Perfect Sense

Die Werke, auf die David Mackenzie zurückblicken kann, sind Filme wie Young Adam und der schauderhafte Toy Boy mit dem schauderhaften Ashton Kutcher. Mehr oder weniger leichte, seichte Filme, die sich um das Thema Liebe drehen.
Da verwundert es, dass Mackenzies Film aus dem Jahre 2011 ausgerechnet ein Sci-Fi-Drama ist.
Doch wenn man das Werk etwas genauer betrachtet, liegen thematisch zwischen Perfect Sense und den anderen Arbeiten des Engländers gar keine so großen Distanzen.

Eyes closed, oblivious to the world around them.

Story

In der nahen Zukunft bricht eine Krankheit aus.
Sie ist offenbar nicht ansteckend, verbreitet sich aber rasend. Ohne erkennbares System, doch unaufhaltsam und global.
Und während man noch rätselt, ob Umwelteinflüsse, Wasserveränderung, UFO-Invasionen, Terrorangriffe oder Gott der Auslöser für die Miesere ungeahnten Ausmaßes ist, verliert die Menschheit nach und nach den Sinn. Wortwörtlich.
Erst ein heftiger emotionaler Zusammenbruch und wenig später kann man nicht mehr riechen. Nachdem die Nase ihren Dienst eingestellt hat, folgen die weiteren Sinne. Immer in gleicher Reihenfolge, immer in epidemischen Wellen.
In dieser Zeit finden der begnadete Koch Michael und die Medizinerin Susan zueinander. Und obwohl sie beide nicht an Liebe glauben, verlieben sie sich doch, wenn auch voll Misstrauen und Zweifel.
Während die Sinne nach und nach abhandenkommen und die Weltordnung ruppig aus den Fugen gehoben wird, wird die fragile Bindung zwischen den beiden immer stärker belastet.

 Kritik

David Mackenzies Sci-Fi-Mär über eine Welt wie von Sinnen ist ein gelungener Film, der in erster Linie – und damit vielleicht ja sogar etwas selbstreflexiv – die Sinne reizt. Denn Perfect Sense ist handwerklich ungemein ausgereift.
Allem voran ist die herausragende Kameraarbeit zu loben, die so unaufdringlich wie ununterbrochen wunderschöne Ausschnitte– häufig auf Hüfthöhe der Personen – liefert, sie in kühlen blauen Farben präsentiert und damit eine ganz eigene Bildpoesie entwickelt.
Dazu kommen mit Ewan McGregor, Eva Green und weiteren hochkarätige Schauspieler, die durchdachte, vor allem aber sehr authentische Dialoge zum Besten geben dürfen.
Und wie das Handwerk ist, so ist auch die Atmosphäre: Kühl, wohl komponiert und ein wenig poetisch.

Manchmal meint der Film es aber auch etwas zu gut und kommt der Grenze zur übermäßigen Sentimentalität gefährlich nahe. Aber das nur, wenn man nicht bereit ist, diesen Schritt mitzugehen. Ob man sich von der hohen Emotionalität überreden lässt oder nicht, davon hängt es ab, ob Perfect Sense funktioniert oder verärgert.
Wimmernde Menschen, unterlegt von einer melodramatischen Frauenstimme und traurigen klassischen Stücken sind ohne Frage in höchstem Grade manipulativ, aber richtig eingesetzt eben auch ungeheuer effektiv. So wie in Perfect Sense, wenn man dem Film die Führung überlässt.

