Die Innere Zone

Fosco Dubini macht mit teils großen Zeitabständen in erster Linie Dokumentarfilme mit ganz eigenen Themen. Seit 1978. Mit Die Innere Zone liegt nun sein zweiter Spielfilm vor, nachdem er mit 2001 mit Die Reise nach Kafiristan einen ersten Erfolg im Raum des Fiktionalen einfahren durfte.

Wo ist Walter?

Story

Seit die Psychologin Marta vor zwei Jahren – im Jahr 2024 – bei einem Biosphärenexperiment eine Hirnschädigung davontrug, leidet sie unter Erinnerungslücken und Halluzinationen, ein Phänomen, das sie Echos tauft.
Als sie zu einer Tunnelbaustelle in die Schweizer Alpen gerufen wird, beschleicht sie die Ahnung, dass die Experimente von früher genau dort wieder aufgenommen wurden.
Sie trifft auf einen verwirrten Ingenieur und eine russische Krankenschwester. Gemeinsam müssen sie die labyrinthischen Tunnels nach vermissten Wissenschaftlern durchforsten und herausfinden, ob die sich häufenden seltsamen Vorkommnisse von radioaktiver Strahlung aus den Tiefen rührt, von klimaverändernden Luftgemischen ausgelöst werden oder aus ganz anderer Quelle stammen.

Kritik

Es wogt eine rätselhafte Stimmung durch die Bilder, die gleichsam ruhig und unruhig erscheinen, weil eine eigenständige Kameraführung natürliche Blickbewegungen imitiert, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. So erinnert der Blick auf das Geschehen häufig wie der eines stillen Beobachters, der oftmals schon am Ort des Geschehens wartet, bevor die Akteure eintreffen. Und irgendwie passt dies auch, ist der Zuschauer doch der Inspekteur von Martas Seelenzustand, um sich mittels Interpretationen eine Analyse anzumaßen. Bereits von Anfang an, wenn eine betörende Cellointerpretation von Nothing Else Matters eine Kamerafahrt durch die Alpen steuert, generiert Die Innere Zone eine sehr eigene Atmosphäre aus sich heraus, die vor allem von der gut abgemischten Geräuschkulisse profitiert, die die Bilder aufwühlt und dem Film einiges an Tiefe verleiht. Die Regie und auch die Produktionsmittel sind definitiv keine Mankos des Science-Fiction-Filmes aus schweizer Landen.

Gerade zu Beginn ist ein wohlartikulierter Offtexte des Zuschauers Begleiter, der aber etwas zu wohlartikuliert wirkt, als wäre er von einer Bühne herunter gesprochen und nicht ein Gedankenmonolog. Die Assoziation mit Theater kommt nicht nur hier hervor – auch viele Darsteller agieren nicht so natürlich, wie man es sich wünscht. Und „viele“ bedeutet hier, dass jeder vom wahrhaft schmalen Cast ein bisschen neben der Spur spielt – von der Hauptdarstellerin Jeannette Hain mit ihrem charakterstarken Gesicht abgesehen, die ihre Sache wirklich gut macht. Dietmar Mössmer als schräger Ingenieur im Paranoiataumel, Nikolai Kinski als in Melancholie und Gestein vergrabener Forscher und Lilli Fichtner als engelsgleiche Krankenschwester mit Kindergesicht und völlig übertriebenen russischen Akzent sind sämtlich überzeichnet und stimmen ihr Spiel auch darauf ab. Den Dialogen fehlt es gleichfalls an Natürlichkeit. Hier kommt eine Last zum Vorschein, die einigen deutschsprachigen Produktionen eigen ist und einen immer wieder aus der Welt herausholt.

Das schlichte, eine große Ruhe ausstrahlende Setting ist dafür aber stimmig eingefangen, meist hält man sich in den Räumen eines leerstehenden Krankenhauses auf, später dann in lichtfernen Tunnels. Tatsächlich ist es gerade diese reduzierte Kulisse, eingefangen durch die erwähnt gute Regie, die den Film seine Anziehungskraft verleiht. Trotz der einzelnen Szenen mit den nicht immer nachvollziehbaren Dialogen mit ihrem nicht immer alltagstauglichen Aufbau, die nicht immer verständlich aneinandergereiht werden, verkommt das Schauen nie zum zähen Ärgernis. Und dann sind da auch noch die wirklich guten Ideen, die in regelmäßigen Abständen das Geschehen auflockern und dem gesamten Streifen eine eigene Note geben, weil sie mit einer nicht erwartbaren Einstellung oder einem nicht erwartbaren Musikeinsatz eine Überraschung servieren, die schlicht Spaß macht und darüber hinaus dafür sorgt, dass Die Innere Zone ein in sich schlüssiges Ästhetikkonzept für sich beanspruchen darf.

