The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro

Marc Webbs Spider-Man-Reboot von vor zwei Jahren war eine kleine Überraschung, machte der Film doch tatsächlich manches besser, was an der charmanten Sam Raimi-Interpretation zu beklagen war. Entsprechend positiv war die Resonanz und entsprechend rasch folgte Teil 2.

– Hi, is Peter home?
– No, he’s doing… whatever it is he does.

Story

Es kommt, wie es kommen muss: Als Held muss man früher oder marginal später Kompromisse eingehen. Vor allem als Held im Spinnenkostüm, denn feste Beziehungen und Superschurkenbezwingung am laufenden Band harmonierten noch nie in vollkommener Eintracht. Und so kommt es dass Peter Parker, immer noch von Schuldgefühlen wegen des Todes ihres Vaters geplagt, die Beziehung zu Gwen aufgibt, um sie nicht in Gefahr zu bringen.
Während er die Recherche wieder aufnimmt, zu erfahren, was einst seine Eltern dazu trieb, ihn als kleines Kind alleine zu lassen, und unterdessen den Konakt zu seinem alten Schulfreund Harry Osborn wieder aufnimmt, wird der verkannte Oscorp-Elektriker Max Dillon bei einem Unfall mit Zitteraalen zu Elektro und beginnt, seine maßlose Spider-Man-Obsession auf neuem Weg auszuleben.

Kritik

Man merkt es schon gleich zu Beginn. Die Schwächen des Vorgängers wurden nicht beseitigt, dessen Stärken sind aber teilweise neuen Schwächen gewichen. Der Spinnenmann in Aktion sieht i immer noch zu sehr nach Computerspielfigur aus. Während der sichtlich animierte Freundlichkeits-Krabbler durch die Häuserschluchten turnt, wirkt er nur allzu oft unnötig hektisch, dabei einfallslos und krampfhaft witzig und bemüht frech, ohne es je wirklich zu sein. Der Held des Filmes ist am Anfang ein arrogantes, aufdringliches, quirliges Stück Animationsarbeit, das sich mit konstruierten Problemen völlig überzeichneter Gangster auseinandersetzt. Vom geerdeten Gehversuch des Vorgängers ist plötzlich keine Spur mehr.

Zwar langweilt die Exposition nicht wirklich, doch ist sie in ihrer beliebig dahinplätschernden Art auch fernab von packend – oder einfach nur relevant. Und irgendwann beginnt man sich zu fragen, wann das Besondere des Filmes endlich zu greifen beginnt.
Es braucht keine Beinahe-Küsse mehr in Superheldenfilmen, die kurz vor ihrem Geschehen durch einen dramatischen Einwurf unterbrochen werden. Ebenso wenig braucht es auch keine immergleichen Superschurkengenesen mehr.
Dass es das nicht braucht, ist natürlich die eine Sache – mit der richtigen, lockeren Inszenierung machen aber auch diese Zutaten immer wieder Spaß. Doch The Amazing-Spiderman 2: Rise of Electro mäandert zu sehr vor sich hin. Zu sagen, er würde sich schleppen, würde dem Film Unrecht tun. All ist all das, was man da sieht, ist zwar gefällig, aber genaugenommen auch durchgehend sehr egal. Natürlich will man auch Drama bei einem Teenie-Helden, der auf Teenie-Empathie angelegt ist, doch wieso hält man sich nicht etwas risikofreudiger an einige der mutigeren Storylines der Comicvorlage? Wieso serviert man uns stattdessen die x-ten Variationen einer problematischen Liebe junger Erwachsener, tragischer Jugendfreundschaften und ihrer Entwicklungen sowie verschmähter, schmerzhaft unbeachteter und bescheidener kleiner Männer, die unverhofft zu großer Kraft und damit zu ebenso großen Rachebedürfnissen kommen?
Der Aufbau des unbeachteten Antagonisten findet dazu auch noch in selten plumper Weise statt. Da hilft es auch wenig, dass man – natürlich – bei der Inszenierung der Action um viel Rambazamba, Zeitlupe und Rockgitarren bemüht ist.
Es fällt schwer, zwischen Popsong-Herzschmerz und CGI-Gesupp noch etwas aufzuspüren, das sich noch neu, ehrlich und belangvoll ist.
Wirklich los geht es tatsächlich erst nach etwa 90 Minuten; eine Zeitspanne, die bei anderen Filmen das Ende berührt. Und selbst dann kriecht die Story nie über den Durchschnitt hinaus.

