die uncharismatischen Figuren unentwegt vor der Kamera hin- und herlaufen. Sich nicht zu sehr in Special-Effects zu verlieren, ist grundsätzlich sicherlich eine gute Sache, doch verliert der Film damit auch ein Alleinstellungsmerkmal, das in Vergessene Welt: Jurassic Park und Jurassic Park III dafür sorgte, dass die Filme trotz makelbehafteten Drehbüchern Freude bereiteten.

Eine Sache wurde allerdings doch erfolgreich vom Original abgeschöpft. Trevorrow bemüht sich, die Actionsequenzen mehr sein zu lassen als einzelne Erschreck-Momente, die kurz aus dem Gebüsch zappeln und versucht, die meisten Bedrohungssituationen in mehreren Phasen darzustellen, die – mehr oder weniger logisch – auseinander hervorgehen, sodass ein Aktionsfluss entsteht, dessen Dynamik durchaus überzeugen kann. Doch gibt es auch von diesen Momenten viel zu wenige. Darüber hinaus hat der gesamt Film, wie schon die Trailer befürchten ließen, einen merkwürdig künstlichen Look mit einer Farbgebung, die zugleich übersättigt und matt wirkt. So wirken auch die Urzeittiere wenig beeindruckend, sondern immer ein wenig falsch und künstlich. Wie der ganze Film.
Beendet wird das Ganze dann mit einem Cliffhanger, der billiger kaum sein könnte.
Einzig der finale Kampf, so blöde er auch sein mag, weiß zu überzeugen, bietet er doch exakt das Spektakel zwischen zwei Giganten, das Jurassic Park III mit seinem Duell zwischen T-Rex und Spinosaurus versprochen und niemals eingelöst hat.

Fazit

Auch wenn der immense Erfolg an den Kinokassen etwas anderes sagt: Jurassic World macht keinen Spaß. Zu viele, zu unsympathische Figuren, zu wenige Dinos, ein miserables Drehbuch voller Löcher ergeben einen Film, der ebenso wenig spannend wie ernst zu nehmen ist. Man könnte noch milde sagen, dass Michael Crichtons Ausgangsidee nun eben nicht mehr für einen Familien-, sondern für einen Kinderfilm verwendet wurde. Dagegen spricht wiederum, dass Jurassic World sehr viele Tiere und Menschen über die Klinge springen lässt.

Her

Tausendsassa Spike Jonez, der noch nie einen schlechten Film drehte, Besitzer einer Skateboardmarke ist, kreativer Kopf von Vice und Erfinder von Jackass bekam letztes Jahr seinen ersten Oscar für das Drehbuch zu Her.
Diese Kritik will zeigen, warum das anders nicht hätte kommen dürfen.

The past is just a story we tell ourselves.

Story

Nach der Trennung von seiner Jugendliebe und Exfrau Catherine hat der introvertierte Theodore Twombly kein großes Glück in der Liebe. Stattdessen konzentriert er sich ganz auf seinen Beruf – das Anfertigen von handschriftlichen Briefen für die privaten Belange von Dritten. In dieser Branche ist er dank seines hohen Empathievermögens ein Naturtalent.
Als er aus Neugierde eine frisch auf den Markt gekommene Künstliche Intelligenz erwirbt und diese installiert, trifft er nach langer Zeit auf jemanden, dem er sich anvertrauen kann. Samantha, so der Name der digital erzeugten Stimme, wird seine engste Bezugsperson. Bis beide eines Tages feststelle, dass sie ineinander verliebt sind.
Geschichten von anderen Beziehungen zwischen Mensch und Maschine machen die Runde und fordern die Überlegung heraus, das Konzept von Liebe und Beziehung vielleicht neu definieren zu müssen, während sich die rasant lernenden Künstlichen Intelligenzen exponentiell weiterentwickeln.

