Ryūsei

Japan-Filmfest 2015 Special 1

Just take your pills and get some sleep.

Story

Beim gemeinsamen Betrachten des Schauspiels eines Meteoritenschauers äußern die Schüler Toru, Ryuta und Haruhiko ihre größten Wünsche für ihre Zukunft. Nach der Schule trennen sich ihre Wege. Als sie Jahre später in ihre Heimatstadt zurückkehren, werden sie durch das kaum veränderte Milieu ihrer Jugend damit konfrontiert, dass sich ihre Leben nicht den Erwartungen entsprechend entwickelt haben.

Kritik

Knapp 80 Minuten verfolgt der Episodenfilm die Rückkehr dreier junger Männer in die Kleinstadt ihrer Kindheit, wo einstmalige Weggefährten sich ebenso wenig veränderten wie das Bild von urbanem und ruralem Raum. Diese Stasis ist es, die den Protagonisten vor Augen hält, dass die Konzepte, die man sich als Jugendlicher, der sich inmitten der Formungsphase der Adoleszenzkrise befindet, vom Wunsch eines Erwachsenenlebens macht, selten mit dem realem Werdegang des tatsächlichen übereinstimmen. Stattdessen findet die Genese eines Menschen mit unkontrollierbarer Eigenlogik statt; oder, um mit George Herbert Mead zu sprechen, das impulsive Ich steht handelnd immer an erster Stelle, ehe das reflektierte Ich sich seiner Handlungen annehmen kann und gezwungen ist, die so gewachsene Biographie zu verstehen.
Die Erlebnisse der Drei werden in kurzen Zeitfenster erzählt, die sich gegenseitig immer wieder mit sehr unvermittelten Sprüngen unterbrechen. Die sehr unterschiedlichen Orte, an denen die Geschichten sich entfalten, sorgen zusätzlich für eine angenehme Abwechslung, ohne dass die Ruhe des Filmes dadurch gestört würde.
Die Kamera ist dabei auffällig ruhig, die Bewegungen lassen sich vermutlich problemlos an einer Hand abzählen, so wie auch im Leben der Protagonisten eine stete Steifheit herrscht. Wenn dann doch mal ein Schwenk den Stillstand durchbricht, fällt er umso stärker ins Gewicht.
Zwar fallen die Nebendarsteller manchmal etwas ab, im Gesamten spielt das Ensemble aber sehr angemessen und zur sanften Filmmusik entsteht ein leises Portrait mit gefühlvollen Beobachtungen über schicksalsgleiche Unplanbarkeit und die große Herausforderung, vor diesem Faktum nicht zu resignieren, sondern es stattdessen als Positives zu begreifen.
Eine der drei Geschichten kommt jedoch deutlich kürzer als der Rest und wirkt im direkten Vergleich daher auch etwas unbeholfen. Dennoch gelingt es der Gesamterzählung im Verlauf, eine gelungene Steigerung von Relevanz und Dramatik zu generieren – überhaupt ist es wohl der größte Verdienst des Filmes, die Thematik nicht spröde oder kitschig (wie es manche Poster befürchten ließen) auszukleiden, sondern sie so darzustellen, dass sie ganz ohne zusätzliche Beimischung von künstlichen Konflikten oder Pathos permanent interessant wirkt.
Darüber hinaus handelt es sich bei Ryūsei auch über eine ansatzweise Abhandlung über die Entfremdung voneinander in der gegenwärtigen japanischen Kultur, die die Generation der 20 – 30-jährigen in einem Gestrüpp aus westlich-kommerziellen und väterlich-traditionellen Appellen aussetzt, in dem sich zurechtzufinden ein permanenter Kampf ist. Auch stellt der Film die Frage über die Diachronität moralischer Banden in sozialen Beziehungen – es ist ein unaufgeregter aber aufrichtiger Film über die Probleme von Durchschnittsmenschen, die sich vor allem damit abfinden müssen, Durchschnittsmenschen zu sein.
Bei keinem dieser Komplexe greift Kenji Tanis Studie in die Tiefe und so wird naturgemäß auch nichts Verblüffendes zutage gefördert. Es ist ein Film, der vor sich hinplätschert, ohne zu langweilen, der auf seine Weise aufrichtig ist, ohne umzuwerfen. Ganz wie die Leben, die er schildert.

Fazit

Ryūsei ist kein großes Werk mit Tiefgang und fesselnder Story, ganz im Gegenteil. Es ist ein kleiner, stiller Film über die Schwierigkeit, sich selbst zu akzeptieren, der nie mehr sein möchte. Gerade in dieser bescheidenen Wiese liegt die angenehme Wirkung des Filmes, der keine großen Ansprüche stellt, sondern sich damit begnügt, die richtigen Bilder für ein alltägliches Problem zu finden, das jeden etwas angeht.