Vielfach hört man den Vorwurf, in einigen Szenen sei unklar, ob der Film lustig sein wolle oder nicht. Doch warum muss dies ein Makel sein? Wenn plötzlich zwei eindeutig labile Charaktere anfangen miteinander zu tanzen, ist das natürlich irritierend, aber keineswegs schlecht. Und dass man andernorts gar von slapstickhaften Ausflügen zu berichten weiß, ist das Resultat plumper Übertreibungslust, die Die Innere Zone Unrecht tut.
Keineswegs tut man dem Film aber Unrecht, wenn man ihm 10 Minuten vor Schluss ausmacht. Am Ende möchte die ganze Chose nämlich möglichst gut erklärt werden, weswegen man folgerichtig einen auf denkbar künstliche Weise einen Erklärbären in den letzten Akt pfropft, der den Film mit jedem gesprochenen Wort schlimmer macht. Hier wird einer ordentlich erzählten Geschichte nachträglich Komplexität genommen und ein vernünftiges Drehbuch zum Schluss als ein leeres Versprechen entlarvt. Weniger wäre hier definitiv mehr gewesen. Zudem das auch nichts daran ändert, dass die vorherige Verklettung von pythagoreischer Kosmologie, Verschwörungstheorie und blasigen Andeutungen hin ins Jahr 1969 mit seiner Schweizer Reaktorkatastrophe trotzdem keinen Sinn machen.

Fazit

Regie, Kameraarbeit und natürlich das Setting machen aus Die innere Zone einen eigenständigen, eigentlich guten Film. Schade, dass die Dialoge und das hölzerne Spiel von allen außer Jeannette Hain das positive Gesamtbild immer wieder trüben.
Trotzdem darf man dem Film von Fosco Dubini eine Chance geben – auch wenn man am Ende nicht und zugleich viel zu genau weiß, um was genau es eigentlich ging, ist das Schauen ganz bestimmt keine Zeitverschwendung.

Cargo – Da draußen bist du allein

Der Schweizer Regiedebütant schaffte es 2009 mit der erstaunlich bescheidenen Summe von
fünf Million Franken, das Science-Fiction-Genre in seinem Land zu beheimaten, das bis dato neben den HR-Giger-Werken wenig auf diesem Gebiet vorzuweisen hatte.


Eine unbemannte Station.

Story

Nachdem die Erde unbewohnbar wurde, verkroch sich die Menschheit auf überfüllte Raumstationen und wartete. Das Warten wurde belohnt, als in fünf Lichtjahren Entfernung erdähnliche Planet Rhea ausgemacht wurde, der besiedelbar ist. Das Problem: Er bietet nur Platz für wenige und die Reise ist teuer.
Um dies zu finanzieren, verbringt die Ärztin Dr. Laura Portmann fast 8 Jahre im Kälteschlaf auf einem Cargo-Schiff, um dort die ruhende Crew auf einer Reise zu betreuen und anschließend ins Zukunfts-Utopia zu ihrer Familie zu fliege.
Der unbehagliche wie zähe Routineflug entwickelt sich jedoch zu einer unvorhergesehenen Hatz, als Portmann einem gut gehüteten Geheimnis an Bord des Frachters auf die Schliche kommt. Als die anderen geweckt werden, ist plötzlich keinem mehr zu trauen.

