Vergessene Welt: Jurassic Park

Vier Jahre nach dem phänomenalen Erfolg, den Steven Spielberg mit der Verfilmung von Michael Crichtons Bestseller erschuf, stand naturgemäß die Fortsetzung ins Haus. Wieder führte Spielberg Regie, wieder schrieb Koepp das Drehbuch.
Trotzdem bleibt das Sequel deutlich hinter dem Erstling Jurassic Park zurück.

The Scientist on TV? I believed you.

Story

Vier Jahre ist es her, dass die Geschehnisse im ungeöffneten Jurassic Park eskalierten, alle Beteiligten nur knapp mit dem Leben davonkamen und der Schöpfer des Ganzen, John Hammond, sich eines Besseren belehren ließ.
Als eben jener gegenüber Dr. Ian Malcolm eröffnet, dass die Tiere gar nicht auf Isla Nublar, sondern auf einer anderen Insel gezüchtet wurden und seitdem unbeaufsichtigt dort leben, fällt dieser natürlich aus allen Wolken.
Da seine Freundin Dr. Sarah Harding sich aber dort aufhält, lässt er sich zähneknirschend dazu überreden, eine Expedition zur verlassenen Brutstätte anzuleiten.

Kritik

Erst einmal gilt es, die abstruse Ausgangssituation über eine bisher noch nicht erwähnte zweite Insel zu schlucken, welche vor einer ausführlichen Dokumentation durch Fachmänner von der Öffentlichkeit ihr Recht nicht zugestanden bekäme, in Ruhe gelassen zu werden. Die Ausgangssituation von Vergessene Welt: Jurassic Park ist alles andere als mühevoll erdacht, sondern ein sehr schludriger und fadenscheiniger Grund, das Abenteuer aus Teil 1 noch einmal zu wiederholen. Nur dass von dem ursprünglichen Team nur noch der zynische Chaostheoretiker Dr. Ian Malcolm mit dabei ist, dem dafür aber die durchsetzungskräftige Freundin Sarah, gespielt von der immer gern gesehenen Julianne Moore, zur Seite gestellt wird. Von der Geschichte wird Malcolm zwar etwas demontiert, da man ihm einiges künstlich andichtete, was man im ersten Teil eigentlich schon hätte erfahren müssen, seine trockenen Sprüche und die Spur von Unternehmungslust wurden aber unbeschadet auch in das zweite Abenteuer importiert.
Im Großen und Ganzen ist das Sequel zu Jurassic Park exakt das, was jeder erwartet hat. Dasselbe in Grün, was nicht ganz so toll und naturgemäß nicht mehr überraschend, aber immer noch recht unterhaltsam ist. Bereits die Exposition verrät dies – man lässt sich immer noch Zeit, all das zu etablieren, ist aber nicht ganz so geduldig, sondern lässt es schon dann zur Sache gehen, wo der Vorgänger mit seiner Einleitung gerade einmal zur Hälfte durch war. Zum Teil liegt das natürlich auch am banalen Fakt, dass der ganze Zauber mit und um die Dinowelt natürlich kein zweites Mal in dieser Größe aufgezogen werden kann.

Leider ist die Geschichte, wie anfangs schon angedeutet, noch etwas dümmer konstruiert als die des Vorgängers. Die Idee, besessene Großwildjäger einzubauen, die mi Jeep und Cross-Bike ihre Testosteronausgleiche vornehmen, ist ein mehr als dünner Vorwand, um auf Zwang noch mehr Kritik am dummen, uneinsichtigen Menschen zu üben. Diese ganze Truppe an machohaften Rüpeln besteht nur aus einseitigen, völlig uninteressanten Figuren. Anders als im ersten Teil geht es nun einfach um zwei relativ homogene Gruppen, die sich stark voneinander unterscheiden. Die einzelnen Mitglieder sind dafür aber sehr viel gesichtsloser. Der Unterschied zum ersten Teil ist, dass die Figuren unbeabsichtigt unsympathisch geraten sind und dass das Ganze keine launige Tour durch einen Vergnügungspark mehr ist, sondern eine weit weniger klare Geschichte, deren einzelne Etappen keine richtigen Abenteuer, sondern meist nur mäßig interessante Ereignisse darstellen, denen einfach die Dramatik fehlt.
Die Schar der vergnügungssüchtigen Schmierfinke schon deshalb zur Farce, weil sie trotz allem ständig unbewaffnet scheint und man sich andauernd unkoordiniert auf der Flucht befindet. Was da auf die Insel gebracht wurde, daran lässt der Film nie zweifeln, ist nichts anderes als Beute, die der Schaulust des Zuschauers geopfert werden soll.

Eine der intensivsten Szenen ist natürlich die, in der das T-Rex-Junge verarztet wird und der Zuschauer jede Sekunde damit rechnet, dass das fuchsteufelswilde Muttertier anstürmt. Hier erinnert Vergessene Welt: Jurassic Park an den ersten Teil mit seinen vorbildlich gestaffelten Actionsequenzen, die gleich mehrere Höhe- und Wendepunkte besitzen und zwischendurch mit einer unaufdringlichen Kamerafahrt oder Intensität fördernden Close-Ups am Leben gehalten werden. Auch wenn hier einiges zum bloßen Zweck der Szenenverlängerung passiert, sind die Ideen und Steigerungsmomente einfach zu gut gesetzt, zudem auch semiotisch immer darauf geachtet wird, die Brenzlichkeit der Lage auf allen Ebenen deutlich zu machen.
Direkt im Anschluss beweist das Großwildjägerkollektiv aber wieder einmal, wie dumm und kurzsichtig es ist, weshalb der Film an diesem Punkt schon wieder nicht so richtig ernst zu nehmen ist.
Gerade weil der Wald nun viel organischer wirkt und die Welt damit viel mehr Tiefe hat, wird durch so nachlässige Figurenzeichnung der Marke „Sie sind böse, also machen wir sie dumm“ einiges an Potenzial verschenkt. Ein Drehbuch, das sich dafür entscheidet, seine Figuren teilweise als völlig unzurechnungsfähig dastehen zu lassen, kann auch mit schönen Effekten und einer mehr als ordentlichen Inszenierung keinen durch und durch intensiven Film ergeben.
Und so verhält es sich über die volle Spieldauer. Die Action ist manchmal okay, manchmal Hollywood im allerbesten Sinne, doch die figurenzentrierten Momente zwischen diesen Szenen sind ab dem Zeitpunkt, wenn die Jägertruppe die Bühne betritt, nicht mehr zu gebrauchen.
Eine Sünde ist es zudem, dass der Film nicht aufhört, wenn er seine Geschichte zu Ende erzählt hat. Nach klassischen 90 Minuten sind die Geschäfte auf der Insel erledigt und Vergessene Welt: Jurassic Park könnte genauso zackig enden wie der erste Teil. Doch weil man mehr bieten wollte als nur einen zweiten Aufguss, geht es in den letzten Minuten noch mal runter von der Insel, wo ein bizarrer Logikfehler (bzw. eine herausgeschnittene Szene, deren Fehlen absurde Konsequenzen hat) und eine King-Kong-Hommage kurz in der Zivilisation wüten, um die Tricktechnik noch mal so richtig die Muskeln spielen zu lassen. Das Spektakel wirkt mehr wie ein geraffter dritter Teil und ist in seinem Bemühen, ja auch noch mal zu verdeutlichen, wie viel des Menschen Hochmut ihn kosten wird, schwerlich zu genießen.

Was bleibt ist die Action und ein kerniger Protagonist. Von beidem gibt es glücklicherweise mehr als genug, sodass die Fehler nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.
Dass Jeff Goldblum so oft alarmiert in die an ihn heranfahrende Kamera schaut, wie zusammengenommen in seiner ganzen sonstigen Karriere nicht, ist übrigens ein bisschen amüsant, aber gar nicht groß störend. Spielberg ist sich seiner Regie dafür einfach zu sicher, sodass er mit derlei Dreistigkeiten tatsächlich einfach durchkommt.

Fazit

Vergessene Welt: Jurassic Park hätte –gerade in der Rückschau – viel besser sein können. Das ebenfalls von David Koepp geschriebene Drehbuch wirkt an vielen Momenten aber etwas uninspiriert und ärgert mit seinen vielen beschränkten Figuren.
Im ersten Drittel und in manchen actionhaltigen Einlagen schimmert aber der Geist des Vorgängers hervor. Zudem ist es eine Freude, dass der mürrische Ian Malcom nun den Raum hat, den man ihm im ersten Teil insgeheim gewünscht hat.
Einige recht blutige Szenen machen das Sequel übrigens zu einem Film, der nicht mehr so familientauglich ist, wie sein Vorgänger. Sehenswert ist der Film trotzdem; etwas, das man von seinem Nachfolger Jurassic Park III nicht mehr so uneingeschränkt behaupten konnte.

The Zero Theorem

Es hat lange gedauert, bis The Zero Theorem seinen Weg in die hiesigen Kinos geschafft hat. Trotz unerschöpflichen Monty-Python-Kredits und unsterblicher Filme wie Brazil, 12 Monkeys und König der Fischer wurde Terry Gilliam von der Filmindustrie immer als Problemkind behandelt. Die monumentale Länge monumentaler Filmideen, die es wegen fehlender Investoren nie zur Realisierung gebracht haben, spricht eine ebenso deutliche Sprache wie die fehlende Aufmerksamkeit, die zum Beispiel Tideland zukam.
Dass The Zero Theorem alles andere als breit gestartet wurde und keineswegs nur Lob erfährt, ist somit alles andere als erstaunlich.