Japan-Filmfest Special: An Assassin

Japan-Filmfest Special 7

Go Ohara  ist seit den Albernheiten Geisha vs Ninjas und Gothic & Lolita Psycho als Regisseur tätig, während er sich zuvor hauptsächlich auf Stunt- und Actionchoreographien beschränkt hat.
Umso überraschender, dass neben allen anderen Dingen auch die Action in An Assassin vollkommen misslungen ist.

Story

Ryo und Misaki wurden von Kindesbeinen an zu Killern ausgebildet. Einer Organisation setzt sie auf Zielpersonen an, sie schnappen sich Lederkluft, Sonnenbrille, Haargel und Waffenset, um die Welt um ein Leben ärmer zu machen und kassieren am Ende das Kopfgeld. Sie sind die besten ihrer Art.
Doch die alte Freundschaft bekommt Risse. Ryos Gewissen wird tätiger, während Misaki von Tag zu Tag kaltblütiger wird.
Als bei einem Auftrag plötzlich ein Mädchen die Bildfläche betritt und die Zielperson mit einem Messer attackiert, läuft alles aus dem Ruder. Ryo schnappt sich die Täterin und nimmt sie mit in seine Wohnung. Von Misaki und den Auftraggebern gedrängt, sie zu eliminieren, beginnt der junge Assassine, sein eigenes Süppchen zu kochen.

Kritik

Es hätte eigentlich ganz amüsant werden können. Eine bis ins Letzte übertriebene Gangster-Mär, in der die Bösen so eiskalt sind, dass sie bei ihren diabolischen Pakten Eis essen, und die Guten so cool, dass in engen Lederkleidern Kette rauchen, während die Kugeln ihnen um die Ohren pfeifen, und ansonsten auf Häuserdächern Whiskey verköstigen.
Doch so sollte es nicht sein. Trotz literarischer Vorlage erzählt An Assassin eine Geschichte, die überraschungsarmer, langweiliger und ideenleerer nicht sein könnte. Von Vornherein ist klar, dass die einstigen Waisen und treuen Freunde zu Rivalen heranwachsen werden, dass Ryo Lamm im Wolfspelz ist und ein Herz für wehrlose Frauen hat. Das wäre nicht schlimm, wenn sich der Film selbst klar darüber wäre und stattdessen auf andere Stärken setzen würde. Zum Beispiel eine packende Inszenierung, selbstironische Reflektion oder einfach nur mitreißende Gefechte.
  
All das fehlt. Während zwischen den Kämpfen kaum etwas passiert und das, was passiert, beeindruckend langweilig in Szene gesetzt wird, stellen die Kämpfe tatsächlich einen fast noch größeren Schandfleck dar. Da niemand der gecasteten Schönlinge ein irgendwie geartetes Talent besitzt, beschränkt man sich darauf, wild an der Kamera vorbei zu feuern oder mit sinnlosen Schnitten zu versuchen, das abgehackte Gefuchtel der Konfliktträger wie einen Kampf aussehen zu lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass offenbar niemand der Beteiligten – ob nun hinter der Kamera oder im Schneideraum – verbergen konnte, dass man nicht aufeinander einhaut, sondern meterweit aneinander vorbei.  Warum so häufig die unpraktischen Nahkampfwaffen einer effektiven Schusswaffe vorgezogen werden, ist sowieso eine ganz eigene Frage.
Das Resultat sind Kämpfe, die wahllos und frei von Logik in die matschige Handlung geworfen werden, nur ein paar Augenblicke andauern und nicht minder langweilen als der ganze Rest, durch ihre peinliche Umsetzung aber zum Schämen auffordern und die Blödsinnigkeit ihrer Ausgangssituation als gemeinsamen Nenner haben.
Zwar hat sich tatsächlich eine halbe Handvoll Witz eingeschlichen, der in gewissem Rahmen funktioniert, doch reicht diese Dosis lange noch nicht, um den Film erträglich, geschweige denn sehenswert zu machen.
Wenn dem Zuschauer auffällt, dass ein ständig pickender Vogel nicht etwa deshalb gezeigt wird, weil dies Teil eines irgendwie geartetem Stilkonzept ist, sondern weil es ersichtlich an besseren Einfällen mangelte, als eben diesen Vogel zu filmen, ist das bezeichnend für den ganzen Film.

Fazit

An Assasin ist eine Gurke, die mit formeltreue langweilt, mit Pseudo-Coolness ärgert und sich mit einer stümperhaften Umsetzung selbst immer wieder zu unterbieten weiß.
Ein paar funktionierende Gags können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier versucht wurde, mit den schönen Gesichtern der Hauptdarsteller ein paar schnelle Scheine zu verdienen.