Arcana

15. Japan-Filmfest Special 2

Arcana ist eine Verfilmung des gleichnamigen Mangas von Yua Kotegawa, der sich in seinem Herkunftsland überdurchschnittlich gut verkaufte. Yoshitaka Yamaguchi, zuvor als Assistenz für Takashi Miike tätig, wählte diesen Stoff als Vorlage für seine erste selbstständige Regiearbeit.

Everything is nonsense. Everything!

Story

Polizeiinspektor Murakami hat die Fähigkeit Geister zu sehen, die junge Maki kann mit diesen Präsenzen noch stärker in Kontakt treten. Gemeinsam mit einer geheimen Behörde, die sich der Ermittlung in paranormalen Angelegenheiten verschrieben hat, nehmen sie die Fährte eines brutal vorgehenden Serienkillers auf, dessen blutige Spur darauf hinweist, dass er selbst in Verbindung mit dem Geisterreich steht – und mit dem Phänomen, dass viele Geister einen Doppelgänger in der unsrigen Welt zu haben scheinen.

Kritik

Arcana tut erst einma so, als sei der der sonderbarste Film des Festivals, wenn er den Zuschauer ohne Vorbereitung in eine Welt wirft, wo ein Dezernat für Übernatürliches eine Selbstverständlichkeit ist und manche Menschen scheinbar grundlos in der Lage sind, Geister wahrzunehmen. Das macht anfangs gespannt, ermüdet aber schnell, wenn zum Vorschein kommt, dass all das Augenwischerei ist, bis hin zur Geschichte, die sich geschwind als ziemlicher Durchschnitt, der anfangs nur so tut, als stecke er voller Besonderheiten.
     
Durch die vermeintiche Raffinesse am Anfang ist das Erlebnis am Anfang unnötig konfus. Wenn sich das Ganze langsam entwirrt und zum Vorschein tritt, dass Arcana alles, aber nicht besonders ist, kehrt erzählerische Belanglosigeit ein. Einzig das Agieren der Personen sorgt weiterhin dann und wann für krause Stirnen, weil jeder in seiner eigenen Unlogik zu handeln scheint.
Die krude Geistergeschichte versucht gar nicht erst, gruselig zu sein, sondern stützt sich vielmehr auf ihre eigene Mythologie, die ungewöhnlich, aber trotzdem vollkommen belanglos ist. Dazu gibt es ein paar schlecht geschriebene Cops, die nach Ordnung suchen und knapp unterdurchschnittliche Spezialeffekte, die durch ihren schlecht getimten Einsatz aber bar jeder Stimmung sind.

Dabei ist Arcana kein schlecht gemachter Film. Die Bilder sind in aller Regel zwar sehr beliebig, sehen im Rahmen ihrer Beliebigkeit aber gut aus, und auch an den Darstellern gibt es nur wenig auszusetzen. Wäre da eben nicht die gänzlich uninteressante Geschichte als Herz des Films.
In der grundlos verwirrenden Struktur des Werks finden sich zwar immer mal wieder auch ein paar inhaltliche Ideen ein, die eigentlich nicht übel sind, in der Gesamtheit des Filmes aber nur vergeudet wirken.

Fazit

So clever und unvorhersehbar Acrana anfangs auch tut, am Ende lässt sich der Film auf eine banale Krimistruktur runterbrechen, die lediglich unnötig kompliziert erzählt wird. Der Film setzt nicht auf Grusel, sondern auf die Faszination seiner eigenen, selbstständigen Mythologie, die aber leider nicht nur konfus und ziemlich an den Haaren herbeizogen, sondern auch noch höchst uninteressant ist.
Auf der Habenseite finden sich ein paar atmosphärische Szenen, die aber kaum genügen, eine Empfehlung für den Film auszusprechen.
Nur für Genrevernarrte, die auch mit Mystery-Schmu im Stile von Silk etwas anfangen können.

Re-Animator

Im vergangenen Jahr beendete Stuart Gordons Re-Animator in Deutschland seine Index-Existenz. Über zwei Jahrzehnte war der auf Howard Phillips Lovecrafts Kurzgeschichte Herbert West – Der Wiedererwecker basierende Film verboten, was seinem Semi-Kultstatus zugute kam.
Es folgten zwei Fortsetzungen und eine überaus erfolgreiche Musical-Umsetzung.


Birth is always painful.

Story

Über die Jahrhunderte sind wir zu ganz anständigen Medizinern gereift, möchte man meinen. Dabei wird gern vergessen, dass es immer noch den einen oder anderen weißen Fleck auf der Karte unserer Möglichkeiten gibt. Krebs, Demenz, das Altern, der Tod – nichts davon tatsächlich heilbar. Wie unbeholfen ist der Mensch doch, wenn er sich bemüht, ein ausklingendes Leben noch ein wenig länger im Diesseits zu behalten. Mit Elektroschocks wird das Herz malträtiert, die wildesten Elixiere werden intravinös in den sterbenden Leib gepumpt, und dann zieht es die arme Seele doch davon. Dieser Kampf gegen Windmühlen ist für den ambitionierten Arzt von Heute eine frustrierende Angelegenheit. Dr. Herbert West ist ein solcher Arzt und weit davon entfernt, sich geschlagen zu geben. Eines Tages trifft er den überambitionierten Kollegen Dr. Daniel Cain an seiner Uni. Und Cain entwickelt ein Serum, das toter Materie wieder Leben einhaucht.

Kritik

Ein hinreißender Vorspann mit anatomischen Kunstzeichnungen, die in neonfarben und ästhetischen Posen einen schmalen Bereich zwischen Erotik und Morbidität besiedeln, führt in das Lovecraft-Universum.
Das ist umso erstaunlicher, erweist die erste Szene den Film doch als klaren Trash aus. Trash mit hervorquellenden Augen, schäumendem Fleischblut, schrillen Schreien und allerhand Flüssigkeiten von unfeiner Farbe. Die Leichen sind hübsch zerschunden und die ganze Inszenierung eine große voyoristische Ekelschau, vornehmlich darauf angelegt, den Zuschauer zum Quieken zu bringen. Der Film ist in dem Bewusstsein, seine Geschichte mit dem nötigen Maß an Selbstironie erzählen zu müssen, will er nicht in seinem eigenen Glibber ausrutschen.
Wenn der betagte Arzt mit lüstern hervorgestreckter Zunge und fast schon gierigem Blick die Knochensäge anwirft und dabei mit euphorischer Detailversessenheit von der Virtuosität seines Schaffens berichtet, mag man Re-Animator ganz fest umschlingen.
Die Figuren sind gut ausgearbeitet, reden keinen Unsinn und verhalten sich im Genrerahmen nachvollziehbar. Wärehnd Hauptdarsteller Jeffrey Combs in diesem Re-Animator-Teil noch stark an den prototypischen College-Studenten ohne große praktische Erfahrung, aber mit vorzeigbarer Blondine an der Seite erinnert, liefert Bruce Abbott als übereifriger Praxisbefürworter eine angenehm psychopathische Performance ab, die nie über ihr Ziel hinausschießt, aber trotzdem ein paar witzige Spitzen auf Lager hat. Es ist diese Mischung aus klassischen 80er-Jahre-Horrorelementen und dem bösartigen, aber selbstreflexiven und zum Glück sehr leisen, zurückhaltenden Humor, der den Kultstatus von Re-Animator erklärt. Viel trägt die im doppelten Sinne klassische Instrumentalisierung zur Stimmung des Filmes bei, die von Horror-Komponist Richard Band kreiert wurde, der hier erstmalig mit Stuart Gordon zusammenarbeitete. Nicht zurückhaltend, aber niemals aufdringlich und mit schnödem Pomp überladen, sondern in altmodisch-effizienter Weise antizipierend, vorwärtstreibend, vorbereitend und zurückhaltend, niemals subtil, aber immer mit dem richtigen Gespür für die Situation, so nimmt einen die Instrumentalisierung an die Hand, von Anfang bis Ende. Sie führt den Zuschauer durch die vielen kleinen Höhepunkte, durch die die beiden Wissenschaftler schrittweise zu ihrem zweifelhaftem Erfolg geführt werden. Alle paar Minuten hält der Film mit kurzen Schockepisoden bei der Stange, während die Welt schnell ihre eigenen Regeln vergisst. Das grün schimmernde Serum muss anfangs noch gezielt ins Hirn injiziert werden, um die Leichen zu vitalisieren. Später ist es dann aber gleich, wohin der Saft gepresst wird. Die Körper erwachen so oder so zum Leben, wenn sie mit ihm in Berührung kommen.
Nach einer Stunde ist das eh egal. Wenn der Antagonisten-Kadaver wieder rumläuft, driftet die Geschichte vollständig ins Absurde – leider. Kopf und Körper agieren unabhängig voneinander, die bisher angenehm dezente Komik legt eine Schippe zu viel drauf und auch die Musik lässt sich hinreißen, bei der Übertreibung mitzumischen. Dann ist
Re-Animator weniger eklig, weniger ernstzunehmen und dadurch auch weniger gut. Diese sonderbare Hommage an alte Gruselmotive hat ohne Frage etwas für sich, bringt die bisher stringente Atmosphäre des medizinischen Sci-Fi-Filmes aber gehörig durcheinander. Das überbordende Finale vermag es jedoch, diesen Fehltritt vergessen zu machen. Der Film hat dann nicht mehr denselben Ton, wirkt in den ausladenden, fast schon an Braindead erinnernden Gefilden aber trittsicher und fühlt sich sichtlich wohl.

Dem wissenschaftskritischen Aspekt, wenn man den Film denn nicht als puren Unterhaltungsstreifen wahrnehmen möchte, kommt keine allzu große Rolle zu, er bleibt im Hintergrund aber durchweg spürbar. Es sind die Thematik und die agierenden Forscher, die allesamt auf ihre Weise einen an der Klatsche haben, weil sie nicht nur ihr Erkenntnisinteresse über den Rest der Welt und alle Werte erheben, sondern vorrangig von paranoidem Konkurrenzdenken getrieben werden. Anstatt in kooperativem Wirken gesicherte Ergebnisse anzustreben, werden die Wissenschaftler zu narzisstischen Eigenbrödlern, die dem anderen keinen Zentimeter Fortschritt gönnen und sich neidvoll mit fremden Federn behängen. Interessant wird es, wenn man eine andere Lesart zulässt. Der erzkonservative Dekan Halsey lässt Töcherlein Megan nicht bei unserem Wissenschaftler übernachten. Theoretisch ist dies nur durch Eheschließung möglich, praktisch gar nicht, denn ein offizieller Kontakt, der über akademische Belange hinausgeht, würde den jungen West sofort von der Forschungseinrichtung verbannen. Zusammenfinden kann das Paar nur, weil der Vater früh das Zeitliche segnet – und natürlich als grunzendes, instinktgetriebenes Wesen wiederkehrt, das keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Es sind gleich zwei Weltbilder, mit denen Gordons Film abrechnet, und einzig der ambitionierte, aber gewissenahfte West kann siegreich hervorgehen, da er die goldene Mitte zwischen alt und neu, Rückwärtsgewandtheit und Hybris verkörpert, um sich gegen die miteinander paktierenden Weltbilder durchzusetzen, bis ihn sein doppeltes Wesen am Ende zerreißt.
Das kann nur gipfeln in einem Splatterfest, in dem Zurückgeholte splitterfasernackt und blutrünstig, aber unter voller geistiger Kontrolle als Armee aufmaschieren.

Fazit

Eine hübsch inszenierte Eskalation mit liebevollen, kaum gealterten Effekten, einer überwiegend gut dosierten Selbstironie, gut aufgelegten Darstellern und einer sehr dynamischen Dramaturgie. Ein unpassender Ausflug ins Absurde bricht nach einer Stunde aber mit der Atmosphäre und der Film benötigt eine Weile, um sein neues Gesicht mit der Geschichte zusammenzubringen.

Fantasy-Filmfest-Special: Haunter

Wenn man ganz ehrlich ist, sollte man Vincenzo Natali eigentlich als tragisch-klassisches One-Hit-Wonder abtun. 1997 ging Dank Cube ein Raunen durch die Kinowelt. Dann geschah Übliches: Hohe Erwartungen und keine praktische Entsprechung. Cypher war da noch das ambitionierteste Projekt, aber viel zu unausgereift, Splice – Das Genexperiment generisch und ebenfalls nur Durchschnitt, Nothing ein definitiver Tiefpunkt und sein Paris, je t’aime-Beitrag nicht schlecht, aber eben auch nur kurz. Und dann geht’s plötzlich wieder zurück zum Horror – wenn auch ohne Sci-Fi-Elemente und auf völlig anderer Ebene als sein Würfel-Durchbruch, allerdings wieder auf engstem Raum.

Story

Lisa ist ein ganz normales Mädchen in den 80ern. Ihre Familie nervt, ist aber in Ordnung und Musikgeschmack und Kleidung haben die Tendenz zu Dunkel. Außerdem wird sie in einem Tag 16 – und das seit gut einer Woche. Denn derselbe Tag scheint sich wieder und wieder zu wiederholen, was aber nur sie merkt. Im Haus läuft die gleiche Routine immer aufs Neue ab und kann nicht gebrochen werden, und drinnen wogt dicker Nebel mit der Konsistenz von Sahne, der Lisas Handlungsspielraum weiter einschränkt. Als wäre das nicht genug, entdeckt der Teenager immer größere Seltsamkeiten im Haus – und des nachts schleicht etwas Grausiges durch die Flure, während unheimliche Stimmen aus dem Dachboden hallen.
Als Lisa versucht, den Merkwürdigkeiten auf eigene Faust auf den Grund zu gehen, sucht sie ein furchteinflößender Herr heim, der ihr unmissverständlich klarmacht, dass ihr und ihrer Familie schreckliches Leid wiederführe, wenn sie die Dinge nicht sofort auf sich beruhen ließe.
Aber welches 15-jährige Mädchen lässt schon Dinge auf sich beruhen?

Kritik

Man mag es gar nicht glauben, aber Herrn Natali ist doch tatsächlich wieder ein patentes Filmchen gelungen. Kein Überflieger, aber ein solider Genrebeitrag mit großer Freude am Hakenschlagen und bodenständigem Budenzauber.
Anfangs scheint Haunter das Und täglich grüßt das Murmeltier-Rezept um ein paar Haunted House-Zutaten zu bereichern und der aus Little Miss Sunshine bekannten Abigail Breslin ein neues Image verpassen zu wollen. Leider halten sich die Inhaltsangaben dieser Welt nicht zurück und geben unverblümt den ersten großen Twist preis, was das anfängliche Viertel des Filmes ein wenig seines Reizes beraubt. Ganz sicher kann man Haunter attestieren, dass er genau das schafft, was er erreichen will. Es schauert wohlig, man rätselt, wie die Sache wohl aufgelöst wird (und hofft dabei, dass jene Auflösung nicht allzu platt daherkommt) und schaut das ein oder andere Mal vielleicht sogar ein bisschen gespannt aus der Wäsche, weil der Film sich bemüht, stets etwas freaky und unberechenbar zu sein. Auch wenn eigentlich nur altbekannte Spuk-Elemente neu arrangiert werden: Gruselige Kinder, knarrende Dielen und unheilvolle Männer mit grinsender Fratze – Natali scheint in den letzten Jahren recht viel Zeit in diesem Genre verbracht zu haben.
Eine gesonderte Erwähnung verdient Stephen McHattie (Lexx) als ‚Pale Man‘, dessen böse Erscheinung mit starrem Grienen einem tatsächlich Schauer über den Rücken jagt. Aber auch der Rest des Casts glänzt mit überdurchschnittlicher Performance.
Wenn die Katze kurz nach der Mitte dann endgültig aus dem Sack ist, ist der Film aber noch nicht zu Ende, sondern bemüht sich, seine Geschichte schlüssig bis zum Schluss zu erzählen. Und eigentlich ist diese Geschichte natürlich gar nichts Dolles. Was den Film so angenehm spannend und schauderhaft macht, das ist das gute Drehbuch und die Regie, welche viel Fingerspitzengefühl in Gruselszenen beweist und den Alltag umgekehrt sehr beunruhigend darzustellen weiß.

Fazit

Eine schöne Schauermär, die ohne viel Krach und Aufwand eine wohlige Atmosphäre generiert und bis zum Ende gut unterhält. Dass der Plot an sich eine typische B-Movie-Idee ist, macht überhaupt nichts, weil die Sache so geschickt zusammengebaut wurde, dass der Film dort sympathisch wirkt, wo andere des Genres einfältig sind.