Der Humor ist teilweise so schlecht und kindisch und einige inszenatorische Entscheidungen (denn Begriffe wie Ideen oder Einfälle kann hier einfach nicht benutzen) so erschreckend dumm, dass man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren kann, der Film wäre nicht auch, sondern ausschließlich für 13-Jährige gemacht. Das mag prinzipiell ja nicht überraschend sein, ist dies dies ja auch die primäre Zielgruppe der Comichelden. Doch macht es einen gravierenden Unterschied, ob ein Regisseur sich konstruierter Blödel-Witze und völlig aufgebrauchter Standardstrukturen bedient, um sich die Unerfahrenheit junger Menschen zunutze zu machen, oder ob der Inszenator der Geschichte – sei es nun in Film- oder Comic-Form – selbst großer Fan ist und sie mit Herzblut erzählt. Jugendliche lachen auch über frische Witze und werden, wie jeder andere auch, von einer innovativen Erzählung, die sich selbst an den richtigen Stellen ernst und an den richtigen für nicht allzu voll nimmt, stärker mitgerissen als von einer Aneinanderreihung ramponierter Versatzstücke.

Fazit

Nimmt man es mal streng und genau, muss man leider sagen, dass The Amazing-Spiderman 2: Rise of Electro nur in sehr wenigen Momenten überhaupt richtig funktioniert. Zu inspirationsarm und standardisiert quält sich Peter Parker durch seine vorhersehbaren Gewissensleiden, zu ideenlos schwingt sich sein kostümierter Alter Ego durch die nicht Reihen der nicht ernst zunehmenden Antagonisten. Und dafür ist der Film einfach zu lang geraten.
Man kann nur hoffen, dass Marc Webb sich für den dritten Teil wieder die nötige Zeit nimmt, eine tatsächlich relevante Geschichte für Spider-Man zu erzählen. Die Pläne des Studios, die Reihe mit erhöhter Frequenz voranzutreiben, lassen aber nichts Gutes erwarten.

Star Trek Into Darkness

Schritt zwei in J. J. Abrams‘  alternativer Star Trek-Zeitlinie, die alles erlaubt und dennoch versucht, Bewährtem treu zu bleiben, wenigstens aber mit Verbeugung Ehre zu erweisen.
Der Vorgänger, schlicht und vielsagend einfach Star Trek genannt, wurde nach großer Anfangsskepsis bei alten wie neuen Fans fast einmündig mit Zustimmung aufgenommen.
Für das Sequel zu seinem für vier Oscars nominierten Überraschungserfolg stand LOST-Schöpfer Abrams vor dem Problem, das jeder Sequel-Regisseur hat: Wie an den Ersterfolg anknüpfen, ohne eine leere, lautere, größere Kopie des Vorgängers zu kreieren?

Enjoy these final moments of peace.

Story

Die letzte Routinemission der Enterprise verlief riskant, endete glimpflich und missachtete die Hälfte der Regeln im Sternenflotten-Kodex. Unter anderem die oberste Direktive: Nimm keinen Einfluss auf die Entwicklung fremder Kulturen.
Als Strafmaßnahme wird die Crew der Enterprise aufgelöst, Spock versetzt und Kirk zurück auf die Akademie geschickt. Ein Plan, der jedoch nicht umgesetzt werden kann, weil in diesem Moment ein mysteriöser Terrorist, der sich John Harrison nennt, einen Anschlag auf die empfindlichste Stelle der Föderation verübt und viele hochrangige Mitglieder ihr Leben geben müssen. Unter ihnen auch ein enger Vertrauter Kirks. Harrison setzt sich auf einen leeren Planeten im klingonischen Reich ab. Eine Verfolgung wird dadurch schwierig, denn ein Grenzübertritt würde Krieg zwischen Klingonen und Föderation provozieren.
Admiral Marcus beauftragt Kirk mit einer geheimen Mission. Er soll mit vertrauter Crew und Enterprise zum Rand des klingonischen Territoriums durchdringen und von dort aus spezielle, nicht ortbare Torpedos auf den Planeten abfeuern.
Doch der Crew kommen Zweifel an der Richtigkeit der Operation. Sie beschreiten einen Weg, der sie direkt zum charismatischen Terroristen führt, hinter dem sich weit mehr verbirgt als anfangs vermutet.