Kritik

Wir befinden uns im Gemengelage der Modernität, gebettet in einem unüberschaubaren Rausch aus kulturellen Strahlen, hineingeworfen in einen Alltag aus Arbeit für den Kulturbetrieb und Freizeit in dem Kulturbetrieb, der, weitestgehend technisiert und automatisch ablaufend, sich selbst in unaufhaltsam ansteigendem Tempo selbst reproduziert. E-Mails, Reklametafeln, Wecker aus, Laptop auf, E-Mails checken beim Spaziergang durch den Tag, Essen bestellen, dabei Nachrichten hören, soziale Netzwerke füttern, als Konsummensch überall untilgbare Fußstapfen hinterlassen, selbst konsumiert, dechiffriert, defragmentiert, nach Belieben in diversen Formen neu zusammengesetzt werden. Ein Rausch aus Bildern, multiplen Realitäten, Laptop zu, Augen zu, Träume, die sich beim Piepen des Handyweckers verflüchtigen. Die Welt von Theodore Twombly ist unserer nicht unähnlich, modisch nur ein paar Jahrzehnte zurückgeworfen, technisch dafür ein gutes Jahrzehnt fortgeschrittener.
In einer solchen Zeit etwas so basales wie Liebe zu finden, scheint eine Notwendigkeit zu sein, die bisher noch nicht eliminiert werden konnte, obwohl doch jedes Bedürfnis quasi per Knopfdruck durch ein kulturelles Artefakt befriedigt werden können müsste. Her ist die Geschichte über einen Mann, dem es gelingt, dass das auch für Liebe gilt, und der feststellt, dass dies nicht weniger wahrhaftig sein muss, als unsere herkömmliche Vorstellung von Zuneigung, Geborgenheit und Schmetterlingen im Bauch.
Dass Spike Jonzes Film über so etwas eine so formvollendete und berauschend gut funktionierende Erzählung geworden ist, liegt an den großartigen Hauptdarstellern, die sich beide auf ihre Weise selbst übertreffen. Joaquin Phoenix‘ Theodore ist ein nahegehender, aber niemals einfach nur bemitleidenswerter Mann geworden, der mit Problemen und Sorgen ausgestattet wurde, die so ehrlich und pointiert selten auf einer Filmfigur gebündelt worden sind. Dem zurückhaltenden, absolut beherrschten Schauspiel, das Theodore eine ganz eigene Mimik und Körperhaltung verschafft, ist es zu verdanken, dass der unglückliche Mann mit dem Schnauzer keine Sekunde lang armselig oder gar jämmerlich wirkt, sondern schlichtweg nur direkt aus dem Leben gegriffen und damit entwaffnend glaubwürdig.
Samantha ist die zweite Hauptperson, wobei man eher sagen müsste, die Stimme von Scarlett Johansson (im Deutschen, nahezu ebenbürtig, Luise Helm) ist die zweite Hauptperson, die mit ihrem warmen, gefühlvollen Klang und ihrer natürlichen, manchmal verblüffenden Wortwahl den Film zu einem wahren Erlebnis, vor allem aber zu etwas ungemein Privatem werden lässt. Auf der anderen Seite geht von ihrem Wesen immer eine Spur von Bedrohung aus, ohne dass man sagen könnte, ob dies ein begründeter Eindruck oder aber nur die hysterische Gewohnheit ist, die man sich in unzähligen anderen Filmen dieses Themenkomplexes zu eigen gemacht hat. Die Ansichten, Wünsche und Orientierungen, die Samantha im Laufe des Filmes artikuliert, erinnern immer wieder auf beunruhigende Weise daran, dass dort eine Entität heranwächst, die unabhängig vom Menschen gedeiht und auf viel unvoreingenommenere Weise zu so viel mehr fähig ist, als ihr Erbauer.
Dem exzellenten Drehbuch ist es aber zu verdanken, dass die Beziehung der beiden schon 10 Minuten nach dem ersten Kontakt eine intensive ist und dass der Film in einer halben Stunde, also ab einem Viertel seiner Spieldauer, inhaltlich so fortgeschritten ist, wie andere Filme mit dieser Thematik erst ganz am Ende. Überhaupt – die Geschwindigkeit, mit der der Film vorangeht, ist zwar kaum spürbar, aber dafür umso höher. Jede einzelne Szene bringt die Geschichte voran und ist zugleich eminent wichtig für sie, jedes Gespräch bedeutet einen Fortschritt in der Gefühlswelt der Figuren – und damit auch im Wissen des Zuschauers über diese. Her besitzt ein Script, das so effizient ist, wie kaum ein zweites. Der Oscargewinn hierfür war mehr als gerechtfertigt.
Erst auf den zweiten Blick fällt auf, wie viel das Ausstattungskonzept zu der Atmosphäre beisteuert. Die Figuren bewegen sich durch eine Welt, die in Sachen Farbgebung, Mode und Design leicht an die späten 70er angelehnt ist, während die technische Ausstattung jedoch der Zukunft entspricht. Wo derartige Stilkontraste in anderen Filmen manchmal etwas selbstzweckhaft anmuten, trägt die Kombination in Her bemerkenswerterweise dazu bei, dass die Welt intimer und die Stimmung sensibler wird, weil so ein ganz eigenes, fast schon magnetisches Universum geschaffen wird.

