Miss Zombie

15. Japan-Filmfest Special 5

Hiroyuki Tanaka, besserf bekannt unter seinem Künstlerpseudonym SABU, und bekannt wohl aufgrund von verschrobenen Filmen wie Monday, Blessing Bell und Postman Blues, hat sich in den letzten Jahren etwas rar gemacht. Nun kehrt der Kultregisseur zurück mit etwas für seine Vita sehr Ungewöhnlichen: Einem Zombiefilm. Wenn auch einer der ganz anderen Art.

Feed fruits or vegetables.

Story

In der Zukunft Japans lief die Zombifizierung der Gesellschaft ungewöhnlich ab. Schnell bekam man die Epidemie unter Kontrolle und eigentlich war die Welt wieder sicher. Außerdem gibt es Zombies verschiedenen Grades – es ist kein bipolares Entweder-Oder-System, sondern jeder Zombie hat zu gewissen Graden Menschlichkeit. Je mehr von dieser, desto geringer ist die Aggressivität.
Ein wohlhabendes Ehepaar ordert sich halblegal eine Zombiedinerin. Ihr Name ist Sara und sie soll als untotes Hausmädchen den Hof ihrer Halter pflegen.
Neben ein paar ungehobelten Lüstlingen sorgen aber auch aufkeimende Spannungen innerhalb der Familie für Probleme, denn die Anwesenheit von Sara bringt Veränderungen mit sich.

Kritik

Was immer SABU in den vergangenen Jahren auch getrieben hat, er hat gewiss nicht stillgesessen. Miss Zombie, und das merkt man ab der ersten Minute, ist das mit enormem Abstand reifste, wohlkomponierteste Werk des Regisseurs. Mit seiner Zombieparabel in Schwarzweiß hat er nicht nur seinen ungewöhnlichsten Genreausflug gemeistert, sondern auch noch einen der ganz wenigen modernen Schwarzweißfilme geschaffen, welche mit Fug und Recht behaupten dürfen, von ihrer Farbarmut enorm zu profitieren. Jedes Bild wie gemalt, jeder Schwenk ein gut durchdachtes Beben und jeder Schnitt ein Schritt beim Tanze. So, wie SABU es schafft, die Schwarzweiß-Kontraste zur Geltung zu bringen, hat man es in den letzten Jahren nirgends betrachten dürfen. Miss Zombie spielt ästhetisch ganz weit vorne mit. Das durchdachte Sounddesign, das mit Klarheit, Präzision und einer ungemein stimmigen Auswahl glänzt, und das hervorragende Editing werden fallen dadurch erst an zweiter Stelle auf – was sie nicht weniger gut und wirkungsvoll macht. Selbiges treffen auf den Bildaufbau und die erstaunlich effektive Raumgeometrie mit ihren Linien und Formen, zu. Das perfektionistische Gesamtbild ist ein Erlebnis, ohne dass man je das Gefühl bekommt, der Film könnte sich in seiner Schönheit selbst verlieren. Alles trägt optimal zur Stimmung herbei und liefert der Erzählung bemerkenswerte Unterstützung. Es verhält sich wie mit dem Jungen des Paares, das in einer kurzen Szene in der Mitte des Filmes mit der Sofortbildkamera durch den Hof trabt und fotografiert, was ihm im Augenblick gefällt. Die Bilder greifen allesamt aus ihren Momenten das Maximale an Schönheit; trotzdem bieten sie keinen verklärten Blick auf ihren Gegenstand, sondern etwas Reines, Unschuldiges, Naives, das nicht sensationslüstern, sondern einfach nur neugierig ist.
Der für Tanaka typische sehr spröde Humor fehlt auch hier nicht zu Gänze, ist aber nur selten und sehr leise eingebettet, als wüsste er sich aus Respekt vor seinem Gegenstand zurückzuhalten.
f0 MISS_nuki.000002 MISS_nuki.000054
Die Geschichte selbst kommt so langsam voran wie ein Zombie, ist dabei aber bei weitem ansehnlicher. Auf der einen Seite steht das sich zart, aber unaufhaltsam entwickelte Drama, das zwischen Ehemann, Gattin und Diener-Zombie entsteht, und langsam auf eine Eskalation
hinsteuert. Auf der anderen der kritische Hinweis auf den tatsächlichen Zustand in Japan, wo unzählige Hausmädchen illegal beschäftigt und auf ihre bloße Tätigkeit reduziert werden und in ertragender Unterwürfigkeit ihr Dasein fristen, wodurch fast schon eine Zweiklassengesellschaft mit stark patriarchalischer Ausprägung entsteht.
In den schönen Bildern von Miss Zombie ist viel zu entdecken und viele Szenen glänzen mit Doppelbödigkeit, ohne auch nur kurz von oben herab belehrend zu wirken.
Die Geschichte um ein Mädchen, das ausschließlich für den Dienst lebt und sich im Geheimen nach Identität sehnt, aber für eine Gesellschaft arbeitet, die sie nie erreichen kann, ist schwer anzusehen, obwohl sie in berauschend schönen Bildern erzählt wird.

Fazit

Einer der wirklich wenigen relevanten Zombiefilme, der sein Schwarzweiß nicht als selbstzweckhafte Show nutzt, sondern tatsächlich einen enormen ästhetischen Mehrwert aus seiner fast vollkommen entfärbten Welt zieht.
Sowohl das hintergründig grollende Drama auf Plotebene als auch die gesellschaftskritische Analogie funktionieren selbstständig als auch zusammen bestens, wodurch sich ein zwar sehr langsamer, aber deswegen nicht minder fesselnder Film entsteht, der sich zudem als eine der außergewöhnlichsten Genrevertreter herausstellt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert