Assassination Classroom

Yûsei Matsuis Manga mit dem herrlich schrillen Titel Assassination Classroom wurde 2012 erstveröffentlicht und bekam dank zunehmendem Erfolg bereits ein Jahr später mit einem 30-minütigen Anime-Kurzfilm erweitert, eh er dann 2015 nicht nur eine ganze Anime-Serie mit bisher 44 Episoden, sondern auch zwei Filme spendiert bekam. Assassination Classroom ist der erste davon von Eiichirô Hasumi, der bisher primär mit kleineren Comicverfilmungen gewesen ist.


Story

Es sind seltsame Zeiten. Etwas hat zwecks Machtdemonstration ein riesiges Loch in den Mond gerissen und kündigt an, nach einer selbstgesetzten Frist, die gesamte Erde zu zerstören. Dieses Etwas ist ein menschgroßer gelber Oktopus mit einem smileygleichen Dauergrinsen auf dem kugelrunden Kopf. Um sich selbst eine Herausforderung zu stellen, gewährt das Wesen dem Blauen Planeten eine Chance: Ein Jahr lang wird es der neue Klassenlehrer der 3-E der Kunugigaoka-Mittelschule sein – jener Klasse, die gemeinhin als Gruppe der zum Scheitern verurteilten Außenseiter bekannt ist. Neben den normalen Fächern unterrichtet er die Jugendlichen außerdem in der Kunst des Tötens. Gelingt es ihnen, innerhalb der Frist einen Erfolgreichen Anschlag auf ihn zu verüben, bleibt die Erde verschont.
Die Überschallgeschwindigkeit, die außergewöhnlichen Reaktions- und Regenerationsfähigkeiten und nicht zuletzt die zahlreichen unbekannten Eigenschaften des wirbellosen Lehrkörpers erschweren dieses Vorhaben ebenso wie sein exzentrischer und irgendwie charismatischer Charakter.
Während das Fortbestehen der Erdenbevölkerung somit von den Fähigkeiten eines Haufens stark unterdurchschnittlicher Schüler abhängt, bleibt auch die Regierung nicht untätig und arbeitet ständig an neuen Kniffen, um die Chancen gegen das übermächtige Wesen zu vergrößern.

Kritik

Was für eine Geschichte! Und was für eine Optik. Der erfolgreiche Manga wurde mit viel Geld umgesetzt und lässt die reale Welt mit der comichaften Oktopuskreatur verschmelzen. Und das nicht ganz risikolose Experiment gelingt. Assassination Classroom ist die symbiotische Kombination von beiden Stilen mit Bravour gelungen und erschafft so eine recht individuelle Grundlage für diese nicht minder individuelle Geschichte.
Als gleichsam geglückt kann das Beisammensein der völlig überdrehten Ausgangslage mit der von den Figuren als durch und durch realen Gefahrensituation betrachtet werden. Und auch die Chemie zwischen dem alienhaften Aushilfslehrer und seinen Schülern stimmt durchweg. Eiichirô Hasumis Adaption fußt demnach auf einer starken Ausgangssituation und hat damit ob der irren Prämisse eigentlich auch schon die größte Hürde genommen.
Doch leider erschöpft sich das sehr bizarre Setting im Laufe des Filmes zusehends. Auch nach der hurtigen Einführung legt Assassination Classroom zwar erst einmal ein forsches Tempo vor, wird aber von Minute zu Minute langsamer und hat irgendwann all seine Trümpfe ausgespielt und überreizt. Natürlich wird der Oktopus sympathischer, natürlich gilt es, Eliminierungsversuche von dritten, eigenmächtig handelnden Parteien zu vereiteln oder zu überstehen – und natürlich geht es im Grunde darum, wie die 3-E zusammenwächst und -arbeitet.
Das eigentliche Mysterium und der vorgebliche Hauptkonflikt spielen in dem Film dafür nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dass die Gefahr nie global sichtbar ist, sondern sich so gut wie alles auf das Schulgelände beschränkt, ist durchaus sympathisch. Dass die Identität des Kraken ebenso wie die Gründe für sein Handeln entweder nur sehr vage angedeutet oder aber gar nicht erst thematisiert werden, nimmt dem größten Pluspunkt des Filmes – nämlich der Absurdität der Situation und insbesondere des grinsenden Tentakellehrers – zugleich auch sukzessive seine Einschlagskraft.
Nachdem die ersten großen Ideen abgefeuert wurden, wird Assassination Classroom dann leider Stück für Stück gewöhnlicher und stellt sich schließlich als im Herzen erzkonservativer Film heraus.
Zu einem schlechten Film wird Assassination Classroom dadurch noch lange nicht. Nicht nur die wunderliche Prämisse, auch in regelmäßigen, wenn auch zu langen, Abständen eingeworfene schräge Ideen füllen den Spaß immer wieder etwas auf.

Fazit

Unterm Strich verlässt sich  Assassination Classroom zu sehr auf die Attraktivität seiner irren Ausgangssituation und bietet im weiteren Verlauf zu wenig Außergewöhnliches. Optisch beeindruckt der Film vor allem durch die gelungene Eingliederung des animierten Comickraken, inhaltlich läuft sich die Grundidee aber ein wenig müde und enttäuscht gerade auch angesichts der hohen Erwartungen an das Szenario.
Die Entscheidung, die Geschichte auf zwei Filme aufzuteilen (der zweite erscheint dieses Jahr), hat sich letztlich vielleicht nicht monetär, gewiss aber künstlerisch als eine falsche herausgestellt.

