The Lazarus Effect

The Lazarus Effect ist der erste Langspielfilm des jungen New Yorker Filmemachers David Gelb, für dessen zentrale Figur er Olivia Wilde verpflichten konnte. Das Ergebnis ist Wissenschafts-Horror mit metaphysischer Behauptungsebene zwischen Lucy und Flatliners.

If we are going to be asking the questions, we have to be ready for the answers.

Story

Das Forscherpaar Zoe und Frank forscht mit einer Handvoll nerdiger Wissenschaftler an einem Serum, dass es ermöglichen soll, einen verstorbenen Körper für einen kurzen Moment wieder zu reanimieren. In der Medizin soll dies für einen erweiterten Handlungsrahmen bei brenzligen Situationen auf dem OP-Tisch sorgen.
Und tatsächlich verlaufen die Experimente noch viel besser als erwartet. Ein toter Hund kann nicht nur kurzzeitig, sondern dauerhaft wiederbelebt werden.
Genau diese Erfolge sorgen für eine sofortige Übernahme der Einrichtung, die den Ausschluss der jungen Wissenschaftler von ihrem eigenen Projekt bedeuten wird – etwas, das man natürlich nicht auf sich sitzen lassen kann. Bei einem Einbruch in ihr eigenes Labor, kommt Zoe bei einem Unfall ums Leben, woraufhin Frank und sein Team sie mittels des Serums prompt wieder zurückholen. Doch Zoe scheint nicht mehr ganz dieselbe zu sein wie vor ihrem Ableben.

Kritik

The Lazarus Effect beginnt auf vertraute Weise als Wissenschaftsthriller, dessen Münden in einen Pandemiefilm sich bereits in der ersten Szene unverkennbar anzukündigen scheint. Da ist es erfrischend, dass der Film sich nicht so entwickelt, wie es eingangs wirkt, sondern einen etwas weniger ausgeprägten Trampelpfad einschlägt. Ungewöhnlich sind die kleinen Spitzen klassischen Horrors, die, immer in nur knapp unterdrückter Form, in die Welt brechen. Für sich genommen sind diese Szenen zwar nur mäßig wirkungsvoll, da sie alle auf vertraute Formeln zurückgreifen und diese quasi gar nicht abwandeln, im Kontext sorgt diese kleine Bereicherung aber für ein gelungenes Gefühl des Unbehagens, das dem Zuschauer schon früh im Nacken zu klemmen beginnt.
Mit fortschreitender Laufzeit fallen diese Schema-F-Horrorelemente jedoch immer stärker ins Gewicht und irgendwann ist der Punkt erreicht, wo offenbar wird, dass The Lazarus Effect einfach zu wenig Selbstbewusstsein hat, um den Charakter- und Wissenschaftspart für ausreichend tragfähig zu halten, weshalb immer wieder kleine Schocksequenzen als zusätzliche Stütze eingebaut werden. Nur schwächt genau das die Charakterseite noch mehr, denn einander ständig erschrecken wollende oder sich uneinsichtig-kindlich über alle Regeln hinwegsetzende Figuren sind ebenso wenig sympathisch wie glaubhaft. The Lazarus Effect ist sich nicht mal zu schade, mehrmals auf Geisterfilm-Klischees zurückzugreifen – und schlussendlich sogar zu einem Geister- bzw. Besessenheitsfilm zu werden.

Das heißt aber auch: Während in Sachen Schockmomente einzig die Sache bemerkenswert ist, dass sie überhaupt in dieser Form in den Film gekommen sind, erfreut die Geschichte damit, nicht einfach nur die alte Wiedergänger-Leier abzuspulen, sondern einen feinen Kniff die die Sache einzubauen.
Noch viel Bemerkenswerter: Während man sich noch darüber ärgert, dass sich ein Klischee an nächste Reiht, funktionieren die einzelnen Elemente trotzdem erschreckend gut. Die Regie ist einerseits lahm genug, all die faden alten Dinge ein weiteres Mal zu inszenieren, aber doch so kompetent, dass es ihr gelingt, sie so effektvoll zu inszenieren, dass ihre abgeschmackte Natur kurz vergessen wird. Nicht vollständig, aber doch ausreichend stark, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Nur reicht das allein nicht, um einen guten Film abzugeben. David Gelbs Film ist letztlich ein halbgarer Horrorfilm mit einer nicht funktionierenden psychologischen Komponente, dessen Grundidee durchaus Potenzial hätte, das aber nicht ansatzweise ausgeschöpft wird. Dieselbe Idee wurde vor gar nicht allzu langer Zeit in Luc Bessons Lucy deutlich kreativer behandelt, während die Ausgangssituation bereits in Joel Schumachers Flatliners vor einem viertel Jahrhundert kohärenter inszeniert wurde. Oder eben vor 197 Jahren von Mary Shelley.