Kritik

Spektakel. Röhrende Monster, brodelnde Vulkane, Ein Raumschiff im Ozean, auf der Suche nach Mr. Spock und eine Hatz durch Rot. Star Trek Into Darkness beginnt als steiles Tohuwabohu, ganz wie erwartet und noch ein bisschen mehr. Capt. James Tiberius „Jim“ Kirks Ruf als James Dean des 23. Jahrhunderts wird im Vorbeigehen gefestigt, es gibt Sex mit zwei Kzintis und am Rande wird auch der Bösewicht der Stunde eingeführt. Leute und Waffen werden gefeuert, es kracht, fliegt, schleudert, explodiert – und dann ist es erst einmal ruhig.
Der Crew, die im Vorgänger noch mühsam zusammengeführt und –geschweißt wurde, droht bereits die Zerspliterung, die Föderation ist ratlos und der Feind nicht nur übermächtig, sondern auch so undurchschaubar wie unsichtbar.

Uhura, Scotty, Pille, Chekov, Sulu und Konsorten werden zum Glück nicht abermals eingeführt, sondern bauen auf dem auf, was durch Teil 1 bekannt ist. Sie erfahren sämtlich eine respektvolle Weiterentwicklung und niemand wirkt überflüssig. Nur die Krise zwischen Spock und seiner Liebsten wirkt ein wenig aufgesetzt, da sie im Gesamtverlauf keinen Sinn hat. Ähnlich verhält es sich mit der tiefer werdenden Kluft, die zwischen dem rationalen Halbvulkanier und dem egozentrischen Kapitän mit Hang zu Kurzschlussreaktionen klafft. Die Thematisierung dessen ist wichtig, doch die Art und Weise wirkt zu aufgesetzt und losgelöst vom Rest der Geschichte. Das ist gerade deshalb bedauernswert, weil die Charakterarbeit des Science-Fiction-Filmes ansonsten durch perfekte Ausgewogenheit besticht.
Über viele Finten und falsche Fährten, die schon in den ersten Trailer sorgfältig ausgelegt wurden, stürmt der Film durch seine Geschichte. Das Bemerkenswerteste: Es ist gar nicht so wichtig, dass diese ich im Weltall abspielt, denn der eigentliche Konfliktort sind die Figuren. War es in Star Trek von 2009 noch relevant, dass von A nach B geflogen wurde, ist die Reise in die unendlichen Weiten hier eine rein charakterliche, während das Schiff im Hauptteil ohne wirkliches  Ziel im All herum mäandert. Das ist interessant und löst das Fortsetzungsproblem: Star Trek Into Darkness ist noch dasselbe wie in Teil 1, geht aber eine ganz andere Richtung. Eine gute Idee, die ebenso gut funktioniert.
In Sachen Witz hat man sogar ein wenig neukalibriert. Die Späßchen tauchen etwas seltener auf, dafür werden sie bei Stasttfinden aber auch groß zelebriert. Das ist manchmal zu viel des Guten und einige Pointen enden auch im Leeren, doch meist stimmen Timing und Idee. Etwas schade ist nur, dass ausgerechnet der traditionell trockene Pille ein paar wirklich platte Sprüche aufsagen muss.
Die Balance zwischen Ernst und Beschwingtheit ist dafür optimiert worden. War Teil 1 an einigen Stellen noch zu schwerelos, ist die Bedrohung nun präsenter. Am Ende wird der Witz sogar beinahe gänzlich rausgenommen. Die gestiegene Ernsthaftigkeit ist natürlich auch dem Schurken zu verdanken. Schließlich besagt eine alte Faustregel ja, dass ein Film nur so gut sein kann wie sein Antagonist. Und Benedict Cumberbatch gibt einen wirklich famosen Erzbösewicht, dessen doppelbödiges Gehabe gleichermaßen unter Protagonisten wie Zuschauern Verwirrung stiftet. Gefallen lassen muss sich die Figur aber, dass ausgerechnet ihre initiierende Handlung im Film kein Motiv hat, das sie wirklich rechtfertigt. Trotzdem ist der Gegenspieler hier mit großem Abstand besser als Eric Banas Nero aus Star Trek XI, der zwar viele Möglichkeiten andeutete, davon aber keine gebrauchte.