Es zeigt eine ganz sanft verspielte, ansonsten aber sehr behutsame Kamera ein Wechselspiel von nachdenklich schönen und traurigen Szenen, untermalt von der perfekt gewählter Musik von Arcade Fire und das alles so gekonnt inszeniert, dass die Geschehnisse keine einzige Sekunde kitschig zu werden drohen.
Das sind verdammt große Worte für einen Film, der sich um eine emotionale Beziehung zwischen einem Mann und seinem Computer dreht, doch ist es auch ein verdammt großes Erlebnis, diesen zu schauen – und vor allem ist es in jeder Sekunde enorm menschlich. Dass das Thema ja gar nicht so fantastisch ist, trägt seinen Teil dazu bei, dass man Her nicht nur in vollen Zügen genießen kann, sondern dass der Film außerdem auch ein vielleicht gar nicht so unwichtiger Beitrag zum gerade erst beginnenden Diskurs über Maschinenethik darstellt, angereichert mit ein paar gewieften Assoziationen zur Idee der technologischen Singularität.

Fazit

Spike Jonzes Film über einen Mann in der Retrozukunft, der sich in eine Computerstimme verliebt, ist ein großer Wurf, der dafür danken lässt, dass Joaquin Phoenix sein Experiment, rappender Vollbart zu sein, ad acta gelegt hat.
Das Ergebnis ist der warmherzigste, menschlichste, emotional ehrlichste Science-Fiction-Film seit langer Zeit. Doch hat Her neben seiner Liebesgeschichte noch viele weitere Ebenen, die sich immer implizit mitentwickeln. Somit ist der Science-Fiction-Liebesfilm nicht nur in seltenem Maße ergreifend, sondern regt darüber hinaus auch auf seine besondere Weise zum Nachsinnen über das an, was da in Zukunft kommen mag.

Guardians of the Galaxy

Marvel pokert seit dem wachsenden Serienerfolg hoch und immer höher. Für die größten Filme holen sie sich Underdogs an Bord. Erst Jon Favreau, dann Joss Whedon und nun schließlich für
Guardians of the Galaxy James Gunn, der bisher ‚lediglich‘ durch die launige Sci-Fi-Komödie Slither und die verstörende Superheldenreflektion Super – Shut up Crime! von sich reden machte.
Ja, Marvel pokert. Und wieder verlassen sie den Tisch mit fast schon frech hohem Gewinn.

Where did you learn to do that?

Story

Nachdem Peter Quill in frühen Kindestagen quasi vom Sterbebett seiner Mutter hoch in ein Raumschiff gesogen wurde, wo er wider Erwarten nicht als Alienfutter diente, reist er als rebellischer Tagedieb durch die Galaxie, um im Auftrag von schmierigen Artefakthändlern Zeug aus Ruinen zu bergen, während er sich selbst großmäulig als Star-Lord betitelt.
Das neuste Zeug hat für viele Leute offenbar großen Wert, denn inmitten seines Einsatzes wird er von einer anderen Fraktion angegriffen, die das begehrte Artefakt ebenfalls einheimsen wollen. Es ist ein Orb, dem unermessliche Kräfte zugeschrieben werden.
Zwar kann Peter entkommen, doch endet das Treffen mit seinem Kontaktmann in einem unvorhergesehenen Chaos, bei dem ein bis an die Zähne bewaffneter Waschbär namens Rocket, ein wandelnder Baum namens Groot und der undurchsichtigen wie grünhäutigen Gamora mitwirken. Alle zusammen werden sie von den Ordnungshütern überwältigt und in ein Hochsicherheitsgefängnis verschifft.