Fantasy-Filmfest-Special: Frankenstein’s Army

Frankensteins Monster – nun auch im Plural. Richard Raaphorst lässt in seinem ersten Langfilm handgemachten Wahnsinn posieren, pfeift auf Charakterarbeit und Story und konzentriert sich ganz auf seine unikalen Fleisch-Maschine-Perversionen. Mit Erfolg.
http://www.youtube.com/watch?v=dOF8GiIXtGY
Things the Doctor makes.

Story

Der zweite Weltkrieg ist am Toben und Dimitri ein Filmstudent mit großem Engagement. Er und seine 16mm-Kamera begleiten einen kleinen Stoßtrupp der russischen Armee, um ein paar werbewirksame Propagandaaufnahmen einzufangen.
Als sie einen Hilferuf über Funk empfangen, folgen sie dem Signal und erreichen ein kleines Dorf, das wie ausgestorben scheint. Dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht, kündigt sich schon auf dem Hinweg an, wo höchst eigenwillige Kadaver von Kriegsgreuel zeugen, die jenseits des Vorstellbaren liegen. Die toten Körper werden entstellt durch merkwürdige Mutationen und mechanische Modifikationen.
Im Gangsystem unter einer zum Labor umfunktionierten Kirche stößt man schnell auf die Quelle dieser entmenschlichten Wesen: Wütende Kreaturen, von einem irren Doktor wiederbelebt. Von einem Nazi-Frankenstein der sich mit lascher Wiedererweckung nicht zufrieden gab, denn derartiges ist bekanntlich für Amateure. Stattdessen stattete er seine Geschöpfe mit dem Besten aus, was der gut sortierte Werkzeugschrank so hergab. Leiber mit viel Metall und noch mehr Waffen streifen durch die klaustrophobisch engen Gänge und machen Jagd auf die Eindringlinge. Frisches Baumaterial wird schließlich immer gebraucht.
Doch auch untereinander herrschen Spannungen, die durch die Extremsituation nur noch geschürt werden, bis Dimitri, nur mit seiner Kamera bewaffnet, sich plötzlich alleine in einem Strudel aus Körperteilen und Motoröl wiederfindet