Fazit

Zwar verläuft der The Lazarus Effect anfangs etwas überraschend in einer anderen (Genre-)Bahn, doch verlässt sich die Geschichte viel zu sehr auf zwar patent in Szene gesetzte, nichtsdestotrotz aber wahllos zusammengestückelt wirkende Horroreinlagen, die dazu auch noch verstärkt darauf aufmerksam machen, dass sowohl Charaktere als auch die Geschichte eher schwach sind.

Her

Tausendsassa Spike Jonez, der noch nie einen schlechten Film drehte, Besitzer einer Skateboardmarke ist, kreativer Kopf von Vice und Erfinder von Jackass bekam letztes Jahr seinen ersten Oscar für das Drehbuch zu Her.
Diese Kritik will zeigen, warum das anders nicht hätte kommen dürfen.

The past is just a story we tell ourselves.

Story

Nach der Trennung von seiner Jugendliebe und Exfrau Catherine hat der introvertierte Theodore Twombly kein großes Glück in der Liebe. Stattdessen konzentriert er sich ganz auf seinen Beruf – das Anfertigen von handschriftlichen Briefen für die privaten Belange von Dritten. In dieser Branche ist er dank seines hohen Empathievermögens ein Naturtalent.
Als er aus Neugierde eine frisch auf den Markt gekommene Künstliche Intelligenz erwirbt und diese installiert, trifft er nach langer Zeit auf jemanden, dem er sich anvertrauen kann. Samantha, so der Name der digital erzeugten Stimme, wird seine engste Bezugsperson. Bis beide eines Tages feststelle, dass sie ineinander verliebt sind.
Geschichten von anderen Beziehungen zwischen Mensch und Maschine machen die Runde und fordern die Überlegung heraus, das Konzept von Liebe und Beziehung vielleicht neu definieren zu müssen, während sich die rasant lernenden Künstlichen Intelligenzen exponentiell weiterentwickeln.

