The Signal

2007 kam ein recht guter, weil sehr ungewöhnlicher Zombiestreifen namens The Signal – doch um den geht es nicht. William Eubanks The Signal ist der zweite Film des Regisseurs; mit dem 2007er The Signal teilt dieser ebenso wie mit Eubanks Erstling Love die Liebe zum Ungewöhnlichen.

It’s just blood.

Story

Die MIT-Studenten Nic, Jonah und Haley liefern sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit einem unbekannten, offenbar aber äußerst versierten Hacker. Da Jonah plant, für ein Jahr das Land zu verlassen, fürchtet Nic um die Zukunft ihrer Liebesbeziehung – und lässt sich aus Frust, Verzweiflung und Fluchtwillen gemeinsam mit Haley auf eine Schnitzeljagd nach dem Hacker ein. Von diesem wissen sie nur zwei Dinge: Er nennt sich Nomad und scheint, ihrer Nachverfolgung zufolge, an einem verlassenen Platz in Nevada zu leben.
Das Paar samt Krise und Haley machen auf ihrem Ausflug also einen Umweg von 270 Meilen und stoßen auf ein scheinbar verlassenes Haus mitten in der Wüste. Nick und Haley beginnen die Erkundung, während Jonah im Wagen zurückbleibt. Dann überschlagen sich die Dinge: Ein Schrei, Haley ist verschwunden, eine große Lücke. Nic erwacht in einer isolierten Station und begegnet der Fremde.

Kritik

Als erstes fällt auf: Mit Nic, Jonah und Haley bewegen sich drei  grundsympathische, endlich mal wieder glaubwürdige Charaktere durch die Handlung. Es sind Leute in ihren Zwanzigern, die sich nachvollziehbar verhalten und denen nicht auf Teufel komm raus bestimmte, sie definierende Haupteigenschaften zugeschrieben werden.
Eine sensible Inszenierung sorgt zusammen damit für einen leichten Zugang in die Welt, in die Motivationen und eventuellen Gefühle der drei Studenten. Einen maßgeblichen Teil tragen auch die trüben, kühlen Landschaften dieser wenig aufregenden Seite der USA zum Gesamtgefühl bei – zudem sie gleichzeitig einen ungewohnten, sehr interessanten Hintergrund für einen Film über Technik bieten. Andere Indie-Perlen wie zum Beispiel Primer haben dies ähnlich und ebenfalls erfolgreich gemacht. Die horizontenternden, steppenartigen Ebenen, in denen maulgleiche Risse das Schönste sind, wo nur Tankstellen die Straßen, die wie obszön lange Zungen in dieser Landschaft liegen, an den Seiten markieren und nur die tiefhängenden, grauen Wolkenschichten die Landschaft in irgendeine Richtung begrenzen. Während am Horizont immer die gleichen Berge zu warten scheinen, die niemals näher rücken, wie Verheißungen, wie Fata Morganas in der Wüste. Und dann zeigt der Film, dass er nicht nur einseitig Stimmung entwickeln kann, sondern ein Allroundtalent in Sachen Zuschauermanipulation ist. Denn das bisher Beschriebene ist zwar ein wichtiger Teil des Filmes, macht aber nur grob ein Drittel der Gesamtlaufzeit aus. Plötzlich ändert sich alles: Genre, Setting, Ausgangssituation – das Verhältnis von erzählter Zeit und Erzählzeit gerät ebenso durcheinander wie die Orientierung generell.