Kritik

Eisiges Blau, fingerlose Handschuhe an bebenden Händen mit blassen Knöcheln und gedämpfte Stimmen. Das Setting könnte auch ein russischer Öltanker mit Flüchtlingen sein. Die Innenarchitektur des Cargoschiffes wirkt feindselig, labyrinthisch und düster und die wenigen Special-Effects und Weltraumaufnahmen geben kaum Anlass zur Klage. Der schmale Geldbeutel macht sich nicht bemerkbar, weil Cargo sich stilistisch geschickt zwischen Science-Fiction und Retro setzt. Handys und Kleidung von heute, ein Raumschiff von Morgen und eine diesig-triste Gossenatmosphäre von Gestern. Irgendwie passt das zum generellen Gegensatz zwischen der lebensfeindlichen Kälte des Alls und der Idee, in einem kleinen Pott sicher eingemummelt durch diese zu fliegen.
Zum Retuschieren des Budgets gibt es natürlich auch kaum Licht. Es ist finsterer als in einer durchschnittlichen Nacht an Bord des verwinkelten Frachters. Das Spiel mit Licht und Schatten ist durchweg sehr gut. Trotzdem wirkt Cargo dann wiederum manchmal wie der Abschlussfilm eines Filmstudenten, wenn auch wie einer der klar besseren. Betont werden muss, dass Ivan Engler mit großem Erfolg das Maximale aus seinen fünf Millionen Schweizer Franken rauszuholen versucht hat.
Dass es im Inneren ununterbrochen regnet oder schneit, ist nur kurz irritierend und fügt sich schnell ins Gesamtbild. Cargo ist ein Film Noir, durch und durch. Omnipräsentes Chiaroscuro, eine einsame Heldin, die gegen das System ihre Ermittlungen durchführt, die Frage nach Wahrheit, Vertrauen, Identität und Verhältnismäßigkeit. Dieses seltene Mischkonzept ist spannend, ganz anders als im berühmtesten Vertreter Blade Runner und in Summe es allemal sehr atmosphärisch. So atmosphärisch, dass es immer wieder spannend wird, obwohl sich hinter dieser Spannung – und das merkt man die ganze Zeit über – kaum Substanz verbirgt. Der Film lebt von seiner Stimmung, die das Detektivspiel, dessen Auflösung einen höchstens am Rande interessiert, heraufbeschwört. Lässt man es zu, sich davon gefangen nehmen zu lassen, ist Cargo eine erfreuliche Angelegenheit, die ein ums andere Mal zu packen vermag und mit ihrer dichten Atmosphäre punktet – auch dank der wahrlich imposanten Raumschiffmodelle. Auch wenn das Ganze so klingt wie Pandorum und sich beide Filme in etlichen Details wie Geschwister verhalten, soll hier erwähnt werden, dass Cargo rasch eine andere Richtung wählt.

Die Macher des Filmes waren sich der eigenen Stärke offenbar aber wenig bewusst, werden doch alle 20 Minuten arg konstruierte Gefahrenmomente in die Geschichte gedrückt, durch die die Figuren sich dann zu quälen haben. Zuträglich ist das der Atmosphäre nicht, das Gegenteil ist der Fall, denn diese Einschübe wirken wie klare Fremdkörper und fügen sich kaum in das geschaffene Stimmungsbild, das vielmehr durch sein ständiges Drohen, Warten und Ertragen zur Geltung kommt, von dem die konstruierten Ausbrüche den eigentlichen und wichtigen Druck nehmen, um Cargo dann doch als Geschichte einer Frau, die alles kann und alles übersteht, zu entlarven. Das ist klassisch, lässt aber weniger mitfiebern.
Weitaus schwerer fallen die teilweise ziemlich unbeholfenen Dialoge ins Gewicht, die mehr als einmal aus dem Geschehen rausreißen und aus den Figuren mit einem Schlag große Stücke ihrer Glaubwürdigkeit ausstanzen. Hinzukommt, dass man die Sprecher ein ums andere Mal nur mit Mühe verstehen kann. Entweder redet man viel zu leise oder aber ausreichend laut, aber schrecklich nuschelnd. Auch extradiegetisch kann der Klang manchmal nicht überzeugen. Die Augenblicke, in denen die Sounduntermalung passt, sind hingegen äußerst gelungen. Von Gestern sind auch die steifen Schauspieler, deren voice acting – wie bei so vielen deutschsprachigen Produktionen – grenzwertig ausfällt.
Im letzten Drittel kann der Science-FIction-Film seine Stärken dann bis zum Rand ausreizen. Lange, fast schon Kubrick-artige Einstellungen, bedrohlich und gleichzeitig friedlich wirkende Stahlgewächse inmitten toter Farbe, dazu ein sich perfekt einfügender Ambientteppich. Die Dialoge werden nicht besser, dafür aber seltener. Und die Handlung nimmt eine seltsame Wendung, die zwar eine gewisse Konsequenz besitzt, aber auf Kosten der Kohärenz geht.
Fakt ist aber, dass Cargo zum Schluss zu viel will. Anstatt sich auf seine Kerndisziplinen zu besinnen, begibt er sich in ein Sperrfeuer der Diskurse, ohne ein Thema in ausreichender Ausführlichkeit behandeln zu können. Der Film zerfällt zum Ende hin ein wenig in seine Einzelteile, weshalb ein eigentlich außergewöhnlich guter deutschsprachiger Science-Fiction-Film etwas schlechter in Erinnerung bleibt, als er eigentlich ist. Die große Atmosphäre und das handwerkliche Können bewirken dafür gerade zum Schluss Enormes und schaffen ein ausreichendes Gegengewicht.

Fazit

Ein technisch sehr gelungener Ausflug durch die Eingeweide eines verwinkelten, nassen Raumfrachters. Die Geschichte selbst ist nur Mittelmaß, die Präsentation dafür höchst atmosphärisch. Auch wenn nicht jeder Handgriff sitzt, überzeugt das Endprodukt mit großer Atmosphäre.
Einzig die bemühten Dialoge stoßen bitter auf.