Kritik

Wir befinden uns im Gemengelage der Modernität, gebettet in einem unüberschaubaren Rausch aus kulturellen Strahlen, hineingeworfen in einen Alltag aus Arbeit für den Kulturbetrieb und Freizeit in dem Kulturbetrieb, der, weitestgehend technisiert und automatisch ablaufend, sich selbst in unaufhaltsam ansteigendem Tempo selbst reproduziert. E-Mails, Reklametafeln, Wecker aus, Laptop auf, E-Mails checken beim Spaziergang durch den Tag, Essen bestellen, dabei Nachrichten hören, soziale Netzwerke füttern, als Konsummensch überall untilgbare Fußstapfen hinterlassen, selbst konsumiert, dechiffriert, defragmentiert, nach Belieben in diversen Formen neu zusammengesetzt werden. Ein Rausch aus Bildern, multiplen Realitäten, Laptop zu, Augen zu, Träume, die sich beim Piepen des Handyweckers verflüchtigen. Die Welt von Theodore Twombly ist unserer nicht unähnlich, modisch nur ein paar Jahrzehnte zurückgeworfen, technisch dafür ein gutes Jahrzehnt fortgeschrittener.
In einer solchen Zeit etwas so basales wie Liebe zu finden, scheint eine Notwendigkeit zu sein, die bisher noch nicht eliminiert werden konnte, obwohl doch jedes Bedürfnis quasi per Knopfdruck durch ein kulturelles Artefakt befriedigt werden können müsste. Her ist die Geschichte über einen Mann, dem es gelingt, dass das auch für Liebe gilt, und der feststellt, dass dies nicht weniger wahrhaftig sein muss, als unsere herkömmliche Vorstellung von Zuneigung, Geborgenheit und Schmetterlingen im Bauch.
Dass Spike Jonzes Film über so etwas eine so formvollendete und berauschend gut funktionierende Erzählung geworden ist, liegt an den großartigen Hauptdarstellern, die sich beide auf ihre Weise selbst übertreffen. Joaquin Phoenix‘ Theodore ist ein nahegehender, aber niemals einfach nur bemitleidenswerter Mann geworden, der mit Problemen und Sorgen ausgestattet wurde, die so ehrlich und pointiert selten auf einer Filmfigur gebündelt worden sind. Dem zurückhaltenden, absolut beherrschten Schauspiel, das Theodore eine ganz eigene Mimik und Körperhaltung verschafft, ist es zu verdanken, dass der unglückliche Mann mit dem Schnauzer keine Sekunde lang armselig oder gar jämmerlich wirkt, sondern schlichtweg nur direkt aus dem Leben gegriffen und damit entwaffnend glaubwürdig.
Samantha ist die zweite Hauptperson, wobei man eher sagen müsste, die Stimme von Scarlett Johansson (im Deutschen, nahezu ebenbürtig, Luise Helm) ist die zweite Hauptperson, die mit ihrem warmen, gefühlvollen Klang und ihrer natürlichen, manchmal verblüffenden Wortwahl den Film zu einem wahren Erlebnis, vor allem aber zu etwas ungemein Privatem werden lässt. Auf der anderen Seite geht von ihrem Wesen immer eine Spur von Bedrohung aus, ohne dass man sagen könnte, ob dies ein begründeter Eindruck oder aber nur die hysterische Gewohnheit ist, die man sich in unzähligen anderen Filmen dieses Themenkomplexes zu eigen gemacht hat. Die Ansichten, Wünsche und Orientierungen, die Samantha im Laufe des Filmes artikuliert, erinnern immer wieder auf beunruhigende Weise daran, dass dort eine Entität heranwächst, die unabhängig vom Menschen gedeiht und auf viel unvoreingenommenere Weise zu so viel mehr fähig ist, als ihr Erbauer.
Dem exzellenten Drehbuch ist es aber zu verdanken, dass die Beziehung der beiden schon 10 Minuten nach dem ersten Kontakt eine intensive ist und dass der Film in einer halben Stunde, also ab einem Viertel seiner Spieldauer, inhaltlich so fortgeschritten ist, wie andere Filme mit dieser Thematik erst ganz am Ende. Überhaupt – die Geschwindigkeit, mit der der Film vorangeht, ist zwar kaum spürbar, aber dafür umso höher. Jede einzelne Szene bringt die Geschichte voran und ist zugleich eminent wichtig für sie, jedes Gespräch bedeutet einen Fortschritt in der Gefühlswelt der Figuren – und damit auch im Wissen des Zuschauers über diese. Her besitzt ein Script, das so effizient ist, wie kaum ein zweites. Der Oscargewinn hierfür war mehr als gerechtfertigt.
Erst auf den zweiten Blick fällt auf, wie viel das Ausstattungskonzept zu der Atmosphäre beisteuert. Die Figuren bewegen sich durch eine Welt, die in Sachen Farbgebung, Mode und Design leicht an die späten 70er angelehnt ist, während die technische Ausstattung jedoch der Zukunft entspricht. Wo derartige Stilkontraste in anderen Filmen manchmal etwas selbstzweckhaft anmuten, trägt die Kombination in Her bemerkenswerterweise dazu bei, dass die Welt intimer und die Stimmung sensibler wird, weil so ein ganz eigenes, fast schon magnetisches Universum geschaffen wird.

Es zeigt eine ganz sanft verspielte, ansonsten aber sehr behutsame Kamera ein Wechselspiel von nachdenklich schönen und traurigen Szenen, untermalt von der perfekt gewählter Musik von Arcade Fire und das alles so gekonnt inszeniert, dass die Geschehnisse keine einzige Sekunde kitschig zu werden drohen.
Das sind verdammt große Worte für einen Film, der sich um eine emotionale Beziehung zwischen einem Mann und seinem Computer dreht, doch ist es auch ein verdammt großes Erlebnis, diesen zu schauen – und vor allem ist es in jeder Sekunde enorm menschlich. Dass das Thema ja gar nicht so fantastisch ist, trägt seinen Teil dazu bei, dass man Her nicht nur in vollen Zügen genießen kann, sondern dass der Film außerdem auch ein vielleicht gar nicht so unwichtiger Beitrag zum gerade erst beginnenden Diskurs über Maschinenethik darstellt, angereichert mit ein paar gewieften Assoziationen zur Idee der technologischen Singularität.