Kritik

Wenn die Filmwelt von Heute eines ganz gewiss nicht braucht, ist es ein weiterer Found-Footage-Streifen. Nun sehen wir uns also das – offenbar gefundene – Material des Kameramannes Dimitri an und merken schnell, dass sich das Konzept mit seinem Authentizitätsanspruch selbst ad absurdum führt, weil die vermeintlich echten Aufnahmen andauernd mit atmosphärischer Hintergrundmusik untermalt sind. Auch sonst wirkt es so, als wäre die Wahl dieses Präsentationsstils keine dramaturgisch, sondern eine finanziell motivierte gewesen. Wirre Kameraführung und wahllose Schnitte sind dadurch entschuldigt. Aber trotzdem gelingt Frankenstein‘s Army genau das, woran die meisten Handkamerafilme kläglich scheitern: Es stellt sich ein starkes Mittendrin-Gefühl ein. Selbst die Laiendarsteller, die in mindestens zwei Fällen auch viel zu jung für ihre Rollen aussehen, verhindern nicht, dass man sich als Zuschauer direkt im Geschehen wähnt. Neben erwähnter Musik und den toll gewählten Schauplätzen, auch vor und auf dem Weg zu der Kirche, ist das vor allem vielen Schummeleien der Regie zu verdanken: Der filmende Hauptdarsteller neigt dazu, in den gefahrvollsten Situationen einfach tatenlos stehenzubleiben und seine Kamera zudem so zu drehen, wie man den Kopf drehen würde – nur viel, viel langsamer. Wenn aus drei von vier Gängen grässlich grunzende Abscheulichkeiten anstürmen und das Kameraauge zwar zittrig, aber trotzdem ohne Eile erst einmal in alle drei Gänge reinfilmt, bevor sich der gute Dimitri dann vielleicht mal entschließt, in den einzig freiliegenden Schacht zu türmen, nimmt man den Protagonisten mit seinen geistigen Kapazitäten und auch dessen Überlebenstrieb zwar nicht mehr für voll, kann die aufkeimende Panik aber auch sehr gut nachempfinden. Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn die Waffenarme der Scheusale niedersausen und es wegen der Kameraperspektive so aussieht, als müssten sie das Würstchen von einem Helden eigentlich zweiteilen. Doch stattdessen gibt es noch ein paar weitere Hiebe ins vorgebliche Nichts und der ambitionierte Filmstudent setzt seinen Weg fort. Wie gesagt, Manipulation sehr hohen Grades, aber es funktioniert, wenn man sich drauf einlässt.
Und der Rest? Ein Haufen trunksüchtiger Schandmäuler, denen das Leben der Genossen wenig und das aller anderen gar nichts wert ist. Kriegsverbrechen sind keine Ausnahme. Ein sonderbares Protagonistenpack ist es, das Frankenstein’s Army uns da vorsetzt. Und da man auch nicht davor zurückschreckt, den eigenen Kameraden bei nächstbester Gelegenheit schamlos in den Rücken zu fallen, fällt eine Identifikation nicht leicht. Aber so ist der Krieg nun mal, möchte uns der Film der Niederländer uns wohl sagen. Vor allem in Russland. Liebgewinnen sollte man eh niemanden der Herrschaften, denn die Soldaten fallen den in den Schächten lauernden Wiedererweckten schneller zum Opfer als man ihre Namen auswendig kann. Und die wahren Hauptdarsteller sind auch gar nicht die nichtsahnenden Militärs oder Kameramann Dimitri, sondern die schaurigen Gestalten, deren Körper Waffe ist. Das Geld, das eigentlich für Schauspieler und Drehbuch ausgegeben wird, floss hier zur Gänze in Kreaturendesign und Maske. Was Frankenstein’s Army auszeichnet und zu dem Spaß macht, der der Film ist, ist die unglaubliche Liebe zum Detail. Über 30 Biester wurden erdacht und in Handarbeit zusammengeklebt, -geschraubt und -genäht. Und sämtlich sehen sie zu niederknien gut aus. Von der mordenden Tauchglocke und der Schnapp-Kopf-Ab-Falle auf den Schultern bis hin zum Propeller als Kopfersatz hat man nichts ausgelassen, um den Freund altmodischer Effekte selig zu stimmen. Und das mit enormem Erfolg: Die Kuriositätenschau scheint kein Ende zu nehmen, jedes neue Ungeheuer überrascht mit seiner einfallsreichen Aufmachung und jede kommende Idee ist noch ein wenig irrer und abgefahrener als die vorangegangene. Bis zum Kochtopf auf Beinen. Doch nicht nur hier, auch an allen anderen Stellen zeugt jede Einstellung von liebevoll entworfener Ausstattung. Es werden Räume durchquert, die man nur für wenige Sekunden zu Gesicht bekommt, an deren verschwenderischer Steampunk-Einrichtung man sich aber gar nicht sattsehen kann. Dabei nimmt sich der Film ernst genug, um oben erwähnte Intensität zu wahren, aber weißt auch immer, dass er eigentlich großen Unfug darstellt. Die Spitze dieses augenzwinkernden Eingeständnisses ist fraglos das herrlich dämliche Vorhaben des für die Misere verantwortlichen Doktors, den Konflikt zwischen Nazis und Kommunisten auf ewig beizulegen.
Im Großen und Ganzen spiegelt der Film auf seine eigene bizarre Weise ein wenig den Wahnsinn wider, der in einem fanatischen Dr. Frankenstein wüten könnte. Und das Ganze bezeichnenderweise in und unter einer Kirche. Welcher Ort könnte passender sein, um einem Menschen das Feld zu bieten, sich als Gott aufzuspielen?
Am Ende gibt es zur Abrundung noch eine fies-schöne Reminiszenz an Mary Shelleys Roman.