Kritik

Hier ist er also, Marvels großer Abstecher in die Abenteuer der Galaxiewächter, die als Ensemble um Welten unbekannter sind als die mächtigen Rächer mit den Haupthelden des Comicimperiums, aber mindestens ebenso gut funktionieren.
Ausschlaggebend für das Gelingen eines Ensemblefilmes ist die Gleichwertigkeit der Figuren. Jede benötigt ebenso einen eigenen, unverwechselbaren Charakter, wie auch eine unaufgesetzte Relevanz für das Geschehen. Weder Waschbärenwüterich Rocket noch die grollende Ein-Satz-Pflanze Groot verkommen zu albernen Sidekicks und auch Gamora als Vierte im Bunde ist keineswegs nur eine leere Hülle mit der Aufschrift ‚Love-Interest‘. Drax der Zerstörer, welcher das Team später komplettiert, kann sogar mit einer unverwechselbaren Charaktereigenschaft punkten und fügt sich damit nahtlos ins Team, auch wenn er bezüglich seiner Notwendigkeit ein unmerkliches Bisschen hinter seinen Kollegen zurückbleibt, was aber alles andere als relevant ist. Chris Pratts Darstellung des großspurigen Anführers mit Indiana-Jones-Allüren hinkt den anderen Figuren sogar etwas hinterher. Die Verschrobenheit von Peter kann dies jedoch locker wieder ausgleichen.
Um auf den Punkt zu kommen: Es stimmt nicht nur die Team-Chemie, es stimmt einfach alles in Guardians of the Galaxy. Natürlich ist die Geschichte nicht preisverdächtig und nicht jeder Witz trifft ins Schwarze. Der Punkt ist aber, dass jene Witze, die dies doch tun, regelmäßig mit ungeahnter Sicherheit im Schwarz versinken, sodass alles andere hiervon in den Schatten gestellt wird.
Der Humor des Filmes ist auf eine Weise frech, unbekümmert und ungezwungen rüpelhaft, dass man binnen kürzester Zeit mitgerissen wird. Nur selten wirken Witze aus der Reihenfertigung, wie es bei größeren Produktionen oftmals der Fall ist, sondern, im Gegenteil, es wird andauernd versiert mit Erwartungen gebrochen. Dies geschieht mit so selbstverständlicher Fingerfertigkeit, dass es fern liegt, anzunehmen, dies würde aus irgendeinem kalten Kalkül heraus passieren. Guardians oft he Galaxy ist einfach aus sich heraus so unverfroren wie unverkrampft witzig; nein: zum Brüllen komisch.
Weil die Charaktere so behutsam ausgearbeitet sind und im Team einfach herrlich harmonieren, kommt man andererseits nicht für eine Sekunde auf die Idee, der Film wäre nichts weiter als Komik. Trotz der phasenweise überbordenden Absurdität nimmt er das Innenleben seiner Charaktere nämlich sehr ernst, ohne auch hier jemals angestrengt zu wirken. Gunn gelingt es, das Beste aus Slither und Super miteinander zu vermischen und all die Ecken und Kanten seiner kleinen Filme auszusparen.
Ein wenig erinnert Guardians of the Galaxy tatsächlich an den Leinwandausflug von Firefly. Wie auch bei Serenity kann man an einigen Punkten meinen, man sähe gerade einen kleinen Kinokompromiss, weil der Film einen Hauch zu teuer und familiär ist, um sich vollends seiner Anarchie hinzugeben. Die Filme teilen sich aber genauso das unbestreitbare Faktum, mit ganzem Herz gedreht worden zu sein – und das spürt man in jeder Szene. Tatsächlich ist Guardians of the Galaxy noch einmal deutlich gelungener als Serenity und muss sich auch vor Whedons Avengers in keiner Form verstecken. Zwar ist es schon der kleine Bruder dieses Filmes, jedoch bedeutet dies eben auch, dass er von seinem großen Bruder lernt, sich mehr Freiheiten erlauben kann und grundsätzlich nicht einfach nur ‚genauso bloß weniger‘ ist, sondern gänzlich andere Attribute aufweist als das Zugpferd des Hauses.
Nicht nur der grandiose Humor, auch das bewusst und stilsicher überzeichnete Figureninventar und die gekonnt auf altmodisch getrimmten Masken lassen darüber hinaus oftmals an die besten Momente von Farscape denken. Und damit stehen so viele Vergleichsnamen für diesen Film in einem Text, dass sich jedes weitere Wort über dessen Qualität eigentlich sofort erübrigt.
Auch die Action ist in der Regel gut gelungen und befindet sich meist in einem bemerkenswerten Zusammenspiel mit ruhigeren Momenten zum Atem schöpfen und – natürlich – treffsicheren Witzen, sodass sie nie ermüdend oder selbstzweckhaft wirkt, sondern sich trotz ihrer starken Präsenz immer perfekt in die Geschichte fügt. Lediglich die finale, mehrstufige Schlacht ist eine Spur zu hektisch geraten.
Was in der deutschen Fassung fehlt, sind die tollen Synchronsprecher des Originals. Tatsächlich wirkt die Übersetzung oftmals etwas billig und ihrer Materie überhaupt nicht gewachsen.

Fazit

Das erste Abenteuer von Marvels Randgruppen-Helden ist ein enormer Spaß mit erfreulich hohem Dreistigkeitsfaktor geworden, dessen Dramaturgie – im Vergleich zu vielen anderen Späßen – aber durchweg hervorragend funktioniert.
Ein Film, der genau wie seine Figuren rebellisch und liebenswert zugleich ist und sich damit ganz ohne Frage als bester Sommerfilm des Jahres empfiehlt, ungeachtet der Pejorativum-Natur, die diesem Begriff in den letzten Jahrzehnten anhaftete.
Und James Gunn empfiehlt sich mit diesem Streich definitiv für was Größeres, könnte man sagen, wenn Guardians of the Galaxy nicht bereits eine verdammt große Angelegenheit wäre.