Im Folgenden erzeugt der Film mit seiner unaufdringlichen aber enorm effizient geführten Kamera intensive Nähe, mit seiner Musik Bedrängnis und ein Gefühl von Not und mit seinen Bildkompositionen eine vorbildliche Spannung. Dabei wird die Technik des ersten Filmteils nicht verworfen, sondern erfährt, wie die Handlung selbst, eine prägnante Weiterentwicklung. In Summe ergibt das ein nachdrücklich intensives Schauerlebnis, das sich von Überraschung zu Überraschung hangelt. Einige dieser Überraschungen scheinen erst einmal auf Kosten der Logik zu gehen, können in Summe aber kaum etwas ändern an der starken Sogwirkung, die all die fetten schwarzen Fragezeichen über der Geschichte und an ihren Weggabelungen rotieren, ausstrahlen.
Darüber hinaus steht und fällt der Film nicht mit seiner Auflösung, nicht mit dem unvermeidlichen Twist am Ende. Den gibt es, aber The Signal macht eigentlich die ganze Zeit kein übermäßig großes Geheimnis um die große Antwort, sondern lässt sie an mehreren Stellen bereits anklingen. Wichtig ist nicht das Plot-Point-Wie, sondern das Wie der Art und Weise und dieses kann ganz spoilerfrei mit einem toll! Beantwortet werden.
The Signal liefert eine Bildästhetik, die so verstörend ist, wie die Bildinhalte häufig surreal sind. Anachronismen, bewusste Inkonsistenten in den Figurenhandlungen und Unsicherheiten bezüglich des Wahrheitsgehalts der Bilder kreieren eine beunruhigende, aber auch einnehmende Stimmung.
Darüber hinaus fügt sich vieles erschreckend sauber zusammen und auch nach anfänglichen Zweifeln muss eingestanden werden, dass sehr viele vermeintlich unlogische Begebenheiten rückblickend Sinn machen, ohne dass alles zu sehr auf ein Deus-Ex-Machina-Ende hinausläuft. Sogar die kleinen Ungereimtheiten, die nur bestimmten Fachmännern für Technik oder Autos auffallen dürften, können schlüssig erklärt werden. Und das zeugt von einer Detailliebe und einem Ernstnehmen der eigenen Geschichte, die Filmen, die weit teurer sind als die 4 Million Dollar, die The Signal kostete, in ihrer Routine fehlen.

Fazit

Nach seinem erfolgreichen Erstling Love kann mit William Eubank mit The Signal den Eindruck, ein absolut vielversprechendes Licht am Sci-Fi-Himmel zu sein, massiv untermauern. Wie schon Love scheint die Geschichte auf den ersten und vielleicht auch zweiten Blick gar nicht so originell zu sein, lässt bei einer genaueren Rückbetrachtung aber zahlreiche kluge Entscheidungen erkennen und bietet in Folge genug interessante Ansätze, um prompt eine zweite Sichtung zu starten.
Die elegant eingeführten Figuren taugen dabei bestens als Leitfaden durch diese toll gefilmte, mit zahlreichen surrealen Elementen garnierte, wendungsreiche und sehr atmosphärische Geschichte.

Das zehnte Opfer

Wie die meisten Filme Elio Petris ist auch Das zehnte Opfer ein zu Unrecht vergessener Klassiker, welcher nicht nur wegweisende Impulse des Science-Fiction-Kinos vorwegnahm, sondern auch damit glänzen kann, auch heute noch ungetrübtes Vergnügen zu bereiten.


Leben Sie gefährlich, aber gesetzestreu.

Story

Abbau allgemeiner Aggression mit wirtschaftlichem Zugewinn. Mit der Erfindung einer Spielshow namens „Die große Jagd“ werden per Losverfahren eines Supercomputers in Genf Jäger- und Opferrollen an die Mitspieler verteilt. Jedem Jäger wird ein Opfer zugeteilt, welches es zu töten gilt. Die Aufgabe des Opfers ist nicht nur, zu überleben, sondern auch seinen Jäger zu identifizieren und dann selbst zum Jäger zu werden. Der Überlebende kommt in die nächste Runde. Gewinner ist, wer am Ende 10 Opfer auf dem Gewissen hat. Er wird Dekaton – ihm werden höchste Ehren zuteil. Eine Million Dollar gibt es obendrauf.
Betrachtet wird das Spektakel von Zuschauern aus aller Welt auf ihren TV-Bildschirmen.
Mit Carlonie Meredith (Ursula Andress, James Bond jagt Dr. No) und Marcelle Poiletti (8 1/2) stoßen in Rom zwei Kontrahenten aufeinander, die beide höchste Siegeschancen haben.
Und das Katz-Und-Maus-Spiel durch die Großstadt beginnt.