Von seltener Intensität sind die Szenen, in denen gezeigt wird, wie die Menschheit ihre Empfindlichkeit gegenüber der Natur einbüßt. Ganz besonders die Ausbrüche vor dem Verlust eines Sinnes sind perfekt eingefangen und ergreifend in Szene gesetzt. Das liegt auch daran, dass man den Zuschauer erahnen lässt, wie sich die völlige Hilf- und Schutzlosigkeit der noch nicht Betroffenen anfühlen muss, denen nichts bleibt, als einfach nur darauf zu warten, dass auch sie das Syndrom erfasst.
Fantastisch ist auch die Idee, zu zeigen, wie in der Restaurantküche reagiert wird, nachdem alle ihren Geruchssinn verloren haben. Schade, dass auf die Kompensationsmöglichkeiten bei den weiteren Phasen nicht ebenso ausführlich eingegangen wird, aber womöglich hätte der Effekt sich auch abgenutzt. Ebenfalls schön ist, dass glaubhaft vermittelt wird, wie eminent wichtig die Sinne für unser Erinnerungsvermögen – und damit letztlich für unsere Identität sind. An diese Eindrücke geknüpft sind Erinnerungen jeder Couleur, die durch Affizierung der Sinne, durch bestimmte Gerüche oder Geschmäcker wieder reaktiviert und vergegenwärtigt werden. Auch sie verblassen mit den Düften und Geräuschen der Welt.
Die ganze darin enthaltene Tragik wird offen gezeigt, aber selten zu überzogen dargestellt.
Dass die Protagonisten in einer möglichst dramatischen Reihenfolge erkranken, ist keineswegs logisch, da ja aber sowieso die ganze Sache eine Allegorie ist, muss es das auch nicht zwingend sein.

Was oben bereits angesprochen wurde, verdichtet sich zum Ende hin immer mehr. Man muss sich immer stärker auf den Film einlasen. Wer der besonderen Stimmung nicht folgen kann oder will, wird den erzählerischen roten Faden schnell sehr vermissen. Die Geschichte rückt mit jedem verlorenen Sinn nämlich weiter in den Hintergrund und wird von Impressionen, essayistischen Gedankenmonologen und, um das Kind beim Namen zu nennen, viel, viel Pathos abgelöst. Wer der nicht ganz rutschfesten Einladung folgt, Liebe und Lebensfreude als Essenz von allem zu huldigen, dem ist ein gewisser Unmut oder das ein oder andere, immerhin sehende, verdrehte Auge keineswegs übelzunehmen.
Geschmackssache ist ebenfalls der etwas offene Schluss, denn ein letzter Sinn bleibt – vorerst? – erhalten, damit die Botschaft der Geschichte mit Überzeugung zum Ende gebracht werden kann.

Fazit

Liebe in Zeiten des Außergewöhnlichen ist ein beliebtes, grundsätzlich funktionierendes Sujet. Und die Idee des Außergewöhnlichen in Perfect Sense ist wahrlich außergewöhnlich.
Im Anschluss an den sehr ausgewogenen, spannend erzählten ersten Teil folgt ein Rest, der einen mutigen, speziellen, aber auch nicht für jeden gemachten Weg einschlägt, der zu einem ehrlich vorgetragenen Optimismus im Angesicht des Schlimmsten führt.
Obwohl sich der Liebesfilm im Science-Fiction-Szenario dann und wann zu sehr in Sentimentalitäten verrennt, lohnt sich das Gesamtpaket aber – wenn auch nicht für jeden.

Endlich kann man aber mal guten Gewissens sagen: Wem der Trailer gefällt, dem dürfte auch der Film zusagen.

Outcasts

2011 schickte BBC mit Outcasts eine weitere Serie ins Rennen. Neben den vielen anderen Produktionen des Senders sollte nun ein reinrassiges Sci-Fi-Drama ins bestehende Programm genommen werden. Das an Earth 2 erinnernde Szenario verspricht eine Mischung aus Abenteuer, Drama und einem Schuss Mystery.
Erwartungen, denen die Serie kaum gerecht werden kann.


Fortpflanzung. Ist das alles, worum es am Ende geht? Das ewige Kopieren von einem selbst?