Fazit

Spike Jonzes Film über einen Mann in der Retrozukunft, der sich in eine Computerstimme verliebt, ist ein großer Wurf, der dafür danken lässt, dass Joaquin Phoenix sein Experiment, rappender Vollbart zu sein, ad acta gelegt hat.
Das Ergebnis ist der warmherzigste, menschlichste, emotional ehrlichste Science-Fiction-Film seit langer Zeit. Doch hat Her neben seiner Liebesgeschichte noch viele weitere Ebenen, die sich immer implizit mitentwickeln. Somit ist der Science-Fiction-Liebesfilm nicht nur in seltenem Maße ergreifend, sondern regt darüber hinaus auch auf seine besondere Weise zum Nachsinnen über das an, was da in Zukunft kommen mag.

In Time – Deine Zeit läuft ab

Gattaca, Die Truman Show, Lord of War – Händler des Todes – Andrew Niccol hat Filme in seiner Vita stehen, die bereits heute morgige Klassiker sind. Nach Nicolas Cages erinnerungswürdigem Auftritt als Waffenhändler tat sich 6 Jahre lang gar nichts. Bis dann In Time – Deine Zeit läuft ab startete, bei dem der Neuseeländer als Regisseur und Drehbuchautor hervortritt und mit Justin Timberlake außerdem ein Publikum lockendes Pferd im Stall hat.

The time left town.


Story

In der Welt von Morgen hat ein Währungswechsel stattgefunden. Lebenszeit ist das Mittel der Zahlung. Jeder Bürger hat eine grüne Uhr in seinem Arm. Ab dem Alter von 25 beginnt sie rückwärtszulaufen, ein Jahr verbleibt dann noch zum Leben, während der Alterungsprozess des Körpers stoppt.
Wer länger sein will, muss hart arbeiten. Jeder Job bringt Zeit – aber jedes Getränk, jede Dienstleistung, jede Busfahrt kostet auch. Eigentlich sogar doppelt – die Dauer, die die Tätigkeit in Anspruch nimmt, und der veranschlagte Preis in Minuten, Stunden, Tagen oder Jahren für das jeweilige Gut. So wird Überbevölkerung vermieden. Steigt die Geburtenrate, werden einfach Preise erhöht und Löhne gesenkt, schon ist die Gesellschaft quantitativ wieder im Lot, weil die weniger gut Betuchten es nicht schaffen, ihr Konto auszugleichen und einfach auf der Straße verenden. Der Zeittransfer wird vollzogen, indem zwei Menschen einander die Uhren-Arme umfassen. Gut für unkomplizierte Transaktionen, gut für Verbrecher, die sich die verbleibende Lebenszeit Dritter mit Gewalt aneignen wollen.
Während in Ghettos um jeden Tag gekämpft wird und kaum einer mit der Gewissheit aufsteht, sich zum Abend wieder betten zu können, wird in den reichen Städten der Dekadenz gefrönt. Wer Erfolg hat, der kann sich ewiges Leben leisten.
Einer der Leute, die nie mehr als einen Tag auf ihrem Konto haben, ist Will Salas. Er kümmert sich um seine Mutter und schlägt sich durchs Leben, stets den eigenen Tod vor Augen. Einmal verschlafen und alles ist aus.
In einer Bar rettet er einen lebensmüden Aristokraten vor Zeitdieben. Und ehe er sich versieht, hat er mit einem Mal nicht nur 100 Jahre mehr auf der Uhr, sondern weiß auch um die furchtbare Wahrheit hinter dem Zahlungskonzept.