Fantasy-Filmfest-Special: The Philosophers

John Huddles letzter und zweiter Film liegt stolze 15 Jahre zurück. The Philosophers ist, wie schon seine ersten beiden Werke, ein Film geworden, bei dem Gespräche eine wichtige Rolle spielen. In diesem Fall ist es die Visualisierung eines Gesprächs – und das ist auch schon das Grundproblem.


And you became happy members oft he post-industrial society.

Story

Mr. Zimit ist Philosophielehrer an einer Schule in Jakarte. Seine 20 Schüler stehen kurz vor dem Abschluss, doch anstatt den letzten Tag traditionell vertrödelnd abzusitzen, stellt der Lehrer eine letzte große Aufgabe.
Ein Gedankenexperiment. Man stelle sich vor, das Ende der Menschheit wird nuklear eingeläutet. Übrig sind die 20 Schüler und vor ihnen ein Bunker. Die Schüler sind sie selbst zuzüglich eines zufällig vergebenen Talents, repräsentiert durch einen Beruf. Der Bunker kann der atomaren Katastrophe inklusive der Folgen lang genug standhalten, fasst aber nur 10 der 20 Schüler. Unter Zeitdruck müssen die Jugendlichen entscheiden, wer Rettung verdient und wer dem Tod überlassen wird. Wiegt das Leben einer Ärztin mehr als das einer Modedesignerin?
Doch wie es die Gruppe auch angeht, das Experiment endet immer mit dem Tod aller und somit auch mit dem Untergang der Menschheit.

Kritik

Mit der praktischen Philosophie ist das so eine Sache. Damit, Philosophie als Lehrfach in einem Film zu thematisieren, ohne die philosophisch Ungebildeten zu vergraulen, ist es ebenfalls so eine Sache. Daher geht der Film auch doppelt auf Nummer sicher. 1. Wird etwas aus der Philosophiegeschichte angesprochen, wird es auf dem simpelsten Weg erläutert und ist für die Handlung trotzdem weitestgehend irrelevant. 2. Philosophisch ist an diesem Philosophieunterricht eigentlich gar nichts. Schuld daran ist, dass The Philosophers seine eigene Prämisse nicht ernst nimmt. Die Strategie des Lehrers ist es, immer klüger zu sein, als seine Schüler, indem er die Dinge mindestens einmal mehr durchdacht hat und ihnen logisch und rational stets einen Schritt voraus ist. Nur machen die Schüler eigentlich gar keine Fehler. Sie scheitern an Dingen, die sich nicht voraussehen lassen. Der schiere Zufall respektive die boshafte Willkür des Lehrers, der in diesem Szenario gleichzeitig Figur und allmächtiges Erzählerweisen ist, macht den Überlebenden einen Strich durch die Weiterleben-Rechnung. Besonders peinlich ist es zudem, wenn der Film sich selbst einige Logikpatzer leistet. Wieso vergehen die Menschen draußen, während Hunde unbeschadet an Leichen kauen? Wieso überhaupt reicht ein lächerliches Jahr, um aus der verseuchten Erde wieder Lebensraum zu machen?
Kneift man zwei bis drei Augen zu, kann The Philosophers aber über weite Strecken gut unterhalten. Ein wenig Humor, eine gesunde Portion Zynismus, Figuren, die psychologisch nicht unbedingt sehr tief sind, aber ihren Zweck erfüllen und ein funktionierender Erzählfluss machen das Geschehen zwar nicht lehrreich, aber immerhin ganz interessant.
In den ersten Zweidritteln scheint der Film auch die richtige Richtung zu halten. Das Scheitern ist unabwendbar, der Mensch immer Opfer einer Schicksalsbosheit oder seiner eigenen moralischen Grenzen. Doch anstatt zum finalen Schlag auszuholen und dem Szenario in Anlauf Nummer drei noch einmal kräftig die Sporen zu geben, wird urplötzlich hektisch zurückgerudert. Was mutig beginnt und mutig hätte enden können, wird zu einem unnötigen Happy End mit Besserwisser-Moral und naiver Message verbogen, das dem Film als Ganzes gehörig an Biss nimmt. Durch das eigentliche Ende der Klassenzimmer-Rahmenhandlung lässt sich die feige anmutende Entscheidung der Macher zwar schlüssig erklären und zu gewissen Teilen relativieren, aber damit würde man es The Philosophers zu einfach machen.
Durchgehend bemerkenswert ist allerdings die Art und Weise, wie das Schüler-Lehrer-Verhältnis dargestellt wird, welches alles andere als konventionell ist und zum Ende hin zum Glück auch nicht zusammen mit dem Rest auf Nummer sicher geht und einlenkt. Zu verdanken ist das unter anderem auch Darsteller James D’Arcy (Cloud Atlas), der die schwierige Figur mit seiner ambivalenten Mimik grandios verkörpert.

Fazit

Nett anzusehen ja, jedoch bei weitem nicht so clever, wie man gerne wäre. Zufall statt Logik und Zahmheit statt Konsequenz verhindern, dass der Film nicht nur seichte Unterhaltung, sondern ein spannendes Lehrstück wird. Dennoch ist das Werk allein wegen des ungewöhnlichen Konzepts einen Blick wert. Und es muss ja schließlich nicht alles klug sein, solange es ein wenig Freude bereitet.

Ja man kann sagen, fast überall, wo es Glück gibt, gibt es Freude am Unsinn. Und mit einem solchen Nietzsche würden der Herr Lehrer, die Schüler und der Rezensent wohl irgendwie alle zu einem Konsens gelangen.