Kritik

Elio Petri war eigentlich immer auf irgendeine Weise revolutionär, trotzdem ist der linke Filmemacher in Deutschland nahezu vollkommen unbekannt.In diesem Fall: Eine dystopische Mediensatire, die davon erzählt, dass sich Menschen gegenseitig für die Einschaltquoten meucheln – noch lange vor Stepen Kings Todesmarsch (1982), dessen Verfilmung Running Man (1987, mit Arnold Schwarzenegger) und der traurigen Reality-TV-Realität, in der wir heute darben (2015, auch mit Arnold Schwarzenegger).
Nur dass Das zehnte Opfer vom Grundton her ein ganz offen ausgelassener Film ist, der mit exzentrischen Figuren (der Moderator der Show erinnert an Salvador Dali), grooviger Musik zwischen Strand- und Agentensoundtrack, kauzigen Teilnehmern und eigenwilligen Ideen, die Reih um Reih aus der Diegese tänzeln, zwar ein nihilistisches Zukunftsbild zeichnet, diese Zukunft aber nicht fürchtet, freiheraus belächelt. Nicht umsonst bediente sich z.B. Austin Powers ganz offen an Petris Sci-fi-Farce.
Inhaltlich stellt sich diese Entscheidung als weise heraus, denn nur so können das absurde Potenzial der zugrundeliegenden Idee und die bizarren Auswüchse gesellschaftlichen Verlangens dargestellt werden, ohne dass nicht sie lächerlich wirken, sondern der Film selbst.
Die meisten Witze speisen sich aus in Absurde getriebenen Übersteigerungen kultureller Phänomene. Ramsch ist teuer, Kunst so abstrakt, dass sie lächerlich wirkt und Mode bis zum Gähnen exzentrisch. Das etwas Überraschende: Dieser Humor steht der Groteske gut zu Gesicht, die lebt von ihren wilden schillernden Einfällen.
Wirklich beachtenswert ist der inszenatorische Einfallsreichtum des knallbunten Films. Besonders die elaborierte Splitscreen-Technik, die in dieser Form eigentlich noch gar nicht etabliert war, bleibt nachdrücklich als prägendes Merkmal im Gedächtnis.
Wie in den meisten Dystopien der 70er passiert das verachtenswerte Spektakel, um den Aufstand der großen Massen zu verhindern, weil durch die öffentliche Hinrichtung mit Spielcharakter – Heil Cäsar! – jedes Verlangen nach Gewalt befriedigt werden soll. Kopf der Sache ist ein Supercomputer in Genf, der atonal und mechanisch-stockend die Namen von Opfern und Tätern verliest.THX 1138 lässt grüßen.

Manchmal treibt der Stilregen von Das zehnte Opfer es aber auch zu bunt. Gerade die Omnipräsenz des Gedudels und Geklimpers, die anfangs noch sehr cool ist, zerrt dann und wann an den Nerven, was gerade dann auffällt, wenn der Film sie kurz weglässt.
Auch braucht man eventuell ein wenig, um seinen ganz persönlichen Gefallen an dem Film zu finden. Denn vor allem in der ersten Hälfte ist die eigentliche Erzählung nur mäßig spannend. Stattdessen sind es die kuriosen Triebe der verrohten Gesellschaft in ihrem funkelnden Putz, für die sich der Film immer wieder tolle Möglichkeiten ausdenkt, in Erscheinung zu treten. Ironischerweise ist es die Lust am Schauen, die das Gefallen lange Zeit lotst – in einem Film, der genau dieses Sensationsverlangen anprangert.
Im letzten Viertel nimmt dann aber auch die Handlung plötzlich rasant an Fahrt auf und wartet mit einer weiteren Sache auf, die 1965 keinesfalls der Normalfall gewesen ist: Einem ganzen Festtagsumzug an Storytwists.

Fazit

Das zehnte Opfer ist Film, bei dem vor allem das Entdecken und Schauen Spaß bereitet, während die Geschichte selbst erst recht spät Spannung entwickelt. Neben der schillernden Art, die Zukunft mit vielfachem Augenzwinkern zu erdenken, ist gar nicht genug hervorzuheben, wie frisch sich der frühe Science-Fiction-Film gehalten wird, wie bitterböse zynisch sein Subtext ist und wie richtungsweisend die technische Ausführung.