Story

So ungeheuer vielversprechend beginnt In Time! Pluspunkt Nummer eins ist das unverbrauchte Szenario. Zeit als Währung, ewig lebende Reiche, früh sterbende Arme und die ganze Welt dreht sich um nichts anderes als die Frage, wie man sich ein paar Stunden dazuverdienen kann. Zeit heißt nicht nur Leben, Zeit heißt Jugend und die Möglichkeit, sich etwas Ruhe zu gönnen.
Der Film erzählt dies alles in wenigen Momenten und startet sofort durch mit Zeithäschern, Sauftouren und Verfolgungsjagden in einem. Hauptcharakter Will stellt sich zwar nicht sonderlich weise an, die Inszenierung stimmt dafür aber durch und durch. Sogar die emotionalen Szenen sind so ergreifend wie gewollt und alles deutet darauf hin, dass sich aus der neuartigen Ausgangssituation ein rasantes, spannendes Sci-Fi-Filmchen entfalten wird. Ein Vergleich mit Michael Endes Momo liegt da natürlich nahe und wird anfangs auch kräftig unterfüttert. Die schummrige Atmosphäre, konspirativ dreinblickende Männer, die hüfttief in dunstiger Noir-Stimmung stehen und sicher nicht von ungefähr Assoziationen an die grauen Herren wachrufen und über allem das ubiquitäre Thema des Sparens von Zeit – inklusive der Moral, dass sinnloses Horten von Lebenspotenzial nicht gleich Leben ist.
Dabei muss aber auch gesagt werden, das In Time schon von Beginn an mächtig in die Vollen geht. Musik, Schnitt, Mimik der Figuren – all das ist einzig und allein darauf ausgerichtet, ein Höchstmaß an Dramatik zu generieren. Im ersten Drittel geht diese Rechnung auch voll auf und manchmal fühlt man sich durch die raschen Sprünge und das generell sehr hohe Tempo an Ohne Limit aus dem gleichen Jahr erinnert. Und das trifft auch auf den weiteren Verlauf zu, denn beide Filme kränkeln letztendlich an sehr ähnlichen Fehlgriffen.

Ab Minute 40 war es das dann nämlich mit den guten Vorsätzen. Plötzlich mutiert der Film zu einem Actionthriller und die interessant anlaufende Geschichte wird unvermittelt auf ein simples Arm-Reich-Dilemma runtergebrochen, bei  dem von Vornherein klar ist, wer Sanktion verdient hat.
Warum der Arbeiterjunge, der 28 Jahre lang nichts anderes konnte als Rennen, plötzlich zum Klassenkämpfer mit Green Beret -Fähigkeiten wird, ist nicht ersichtlich. Auch die nebulöse Stimmung bleibt auf der Strecke, denn plötzlich gibt es rein gar nichts mehr, das mysteriös ist. Es geht einzig um die verschlagene Oberschicht und die armen Unterdrückten, für die es einzustehen gilt. Dabei hätte man die Geschichte so interessant weitererzählen können.
Wie kam es dazu, dass Menschen mit ihrer Lebenszeit bezahlen? Befindet sich die der neonfarbene Countdown bereits von Geburt an am Arm? Wenn ja, wie kommt das? Wenn nein, wie und wann wird er implantiert und wieso versuchen Mütter nicht, ihren Säugling davor zu bewahren? Wer sind die wahren Strippenzieher? Weshalb reifen menschliche Körper bis zum 25. Lebensjahr und sind dann vor Zerfall gefeit?
So viele Fragen. Diese und viele weitere hätten dafür sorgen können, den Film auf dem hohen Niveau zu halten, auf dem er startet.
Nach den vielversprechenden ersten 40 Minuten und den ernüchternden 40 Minuten, die folgen, bestehen die restlichen 40 Minuten aus einer absolut inkohärenten Bonny-and-Clyde-meets-Robin-Hood-Wendung, die für sich genommen sicher ihren Reiz hätte, aber nicht in das vorher zusammengestellte Bild passt und vor allem viel zu lieblos hingeschludert wirkt. Wenn Zeitbanken derart leicht und stümperhaft um ihre Schätze gebracht werden können, wäre das im siedend heißen Ghetto, von dem erzählt wird, längst schon passiert.

Aus dem unaufgeregt spielenden Cast hervorstechen kann Cillian Murphy (28 Days Later, Tron: Legacy, Inception, The Dark Knight Rises), dessen kontrolliertes Gesicht vollkommen undurchschaubar ist und seinen Timekeeper-Charakter trotz verhältnismäßig kurzer Präsenz zum mit großen Abstand interessantesten und spannendsten des Sci-Fi-Filmes macht, da er sich bis  zum Ende einen Hauch von Ambivalenz und Doppelbödigkeit bewahren kann. Ein Talent, das dem Film selbst vollkommen abgeht.

Fazit

Starker Beginn, starker Abfall. Anstatt auf die faszinierende Prämisse und die etablierte Stimmung zu bauen, verheddert sich In Time – Deine Zeit läuft ab nach einer Weile in Plattitüden. Mit etwas mehr Mut wäre aus dem Film womöglich ein wirklich gutes Science-Fiction-Märchen mit philosophischem Anstrich geworden. So beginnt er als gelungene moderne Interpretation von Momo und stürzt dann auf fast schon tragische Weise in die Belanglosigkeit.