Story

Während die Erdenzivilisation aus nuklearen Gründen langsam abdankte, ging ein Raumschiff mit einigen Pionieren an Bord auf Reisen, um den neuen Heimatplaneten Carpathia für die Menschen zu besiedeln.
10 Jahre später steht auf dem etwas kahlen Planeten ein kleines Städtchen, die Menschen haben sich eingelebt und Präsident Richard Tate dirigiert milde und umgänglich. Nach Jahren ohne Kontakt zu Mutter Erde taucht endlich ein weiterer Transporter im Orbit auf. Doch dieser bringt neben einer Handvoll Erdlinge in erster Linie Probleme mit sich. Den Menschen ist der Planet abseits ihrer kleinen Festung immer noch vollkommen unbekannt und während innerhalb des Siedlungswalles die Konflikte gären, bahnen sich auch außerhalb gleich mehrere Probleme an. Nicht nur, dass die knapp einem Pogrom entkommen ACs – eine Gruppe künstlich geschaffener Menschen – eine fortwährende Bedrohung darstellen, es häufen sich außerdem mysteriöse Erscheinungen, die rational kaum zu erklären sind.

Kritik

Outcasts beginnt mit einem angenehm plötzlichen Start. Ein paar Details werden in der Pilotfolge geschickt am Rande vermittelt, der Rest erschließt sich im Laufe der Geschehnisse. Warum sich die heimatfernen Menschlein nie über die Grenzen ihrer Wellblech-Siedlung hinausbewegt haben, bleibt vorerst ebenso im Dunkeln wie das Schicksal der Erde.
Sofort fällt isn Auge, wie unverschämt schmuck die ganze Angelegenheit aussieht. Man hat es tatsächlich geschafft, den Drehort Südafrika ein wenig wie einen fremden Planeten erscheinen zu lassen, die seltenen Szenen im Weltraum sehen mitsamt der enormen Schiffsmodelle tadellos und sehr atmosphärisch aus und auch über die Phänomene an der Planetenoberfläche lässt sich kein schlechtes Wort verlieren – technisch befindet sich Outcasts ganz klar über gängigem TV-Niveau.

Ebenfalls gleich zu Beginn fallen aber auch die großen und kleinen Schnitzer auf. Das Projekt hat seinen Schwerpunkt nicht auf Action und Abenteuer gelegt, sondern versteht sich in erster Linie als erwachsenes Charakterdrama vor Science-Fiction-Kulisse.
Leider begegnen einem nicht vielschichtige und spannende Figuren, sondern ausschließlich flache Reißbrettpersönlichkeiten.
Das fängt beim Folge 1-Knaben an, der von nichts anderem als Tigern redet und damit spätestens beim dritten Mal nicht mehr süß ist, und macht auch vor sämtlichen Protagonisten nicht halt.
Zwar gibt es hie und da ein paar geglückte Charaktermomente, in aller Regel regiert aber Mittelmaß. Halbwegs interessant ist der Präsident, der nicht ganz so funktionell und durchschaubar wie der Rest ist.
Der Gegenspieler (in Episode 1 Jamie Bamber (Battlestar Galactica, Dollhouse) als tyrannischer Wüterich mit Verfolgungswahn, später Eric Mabius als windiger Politiker) ist natürlich ganz arg diabolisch und arrogant, damit der Zuschauer nicht zufällig auf die Idee kommen könnte, mit ihm zu sympathisieren. Wer gut und wer böse ist, kaut die Serie so lange vor, bis die Figuren kaum noch Geschmack haben.
Es versteht sich von selbst, dass zentrale Persönlichkeiten auch alle ihre große oder kleine Katharsis durchleben, doch nichts davon ist spannend oder überraschend. Man hadert mit Standardproblemen und findet Standardlösungen für sie.
Vor der flachen Figurenzeichnung gefeit sind die ACs. Dies aber nur, weil sie die gesamte Zeit über gesichtslos bleiben und einzig ihr Anführer einige Male verbissen in die Wüste gucken darf.
Dazu kommt, dass die Figuren während ihrer unnatürlich wirkenden Konversationen meist nur leere Wortgeflechte hin- und herschieben.