Stören könnte man sich daran, dass der Film in unverkennbarer Traumfabrik-Manier die Action-Einlagen mit einer Regelmäßigkeit geschehen lässt, nach der sich die Uhr stellen ließe. Doch ändert das nichts daran, dass auf diese zutrifft, was sich auch über die Geschichte und eigentlich den Film als Ganzes mit Bestimmtheit sagen lässt: Es macht ungeheuren Spaß, das zu verfolgen. Besonders die Geschichte ist vorbildlich erzählt und wirft tatsächlich immer wieder aufs Neue die Frage auf, wohin das Ganze wohl führen wird. Zwar liegt das daran, dass Abrams tut, was er am besten kann, und einfach wichtige Informationen bis zum Schluss vorenthält, sodass etwas eigentlich gar nicht so Interessantes den Schein des Geheimnisvollen erhält, aber auch hier muss anerkennend zugestanden werden, dass der Plan des Filmes voll aufgeht. Nur wird Star Trek Into Darkness bei weiteren Sichtungen wohl oder übel schneller mit Abnutzungserscheinungen zu kämpfen haben, als noch sein Vorgänger. Die hervorragende Technik und die sympathische Chemie zwischen den Figuren werden aber auch dann noch ungebrochen Spaß bereiten, der bis zum großangelegten, mehrstufigen Finale anhält.

Fazit

Star Trek ist vielleicht der bessere Film, aber Star Trek Into Darkness die perfekte Fortsetzung. Eine gute Balance aller Elemente lässt die über 2 Stunden im Fluge vergehen.
Dass der zweite Teil unter Umständen nicht mehr ganz so frisch und fruchtig wirkt, liegt einfach am fehlenden Überraschungseffekt. Dieses Mal waren die Erwartungen enorm, bei Teil eins noch gediegen. Aber dieser Fehler ist nicht am Film zu suchen. Dass Abrams einen anderen Weg mit gleicher Stärke für seine Fortsetzung gewählt hat, stellt sich als perfekte Entscheidung heraus.

Star Trek

Schwierig ist es mit Reboots. Bewertet man sie unabhängig oder misst man sie am Ursprungswerk? Lässt man die eigene Meinung über die Notwendigkeit eines Neustarts mit in die Wertung einfließen? Wie befangen ist man, wenn man dem Original nahesteht?
Bei Star Trek ist es sogar noch ein Stück komplizierter. Nicht nur, weil es sich bei Star Trek um Star Trek handelt, sondern auch, weil dieser Serienneustart eigentlich gar kein reinrassiger ist. Um der modernen Version von J. J. Abrams gerecht zu werden, versuchen wir Star Trek nicht zwanghaft durch Geordi La Forges VISOR zu betrachten, unsere Kindheit mit Kirk außen vor zu lassen und den Film somit nicht mit den Erwartungen verschiedener Generationen zu belasten. Das Schöne am neusten Abenteuer der Enterprise ist aber, dass es auch ohne diese Sonderbehandlung bestens unterhält.


Tiberius? Are you kidding me?

Story

Im Jahre 2233 wird die USS Kelvin vom romulanischen Raumschiff Narada unter der Führung des verbissenen wie verbitterten Nero attackiert. Das Föderationsschiff ist chancenlos. Die Kelvin vergeht in einer unausweichlichen Explosion und mit ihr der 12 Minuten zuvor zum Captain beförderte George Kirk.
Seine in den Wehen liegende Angetraute kann in letzter Sekunde entkommen und bringt inmitten des Tumults ihren Sohn James Tiberius Kirk zur Welt.
Wenige Filmsekunden später ist dieser ein paar Jahre älter und eine Art junger James Dean der Zukunft. Trotz anfänglicher Weigerung lässt sich Kirk nach einer klassischen Barrangelei überzeugen, die Sternenflottenakademie aufzusuchen, um die Fußstapfen seines Vaters zu füllen.
Derweil hat ein jugendlicher Spock auf Vulkan mit seiner menschlichen Abstammung mütterlicherseits zu kämpfen. Auch er wird Mitglied der Akademie und findet im Querdenker Kirk schnell einen Gegenspieler.
Die Rivalität kann auch dann nicht beiseitegelegt werden, als Nero und sein Schiff plötzlich auftauchen und Spocks Heimatplaneten bedrohen.