Fazit

Frankenstein’s Army wirkt wie ein schelmischer Abgesang auf das Zeitalter digitaler Effekte. Alles ist handgemacht und alles sieht superb aus. Wer sich damit arrangieren kann, dass nicht irgendwelche inneren Werte wie eine Story zählen, sondern das furiose Schaulaufen eines obskuren Monsterkabinetts des Filmes Herzstück darstellt, erlebt eine 84-minütige Geisterbahnfahrt, wie es sie schon lange nicht mehr gab. Inklusive einem von Sinnen seienden Doktor, Bloßstellung von Naziideologie und herzhaftem Splatter.

Pandorum

Dass Deutsche und Filmschaffung sich häufig wie Antipode verhalten, ist ein allgemeines Vorurteil, das in bestechender Regelmäßigkeit bestätigt wird. Zeichnet sich dann alle Jubeljahre doch mal ein talentierter Regisseur aus unseren Landen ab, vollzieht sich häufig der eilige Import nach Hollywood, wo der neue Hoffnungsträger ein bis zwei Enttäuschungen abliefert, um schließlich gebrochen zurückzukehren und in der Mittelmäßigkeit der deutschen TV-Landschaft umherzustreifen.
Christian Alvart ist da ein bisschen anders. Nach seinem erfolgreichen Thriller Antikörper zog es auch ihn über den großen Teich. Dort angekommen, lieferte er mit Fall 39 einen routinierten Horrorthriller mit sozialkritischem Beiklang ab. Sein nächster Plan: Ein ambitionierter, unkonventioneller Sci-Fi-Thriller mit frischen Ansätzen und einer glaubwürdigen Geschichte. Now Where sollte der Titel lauten.
Paul W. S. Anderson, Mastermind hinter u.a. der Resident Evil-Reihe, wurde auf den jungen Deutschen aufmerksam und ließ ihm das Drehbuch von Travis Milloy zukommen, das Alvarts Idee recht nahe kommen sollte.
Das Ergebnis ist Pandorum. Weniger Komplexität, mehr Tempo und immer noch „no where“.

Story

Payton und Bower erwachen nacheinander aus einem langen Schlaf. Sie befinden sich auf dem gewaltigen Raumschiff Elysium. Eine bekannte Nebenwirkung des Reiseschlummers ist, dass die Erinnerung anfangs noch unzuverlässig und lückenhaft arbeitet. Einer Sache sind die beiden sich aber absolut gewiss: Aufwachen sollten sie, wenn ihre Schicht beginnt. Doch da ist keine Crew, die auf Ablösung wartet. Die Elysium scheint nahezu ohne Energieversorgung, von der Besatzung, die für Verwaltung und Kontrolle zuständig sein sollte, fehlt jede Spur. Es ist finster und selbst die rudimentärsten Funktionen an Bord verweigern ihre Funktion.
Bower versucht, durch die Lüftungsschächte in weitere Schiffsbereiche vorzudringen. Durch einen Unfall wird der Rückweg zu seinem Leidensgenossen aber unmöglich.
Payton, der nun absolut isoliert ist, versucht zwanghaft sich irgendwie nützlich zu machen, während Bower immer weiter in die Innereien des Raumschiffes vordringt. Auf seiner Suche nach Rettung, Erinnerung und Antworten trifft er alsbald triff auf andere Wesen. Doch die wenigsten davon sind menschlich, sondern albtraumhafte Kreaturen, mit erstaunlicher Stärke und prometheischem Heißhunger.