Mit der Geschichte verhält es sich ähnlich. Natürlich prallen alle großen menschlichen Charakterstika in der kleinen Siedlung aufeinander. Hochmut, Eitelkeit, Egoismus – und selbstverständlich dürfen auch die üblichen Fronten Religion und Technik nicht fehlen. Natürlich werden Intrigen gesponnen, manch einer hat offensichtlich Dreck am Stecken, während andere mit ihrem ungerechten Schicksal hadern.
Neben einigen größeren und kleineren Logikbrüchen, die selten zu auffällig, aber doch schwer zu ignorieren sind, gibt es vor allem viel Pathos. Insbesondere die Musik hat einen Hang dazu, normale Szenen sehr schnell tief in Kitsch zu tunken und das Offensichtliche bunt auszumalen.
Hätte man sich hier zurückgehalten, wäre man nicht nur auf die Standardlänge von 45 Minuten pro Folge gekommen, sondern hätte auch eine bessere Serie produziert.

Es ist ärgerlich und unverständlich, dass man aus einer so vielversprechenden Prämisse so wenig herausholen wollte. Outcasts zeigt stellvertretend auf, woran moderne Science-Fiction viel zu oft leidet. All die Möglichkeiten sind zum Greifen nahe, werden von den Erzählern aber stur ignoriert. Das Problem, nicht mehr als Köder zu haben, als eine nette Ausgangssituation, erinnert an die in vielen Punkten ähnliche Serie Jericho – Der Anschlag.
Statt die langsam fortschreitende Erkundung des Ungewissen zu zeigen, entscheidet sich die Sci-Fi-Serie für biedere Belanglosigkeiten, um den Zuschauer bloß nicht zu überfordern.
Dass es auch anders geht, zeigt Folge 7, die bei weitem nicht fehlerlos ist, aber immerhin flott über den Bildschirm zuckelt und sich nicht unentwegt in Kleinigkeiten verbeißt. Auch sonst hat jede Folge hat ein paar sehenswerte Momente parat. Auf jeden davon kommen aber mindestens 10 langweilige.
Später versucht man noch unbeholfen, die „Jeder könnte ein Android sein“-Paranoia hervorzurufen, die ja schließlich erst in BSG wunderbar funktioniert hat. Nur geschieht dies ebenso nüchtern und ideenarm, wie alles andere auch.
Was bleibt, ist eine nur schwer zusammenpassende Mischung aus Spiritualismus ein ganz klein wenig Pantheismus, jeder Menge Banalismus und einem Bündel auf ewig offener Fragen, da nach den 8 Episoden bereits der Geldhahn abgedreht wurde. Auch die Cliffhanger verlaufen jämmerlich im Sande. Die Schocks sitzen nicht, die Mystery-Elemente wirken deplatziert, die künstliche Dramatik ist stockend und die Action unbegreiflich träge und undynamisch aufgebaut.

Gerne wäre man ein wenig wie LOST: Ein paar Leute stranden auf einer Insel im Weltraum, abgeschnitten von allem versuchen sie, sich miteinander und mit ihrer Umwelt zu arrangieren, während Mysteriöses geschieht und viel mehr auf „der Insel“ verborgen scheint, als man anfangs vermutete.
Nur sind die Charaktere nicht liebenswert, die Mystery-Elemente selten interessant genug und die Geschichte – und hier mag man womöglich die größte Parallele zu LOST erkennen wollen – schlägt an zu vielen Stellen leck.
Unterm Strich ist Outcasts aber nicht wirklich schlecht. Das Gezeigte ist hübsch, die Prämisse hat Potenzial und auch die ein oder andere nette Idee hat sich eingeschlichen. Umso tragischer ist es, dass die Serie derart unmotiviert und träge daherkommt und weder eigene Ideen hat noch die fremden Ideen sinnig integrieren konnte.
So dümpeln die 8 Folgen erschreckend ereignislos vor sich hin, fühlen sich an wie 2 volle Staffeln und entlassen den Zuschauer am Ende mit einem Gefühl von Leere.

Fazit

Die BBC-Serie baut auf generische Charaktere in schon zu oft gesehenen Situationen. Das Ergebnis sind 8 Episoden, die durch und durch mittelmäßig und nicht selten langatmig, dafür manchmal richtig schlecht sind. Dank ein paar gelungener Elemente befindet sich Outcasts fernab von „unerträglich“, aber mitten in „unnötig“.