Kritik

2009 war es tatsächlich so weit. Trotz inhaltlichen Scheiterns von Star Trek: Der Aufstand und teilweise auch Star Trek: Nemesis, trotz finanziellen Scheiterns der sehenswerten und ignorierten Serie Star Trek: Enterprise und trotz eines zwischenzeitlich klammheimlich von Paramount Pictures eingestellten neuen Filmes schaffte es endlich ein neuer Star Trek-Ableger in die Kinos. Fast schon anmaßend der Titel, der schlicht nur Star Trek lautet, und dann auch noch von J. J. Abrams inszeniert.
Doch der Science-Fiction-Film hielt, was die Trailer versprachen und bietet sogar noch etwas mehr, als man zu hoffen wagte. Tatsächlich ist es dem LOST-Schöpfer gelungen, die 43 Jahre alte Serie in ihrem elften Kinoabenteuer frisch, jung und unverbraucht wirken zu lassen.

Der Prolog ist eine spektakuläre Schlacht, führt am Rande aber alle wichtigen Figuren ein. Dass nebenbei noch eine Geburt stattfindet, ist zwar etwas zu hoch aufgetürmte Dramatik, wird von Abrams aber tadellos in Form gegossen.
Die Schauspieler wurden allesamt hervorragend gewählt und sehen ihren Vorbildern – natürlich in jüngerer Form – verblüffend ähnlich. Auch machen sie ihre Job durchweg gut, wobei insbesondere den Hauptdarstellern Chris Pine und Zachary Quinto zu danken ist. Die beiden haben genug Merkmale vom Spiel ihrer Vorgänger übernommen, bewahren aber ausreichend eigene Persönlichkeit, um den Streithähnen Spock und Kirk gerade in gemeinsamen Szenen eine gut funktionierende und fast schon magisch vertraut wirkende Dynamik zu verleihen. Einzig das Heben der Augenbraue wirkt nicht annähernd so wunderbar wie bei Leonard Nimoy.
Im zweiten Prolog, der Kirks Jugend inklusive Nokia Product-Placement im Schnelldurchlauf erzählt, ist der halsstarrige Halbwaise etwas zu cool und lässig. Dies setzt sich in leicht gedrosselter Form auch auf der Akademie fort. Das ist in jeder Sekunde unterhaltsam, aber auch gewöhnungsbedürftig, wenn man das originäre Bild von Kirk verinnerlicht hat. Außerdem darf er im Laufe des Filmes gleich dreimal an einem Abgrund baumeln.
Die auffälligste Uminterpretation hat mit Sicherheit Spock erfahren, dessen Verhalten in den jungen Jahren deutlich weniger stark von Rationalität gelenkt wird. Dadurch wirkt er innerlich noch etwas zerrissener, trotzdem reagiert der Vulkanier in manchen Szenen ein wenig zu impulsiv. Der alte Spock wird zwar nie entehrt, ist manchmal aber nur schwer wiederzuerkennen. Der Höhepunkt dieser Veränderung ist sicherlich die radikale Verbannung von Kirk in einer Notsituation. Diese Aktion wäre selbst für einen volltrunkenen Chewbacca in höchstem Maße unlogisch.
Die Romulaner bleiben neben der ausführlichen Einführung der Enterprise-Besatzung leider etwas blass. Dass sie nicht zur Nebensache verkommen liegt an den außergewöhnlichen Motiven des Antagonisten und der würdevollen Wut, mit der Eric Bana den kriegerischen Romulaner darstellt. Eben diese spannenden Akzente sind es, die die Vernachlässigung der Aggressoren bedauerlich machen, was umso tragischer ist, da Nero dem legendären Khan aus Star Trek II: Der Zorn des Khan manchmal einfach zu ähnlich ist.