Kritik

Wenn sich die erste imposante Kamerafahrt nah an der Elysium ihrem Ende neigt, dürfte eines bereits weitestgehend klar sein. Ganz egal, was da noch kommt, visuell lässt sich Pandorum nicht lumpen. Und dieser Verdacht soll Bestätigung finden.
Hierbei setzt der Sci-Fi-Schocker jedoch nicht auf Pomp und monumentale Inszenierung, sondern orientiert sich an den klassischen Weltraumgruslern, kreiert die Bedrohung aus der Unwissenheit und der Furcht, entdeckt zu werden, heraus. Einige Stellen wecken tatsächlich wohlige Erinnerungen an die ersten drei Alien-Filme, ohne dabei unverschämt abgeguckt zu wirken.
Das Spiel mit Licht und Schatten ist hier ein besonderes Markenzeichen. Das Schiff, das von periodischen Energieschwankungen abgesehen, lange Zeit gänzlich ohne Strom auskommen muss, präsentiert sich als beengender Irrgarten in tiefster Finsternis. Schwere Schatten spannen sich über Szenerie und Charaktere, die spärliche schummrige Beleuchtung und die hektischen Kegel von Taschenlampen oder seltenen statischen Lichtquellen wirken in ihrer flackernden Aggressivität in hohem Grade beunruhigend. Zusammen mit der intensiven Soundkulisse und dem abgründigen Grummeln, das aus den unbekannten Tiefen des Raumschiffs empor quillt, serviert Pandorum auf atmosphärischer Eben äußerst delikate Kost. Der Horror wird in guter Dosierung eingesetzt und vollzieht sich in ausgeglichenem Verhältnis auf physischer wie psychischer Ebene, wobei auch so manche derbe Gewalttätigkeit nicht gescheut wird.
Selbst in Verschnaufpausen ist das Grauen unterschwellig anwesend und verhindert ein Abfallen der Anspannung.
Sparsam werden Analepsen eingestreut, wenn die Erinnerung an vergangene Erdenzeit gleich Flashbacks auf Bower einstürzt. In ihrem grellen Klinikweiß sind die Rückbesinnungen auf eine verklärte Vergangenheit enorm kontrastgebend und bauen so zwei semantische Räume auf. Nicht, wie man denken könnte, Vergangenheit und Gegenwart, sondern Traumwelt und Realität.
Die strikt eingehaltene interne Fokalisierung sorgt dafür, dass der Zuschauer sich die totale Ahnungs- und Orientierungslosigkeit mit den Figuren teilt. Immer wieder kommen Zweifel auf, ob denn das, was den Protagonisten widerfährt, sich tatsächlich abspielt oder ob es sich vielleicht nicht doch um die Kopfgeburt eines Paranoiden handelt.
Das so übermittelte Leid verfehlt seine Wirkung nicht und schichtet nach und nach eine bedrückende Stimmung der Hilflosigkeit auf. Doch die permanente Ungewissheit kann auch schnell ins Anstrengende kippen, wenn man auch lange nach dem Start noch nach ersten wirklichen Anhaltspunkten tastet, während das Wesentliche weiterhin tief im Dunkeln verborgen liegt.

Das Dekret, den Schwerpunkt von Pandorum auf die dichte Atmosphäre zu legen, fordert also auch Opfer. Kleine Abnutzungserscheinungen lassen sich gerade im Mittelteil nicht abstreiten, weil die Geschichte bei stetig hoher Spannung leider etwas auf der Strecke bleibt. Das ist kein Beinbruch, weil Alvart es dann doch immer wieder versteht, dem Zuschauer im letzten Augenblick ein paar leckere Informationsbrocken vor die Füße zu werfen. Es verbaut dem Film aber die Möglichkeit, auch inhaltlich zu beeindrucken. Denn das Grundkonzept erfindet das Genre ganz sicher nicht neu, hat aber ein paar interessante Ansätze, deren Ausbau mit Sicherheit lohnenswert gewesen wäre.
Ben Foster in der Rolle des Bower ist das Entsetzen permanent ins Gesicht geschrieben. Der Schauspieler weiß die langwährende Unkenntnis seiner Figur zu handhaben und überzeugt insbesondere in den hektischen Szenen. Auch der Rest macht seine Sache gut, ohne weiter aufzufallen. Dennis Quaids Rolle fällt deutlich kleiner aus, als Poster und DVD-Cover vermitteln wollen, und droht im ersten Drittel sogar kurz in Vergessenheit zu geraten. Mit späterer Bedeutungszunahme löst ein überzeugendes Spiel den anfänglichen Autopiloten des Schauspielveteranen ab.

Fazit

Pandorum überzeugt vor allem mit dem meisterhaftem Einsatz atmosphärischer Mittel. Die düstere Stimmung erinnert an große Klassiker, während sich Action und Monsterdesign eher nach neueren Werken der Marke 30 Days of Night und Vampire Nation richten.
Auch wenn Pandorum in Sachen Story unterm Strich von seinen eigenen Möglichkeiten abgehängt wird, lohnt sich der Film für jeden, der ein Faible für atmosphärisch dichte Science-Fiction mit deutlichem Hang zum Horrorfilm hat.