No. You’ve got it backwards, Qohen. Everything adds up to nothing, that’s the point.

Story

Qohen Leth ist ein von Phobien getränkter Paranoiker, der mit weit mehr als nur der Tatsache, dass niemand seinen Namen anerkennt, Probleme hat. In einer abgedrehten Zukunftswelt, wo jeder nur Werkzeug ist, das seinen Zweck nicht kennt, dient auch er dem gesichtslosen Management, um als Computergenie tagein, tagaus dieselbe Tätigkeit im Büro auszuführen. Doch Qohen will viel lieber in seiner zur Wohnung umfunktionierten Kirche bleiben und von dort aus arbeiten. Nicht nur, weil er dort doppelt so effizient wäre, sondern vor allem, weil er seit vielen Jahren schon auf den einen Telefonanruf wartet, durch den er den Sinn seiner Existenz erfährt.

Kritik

Und da ist er nun, der neue Gilliam, sich selbst ankündigend als eine Art Best-Of seiner allergrößten Werke – allem voran Brazil, dem sich der Film auch unverhohlen annähert. The Zero Theorem spielt in demselben kurios-futuristischen Universum, das so aussieht, wie man sich in den 80ern die Zukunft vorstellte. Grelle Mäntel, unpraktische Regenschirme, modifizierte 80er-Jahre-Frisuren, analoge Telefone und Computertürme, die den Spielekonsolen der frühen 90ern verdächtig ähnlich sind. Die Welt wirkt wie die Alptraumversion eines Straßenteppichs in einem Kinderzimmer, der eine Plastikspielzeugwelt abzubilden versucht. Also die Art von Dystopie, die eigentlich gar kein Versuch ist, tatsächlich in die Zukunft zu schauen, sondern die einfach nur Bestehendes hochrechnet und mit grell gefärbten Ängsten aufrührt. Die Art, an der viele Regisseure grandios scheitern – doch nicht Gilliam.
In dieser Welt der konsequenten Übertreibung agiert jeder, vor allen anderen aber Christoph Waltz, mit konsequentem Overacting und auch der Rest übt sich in allem, nur nicht in Zurückhaltung. The Zero Theorem ist ein kunterbuntes, atemloses Drunter und Drüber, in dem eine kauzige Idee die nächste jagt. Diese Ideen funktionieren beileibe nicht alle, ergeben aber trotzdem ein erstaunlich rundes und fast schon hypnotisches Gesamtbild. Die Rasanz, mit der sich Geschehnisse aneinanderreihen, ist ein Grund dafür. Ein anderer ist, dass man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, dass die vermeintlich weniger gelungenen Elemente ganz bewusst in ihrer Mängelhaftigkeit präsentiert werden, weil sich der Film selbst über sie lustig macht. Auch dies ist eine Gratwanderung, die kaum ein anderer Regisseur mit so viel Fingerspitzengefühl beherrscht, wie Terry Gilliam. Alles ist so flirrend, krustig und überdreht, dass ein unangenehmer Sog entsteht. Die Welt entwickelt rasch eine schaurige Eigenlogik, ist als eigenständiges Universum so manisch überdreht wie ihr Protagonist, die Musik und die Kamera, sodass man sich manchmal unweigerlich die Frage stellt, in welchem Grade der Film sich überhaupt selbst ernstnimmt.
Dass es sich hier um ein Werk von Terry Gilliam handelt – an dieser Stelle Verzeihung für die Wiederholung, die der Autor an dieser Stelle einfach nicht zu umschiffen weiß – merkt man aber vor allem daran, dass der ganze Unsinn nicht bedeutungs- wie wirkungslos in sich zusammenfällt und in seiner kompositorischen Summe nicht nur sehr viel Sinn ergibt, sondern auch noch unerhört gut unterhält und ganz nebenbei eine Vielzahl interessanter Themenfelder streift und einen alles andere als leeren Kommentar dazu formuliert.

Fazit

Terry Gilliams neuer Film wirkt wie ein großes Selbstzitat, ist aber eigentlich ein weiterer, längst überfälliger Beitrag in einer Disziplin, die keiner so sehr beherrscht, wie der Monty-Python-Veteran. The Zero Theorem ist ein so ungebundenes wie unangepasstes Kinoerlebnis, das in seiner mysteriösen Eigenartigkeit funktioniert, obwohl die einzelnen Bestandteile für sich genommen dies nicht erwarten lassen würden. Der Sci-Fi-Film generiert einen wunderlich-kuriosen, manchmal bewusst fast peinlich berührenden Strudel, der einen für die Dauer des Filmes in eine Welt zerrt, die fremdartig, übervoll und wundersam ist, wie selten eine.