Dass einzelne Figuren jahrzehntealten Erwartungen nicht immer gerecht werden können, ändert aber nichts daran, dass die Chemie innerhalb des Ensembles sehr stimmig ist. Jeder hat seine großen und kleinen Momente, die in Erinnerung bleiben, die Dialoge sind voll von unbefangenem Witz (der einzig bei Simon Peggs Scotty manchmal zu sehr ins Alberne kippt) und der Respekt vor Gene Roddenberrys Originalwerk ist in jeder Minute deutlich spürbar. Das ist umso achtbarer, wenn man bedenkt, dass J. J. Abrams vor dieser Auftragsarbeit mit der Materie kaum vertraut gewesen ist.
Star Trek hat sich, wenn man so etwas schreiben darf, ein wenig mehr Richtung Star Wars bewegt. Ein Eindruck, den ein Abstecher auf einen gewissen Eisplaneten untermauert. Die Umorientierung zeigt sich auch daran, dass die USS Enterprise weniger Hauptfigur und sicherer Hafen denn je ist und kaum eigene Persönlichkeit besitzt. Das ist schade ein wenig Heimatgefühl und Verbundenheit mit dem Schiff hätte dem Charakter des Filmes gut getan und außerdem ein angenehmes Gleichgewicht zur sehr eiligen Inszenierung abgegeben.
Trotzdem: Star Trek wollte immer ein spannendes Abenteuer sein, das geheimnisumwitterte Weltall  mit seinen fantastischen Phänomenen mit größtmöglichem Zauber simulieren und den Zuschauer tief in fremde Welten ziehen. Dieser Devise bleibt auch J. J. Abrams Interpretation treu. Vom belehrend humanistischen Ton der Ursprungsserie ist erwartungsgemäß nicht mehr viel übrig. Andererseits ist fraglich, ob zu moralisierende Filme heutzutage überhaupt noch gewollt werden.

Der oben kurz angesprochene Eisplanet ist es aber auch, der die Toleranz selbst des größten Trekkies überstrapaziert, weil dort innerhalb zu kurzer Zeit einfach zu viele Zufälle aufeinandertreffen. Dass Person A in dieser gottverlassenen Gegend zufällig da eintrudelt, wo Person B in einer Höhle lebt, damit beide ein paar Meter weiter Person C treffen können, ist selbst dann ziemliche Drehbuchschummelei, wenn man die ganze Kiste Schicksal nennen möchte. Auch ansonsten ist die Geschichte nicht ganz frei von Merkwürdigkeiten, dafür aber interessant und im Großen gut durchdacht, sodass sie nicht mit dem bisherigen Kanon kollidiert, ihm aber trotzdem in gewissem Maße Tribut zollt.
Technisch ist Star Trek ein absoluter Leckerbissen. Das All ist farbenprächtig und die unterschiedlichen Planeten, die allesamt nur kurz bereist werden, abwechslungsreich. Das Schiffsdesgin der Enterprise wurde vorsichtig modernisiert und wirkt etwas zeitgemäßer. Die stets charmante, aber auch sterile Badezimmeroptik ist etwas in den Hintergrund gerückt und einem Gesamtbild gewichen, das organischer und glaubwürdiger wirkt. Außerdem ist der Ton des Filmes hervorragend abgemischt, sehr satt und gespickt mit Details.
Eine kleine und sehr subjektive Detailklage am Rande: Die neuen verwirbelten Beam-Effekte sind nicht so stilvoll wie das charmante Auflösen in glitzernden Partikelstaub.

Fazit

Alte Zutaten in ganz neuem Glas. Star Trek im Jahre 2009 ist laut, lässig, bisweilen hektisch, verliert die mühsam durch die Jahrzehnte tradierten Tugenden aber nie aus den Augen. Die frisch besetzte Crew harmoniert bestens, Abrams stellt sein Talent für mitreißendes Erzählen unter Beweis und ein jetzt schon legendärer Gastauftritt rundet das gelungene Gesamtbild ab.
Unverkrampft und in schönen Bildern wird das Franchise wiedergeboren. Dass einige eingefleischte Trekkies mit dem Resultat alles andere als zufrieden waren und sind, ist ob der zahlreichen Variationen dem Original gegenüber nur verständlich, bei einem Transfer in die Moderne aber unvermeidbar.
Nächstes Jahr wird Star Trek Into Darkness anlaufen und die neu angebrochene Zeitlinie fortführen. Aufgrund des gelungenen elften Teils der Serie sind wir in freudiger Erwartung.